SoSe15_Keil_am rand des landes

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AM RANDE DES LANDES Schwimmende Alternativen für Küstenstädte zwischen Urbanisierung und Klimawandel




Masterthesis

Am Rande des Landes Schwimmende Alternativen für Küstenstädte zwischen Urbanisierung und Klimawandel

Verfasserin: Lea Keil

Erstprüfer: Prof. AA Dipl. Kazu Blumfeld Hanada Zweitprüfer: Prof. Dipl.-Ing. Joachim Schultz-Granberg

msa | muenster school of architecture

Münster, Februar 2018

Copyright © Lea Keil 2018 Die Inhalte der Masterthesis sind urheberrechtlich geschützt. Die Inhalte dürfen weder ganz noch teilweise ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Urhebers vervielfältigt und / oder veröffentlicht oder in einem Informationssystem gespeichert werden.



INHALT

1 Umriss

12

2

Globale Entwicklungen

18

Klimaveränderungen

20

Populationswachstum

42

Urbanisierung

56


3

Leben hier und dort

68

Länder der Ersten Welt Informeller Urbanismus Mobilität Urbane Nomaden

70 74 78

Entwicklungsländer Informeller Urbanismus Mobilität Urbane Nomaden

82 86 92

4

Aquatische Realitäten

100

Beweggründe für das Bauen zu Wasser

102

Schwimmen vs. Aufschütten

108

Rechtliche Grundlagen in Deutschland und Nigeria

112


INHALT

5

Aquatische Visionen

5.1 GEDACHT

124

128 136 146 152 160

Entwicklungsländer TD Architects

168

5.2 GEMACHT

178

Länder der Ersten Welt Marlies Rohmer Bjarke Ingels Group Seasteading Institute

180 192 198

Entwicklungsländer Uros Indios NLÉ Architects Waterstudio NL

Case Study

238

Translation

240

6.1

246

124

Länder der Ersten Welt Kenzo Tange Kiyonori Kikutake Archigram Van den Broek und Bakema 1111 Urban Design Studio

6

210 216 226

Standort und Bevölkerung

6.2 Konzeption

288

6.3 Prototypen

318

Wohneinheit Sanitäreinheit Solarfeld Gesundheitszentrum Gemeindezentrum Schule und Computerraum Urbane Möbel

318 340 346 352 358 368 374


Quellenverzeichnisse

400


UMRISS


1


Abb. 001

Stadtentwicklung von Kßstenstädten im Spannungsfeld


Zwischen Urbanisierung und Klimawandel Der Anstieg des Meeresspiegels und die stetigen Prozesse der Urbanisierung gaben den Anstoß, mich mit schwimmender Architektur und seinen sozio-ökonomischen und physischen Möglichkeiten zu beschäftigen. Die globalen Entwicklungen von Klimawandel, Urbanisierung und gleichzeitigem Populationswachstum erhöhen den

Handlungsdruck auf die

Städte an den Küsten der Weltmeere. Während die Weltbevölkerung rapide wächst, findet der größte Teil dieses Wachstums dabei in städtischen Gebieten statt, wovon die meisten seit jeher aus logistischen Gründen wassernah gelegen sind. Das erste Kapitel dieser Arbeit gibt einen Überblick über die klimatischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte, und wie diese vor allem Küstenstädte betreffen. In den Städten der Entwicklungsländer werden die Entwicklungen von Klimawandel und Urbanisierung oft von der Bildung und der Expansion informeller Siedlungen begleitet. Daher folgt in Kapitel 3 die Gegenüberstellung der Themen der Informalität, Mobilität und urbanen Nomadentums derzeitigen städtischen Lebens in Ländern der Ersten Welt und

12 13


Abb. 002

Hula - What If You Fly, 2016


Entwicklungsländern. Die in den „informellen Städten“ lebenden Bevölkerungen der zumeist wirtschaftlich weniger entwickelten Länder, wird den Menschen der technisch hochentwickelten Ersten Welt gegenübergestellt, genauso wie ihre Bedürfnisse, Entwicklungen und strukturelle Vor- und Nachteile. Erkenntnisse aus dieser Gegenüberstellung sollen dazu beitragen, einen Ansatz für die Modernisierung und Erweiterbarkeit von wassernahen städtischen Gebieten zu entwickeln, der der Vielfalt und Dynamik dieser urbanen Areale Rechnung trägt. Das vierte Kapitel behandelt die derzeitigen äußeren Umstände und Beweggründe des Bauens auf dem Wasser und porträtiert Vor- und Nachteile dieser Methode. Im anschließenden Kapitel wird beleuchtet, wie sich die Entwicklungen im wasserbasierten (Im-)Mobiliensektor in gedachten und gebauten Projekten auf dem Wasser niederschlagen. Für eine praxisnahe Annäherung wird eine Casestudy für ein Slum in Lagos, Nigeria durchgeführt. Der entworfene Ansatz soll den informellen Charakter von Slums berücksichtigen, sowie dauerhafte Verbesserungen der Lebenssituation liefern. Die Casestudy wird bewusst in einem stark wachsenden, urbanen Gebiet eines Entwicklungslandes mit wenig verfügbaren Mitteln und elementaren Ansprüchen an Architektur gewählt. Die entstehenden Strukturen können dann für höher entwickelte Gebiete technologisch weiter aufgestockt oder für ein größeres Bugdet ausgebaut werden.

Das Ziel ist ein Konzept, das durch einfache Anpassungen und

gezielte Ausbaumaßnahmen an die Anforderungen verschiedener urbaner Umfelde, einen Lösungsansatz für wassernahe städtische Gebiete liefern kann.

14 15


GLOBALE ENTWICKLUNGEN


2



Während immer mehr Menschen auf dem Planeten leben, ziehen weiterhin viele in die Städte. Die rasante Urbanisierung vieler Metropolen führt zu ungleichen Entwicklungen für die Bevölkerungen. Einkommensunterschiede, sozioökonomische Spaltungen und räumliche Ungleichheiten nehmen in den wirtschaftlich starken Weltstädten gleichermaßen dramatisch zu wie in den aufstrebenden Megacities der Entwicklungsländer. Viele der größten Städte liegen dabei an den Küsten der Weltmeere und sind damit von den Folgen der klimatischen Veränderungen, insbesondere des steigenden Meeresspiegels direkt bedroht. Vor dem Hintergrund der extreme Urbanisierung bedeutet das, dass immer mehr Menschen vom Klimawandel bedroht sind. Das Kapitel gibt einen Überblick über die globalen Entwicklungen, die die Bedingungen für die Menschen insbesondere in Küstenstädten verschärfen.

18 19


Abb. 003

Jill Pelto - Cimate Change Data


Klimatische Veränderungen Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) oder auch der „Weltklimarat“ existiert seit 1988. Zur Zeit sind 195 Regierungen Mitglieder des Auschusses. Er verfasst sogenannte „Sachstandsberichte“ in Zusammenarbeit mit tausenden Wissenschaftlern aus aller Welt. Diese gelten in der Wissenschaft als glaubwürdige und fundierte Darstellung der Klimaentwicklung und seiner Folgen. Der fünfte und neueste Bericht erschien am 30. Januar 2014. Laut James Hansen, Klimaforscher und Professor für Erd- und Umweltwissenschaften an der Columbia University und 18 weiteren Wissenschaftlern, ist der Sachstandsbericht des IPCC von 2014 nicht komplett. In einem von ihm mitverfassten Artikel im Fachmagazin „Atmos. Chem. Phys.“ von 2016 erklären die Autoren, dass sie mit deutlich dramatischeren Veränderungen, als in den Prognosen des IPCC angegeben, rechnen.

20 21



Intergovernmental Panel On Climate Change Die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche ist von 1880 bis 2012 um 0,85°C angestiegen.1 Extreme Wetterereignisse haben zugenommen und werden weiterhin häufiger und länger andauernd auftreten.2 Darüberhinaus hat sich der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt. Nahm er von 1901 bis 2010 noch ca. 1,7 mm/Jahr zu, waren es von 1993 bis 2010 schon 3,2mm/Jahr. Die Tendenz ist steigend.3 Am stärksten wird der weltweite Anstieg des Meeresspiegels von den Vorgängen im Bereich des grönländischen und des antarktischen Eischildes verursacht. Von 2002 bis 2011 verloren sie im Durchschnitt jährlich 362 Milliarden Tonnen. Im extremsten Fall nimmt das Volumen der Gletscher bis Ende des Jahrhunderts um 35 – 85% ab.4 Dabei ist mit größter Sicherheit der menschliche Einfluss die Hauptursache für die seit 1950 beobachtete globale Erwärmung.5 1 2 3 4 5

Vgl. IPCC, 2014, S. 2 Ebd., S. 74 Ebd. S. 42 Vgl. IPCC, 2014, S. 77 Ebd. S. 48

22 23


Abb. 004 Das Nildelta in Ă„gypten heute.

Âą0,0 Abb. 005 Das Nildelta bei einem Meeresspiegelanstieg von 1 m.

+1m Abb. 006 Das Nildelta bei einem Meeresspiegelanstieg von 5 m.

+5m


Für den Anstieg der Temperatur der Erdatmosphäre gibt es zwei Szenarien: RCP 2.6: ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen werden ge-

troffen

RCP 8.5: es werden keine weiteren Klimaschutzmaßnahmen

getroffen und die Emission von Treibhausgasen

steigt weiter an RCP 8.5 geht von einem Temperaturanstieg von 2016 bis 2100 von 3,3 – 5,5°C aus. Dies würde einen Anstieg des Meeresspiegels von 45 bis 98 cm bedeuten. Dazu kommen mögliche Zusammenbrüche von Eisschilden, die zu einem zusätzlichen Anstieg um einige 10 cm führen. Auch nach 2100 wird der Anstieg des Meeresspiegels noch für einige Jahrhunderte weitergehen.6

Zentrales Thema des Sachstandsberichtes des IPCC ist die Veränderung von Meeresströmungen durch die Erwärmung des Ozeans in den oberen Schichten einerseits und die Abkühlung des Oberflächenwassers durch schmelzende Eisschilde andererseits. Er geht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass sich dadurch der AMOC (atlantische meridionale Umwälzzirkulation), zu der auch der Golfstrom gehört, abschwächen wird. Bei weiterer Zunahme der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre kann der Anstieg bis zum Jahre 2300 auch mehr als 3m betragen.

Die Meeresströmungen beeinflussen zudem die physikalischen,

chemischen und biologischen Eigenschaften der Ozeane. Durch den Klimawandel werden die marinen Ökosysteme verändert. Das Fangpotential von Fisch und wirbellosen Tieren wird sich ändern und die Lebensmittelsicherheit in den Tropen beeinflussen. 7

6 7

Vgl. IPCC, 2014, S. 8 - 20 Ebd., S. 64

24 25


Abb. 007 Die Grafik zeigt die Umwälzströmungen der Meeresschichten zwischen dem grönländischen und dem antarktischen Eisschild.


James Hansen Auch in diesem Bericht sind der grönländische und der antarktische Eisschild die ausschlaggebenden Aktiva. Jedoch wird hier von einer Ungenauigkeit in den Modellen, die das IPCC und auch die Forscher um Hansen selbst verwenden ausgegangen. Die Durchmischung der Ozeane gehe daher in Wirklichkeit langsamer von statten als in den genannten Modellen. Außerdem gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Großteil des Schmelzwassers von den Eisschilden kommt. Diese werden jedoch in den Satellitenmessungen, die für die Sachstandberichte verwendet werden, nicht berücksichtigt.1

Normalerweise sinkt das schwere, salzige Wasser um die Ant-

arktis ab und bildet Antarktisches Bodenwasser (AABW) und bringt relativ warmes Wasser an die Oberfläche, wo es Wärme in die Atmosphäre freigibt. Das Schmelzwasser der Eisschilde und Gletscher reduziert die Dichte des Oberflächenwassers, wie auch das Absinken von Wasser in die Tiefsee. Dadurch erhöht sich die Temperatur des Ozeanwassers in der Tiefe der Eisschilde, was diese wiederum schneller zum Schmelzen bringt 1

Vgl. Hansen, 2016

26 27


Abb. 008 Szenarien des Meeresspiegelanstiegs und der Eisschildschmelze nach James Hansen. 9

7

Schmelzfluss (Sv)

7

Meeresspiegel-Anstieg (m)

Verdopplung alle 5 Jahre Verdopplung alle 10 Jahre Verdopplung alle 20 Jahre

8

6 5 4 3

6

Verdopplung alle 5 Jahre Verdopplung alle 10 Jahre Verdopplung alle 20 Jahre

5 4 3 2

2 1

1 0 2000

2020

2040

2060

2080

2100

2120

2140

2160

0 2000

2020

2040

2060

2080

2100

2120

2140

2160


(Abb. 007). Dies führt auch dazu, dass der Wasserdampf über dem Meer nicht die Gletscher erreicht, sondern vorher kondensiert. Dadurch wird den Gletschern durch den fehlenden Eintrag von Niederschlägen in Form von Schnee ihr Wachstumsfaktor genommen.2 Durch diese Phänomene würde die Temperatur auf der Erdoberfläche zunächst im extremsten Fall um ca. -1,5°C bis 2060 sinken, um dann rasant anzusteigen. Im Gegensatz zum IPCC gehen James Hansen und seine Co-Autoren davon aus, dass das Schmelzen der Eisschilde nicht in einer linearen Weise verlaufen wird, sondern in einem exponentiellen Modus. Hierfür gibt es Szenarien für eine Schmelzfluss-Verdopplung alle 5, 10 und 20 Jahre (Abb. 008). Tritt der Fall ein, dass die Geschwindigkeit des Schmelzvorgangs sich alle 5 Jahre verdoppelt, ist mit dem Anstieg Meeresspiegels um einen Meter bereits ca. 2050 zu rechnen. Die 5-Meter-Marke wäre dann bereits schon vor 2060 erreicht. Für die 20-Jahr-Verdopplung, würde die 1-Meter-Marke ca. 2110 erreicht werden. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, würde ein anzunehmender Meeresanstieg um einen Meter weltweit 360.000 Küstenkilometer betreffen.3

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die Prognosen weder eindeutig, noch sicher sind. Geht man jedoch vom extremsten Fall aus und davon, dass auch weiterhin keine hinreichenden Klimaschutzmaßnahmen getroffen werden, wird der Meeresspiegel bereits im Jahre 2050 um einen Meter gestiegen sein.

2 Vgl. Hansen, 2016 3 Ebd.

28 29



Betroffene Gebiete Der Klimawandel betrifft die verschiedensten Regionen der Erde auf unterschiedlichste Art und Weise. Nicht nur Überschwemmungen sind die Konsequenz, sondern auch sich daraus ergebende politische wie soziale Negativ-Entwicklungen in bestimmten Gebieten. Oftmals resultiert daraus auch die Migration großer Bevölkerungsgruppen. Von signifikantem, andauerndem Verlust von Staatsterritorium betroffene Gebiete Einige Staaten haben aufgrund von Landverlusten und der Versalzung der Küstenregionen bereits begonnen, Bewohner permanent umzusiedeln. Andere Länder schließen eine permanente Umsiedlung ihrer Bevölkerungen oder zumindest großer Teile nicht aus. Die südpazifischen Inselstaaten (Carteret-Inseln, Kiribati, die Malediven, die Marshall-Inseln, Palau, die Salomon-Inseln, Tokelau, Tuvalu und Vanuatu) werden inzwischen bereits als „Sinking Islands“ bezeichnet, aber auch tief liegende Küstenregionen in Alaska und am Golf von Bengalen werden möglicherweise von

30 31


kleine Inseln des Pazifischen Ozeans

Abb. 009 Besonders gefährdete Küsten- und Inselregionen der LECZ.

Karibik

gefährdete Inselregionen

gefährdete Küstenregionen

kleine Inseln des indischen Ozeans


diesen Entwicklungen betroffen sein.1 Dürrezonen Die Niederschläge werden durch den Klimawandel in den Subtropen weiter abnehmen. Insbesondere die nord- und subsaharischen Staaten Afrikas, der Nahe und Mittlere Osten, die ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken in Zentralasien sowie Südostasien und weite Teile Nordchinas sind bereits heute vom Süßwassermangel betroffen. Zahlreiche Gebiete werden künftig mit Süßwassermangel zu kämpfen haben. Dürren, Wüstenbildung und der damit verbundene Rückgang der landwirtschaftlichen Erträge werden zukünftig zu den stärksten Faktoren gehören, die Menschen aus Trockengebieten in andere Regionen wandern lassen werden. Der Wassermangel wird Schwierigkeiten in der Trinkwasserversorgung, Ernteverluste, Gesundheits- und Hygieneprobleme mit sich bringen.2 Für Ressourcenkonflikte anfällige Regionen Der Klimawandel kann neben Emigrationsbewegungen auch zu Konflikten um Ressourcen führen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) stellt fest, dass im Bereich der möglichen klimabedingten Konflikte die Schwerpunktregionen in Afrika, Asien und Lateinamerika liegen. Der Rückgang kultivierbarer Ackerflächen und Wasservorräte, der durch die Klimaveränderungen bedingt wird trifft dort eine Bevölkerung mit einem wachsenden Anteil Jugendlicher, die auch heute schon häufig in die Städte abwandern. Dies führt zu religiösen, ethnischen und zivilgesellschaftlichen Konflikten.3 Egal welchen Auslöser möglicher klimabedingter Migration man näher untersucht, am stärksten betroffen werden die kleinen Inselstaaten sowie 1 2 3

Vgl. Kelman, 2015 Vgl. Millenium Ecosystem Assesment, 2005, S. 27, 28 Vgl. Clark, 2008, S. 2

32 33


Abb. 010 Der Kurzfilm „two°C“ von Maxime und Menilmonde zeigt das Szenario des vollständig überfluteten New York City.


die LDCs (Less Developed Countries) und LLDCs (Least Delevoped Countries) Afrikas und Asiens sein. Selbst wenn nur wenige Prozent der vom Klimawandel betroffenen Menschen zu Klimamigranten werden, erreicht ihre Zahl eine ähnliche Größenordnung wie die Zahl der aktuellen Flüchtlinge und Binnenvertriebenen (Stand 2015: ca. 65,3 Millionen).4 Überschwemmungsgebiete Betroffen wären neben den kleinen Inselstaaten auch die Küstenregionen weltweit. Ungefähr zwei Drittel der Weltbevölkerung leben nicht weiter als 100 km von den Meeresküsten entfernt, und allein in den Gebieten, die maximal zehn Meter über dem Meeresspiegel liegen, der sog. Low Elevation Coastal Zone (LECZ), lebt mit 634 Mio. Menschen knapp ein Zehntel der aktuellen Weltbevölkerung, davon allein 360 Mio. in küstennahen Großstädten (bzw. 13% der weltweit in Städten lebenden Bevölkerung)( Stand 2000). Eine Prognose aus dem PLOS-one-Magazin vom März 2015 sagt für das Jahr 2030 eine Zahl von ca. 840. Mio. Menschen voraus, die in der LECZ leben werden.5 Die meisten Personen in dieser vom ansteigenden Meeresspiegel betroffenen Zone leben in Entwicklungsländern in Asien und Afrika. Auch Weltmetropolen wie New York City, Hongkong, Mumbai und Tokio liegen im gefährdeten Radius. Neben den kleinen Inselstaaten sind insbesondere die dicht besiedelten und stark urbanen Deltas und Küstengebiete in Asien und Afrika einem erhöhten Überschwemmungsrisiko ausgesetzt6. Nicht alle Menschen in den LECZ werden ihren Wohnort verlassen müssen, aber diejenigen in den küstennahen und tief liegenden Gebieten sind 4 5 6

Vgl. UNHCR, 2017, S. 15 -18 Vgl. Neumann, 2015 Vgl. Balk, 2008

34 35



vom Meeresspiegelanstieg akut gefährdet. Einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zufolge, leben in den Küstengebieten, die weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel liegen, bereits jetzt etwa 200 Mio. Menschen. 30 der 50 größten Städte der Welt liegen direkt an einer Meeresküste. Bei einem Anstieg um nur einen Meter wären der Studie zufolge das Nildelta Ägyptens und knapp ein Fünftel Bangladeschs (mit 35 Mio. Einwohnern) besonders betroffen, aber auch große Gebiete von Suriname, Guyana, Französisch-Guayana, den Bahamas, Benin, Mauretanien, Tunesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Pakistan, Indien, Vietnam und China.7 In Europa wären schätzungsweise 13 Mio. Menschen von einem Meeresspiegelanstieg um einen Meter bedroht (insbesondere in den Niederlanden und Dänemark), in den deutschen Überflutungsgebieten circa 3,2 Mio.8

7 8

Vgl. Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, 2017, S. 86, 113 Vgl. Bojanowski, 2016

36 37


Niederlande Seit jeher kämpfen die Niederlande mit dem Wasser. Durch ihre tiefe Küstenlage sind die Niederlande potenziell stark vom Meeresspiegelanstieg betroffen. Ein Viertel der Landesfläche liegt unterhalb des Meeresspiegels Um Landmassen zu gewinnen wurden bereits 500 v. Chr. die ersten Deiche gebaut. Die Sicherung der Westküste kostete allein fast 5 Milliarden Euro. Die Niederlande verfügen über schätzungsweise 3.500 Polder: Areale, die niedriger als das umgebende Wasser gelegen sind und von Wasserbarrieren geschützt werden, meistens in Form von Deichen. Das Einpoldern ist keine einmalige Maßnahme. Jeder Polder muss kontinuierlich drainiert werden, 24 Stunden am Tag.1 Wenn es keine Deiche gäbe, würde ein Drittel der Niederlande unter Wasser stehen.2

Bei akuter Sturmgefahr können tonnenschwere Schutzschilder

aufgestellt werden. Das Land wir durch permanente Satellitenüberwachung frühzeitig vor Unwettern und Naturkatastrophen gewarnt.

Durch alle diese Schutzmaßnahmen sind nur rund 1% der ge-

samten Landesfläche und mit ihr und 24.000 Menschen gefährdet. Das 1 2

Vgl. Olthuis und Keuning, 2010, S. 148 - 149 Ebd., S. 146


Schutzgefühl in der niederländischen Bevölkerung ist hoch. Trotzdem werden beim weiteren Anstieg des Meeresspiegels in Zukunft noch stärkere Deiche und breitere Dünen benötigt werden.3 Die organisatorische Umsetzung solcher Maßnahmen ist klar geregelt: die durch die Bevölkerung gewählten und finanzierten Wasserämter werden durch das Verkehrs-, Infrastruktur- und Wasserwirtschaftsministerium unterstützt.4

Somit sind die Niederlande von den drohenden Wassermassen

zwar betroffen aber auch weitestgehend gut geschützt.

3 4

Vgl. Butzengeier und Horstmann, 2003, S. 4 Ebd., S. 5

38 39


Bangladesch In Bangladesch stellt der weitere Anstieg des Meeresspiegels für viele Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Hier sind die Küste und die Gebiete an den Flüssen Brahmaputra, Ganges und Meghna außerordentlich gefährdet. Die Lage spitzt sich hier nicht nur durch den steigenden Meeresspiegel zu, sondern zusätzlich durch starke Monsunregen und tropische Wirbelstürme. Bangladesch besitzt keinerlei Schutz durch Deiche. Bei einem Meeresspiegelanstieg um 1m käme es zu einer dauerhaften Überschwemmung von bis zu 30.000 km2, was über einem Fünftel der gesamten Landesfläche entspricht. Dabei würden ca. 10 bis 15 Millionen Menschen ihre Heimat verlieren.1

Dazu kommt die außerordentlich hohe Besiedelungsdichte mit

durchschnittlich 1071 Einwohnern/m2. Damit ist eine Rückzugsstrategie in höher gelegene Gebiete oft unmöglich. Oftmals werden Hauser auf Erdwällen gebaut, um einen Mindestschutz vor Überflutungen zu gewährleisten. Diese sind jedoch hochgradig erosionsgefährdet. Der Bau von Deichen würde durch die extreme Höhe von Flutwellen eine 1

Vgl. Butzengeier und Horstmann, 2003, S. 6


enorme Höhe annehmen müssen. Dazu mangelt es an finanziellen und technischen Mitteln, auch wenn sich die Zusammenarbeit mit internationalen Geldgebern intensiviert hat. Durch Hilfsorganisationen wurden in den frühen 90er Jahren behelfsweise Schutzräume auf 5m hohe Betonpfähle gestellt. Dadurch konnte die Zahl der Opfer der letzten großen Sturmflut 1995 niedrig gehalten wwerden. Ernten, Infrastruktur und Unterkünfte konnten jedoch nicht gerettet werden.2 Für die Bevölkerung Bangldeschs sind Überschwemmungen Teil des alltäglichen Lebens.3

2 3

Vgl. Butzengeier und Horstmann, 2003, S. 7 Ebd., S. 5

40 41


Abb. 011 Bevรถlkerungswachstum von 2015 bis 2100 in Prozent


Populationswachstum Küstengebiete haben Menschen schon immer wegen ihrer reichhaltigen Ressourcen angezogen; aus logistischen Gründen, da sie Zugangspunkte zum Seehandel und -transport bieten; für Freizeit- oder Kulturaktivitäten; oder schlichtweg wegen des besonderen Gefühls an der Schnittstelle zwischen Wasser und Land zu leben. Die Entwicklung und Nutzung der Küstengebiete hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen, die Küsten erleben enorme sozioökonomische und ökologische Veränderungen. Darüber hinaus weisen Küstengebiete markante Muster von Bevölkerungsstrukturen und -entwicklung auf, die teilweise mit dem globalen Trend von Wachstum und Urbanisierung verbunden sind.

42 43


Abb. 012 Zuwachs der Weltbevรถlkerung pro Zeiteineit im Jahr 2017

+ 157 Pro Minute

1

+ 226.184

Pro Tag

2000 + 82.557.224 Pro Jahr

Abb. 013 Prognose des Bevรถlkerungszuwachsverlaufs

16,6 Mrd 17

hohe Variante mittlere Variante niedrige Variante

2011: 7 Mrd 1999: 6 Mrd 1987: 5 Mrd 1974: 4 Mrd 1960: 3 Mrd

1927: 2 Mrd 1800: ca. 1 Mrd

16 15 14 13 11,2 Mrd 12 11 10 9 8 7 7,2 Mrd 6 5 4 3 Prog nose 2 1 0

1800 1825 1850 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025 2050 2075 2100


Global Über 7,55 Milliarden Menschen leben zur Zeit auf der Erde, um die Hälfte mehr, als nur dreißig Jahre zuvor. Im Jahr 2055 leben voraussichtlich schon zehn Milliarden Menschen auf der Welt. Bei völlig unveränderter Entwicklung würden es bis zum Jahr 2100 sogar rund 17 Milliarden Menschen sein. Wegen der sinkenden Geburtenraten ist die Entwicklung jedoch nicht ungebremst. Bekam eine Frau um 1950 im weltweiten Durchschnitt fünf Kinder, waren es zwischen 1990 und 1995 durchschnittlich noch drei, heute nur noch 2,5 Kinder. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Geburtenrate bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2 Kinder pro Frau sinken könnte. Damit wäre die sogenannte „Erhaltungsrate“ erreicht.1 Eine europäische Frau bekommt im Durchschnitt nur 1,6 Kinder. In Entwicklungsländern ist die Geburtenrate deutlich höher. In ärmeren Regionen der Welt, z.B. in den südlich der Sahara gelegenen Ländern Afrikas, bekommen Frauen im Durchschnitt fünf Kinder. Das liegt daran, dass in diesen Regionen der Kinderreichtum noch als Altersabsicherung gilt und Frauen sehr jung zu Ehefrauen und Müttern werden. Zwar 1

Vgl. BR Wissen, 2017

44 45


Abb. 014 Die Anordnung der Länder ist nach der Bevölkerungszahl im Jahr 2017 sortiert. Für jedes Jahr werden die jeweils zehn bevölkerungsreichsten Länder gezeigt. Eine Zelle ohne Wert bedeutet, dass das entsprechende Land im jeweiligen Jahr nicht zu den zehn Ländern mit der größten Bevölkerungszahl weltweit gehörte. Die Angaben basieren auf der mittleren Berechnungsvariante der Fertilität.

1950

2000

2017

2050

2100

China

544

1.283,2

1.409,52

1.364,46

1.020,67

Indien

376

1.053,05

1.339,18

1.658.98

1.516,6

USA

158

281,98

324,46

389,59

447,48

Indonesien

73

211,54

263,99

321,55

306,03

Brasilien

54

175,29

209,29

232,69

-

Pakistan

-

138,52

197,02

232,69

351,94

Nigeria

-

122,35

190,89

410,64

793,94

Bangladesch

-

131,58

164,67

201,93

-

Russland

103

146,4

143,99

-

-

Mexiko

-

-

129,16

-

-

-

-

-

197,4

378,98

Japan

82

127,53

-

-

-

Deutschland

70

-

-

-

-

Tansania

-

-

-

-

303,83

Italien

46

-

-

-

-

51

-

-

-

-

Uganda

-

-

-

-

213,76

Äthiopien

-

-

-

190,87

249,53

Dem. Rep. Kongo

Großbritannien


sinkt auch in Afrika die Geburtenrate, jedoch viel zögerlicher. Daher wird vor allem in den Entwicklungsländern die Bevölkerung weiter wachsen.2 Die Statistik (Abb. 014) zeigt die zehn Länder mit der jeweils größten Bevölkerungszahl in den Jahren 1950 und 2000 sowie entsprechende Prognosen für 2017, 2050 und 2100. Im Jahr 2017 ist China mit rund 1,41 Milliarden Einwohnern das Land mit der weltweit größten Bevölkerungszahl. Im Jahr 2100 hingegen wird laut der Prognose Indien mit rund 1,52 Milliarden Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat der Welt sein.

2

Vgl. BR Wissen, 2017

46 47


1.400

Gesamte Population der LECZ (Mio.)

Abb. 015 Szenarien fĂźr die BevĂślkerungsentwicklung in den LECZ

1.200 1.000 800 600 400 200

2000 Basis

2030

2060 Szenario A

2030

2060 Szenario B

Afrika

Asien

Europa

Latein-Amerika und Karibik

Nord-Amerika

Ozeanien

Global


In den Low Elevation Coastal Zones Als Low Elevation Coastal Zones (LECZ) bezeichnet man die Regionen, die maximal 10 Meter über dem Meeresspiegel liegen. Die Küstenzonen sind einer Reihe von Gefahren ausgesetzt, darunter der des Meeresspiegel-Anstiegs und den damit zusammenhängenden Folgen. Gleichzeitig sind sie dichter besiedelt als das Hinterland und besitzen höhere Populationswachstums- und Urbanisierungsraten. Die LECZ nehmen zwar nur rund 2% der Erdoberfläche ein, es leben aber etwa 10% der Weltbevölkerung und 13% der städtischen Bevölkerung in diesen Zonen.1

Für eine Wachstumsprognose wurden auf Basis des Jahres 2000

zwei verschiedene Szenarien für die Jahre 2030 und 2060 berücksichtigt. Szenario A steht dabei für ein niedriges Populationswachstum in allen Ländern. Die Bevölkerung in den LECZ würde hierbei von 635 Mio. (Jahr 2000) auf 879 Mio. bis 2030 und ca. 1,05 Millarden bis 2060 ansteigen. (Abb. 015) Der Anteil der LECZ an der Weltbevölkerung würde in 2060 bei ca. 13% liegen. Für Szenario B wird von den höchsten Wachstumsprognosen ausgegangen. Reiche Ökonomien besäßen hierbei einen mittleren 1

Vgl. Neumann, 2015

48 49


Abb. 016 In Bangladesch leben ca. fĂźnf Mal so viele Menschen auf einem Quadratkilometer wie in Deutschland.

km2

km2


Bevölkerungszuwachs, Entwicklungsländer dagegen einen sehr hohen. In 2030 wären es bereits 949 Mio. Menschen und in 2060 sogar 1,4 Millarden. Von insgesamt 11,3 Millarden Menschen weltweit in 2060 würden demnach ca. 12 Prozent in den LECZ leben.2

Die Mehrheit (83%) der weltweiten LECZ-Bevölkerung lebte

im Jahre 2000 in niedrig entwickelten Ländern. Die durchschnittliche Einwohnerdichte lag bei 241 Einwohnern/km2, was ca. dem fünffachen des globalen Durchschnitts entspricht (47 Einwohner/km2). Die meisten Menschen die in den Low Elevation Coastal Zones leben, leben in Asien und Afrika. China, Indien, Bangladesch, Indonesien und Vietnam und haben heute die größte küstennahe Population.3 Closer Look: Bangladesch Von insgesamt 131,6 Millionen Einwohnern in Bangladesch im Jahr 2000 haben 63 Millionen in Gebieten gewohnt, die als LECZ gelten. In diesem Land umfassen die Regionen, in denen der Meeresspiegel maximal 10 Meter über dem Meeresspiegel über 40% der Landflächen (Im vergleich Indien: ca. 6,1% in 2000). 96% der Einwohner leben vorwiegend in nicht-urbanisierten Gebieten und bei einer Bevölkerungsdichte von 1071/ km2. Dies entspricht ca. der fünffachen Dichte Deutschlands. (230/km2) (Abb. 016). Trotzdem wird die Küstenbevölkerung Bangladeschs wohl wegen den geringeren Populationszuwächsen in nicht-urbanisierten Küstenregionen eher in den unteren Raten der Prognosen wachsen.4

2 Vgl. Neumann, 2015 3 Ebd. 4 Ebd.

50 51


Abb. 017


Klimabedingte Zwangsmigration Migration, oft vorübergehend, manchmal dauerhaft, war immer die herkömmliche Antwort auf die Auswirkungen oder Folgen von Katastrophen. Klimawandel und Wetterextreme sind große Triebwerke für Migration und Flucht. Mit der zunehmenden Konzentration von Bevölkerungen in städtischen Gebieten gibt es ein erhöhtes Migrationspotential aufgrund von Naturkatastrophen.1

Die meisten umweltbedingten Migrationser-

eignisse werden momentan durch akute Naturkatastrophen ausgelöst als durch langfristige Umweltveränderungen, die Grenzen werden sich aber höchstwahrscheinlich in Zukunft verschieben. Einer Studie der NGO Norwegischer Flüchtlingsrat (NRC) zufolge, haben im Jahre 2013 ca. 3 mal so viele Menschen ihr Obdach durch extreme Wetterereignisse verloren wie durch Konflikte. 22 Millionen wurden so aus ihrer Heimat vertrieben. Trotzdem ist die Migration

als Reaktion für die Betroffenen keine Pau-

schallösung.

Wer migrieren will, braucht Ressourcen. Doch gerade diejeni-

gen, die am meisten betroffen sind, verfügen meistens nicht über das aus1

Vgl. Clark, 2008, S. 8 - 9

52 53



reichende Kapital. In Zukunft werden demnach Millionen von Menschen nicht die Möglichkeit haben, zu fliehen, obwohl sie Umweltveränderungen stark ausgesetzt sind.2

Der pazifische Inselstaat Kiribati ist in hohem Maße vom Klima-

wandel bedroht. Er wird wahrscheinlich 2060 bis 2070 im Meer versunken sein. Das Land entwickelt ein Programm, das seine Bewohner auf die drohende Migration vorbereiten soll. Das benachbarte Neuseeland nimmt seit 2016 mehr als rund 100 Übersiedler jährlich auf. Außerdem hat die Regierung Kiribatis mit der der Fidschi-Inseln ausgehandelt, Land zu kaufen, und einen Teil der Bevölkerung dorthin umzusiedeln. Die erste Evakuierung soll 2020 beginnen.3

Die Genfer Flüchtlingskonvention behandelt Menschen, die

aufgrund von Klimawandelfolgen gezwungen sind ihre Heimat zu verlassen nicht als „Flüchtlinge“. Der „Klimaflüchtling“ hat keinen offiziellen Flüchtlingsstatus und besitzt daher keinen Anspruch auf Schutz oder Unterstützung.4 Die UNHCR- Flüchtlingskonvention von 1951 definiert den Flüchtling als eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“.5

2 3 4 5

Vgl. Wirsching, 2015 Vgl. Dehmer, 2016 Vgl. Yarina, 2017, S. 50 Vgl. Genfer Flüchtlingskonvention

54 55


Abb. 018 Die Karte zeigt illegale Umbauten in New York. Die “Hot Spots� befinden sich in abgelegeneren Bereichen von Queens, Brooklyn und der Bronx, wo viele neue Immigranten wohnen.


Ungleiche Urbanisierung Die Verteilung der räumlichen und wirtschaftlichen Ressourcen in den Städten ist zunehmend uneinheitlich. Ebenso wie das Ansteigen des Meeresspiegels, führen Einkommensdiskrepanzen, eine Polarisierung von Wohlstand und Armut zu unterschiedlichen Lebensbedingungen. Bis 1950 lebten noch weniger als 30% der Weltbevölkerung in Städten. Im Jahr 2008 lebten zum ersten Mal in der Geschichte mehr als die Hälfte der menschlichen Bevölkerung in urbanen Gebieten. Bis zum Jahr 2030 werden rund 60% (fast 5 Milliarden Menschen) urbanisiert sein.1 Hochentwickelte Staaten werden bereits zu großen Teilen von Städten dominiert. So leben Menschen in den USA (81%) oder Deutschland (75%) in urbanen Gebieten. Ein Grund dafür ist, dass die ökonomischen Kräfte in Städten enorm groß sind. Die 600 größten Städte der Welt generieren 60% des globalen wirtschaftlichen Durchsatzes. Besonders in Afrika und Asien werden die am schnellsten wachsenden Städte gefunden. Die Bevölkerung von Delhi wuchs 2015 in jeder Stunde 1

Vgl. Gadanho, 2014, S. 16

56 57


Abb. 019 Die Großstädte Asiens und Afrikas erleben den größten Bevölkerungszuwachs. Die meisten der am schnellsten wachsenden Städte liegen unmittelbar an Küsten.


um 79 neue Bürgerinnen und Bürger, Shanghai um 51. In Afrika gab es 1960 eine einzige Millionenstadt. Im Jahre 2015 waren es bereits 33 Millionenstädte. Im Jahr 2050 wird mehr als die Hälfte der Bevölkerung Afrikas, etwa 1,3 Milliarden Menschen, in Städten leben. Um diesen Bevölkerungszuwachs aufzufangen, müssen bis zum Jahr 2050 rund 700 Millionen Wohnungen, ca. 310.000 neue Grundschulen und mehr als 85.000 elementare Gesundheitseinrichtungen eingerichtet werden. Drei Viertel der benötigten Gebäude müssen noch gebaut werden.2

Weltweit wachsen die Städte ungleichmäßig. Einkommensun-

terschiede, sozioökonomische Spaltungen und räumliche Ungleichheiten nehmen in den wirtschaftlich starken Weltstädten gleichermaßen stark zu wie in den aufstrebenden Megacities der Entwicklungsländer. Die Eskalation der Finanzdienstleistungsindustrie in Großstädten hat die Einkommen der oberen Einkommensschichten der städtischen Bevölkerungen erhöht, während sie die „realen Einkommen der Arbeiter mit der geringsten Bildung“ reduziert hat.3 Während es in fast jeder großen Stadt einen chronischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum gibt, sind ihre Skylines mit leerstehenden Wohnungen, die sich im Eigentum von wohlhabenden Investoren befinden, übersät, deren Hauptinteresse eher in der Spekulation mit Immobilienwerten liegt als dort ein sesshaftes Leben zu entwickeln. In New York City, wo die Hälfte der Bevölkerung von weniger als 30.000$ im Jahr leben (im Kontrast zu den obersten 1 Prozent der Bevölkerung, die ein jährliches Durchschnittseinkommen von 3,57 Millionen $ hat (Stand 2012)), kann man nirgends mehr eine 2-Zimmer-Wohnung für die 1.500$ finden, die eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Einkommen von 30.000$ im Monat für eine Wohnung zu Verfügung hat.4 Der Anteil der informellen Subsistenzarbeit an der Gesamtbeschäftigung 2 3 4

Vgl. Hiller, 2017, S. 163 Sassen, 2012, S. 241 - 266 Vgl. Harvey, 2014, S. 29

58 59


Abb. 020 Das Rocinha Slum in Rio de Janeiro beherbergt zwischen 62.000 (letzte offizielle Erhebung) und 250.000 Menschen (Schätzung der Bewohner). Ende 2011 wurde Rocinha wegen der Vorbereitungen auf die Fußball-WM von der Polizei gestürmt und soll dauerhaft von einer Polizeieinheit besetzt werden.


ist sehr groß. Auch wenn heutige Städte zu großen Teilen auf die Niedriglohn-Arbeitnehmer angewiesen sind, um ihre Wirtschaft zu erhalten, fehlt ihnen die Fähigkeit, die schnell wachsende Zahl neuer Stadtbewohner in ihre bestehende formale Struktur zu integrieren. Selten werden in Entwicklungsländern mehr als 20% der benötigten Wohnungen auf dem offiziellen Wohnungsmarkt bereitgestellt.5 Somit dehnt sich die informelle Urbanisierung aus und fördert auf mehr oder weniger sichtbare Weise bestehende Segregationen.6 Die entstehenden städtischen Slums entwickeln ihre eigenen produktiven Strukturen, ihre Bevölkerung ist dennoch oft in einem Zustand chronischer Armut gefangen: Die Bewohner besitzen unangemessene Unterkünfte und Gesundheitsbedingungen, keine ausreichenden Mittel zur Verbesserung ihrer Lebensumstände und werden oft politischer und bürgerlicher Rechte beraubt.7 UN Habitat schätzt den Anteil an informellen Wohnungen an der Gesamtzahl der urbanen Wohnungen von afrikanischen Ländern südlich der Sahara auf ca. 62%.8

Technologischer Optimismus umgibt viele der modernen urba-

nen Entwicklungen. Er verspricht intelligente Managementsysteme, vollständige soziale Konnektivität und Apps für alle möglichen Bedürfnisse. In einer fortschreitenden globalisierten Ordnung sind Megacities, Megalopolen und andere urbane Netzwerke entscheidende Knotenpunkte für Informations- und Menschenströme. Da Großstädte nicht mehr länger als isolierte, autarke Einheiten betrachtet werden können, ist zu erwarten, dass ihre heutigen und zukünftigen Probleme auf globaler Ebene massive Auswirkungen haben werden.9

Schätzungen zufolge werden bis 2030 etwa zwei Milliarden

Menschen oder fast ein Viertel der Weltbevölkerung in illegalen Wohnungen der „informellen Städte“ leben. Gleichzeitig scheint die traditionelle, 5 6 7 8 9

Vgl. Davis, 2007, S. 21 Vgl. Gadanho, 2014, S. 16 Ebd., S. 17 Vgl. UN Habitat (2), 2015, S. 3 Ebd., S. 15

60 61


hohe Preise für GesundheitsbeNotwendigkeiten, lastungen durch einschließlich Wasser, Unterernährung und sanitäre Einrichtungen, Verwendung von Schulen, Gesundheitsbilligeren Lebensversorgung und mitteln, Brennstoffen Verkehr,wegen und Wasser von fehlender staatlicher schlechter Qualität Versorgung

Wirtschaft, die wenig Chancen für bessere Einkommen bietet

Einkommensverluste durch Krankheit und Verletzungen sowie Kosten für Gesundheit und Medizin

Gefährliche Jobs mit hohem Risiko für Krankheit und Verletzungen

Schuldenrückzahlungen verringern das verfügbare Einkommen

keine Versicherung keine Organisierung von Vermögenswerten einer Geldhilfe, wenn oder zur Deckung von die Einkommensquelle Gesundheitskosten verloren geht

Unzureichende, instabile oder gefährdete Vermögensbasis

Armut in urbanen Gebieten

Unzureichender Rechtsschutz durch Gesetze

Machtlosigkeit und Sprachlosigkeit innerhalb politischer Systeme und bürokratischen Strukturen

Unzureichende Versorgung mit "öffentlicher" Infrastruktur und grundlegenden Einrichtungen

Überlegen auf kurze keine Sicherheiten für Vermögensbasis Sicht, das den Aufbau den Zugang zu erodiert wegen Krediten für Haus oder von Vermögen Krankheit, begrenzt, z.B. wenige Grundstück, Kosten für Verletzungen oder oder keine Ersparnisse, die Regularisierung anderen Belastungen Kinder aus de Schule oder Anschlusskosten

Armut in urbanen Gebieten

Unzureichendes und oftmals unbeständiges Einkommen

Begrenztes oder kein Sicherheitsnetz

notdürftige und oft unsichere, gefährdete und überfüllte Unterkünfte

inkompetente oder Häuser werden oft keine Kredite verfügbar unwirksame auf illegalen, gefährfür einkommensRegierungslichen Bauplätzen schwache Gruppen beschränkung gebaut; Wohnungen zur Unterstützung des der Landverfügbarkeit, von besserer Qualität Landerwerbs, des z.B. durch unangeund gepflegte Wohnungsbaus oder messene LandGrundstücke zu teuer -aufbesserung nutzungskontrollen

Abwesenheit von Recht und Gesetz und von Unterstützung der hohes Ausmaß Armen bei der Inanan Gewalt und spruchnahme ihrer anderen Verbrechen bürgerlichen und politischen Rechte und Ansprüche

inkompetente, unwirksame oder gegen die Armen gerichtete Polizeikraft

Diskriminierung bestimmter Gruppen aufgrund von Geschlecht, Alter, Nationalität, Stand/Kaste, ethnischer Zugehörigkeit usw.

zunehmende Kluft zwischen dem, was zur Verfügung gestellt wird und was sich einkommensschwache Haushalte leisten können

Energieversorger und DienstleistungsunterDienstleistungsunternehmer stehen nicht nehmer verweigern unter demokratischem die Arbeit in HausDruck oder werden halten in illegalen davon nicht beeinflusst Siedlungen

Abb. 021 Potentielle Faktoren, die die Armut in städtischen Gebieten beeinflussen können.


zentralisierte Stadtplanung zu versagen, wenn man mit der zunehmenden Präsenz von informellen Siedlungen, Gentrifizierungsprozessen und anderen städtischen Phänomenen unserer Zeit konfrontiert wird. Getrieben von Ideologie oder wirtschaftlicher Unfähigkeit scheint die Fähigkeit eines nationalen Staates, in der zeitgenössischen Stadt konstruktiv mitzugestalten, überall zu schwinden. Genauso sind auch Architekten und Planer, so wichtig sie auch für die Erkenntnis der Notwendigkeit von bezahlbarem Wohnraum und einer operativen Stadt waren, ohnmächtig gegenüber der Geschwindigkeit der ungleichen städtischen Entwicklungen. Top-Down Planung verliert sogar in den fortschrittlichsten und stabilsten urbanen Zentren an Bedeutung. Man verabschiedet sich vom Gottvater-Modell des Planers.10

Mittlerweile gibt es unzählige Versuche auf Seiten von Indivi-

duen, sozialen Gruppen und politischen Bewegungen, Wege zu finden, ein ausgewogenes Leben in einer menschenfreundlichen Umgebung zu schaffen.11 In der Form von Do-It-Yourself-Aktionen, spielerischen Ansätzen und partizipativen urbanen Interventionen, arbeiten Künstler, Architekten, Designer und politische Entscheider zunehmend zusammen, um punktuelle Interventionen in schwierigen, oftmals vernachlässigten urbanen Kontexten zu erzeugen. Von kurzzeitigen Guerilla-Interventionen bis zur schrittweisen Realisierung größerer Netzwerke, gibt es einen wachsenden Trend, der lokales Wissen und globale Expertise vereinen könnte.12 Betroffene Gruppen von Denkern und Machern untersuchen Alternativen, um die Suche nach besseren Formen des urbanen Lebens voranzutreiben.13

10 11 12 13

Vgl. Mathhiesen, 2014, S. 86 Vgl. Harvey, 2014, S. 29 Vgl. Bergdoll, 2014, S. 11 - 12 Vgl. Harvey, 2014, S. 30

62 63


Abb. 022 Eine Welle von Protesten in der Türkei in 2013 begann am 28. Mai in Istanbul mit Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks. Nach der Eskalation des Konfliktes infolge eines gewaltsamen Polizeieinsatzes am 31. Mai demonstrierten Demonstranten in mehreren türkischen Großstädten gegen die als autoritär empfundene Politik der Regierungspartei AKP.


„Sowohl kleinmaßstäbliche Interventionen, als auch die großstädtische Ordnung spielen ihre Rollen dabei, sozialen Zusammenhalt zu generieren und einen Sinn für urbane Demokratie zu erzeugen.“14 Sowie die momentanen Zustände in den globalen Städten sowohl eine Neustrukturierung von Macht kreieren, öffnen sie sich auch für neue Typen von Akteuren und ihre Projekte. Der Kampf gegen die Probleme des Klimawandels können verschiedene Bevölkerungsgruppen zusammenführen. „Manche unserer gemeinsamen Herausforderungen sind größer als unsere Differenzen.“15 Von modernen Städten verlangt nach einem hohen Level an räumlicher Flexibilität, sodass verändernde räumliche Bedürfnisse einen Platz in den bestehenden Strukturen finden können.

14 15

Vgl. Burdett, 2014, S. 32 Sassen, 2014, S. 42

64 65


Länder der Ersten Welt

LEBEN HIER


3 Entwicklungsländer

UND DORT



Diese Arbeit versucht den aktuellen Trends der Stadtentwicklung zu begegnen. Diese werden im Folgenden vorgestellt. Warum schwimmende Stadtbausteine den Trends Mobilität und informellem Urbanismus sowohl in den Städten der Ersten Welt als auch denen in den Entwicklungsländern gerecht werden können, wird im Kapitel Case Study ausgeführt. Die Entwicklungen im globalen Lebens- und Wohnsektor bedeuten in den Ländern der Ersten Welt oft etwas anderes als in Entwicklungsländern. Die Probleme, denen die Menschen in den unterschiedlich entwickelten Städten ausgesetzt sind, sind grundverschieden und benötigen daran angepasste Lösungsvorschläge. Im Folgenden werden die Strömungen des informellen Urbanismus, der menschlichen Mobiltät und des urbanen Nomadentums in Ländern der Ersten Welt und Entwicklungsländern gegenübergestellt. Es werden außerdem bereits existierende Lösungen vorgestellt.

68 69


Informeller Urbanismus Lose definiert werden kann der Begriff des informellen Urbanismus als „Aktivitäten, die aus dem Alltagsleben einer Stadt entstehen, aus den Handlungsmöglichkeiten von Bewohnern und sozialen Gruppen.[...]Eher als eine Sichtweise auf die Stadt, bei der man sich weniger das Strukturierte, sondern das Lebendige und sich Entwickelnde anschaut.“1

Durch die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts wurden

klare Regelungen und Steuermechanismen für die Stadtplanung entworfen, um die industriell-kapitalistischen, hochverdichteten Laissez-Faire-Städte durch neu geplante zu ersetzen. Informelle Barackensiedlungen existierten zwar weiterhin am Stadtrand, waren aber fortan nicht mehr Teil der Diskussionen. Plötzlich gab es nur noch „Top-Down“. Planung und lokale informelle Praktiken existierten sozusagen in getrennten Universen. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er und 1930er Jahre kam es wieder vermehrt zu selbst gebauten Siedlungen. Ebenso gab es nach dem Zweiten Weltkrieg Notunterkünfte und Lebensmittelanbau zur Selbsterhaltung. Jedoch wurde erst in den frühen 1970er Jahren weltweit 1

Matthiesen, 2014, S.88


die kritische Menge informeller Bau- und Siedlungstätigkeiten erreicht, die die informelle Bauproduktion auch für Architekten interessant werden ließ.2

Heute gibt es zunehmend Probleme, die das herkömmliche

Fachwissen von Städtebauern und Planern nicht mehr lösen kann.3 Durch die zunehmende Urbanisierung herrscht einerseits eine Diskrepanz zwischen Wohnungsbedarf und der Menge an Wohneinheiten, die auf formellem Wege bereitgestellt werden. Hier sind informelle Praktiken fester Bestandteil der Stadt. Zudem wird die formelle Bereitstellung von Wohnraum den Bedürfnissen urbaner Lebensstrategien nicht gerecht. Sie sind oft zu stark reguliert und unflexibel.

Die Bewohner von Großstädten der wirtschaftsstarken Län-

der reagieren mit Do-It-Yourself-Urbanismus und Bottom-Up Unternehmungen. Der Shared Space ist neuerdings auch zum Leitbild vieler Stadtplaner geworden. Hier entsteht ein urbanes „Wir“, wo man sich mal 2 3

Vgl. Roesler, 2017, S. 91 Vgl. Matthiesen, 2014, S. 87

70 71


politische Überzeugung, mal die Freude am gemeinsamen Gärtnern, mal den Genuss eines öffentlichen Essens oder die kollektive Erfahrung der kreativen Gestaltung einer Straßenkreuzung teilt.4 Die symbolische Form der Architektur tritt mit der Informalisierung des weltweiten Wohnungsbaus und Stadtplanung immer mehr in den Hintergrund.5 Formelle und informelle raumbildende Praxis müssen im gesamten Stadtraum ineinander greifen. Stadt wird heute mit sich ständig wechselnden Akteuren verhandelt. Es drängen neue Akteure in diesen Verhandlungsraum ein, die eigene Ansprüche, Ideen und Erwartungen mit sich bringen. „Eine Stadt kann nur dynamisch und attraktiv bleiben, wenn sie gleichzeitig auch offen bleibt für lokale Aneignungsprozesse, Experimente und Teilhabe, bezahlbar und sozial heterogen.“6

4 5 6

Vgl. Rauterberg, 2014 Vgl. Roesler, 2017, S. 91 Matthiesen, 2014, S. 86


Abb. 023 Die Vielfalt des Informellen fĂźllt die planerische Vision der Stadtplanung des 20. Jahrhunderts mit Leben. Bedeutet das den Abschied vom Gottvater-Modell des Planers?

72 73


Mobilität In den letzten Jahren lässt sich ein deutlicher Trend der immer größer werdenden Mobilität der Menschen in entwickelten Gesellschaften verzeichnen. Man löst sich davon, an einen Job gebunden zu sein, konstant in Bewegung zu sein ist ganz normal. Der durchschnittliche amerikanische Arbeitnehmer bleibt heutzutage für etwas über vier Jahre in seinem Job. Es wird erwartet, dass die jüngsten Arbeiter das noch halbieren werden. Sie gehen davon aus, dass Job-Hopping ihre berufliche Entwicklung beschleunigt, nicht verzögert, und noch dazu zufriedenstellender ist. Unternehmen beginnen anzunehmen, dass Leistung wichtiger ist als die Anwesenheit im Büro und, dass es ein Muss ist, den Arbeitern die Möglichkeit des Zusammenarbeitens zu geben. Sie haben sogar begonnen über „unbegrenzte“ Urlaubszeiten nachzudenken.1 In zunehmendem Maße werden Schreibtische und Büros entworfen, die die Kommunikation und Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch erleichtern, statt die Befehlskette einzuhalten. In Coworking-Räumen mieten unabhängige Kreative aus verschiedenen Disziplinen geteilte Büroräume, die meistens mit mehreren 1

Moreno, 2015, S. 8


Tischen für Gruppen und Sofas als mit Schreibtischen ausgestattet sind, und mit Laboren und Werkstätten ebenso wie mit Arbeitsflächen. Aber Coworking findet auch spontan statt: Breather ist eine App, die derzeit in 9 Großstädten wie New York City, Los Angeles, Montreal und in London erhältlich ist. Sie ermöglicht es, unbenutzte urbane Räumlichkeiten spontan für 30 Minuten z.B. für ein Teammeeting zu mieten.

Mobilität wird in den „advanced economies“ mittlerweile als

selbstverständliche Voraussetzung und als Betonung des Individuellen angesehen. Mobilität und Freiheit sind Teil der kapitalistischen Gesellschaftsordnung.2 Globalisierungsprozesse sind der ausschlaggebende Antrieb für diesen Trend. Im Europa der Belle Époque hat man als Reisender Hotelzimmer noch für mehrere Wochen gebucht. Für den ersten transatlantischen Flug 1919 von London nach New York brauchte man 23 Tage mit sechs Zwischenlandungen. Heute, mit Flügen von Istanbul nach New York, die 10 Stunden dauern, werden Geschäfte immer internationaler und Ökonomien werden miteinander verstrickt. Seitdem der Mensch 2

Vgl Hömke, 2013, S. 9

74 75


arbeitsbedingt öfter reist, ist das En Route das neue Büro geworden. Für viele sind Flüge eine der wenigen Möglichkeiten sich abzuschotten und zu fokussieren. Wenn wir nicht unterwegs sind, arbeiten wir oft von kompakten Heimbüros aus.3

Heute lebe ich hier, morgen lebe ich woanders. Der Wunsch

besteht, gleichzeitig am städtischen Leben teilzuhaben und daraus auszubrechen, einen bisher noch nie dagewesenen Grad an Freiheit auszunutzen. Es gibt eine immer größer werdende Anzahl von Lebensmustern und Biografien, zunehmende Erwartungen an Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft und immer mehr Wahlmöglichkeiten. Mit dem Verlegen des Lebensmittelpunktes an einen anderen Ort gehen neue Bezugsgruppen und Erwartungshaltungen, andere Zugehörigkeiten einher.4

Die Bedeutung des Raums für die mobilen Individuen wird im-

mer wieder soziologisch unter Begriffen wie „Heimat“, „räumliche Identität“ oder „territoriale Bindung“ diskutiert.5 Können multiple Identitäten zu verschiedenen Orten entstehen, die in gleichem Maße ortsbezogen sind? 3 4 5

Vgl. Moreno, 2015, S. 7 - 8 Vgl. Manderscheid, 2013, S. 64 Vgl. Petzold, 2013, S. 78


Im Hinblick auf die Ausbildung ortsbezogener Identitäten gibt es zwei Positionen:

Die erste Position geht davon aus, dass ortsbezogene Identitä-

ten abnehmen. Sesshaftigkeit könne zur Ausnahme werden und multilokale Lebensformen könnten an Bedeutung gewinnen. Einher damit gingen auch der Verlust von Gemeinschaft und von lokalen Kulturen zugunsten globaler Muster.

Die zweite Position kommt zum umgekehrten Schluss. Hier

würden die Folgen des gesellschaftlichen Wandels ortbezogene Identitäten eher stärken. Die Anforderungen der entgrenzten Welt riefen die Gegenreaktion hervor, nämlich die Bedeutungszunahme von Orten und ihren Bindungen. Zunehmende Mobilität sorge daher eher für eine stabilisierende Wirkung, weil sie die Bildung der Identität durch den stärkeren Vergleich von Fremdem und Eigenem fördert.6 „Zu Hause“ ist daher mehr eine Idee als ein Ort, eine Idee, die wir mit uns tragen können. Es ist eine Sammlung aus Erfahrungen und Menschen, keine Sammlung von Dingen. Das zu Hause ist etwas, das wir uns auf bauen und nicht zufällig finden.7 6 7

Vgl. Richter, 2013, S. 19 - 20 Vgl. Moreno, 2015, S. 13

76 77


Urbane Nomaden Neben der Mobilität stehen auch andere Werte wie Nachhaltigkeit, (Selbst-) Entdeckung und Wohlbefinden im Zentrum des kulturellen Wandels des letzten Jahrzehntes. Im Laufe der Geschichte hat sich jede Kultur durch eine einzigartige Architektur repräsentiert. Tempel, Paläste, Pyramiden: Diese Monumente drückten die Macht einer Gesellschaft aus, errichteten Hierarchien und präsentierten Innovationen. In der italienischen Renaissance war die Architektur mit Ornamenten besetzt, zu Adolf Loos’ Zeiten wurde Schmuck dagegen zum Verbrechen erklärt.1 Mit der Ankunft des Internets und neuartiger und komplexer Arbeitsprozesse haben Hierarchien und Geographie schnell an Bedeutung verloren. Heute gibt es rollende, sich entfaltende und zusammenklappbare, sich wie ein Raumschiff öffnende Strukturen, die manchmal einfach in der Landschaft verschwinden, anstatt sie zu dominieren. Man sucht sich Räume, die dem Bedürfnis nach kompaktem und effizienterem Leben entsprechen.

Der moderne Nomade beeinflusst Geschäft, Produkte, Dienst-

leistungen und Kultur. Technologie hat den Kommunikationsfluss kons1

Vgl. Moreno, 2015, S. 3 -4


tant, Geschäfte global und Freundschaften virtuell gemacht. Architekten entwerfen offene, multidisziplinäre Coworking-Büros, die den Keim für eine kommende nomadische Kultur bilden können. Über Airbnb teilen wir nun Betten und Häuser. Wir teilen alles in den sozialen Medien, können überall mit PayPal Geld ausgeben und unsere deutschen Steuern über Online-Banking aus Istanbul bezahlen. Die zunehmende Drahtlosigkeit auf der persönlichen Ebene und die relativ niedrigen Transportkosten machen Nomadentum möglich.

Es war einmal, dass Eltern und Großeltern einen einzigen Job

über ihre Lebenszeit hatten und ein einziges Haus besaßen. Der Bau eines Hauses, das den Kindern einmal hinterlassen werden würde, war ein Beweis für den Erfolg einer Familie. In den heutigen dynamischen Zeiten werden Menschen jedoch zu Mietern und Teilzeit-Bewohnern. Man spart Geld und gewinnt Freunde, indem man mit mehreren Mitbewohnern auf engem Raum zusammen wohnt.2

Harald Welzer, Soziologe und Sozialpsychologe, spricht vom

2

Vgl. Moreno, 2015, S. 4 - 5

78 79


Trend der „reduktiven Moderne“: Man findet immer mehr Menschen, die sich auf die nötigsten Dinge reduzieren.3 Es findet nicht nur das Verschwimmen von traditionellen Rollen und Beziehungen, sondern auch ein Verschwimmen von Aktivitäten, Räumen und räumlichen Programmen statt. Wohnräume wie Wohnzimmer und Küche werden vom privaten Haushalt in die Stadt ausgelagert. Bürozeiten sind Freizeiten und das Büro wir zum neuen kulturellen Zentrum. Es gibt immer mehr solcher Angebote. Aus eigener Erfahrung gibt es in Münster selbst Cafés, in denen in kleinen, jeweils durch Trennwände abgeteilten Bereichen, Sitzgruppen mit Sofas und Sesseln stehen, oder Kochhäuser, in denen man abends mit mehreren Leuten ein Essen kocht. Die modernen Nomaden der wirtschaftsstarken Länder kümmern sich weniger um die Dinge, die sie besitzen, und mehr um Dinge, die sie tun oder machen können. Die Minimalisten streifen ihr Hab und Gut ab, verkaufen es auf eBay, weil sie versuchen, sich auf weniger als 100 Dinge zu reduzieren. Wie viel Platz und wie viel Privatsphäre brauchen wir in einer Wohnung, in der wir nur drei Monate im Jahr schlafen? Was brauchen wir, wenn wir nur ein paar Tage oder ein paar Wochen bleiben?

Einige Leute können bereits feststellen, dass die Dinge, die sie

am meisten schätzen, bereits auf ihren Laptops oder in der Cloud liegen. Dinge wie Musik, Fotos, Bücher und Buchhaltungen nehmen buchstäblich weniger Platz auf dem Boden ein.4 Wenn ein Nomade geht, hinterlässt er digitale Brotkrumen: Der nächste Nomade profitiert von einer vorbereiteten Infrastruktur, geknüpften Kontakten und Empfehlungen. Die Mobilität der hochentwickelten Wirtschaftsländer verlangt nach einer Architektur, die ihre vielseitigen Ansprüche an ihre Umgebung bedient und sich in gleicher Geschwindigkeit weiterbilden kann wie seine Nutzer.

3 4

Vgl. Welzer, 2013, S. 133 Vgl. Moreno, 2015, S. 9


Abb. 024 Das Konzept des „Tricycle House“ von People‘s Architecture Office reduziert das private Leben auf ein Minimum. Öffentliche Parks ersetzen private Gärten, Nutzen von Parkplätzen ersetzen Grundsücksbesitz. Die Inneneinrichtung beinhaltet ein Waschbecken, einen Ofen, eine Badewanne, einen Wassertank und Möbel,

80 81


Informeller Urbanismus „Die Bewohner der Metropolen des globalen Südens bauen selber, günstiger und an ihre verfügbaren Ressourcen angepasster oder organisieren selbst ihre Mobilität.“1 In den meisten Entwicklungsländern sind informelle Überlebensstrategien nun die vorherrschende Art, ein Auskommen zu finden.2 Hier entziehen sich teilweise 80% der Stadt der Kontrolle. Nachdem der Versuch des globalen Nordens gescheitert war, seine Erfahrungen eins zu eins zur Bekämpfung von Armut und Ungerechtigkeit exportieren zu wollen (z.B. die Verordnung von „ehrgeizigen Landreformen und Wohnungsbauprogrammen“ durch die Kennedy-Regierung der 1960er Jahre), und man die informellen Prozesse in die südlichen Städten nicht mehr leugnen konnte, begann man, die Entwicklungen mit politischen Programmen von unten zu unterstützen.3 Im allgemeinen, aber auch im fachlichen Sprachgebrauch ist der Slum mittlerweile zum Synonym von informeller Urbanität geworden. Informelle Unterkünfte bieten ihren Bewohnern eine Alternative zu den 1 2 3

Vgl. Matthiesen, 2014, S. 86 Vgl. Davis, 2007, S. 187 Vgl. Matthiesen S. 88


schwer zugänglichen und relativ aufwändig instand zu haltenden formellen Wohneinheiten. Eine rapide Urbanisierung bringt in der Regel ein starkes informelles Wachstum mit sich (auch von Slums). Oftmals erfüllen solche Siedlungen armutsbedingt nicht die technischen Standards. Werden sie dann als solche identifiziert, folgt oft die Räumung und die Unterbindung der informellen Strukturen und Praktiken. Neue, moderne und ökonomische Bauten sollen die fragwürdigen Gefüge ersetzen. Bei dieser Vorgehensweise werden aber die sozialen, flexiblen und kulturellen Stärken der informell entstandenen Strukturen außen vor gelassen. Es kommt jedoch auch vor, dass städtische Modelle legitimiert werden, obwohl sie ebenso informell entstanden sind. Das passiert vor allem dann, wenn sie den verbreiteten ästhetischen Vorstellungen entsprechen, technisch unbedenklich sind und den politischen Entscheidungsträgern in die Hände spielen.4

Als Fallbeispiel für eine gelungene Integration informeller

Strukturen und Praktiken in die formellen Entwicklungsleitbilder und po4

Vgl. Appelhans, 2014, S. 103-104

82 83


litischen Strategien kann Kapstadt genannt werden. Durch ein groß aufgelegtes Subventionsprogramm für Wohnungsbau für Geringstverdienende, das Reconstruction and Development Programme (RDP), sollte 1994 unter der ersten demokratischen Regierung unter Nelson Mandela der Ungleichheit in der räumlichen Entwicklung entgegengewirkt werden. Die informellen Unterkünfte sollten ersetzt werden und formell dem Stadtwachstum begegnen. Es wurde jedoch bald deutlich, dass der Wohnraum des RDP nicht dem Bedarf urbaner Lebensstrategien gerecht werden konnte.5

2004 wurden zwei verschiedene Kategorien für Wohnsiedlun-

gen etabliert, um die informellen Strukturen zu integrieren, ohne die rechtlichen Baustandards für die wohlhabenderen Siedlungen zu senken: die Single Residential Zones (SR1) für den konventionellen Wohnungsbau und die Incremental Housing Zones (SR2) für informale Siedlungen und verslumte Arbeitersiedlungen. Solange die SR2 den Bedarf der Urbanisierung decken, können diese nun legal unter den allgemeinen Baustandards gebaut werden. Dies bietet den Bewohnern fortan die rechtliche Möglichkeit zum Verbleiben und damit mehr Sicherheit. Bauten, die dem nicht entsprechen werden weiterhin nicht legalisiert. Langfristig gesehen sollen die Bauten der SR2 in den SR1 Status gelangen. Dies soll allmählich durch die Unterstützung mit technischer Versorgung für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse geschehen. „Die Anerkennung von Informalität eröffnet nun in Verbindung mit dem flankierenden Upgrading neue Möglichkeiten für den existierenden Bedarf an flexiblem, kostengünstigem Wohnraum in der Stadt.“6

Informelle Strukturen erhalten damit einen formellen Status.

Anstatt grundsätzlich zerstörerisch damit umzugehen, findet eine konstruktive Zuwendung statt. Die Legitimierung urbaner Informalität durch den Staat erfolgt somit weniger taktisch (s.o.), sondern strategisch. 5 6

Ebd. S. 106-107 Appelhans, 2014, S. 108


Abb. 025 Das „Empower Shack Project“ von Urban-Think Tank, Zürich und der lokalen NGO Ikhayalami in Kaptstadt entstand in Kollaboration mit der BT-Section Community am Rand von Kapstadt und lokalen und internationalen Partnern. Ein zweigeschossiger Baukörper wurde entwickelt, der die informelle Siedlung aufwerten kann.

Diese Vorgehensweise kann dabei so gedeutet werden, dass die klassische Top-Down-Planung sich auf die bestehenden Traditionen, handwerklichen Fähigkeiten und lokale Fertigkeiten stützt. Dies ermöglicht eine nachhaltige Stadtentwicklung.7 7

Vgl. Benimana, 2017, S. 163

84 85


Mobilität Trotz der Aussicht auf Besserung, die die städtische Migration einmal darstellte, verschlechtern sich die Lebensbedingungen für große Teile der wachsenden städtischen Bevölkerung. Der Antrieb der Landbevölkerung, in die Städte zu migrieren, liegt nicht mehr in der Illusion gleicher Beschäftigungsmöglichkeiten. Urbanisierung geht in vielen Teilen der Welt nicht mit einer gleichzeitigen Industrialisierung einher. Deswegen hat oft die Wirtschaftskraft einer Stadt überraschend wenig mit der Einwohnerzahl zu tun.1 In Folge der hohen Verschuldung nach Wirtschaftskrisen werden Entwicklungsländern subventionierte, verbesserte Agrarinvestitionsprogramme und Mittel für landwirtschaftliche Infrastrukturmaßnahmen durch den Internationalen Währungsfond und Weltbank drastisch beschnitten. Agrarproduzenten werden so der Weltmarktkonkurrenz ausgesetzt, wo mittlere und kleine Bauern kaum Chancen haben.2 Als Folge der Land-Stadt-Migration nimmt die städtische Armut zu.3 In den meisten Entwicklungsländern ist „die Wahl des Wohnorts eine schwierige 1 2 3

Vgl. Davis, 2007, S. 17 Ebd. S. 19 Vgl. Gadanho, 2014, S. 16


Abwägung einander widersprechender Interessen.“4 Wohnkosten, Mietsicherheit, Wohnqualität und Arbeitsweg spielen die größten Rollen bei der Auswahl des Wohnorts. Für einige Menschen ist die nähe zu einer Arbeitsstelle wichtiger als ein Dach über dem Kopf, andere nehmen für ein Stück Land, das sie günstig bekommen können, enorm lange Anfahrtswege vom Stadtrand in die Zentren in kauf.5 Die erste Entscheidung städtischer Neuankömmlinge wird jedoch meist vor dem Hintergrund getroffen, ob sie es sich leisten können, dort zu wohnen, wo das Angebot an Arbeitsplätzen am größten ist (Stadtkern vs. Peripherie). Seit den 1980er Jahren verwandelten viele Entwicklungsländer ihre städtischen Bodenreserven in Bauland um. Das Baumaterial wurde zu subventionierten Preisen geliefert, um den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern. Jedoch haben diese Baugrundstücke lediglich denen zu Wohneigentum verholfen, die schon privilegiert waren. In Tunesien waren ca. 75% der staatlich subventionierten Wohnungen für die Armen unerschwinglich. 4 5

Vgl. Davis, 2007, S. 31 Ebd., S. 33

86 87


In den meisten Fällen entstehen informelle Landschaften mit einem hohen prozentualen Anteil an besetztem, ohne Kaufvertrag oder Titel in Besitz genommenem Land und selbstgebauten, einfachsten Unterkünften mit schlechter Infrastruktur. Obwohl dadurch kein Land käuflich erworben werden muss, müssen trotzdem oft hohe Bestechungsgelder in Form von Bargeld oder Wählerstimmen über Jahre gezahlt werden.6 Diese Besetzungen finden dann in erster Linie auf minderwertigem städtischen Baugrund, wie Hochwassergebieten, steilen Hängen oder kontaminiertem Boden statt, Land, das so wenig Wert besitzt, dass niemand Interesse daran hat, Eigentumsrechte geltend zu machen.7 Der Großteil der neuen Bevölkerung zieht in solchen Siedlungen zur Miete ein, da das zunächst die einfachste Methode ist, an eine bewohnbare Unterkunft zu kommen. Die meisten städtischen Armen Westafrikas und die Mehrzahl der Bewohner von Dhaka und anderen asiatischen Städten wohnen in informellen Vierteln zur Miete. Die Kommerzialisierung informeller Wohnmöglichkeiten zählt zu den Vermögensstrategien der städtischen Armen. Mieter sind jedoch oftmals die machtlosesten Bewohner informeller Siedlungen. Sie sind von Sanierung und Räumung betroffen und haben im Allgemeinen kein Recht auf Entschädigung oder Umsiedlung.8

Ein explosives urbanes Wachstum ohne flankierende Investitio-

nen in Massenverkehrsmittel oder kreuzungsfreie Schnellstraßen hat zudem die Verkehrssituation in vielen Entwicklungsländern unüberschaubar gemacht. Trotz des Gedränges auf den Straßen steigt die Motorisierung in den Städten der Entwicklungsländer steil an. Mehr als Schienenwege werden meistens eher Straßen und die Privatisierung der örtlichen Verkehrsbetriebe gefördert. Autos sind dabei, den Fahrrädern und Fußgängern die Kontrolle über die städtischen Straßen zu entziehen. Die ungezügelte Motorisierung verschlimmert zudem die Luftverschmutzung in 6 7 8

Vgl. Davis, 2007, S. 42 Ebd., S. 46 Vgl. Davis, 2007, S. 46 - 47


Abb. 026 Der langsame Verkehr in Lagos wird gleichzeitig zum Markt. Händler laufen mit ihren Waren zwischen den Autos und erreichen damit einen hohen Umsatz.

den Städten. Seit den 1970er Jahren steigen die Weltbankkredite für Slum-Modernisierungsprogramme. Statt die Slums durch „angemessenen“ Wohnraum zu ersetzen, sollte auf die Bereitstellung elementarer Wasserversorgungund Kanalisationssysteme gesetzt werden (Sites-and-Service-Ansatz). Architekten wie John Turner waren bald der Auffassung, dass Slums weniger das Problem, als die Lösung wären und lobten die organische Verbindung von Standort und Gebäuden, die unterschiedlichen Funktionen und die den wechselnden Bedürfnissen der Bewohner angepasste Flexibilität der Räume.9 Der alles entscheidende Unterschied gegenüber dem „orthodoxen modernen sozialen Wohnungsbau“ liege laut Turner im dem durch die Bewohner beziehungsweise Erbauer selbst gewählten Standard der Behausungen. Der staatliche Wohnungsbau lege von vornherein einen „Minimalstandard“ fest und schließe dadurch die ärmsten Bevölkerungsgruppen vom Wohnungsmarkt aus.10 9 10

Ebd., S. 77 -78 Vgl. Turner, 1968, S. 357

88 89


Jedoch wurden die Lobpreisungen der Selbsttätigkeit der Armen auch zum Deckmantel für die Kündigung der historischen Verpflichtung des Staates, Armut und Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Seit Mitte der 1990er haben die Weltbank, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP und andere Hilfsorganisationen Regierungen zunehmend übergangen und direkt mit regionalen oder lokalen NGO’s zusammengearbeitet.

Wie Rem Koolhaas nach seinen zahlreichen Besuchen in Lagos

berichtet, erscheinen die informellen Strukturen für unsere Augen vorerst chaotisch und unorganisiert. Auf den zweiten Blick erkenne man jedoch in höchstem Maße regulierte Abläufe und Mechanismen. So wird beispielsweise ein Verkehrsstau zum spontanen Marktplatz und Mülldeponien zu Werkstoffindustrien.

Die Globalisierung erhöht die Mobilität von Menschen, Wa-

ren, Dienstleistungen, Informationen, Nachrichten, Produkten und Geld, auch in den Entwicklungsländern. Auch die Menschen in Slums besitzen Smartphones und surfen im Internet, wenn auch nicht in dem Maße der Länder der Ersten Welt.11

In jüngeren Jahren hat sich somit herausgestellt, dass die infor-

mellen Niederlassungen nicht temporär sind, sondern bleiben und selektive Interventionen brauchen, statt Massenabbruch, um bessere Lebensumstände und stärkere Gemeinschaftsbände zu bilden.

11

Vgl. Davis, 2007, S. 16


90 91


Urbane Nomaden Durch die akute Notwendigkeit von Wohnraum werden informelle Wohnungen oft innerhalb von wenigen Tagen erbaut. Die türkischen Gecekondular, die oftmals über Nacht auf öffentlichem Grund und Boden am Rande von Großstädten erbaut werden, durften lange Zeit nach einem alten Gewohnheitsrecht (bis zum Erlass eines Abrissgesetzes von 1947) nicht abgerissen werden. Um ein Haus tatsächlich in einer Nacht erbauen zu können, beteiligen sich meistens viele Leute gemeinsam an der Errichtung. Sobald ein provisorischer Bau steht, wird er in der Regel nach und nach weiter ausgebaut. Ein Haus bleibt gewissermaßen für immer in Entstehung begriffen, es unterliegt dem Paradigma der Prozesshaftigkeit, was sie zu „wachsenden Häusern“ macht.1 Dies erfolgt charakteristischerweise unter Verwendung von vorgefertigten, auf Baumärkten besorgten „Elementen wie Metallfenster, Türen, Eisentreppen, Balkongitter, Sanitärobjekten, Boden- und Wandbeläge“, die so oder so ähnlich auf der ganzen Welt zu bekommen sind.2 1 2

Vgl. Roesler, 2017, S. 95 Vgl. Ribbeck, 2002, S. 126


Zwar sind die meisten informellen Siedlungen nach 1960 entstanden, es gibt jedoch einige, die auf eine jahrhundertlange Geschichte zurückblicken.3

Das heutige Ausmaß der Vertreibung von Menschen ist riesig:

Jedes Jahr werden Hunderttausende, manchmal Millionen von Menschen – sowohl legale Mieter, als auch Besetzer – in den Stadtvierteln der Entwicklungsländer gewaltsam geräumt. Infolgedessen sind die urbanen Armen Nomaden „Durchreisende, die andauernd ihren Standort wechseln“. Menschen leben in permanenter Angst vor Vertreibung.4 Die intensiven Klassenkonflikte um urbanen Raum finden meistens in den Innenstädten und an wichtigen Punkten statt. Slums werden von den Regierungen häufig kriminalisiert, um eine Räumung zu rechtfertigen. Sie werden vielfach als Bedrohung gesehen, einfach weil sie sich der staatlichen Überwachung und Kontrolle entziehen.5 Auch die oft schlechte geologische Beschaffenheit des Baulands der in3 4 5

Vgl. Davis, 2007, S. 31 Ebd., S. 105 Vgl. Davis, 2007, S. 118

92 93


Abb. 027 Entwicklungsschema des informellen Wohnungsbaus in Kairo, 1980er-Jahre. Die Entwicklungslogik und die vorherrschenden Materialien sind weltweit weitgehend dieselben.


formellen Siedlungen in Entwicklungsländern trägt zu zeitlich unsicheren Aufenthaltsmöglichkeiten bei. „Sie sind die Siedlungspioniere in Sümpfen und Überschwemmungsgebieten, auf Vulkanen, rutschigen Hängen, Müllbergen, Chemiemülldeponien, an Rangiergleisen und Wüstenrändern.“6 Seitens der Regierung in Ankara gibt es mittlerweile den Kompromiss aus den ehemaligen Besetzern Eigentümer zu machen. Dadurch erhalten die Bewohner der Siedlungen einen Grundbucheintrag und damit einen besseren rechtlichen Status.7

6 7

Vgl. Davis, 2007, S. 129 Vgl. Gartmann, 1981, S. 10 - 15

94 95


Fazit Die Unterschiede der Entwicklungen im Wohn- und Lebenssektor der Entwicklungsländer und der Länder der Ersten Welt sind groß, und doch ähnlich: Es wird modular gebaut, der Wohnraum wird den Bedürfnissen der Bewohner individuell angepasst. Menschen sind mobil und unterwegs, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Einflüsse, die Klimawandel, Populationswachstum und Urbanisierung auf die Städte haben, sind die gleichen, jedoch unterscheidet sich der Umgang damit. Während es in vielen Entwicklungsländern an Kapital und politischer Stabilität seitens der Regierungen mangelt, was zu nomadischen und mobilen Architekturen führt, sind es in den industriell gut aufgestellten Ländern der Ersten Welt die Diversifizierung der Wohn- und Arbeitsformen, die die Menschen mobil machen. Die Beweggründe unterscheiden sich zudem darin, dass sie in den Entwicklungsländern eher passiv hervorgerufen werden, da es hier oftmals keine andere Möglichkeit bietet, als informell zu bauen und mobil zu sein. In den advanced economies sind es eher die Bedürfnisse, die zwar nicht existenziell, aber aus den Menschen aktiv durch Informalität und Mobilität befriedigt werden. Trotzdem verlaufen die Ent-


wicklungen der unterschiedlichen Regionen der Welt nicht unabhängig voneinander. Bevölkerung, Planer und Politik der Ersten Welt von den Techniken der Bewohner der Entwicklungsländer und umgekehrt. In der Kombination aus einer teilweise geplanten, teilweise informellen Architektur und der mobilen Eigenschaft von schwimmenden Strukturen sehe ich eine Möglichkeit für Menschen in Küstenstädten, ihren Bedürfnisse zu begegnen. Der informelle Aspekt des Entwurfs ist dahingehend wichtig, da eine zu komplexe und statisch geplante Struktur nicht den Bedürfnissen jeder Art gerecht werden kann. Trotzdem ist ein gewisser Grad an Planung nötig, um einen Standard von Stabilität und Nachhaltigkeit zu produzieren. Ich sehe hierbei das Potential in einer engen Zusammenarbeit von lokalem Wissen und planerischer Expertise, wie es in den Beispielprojekten von NLÉ und Waterstudio gezeigt wird.

96 97


AQUATISCHE REALTITÄTEN


4



Seit jeher gibt es Landgewinnungsmaßnahmen im Wasser sowie schwimmende Behausungen, also Bauen „zu Wasser“ und „auf dem Wasser“. Die Landgewinnung stellt aus verschiedenen Gründen, insbesondere aufgrund der nicht gegebenen Nachhaltigkeit, kein zukunftsfähiges Konzept dar. Schwimmende Bauten hingegen haben bis jetzt keine breite Anwendung gefunden. Sie werfen auch rechtliche Problematiken auf. Im Folgenden werden die Herausforderungen der Ansätze illustriert und bewertet. Die rechtlichen Herausforderungen werden beispielhaft anhand der Situation in Deutschland und Nigeria untersucht.

100 101


Beweggründe für das Bauen zu Wasser Luxus Immobilien mit Aussicht aufs Wasser gelten als der Wohntraum schlechthin – dabei spielt es keine Rolle, ob am See, am Fluss oder gar in der Stadt. Als entscheidende Faktoren für das exklusive Wohnen am Wasser können die Aktualität, das symbolische Kapital – das Prestige, die momentan noch vorhandene Begrenztheit des aquatischen Wohnraums und das Potential der sozialen Überhöhung genannt werden. Die Verbindung von Wohnen und Wasser ist en vogue; allein die Anzahl der in den letzten Jahren geplanten und gebauten Projekte bildet einen Beweis dafür. Viele Wohnungen und Villen besitzen einen direkten Bootsanlegeplatz für die eigene Yacht oder Segelboot, Privatpools und Sonnendecks. Meistens sind sie zudem technologisch auf dem neuesten Stand: Licht, Wärme und die Klimaanlage können zentral und per Knopfdruck reguliert werden, Satellitenfernsehen und High-Speed-Internet sind ebenfalls verfügbar.

Aufgrund der Attraktivität der Lage am Wasser sind die Immo-

bilienpreise für diese Objekte oftmals so hoch, sodass die Verfügung über die exponierten Standort meist der Mittel- und Oberschicht der Gesell-


schaft vorbehalten bleibt. Breite Bevölkerungsschichten haben oft noch keinen Zugang zum Leben am Wasser, weil sie nicht über das benötigte ökonomische Kapital verfügen. Viele Projekte bezeugen einen Trend zur Schaffung regelrecht abgegrenzten Lebensraums am Wasser, wo das Wohnen zu einem „Lebensstilzeichen“ derjenigen avanciert, die es sich leisten können.1 Steigender Meeresspiegel Gegenüber Japan, wo sich die Notwendigkeit zum Bau von Städten im Wasser aus der Raumknappheit ergibt, resultiert das Interesse an aquatischer Architektur in den Niederlanden aus der Überschwemmungsgefahr, die der potentielle Anstieg des Meeresspiegels mit sich bringt. In der Vergangenheit wurden eine Vielzahl von Poldern angelegt, trockengelegte Flächen unter dem Meeresspiegel, die von schützenden Deichen umgeben sind. In jüngerer Zeit werden jedoch die Deichbaumaßnahmen eingeschränkt oder rückgebaut, um Überflutungsareale zu schaffen. Das 1

Vgl. Wagenknecht, S. 263 - 279

102 103


komplexe Fluss- und Kanalsystem der Niederlande erhält so eine größere Variabilität bei Hoch- und Niedrigständen des Wassers.2 Das Ende der Ressource Festland Das Bauen auf dem Wasser wird ebenso unter dem Vorzeichen der Notwendigkeit der Landgewinnung immer wichtiger. Einerseits dienen Landgewinnungsmaßnahmen dem Küstenschutz, andererseits sollen neue Flächen für landwirtschaftliche Nutzung oder Bebauung gewonnen werden. Landgewinnung kann entweder durch Aufschüttung von z.B. Sand erfolgen, oder durch die Trockenlegung von Land durch Abdämmung. In Europa sind vor allem die Niederlande für umfangreiche Landgewinnungsprojekte bekannt. Im asiatischen Raum war Japan der Vorreiter derartiger Maßnahmen. In Städten, die von einer hohen Bevölkerungsdichte, Flächenknappheit und beträchtlichen Bodenpreisen gekennzeichnet sind, gestaltet sich die Suche nach freien Flächen immer schwieriger. Durch Landgewinnung soll das dicht besiedelte Land entlastet werden und neuer Lebensraum geschaffen werden. In Japan gibt es vor allem in den Ballungsgebieten enorme Landknappheit. Seit dem 20. Jahrhundert werden Maßnahmen zur künstlichen Landgewinnung im Meer, vor allem in der Bucht von Tokio und der Bucht von Osaka, getroffen. Bis jetzt wurden insgesamt mehr als 1000 m2 neue Flächen für die Stadtentwicklung angelegt.3 Angebotsmangel in der Stadt Der Wunsch nach möglichst idealen Wohnverhältnissen ist stark und wird in den meisten Städten nur bedingt befriedigt. Die überkommenden Formen des urbanen Wohnens befinden sich gegenwärtig in einem fundamentalen Umbruch. Tatsächlich haben der 2 3

Vgl. Wagenknecht, 2012, S 296 - 297 Vgl. Ellrich, Hebold, 2014


Abb. 028 Verlauf der Landgewinnung in der Bucht von Tokio bis 1990.

104 105


demographische Wandel und die Pluralisierung des Haushaltstypen und Lebensstile zu einer Diversifizierung der Wohnungsnachfrage geführt, dem das vorhandene städtische Standardwohnungsangebot kaum mehr entspricht.4 Urbane Wasserflächen finden sich dagegen in Küstenstädten (z.B. Barcelona, Tokio), sowie in Hafenstädten (z.B. Rotterdam, Hamburg), Flussstädten (z.B. Bangkok, London), Kanalstädten (z.B. Amsterdam, St. Petersburg), Archipelstädten (z.B. Venedig, Mumbai) und Inselstädten (z.B. Flores, Malé). Wasserflächen sind ein Teil fast jeder Metropole und werden im Normalfall nicht genutzt, zumindest nicht in vollem Maße. Das Bauen auf dem Wasser bietet Möglichkeiten, die diversifizierte Wohnungsnachfrage in den Städten zu adressieren.

4

Vgl. Harlandar, 2007,S. 18


106 107


Schwimmen vs. Aufschütten Die stetig größer werdende Nachfrage nach Platz in Städten ist eine treibende Kraft für die Nassbaggerindustrie. Neues Land wird durch das Aufschütten von Sandmassen in das Wasser gewonnen, das Wassermilieu darunter verschwindet jedoch. Auch der Einfluss auf die natürlichen Strömungen verursacht Probleme: So erfährt z.B. das Wasser von Palm Jumeirah in Dubai eine Versalzung und extreme Aufheizung bis zu 40°C.

Ein weiterer Nachteil ist, dass das aufgeschüttete Land sehr lang

zum Setzen braucht und um robust genug zu werden, dass darauf gebaut werden kann.1 In Ijburg werden einzelne Sandschichten übereinander aufgebracht, da der Grund des Ijmeers sehr weich ist. Die Schichten werden bis 3,5m über den Wasserspiegel aufgebaut. Anschließend müssen sie sich um 2m setzen. Dieser Prozess würde auf natürliche Weise ca. 10 Jahre dauern. Durch den Einsatz von senkrechten Drainagen, die ca. alle 1,5m in den weichen Sand getrieben werden, kann der Prozess auf 2 Jahre verkürzt werden.

1

Vgl. Olthuis und Keuning, 2010, S. 223, 224


Der Aufwand ist jedoch immens.2

Das größte Problem von aufgeschütteten Inseln ist jedoch, dass

nicht nur der neue Standort betroffen ist, sondern auch der Ort, von dem der Sand stammt. Die Mengen an Sand, die für den Prozess benötigt werden, sind riesig. Manchmal kann die Sandgewinnung sogar Konflikte verursachen. In 2002 gab es einen „Sandkrieg“ zwischen Singapur auf der einen Seite und Malaysia und Indonesien auf der anderen Seite. Nach einem Verbot Sand von den Küsten Malaysias und Indonesiens zu extrahieren, wurde Singapur beschuldigt Diebe zu bezahlen, die über Nacht ganze Strände stehlen. Es wird geschätzt dass jährlich ca. 300m3 Sand illegal aus Indonesien exportiert werden.3 Sand ist zudem kein erneuerbarer Rohstoff, und kann die gewaltige Nachfrage nicht unendlich befriedigen.4

Schwimmende Inseln haben diese Probleme nicht. Es gibt keine

Wartezeiten für das Setzen, keinen Schaden an empfindlichen Ökosystemen und keine Zerstörung der Unterwasserumwelt. Im Gegensatz zu 2 3 4

Vgl. Die größten Projekte der Welt, 2010 Vgl. Olthuis und Keuning, 2010, S. 225, 226 Vgl. Pereira, 2017, S. 109

108 109


den traditionellen Formen der Landgewinnung, könnten schwimmende Inseln zur Nachhaltigkeit und Qualität beitragen.Schwimmende Gebäude sind eine effektive Form von Flexibilität. Indem die dauerhafte Verbindung zwischen Gebäude und Standort getrennt wird, wird ein Gebäude zu einem Produkt, das über eine Lebenszeit von verschiedenen Nutzern an unterschiedlichen Orten eingesetzt werden kann. Die Lebensdauer von Stadtbausteinen wird immer kürzer. Der Grund dafür ist die sich ändernde Balance zwischen dem wirtschaftlichen Wert eines Gebäudes und dem wirtschaftlichen Wert des Ortes. Eine gängige Konsequenz ist, dass Gebäude in gutem Zustand wegen des Entwicklungspotentials des Grundstücks abgerissen werden.

Durch das Prinzip von schwimmenden Stadtbausteinen kann es

vermieden werden, Gebäude vor dem Ende ihrer Lebensdauer abzureißen. Die Gebäude können an einen Ort umziehen, an dem der wirtschaftliche Wert der Konstruktion mehr mit dem Wert des Standorts übereinstimmt. Flexibilität ist hierbei die effektivste Form von Nachhaltigkeit: Ein Gebäude ist nachhaltig, wenn es ein langes Leben hat, und ein Gebäude hat ein langes Leben, wenn es flexibel ist. . 5

5

Vgl. Olthuis und Keuning, 2010, S. 32 - 38


Abb. 029 Die Inseln von Ijburg im Bau. Der Sand wird vom Grund des Ijmeers abgepupmt und in dünnen Schichten übereinander verteilt. Die Inseln müssen sich anschließend setzen.

110 111


Rechtlich in Deutschland Ein schwimmendes Haus vereint die Merkmale eines Schiffs und die eines Hauses. Insbesondere die Eigenschaft der theoretischen Mobilität erschwert die rechtliche Einordnung. Nach den notwendigen Vorbereitungen und mit Hilfe eines Schleppbootes kann ein schwimmendes Haus an einen anderen Ort transportiert werden. Verschiedene Institutionen haben sich die Frage gestellt, ob schwimmende Häuser als Immobilien, im Sinne von unbeweglichem Eigentum wie bei einem regulären Haus, oder als bewegliches Eigentum, vergleichbar mit einem Hausboot, betrachtet werden sollen. Die Folgen können sowohl für die Bewohner, als auch die Regierung erheblich sein. Für die Konstruktion gelten andere Anforderungen, die Steuerbehörden fordern andere Gebühren und Freibeträge und Banken stellen andere Bedingungen für Darlehen.1

Wer ein „normales Haus“ mietet, hat in Bezug auf Instandhal-

tung, Miete und Kündigung einen stärkeren rechtlichen Status als die Mieter eines Bootes. Für eine Bank ist die Frage, ob ein Haus fest mit dem Boden verankert ist, mehr als eine formelle Frage. Wenn sie bei einem schwimmenden Haus mehr Risiko sehen, als mit einer üblichen Immo 1

Pierdolla, 2008, S. 44


bilie, passen sie die Hypothekenkonditionen entsprechend an. Die Bank rechnet z.B. mit dem Risiko des Sinkens oder des Schiefliegens, aber auch, dass das Pfand bereits weggeschwommen sein könnte, wenn sie es einfordern möchte.

Grundsätzlich gilt, wenn ein schwimmendes Haus an einem

kommunalen Liegeplatz verankert wird, handelt es sich nicht um eine Immobilie im klassischen Sinn, denn der Grund und Boden bzw. die Wasserfläche wird nur gepachtet und die Verankerung kann theoretisch auch wieder gelöst werden. Dies ist nicht nur theoretisch möglich, denn aufgrund von behördlichen Auflagen muss das zwingend erforderliche Schwimmfähigkeitszeugnis in bestimmten Intervallen (meist 5-10 Jahre) erneuert werden. Hierzu müssen die Häuser zum „Schwimmkörper-TÜV“ meistens in ein Dock geschleppt werden. Das Haus bleibt somit mobil und ist kein wesentlicher Teil des Grundstückes im Sinne des BGB. Selbst wenn sich das Grundstück (Liegeplatz/Wasserfläche) im Eigentum des Hausbesitzers befindet und das schwimmende Haus fest verankert ist, handelt es sich bei dem Gebäude nicht um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstückes. Ein Grundstück mit einem schwimmenden Haus ist

112 113


also rechtlich nicht als eine Immobilie anzusehen, sondern eher als Schiff ohne eigenen Antrieb. 2

Ein schwimmendes Haus kann nach der Schiffsregisterordnung

ins amtliche Schiffsbauregister eingetragen werden. Dadurch sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Hypothekenbelastung des Schiffes geschaffen. Die Schiffshypotheken werden, ähnlich wie bei Grundstückshypotheken, die ins Grundbuch eingetragen werden, im Schiffsbauregister vermerkt. Die Zinssätze sind jedoch tendenziell höher, auch wenn die Laufzeiten meist länger sind. Voraussetzung für die Eintragung des Hauses im Schiffsbauregister ist ein Eichschein, der die Schwimmfähigkeit nachweist. Durch einen Schiffsstatus ergeben sich außerdem steuerliche Vorteile wie rückerstattungsfähige Mehrwertsteuer und degressive Steuerabschreibung.

3

Der Marktwert von Wasserflächen mit Häusern ergibt

sich aus Angebot und Nachfrage und schließlich aus den Kaufpreisen, welche im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt werden. Da momentan noch nicht genügend Vergleichspreise vorliegen, erfolgt die Wertermittlung oftmals nur im Sachwertverfahren. Der Wert einer Wasserfläche hängt im Wesentlichen von ihrer rechtlich zulässigen Nutzbarkeit ab. In der Regel besteht auch eine Abhängigkeit zum Wert des angrenzenden Uferbereichs. Vergleichspreise oder Richtwerte für Wasserflächen sind selten zu finden und reichen von 2,50€/m2 (z.B. Angelteich im Außenbereich) teilweise sogar bis 300€/m2 für Grundstücke mit Wassersportnutzung. Ein weiterer Anhaltspunkt ist die auf Bundeswasserstraßen üblicherweise anfallende Wasserstraßenpacht. Die Höhe der Pacht beträgt gemäß Wasser- und Schifffahrtsverwaltung 7% des jeweiligen Grundstückswerts p.a.4 Trotzdem wird die rechtliche Situation für jedes schwimmende Haus in Einzelnen geprüft. Das Bauen auf dem Wasser ist auch rechtlich noch eine Nische. Durch die unsichere juristische Einordnung und Kreditmöglichkeit wird das Wachstum des Marktes für schwimmende Gebäude gezügelt. 2 3 4

Pitsch, 2010, S. 166 Pierdolla, 2008, S. 45 Pitsch, 2010, S. 167


Abb. 030 Rechts unten im Bild befinden sich die schwimmenden Häuser im Yachthafen in Kröslin, Mecklenburg-Vorpommern. Für die Häuser fällt eine jährliche Liegegebühr von 4.235€ an.

114 115


Rechtlich in Nigeria In der Regel ist eine Baugenehmigung erforderlich, um Eigentum in Nigeria zu entwickeln. Das Ministerium für Technische Planung und Urbane Entwicklung (Ministry of Physical Planning and Urban Development) definiert „Entwicklung“ als Ausführung jeglicher Gebäude, Bergbau, oder anderen Tätigkeiten in, auf oder unter Land“. „Land“ wird definiert als „alles, was mit dem Boden verbunden ist oder dauerhaft an etwas befestigt ist, das mit dem Boden verbunden ist“.1 Für Lagos ist auch explizit Land, das mit Wasser bedeckt ist, eingeschlossen.2

Es scheint daher, dass das Ministerium die Absicht hat, seine

Autorität auf „Gebäude“ auszudehnen, die auf Gewässern ruhen oder dauerhaften an Strukturen darin festgemacht sind. Die Frage ob schwimmende Gebäude dazu zählen kann nicht klar beantwortet werden.

Weil es für viele informelle Siedlungen an Plänen seitens der

Bundesregierung fehlt, versuchen einige Bundesländer Gebiete von der Regierung zu beanspruchen.3 1 2 3

Nigerian Urban and Regional Planning Act 1992, Absatz 91 Urban and Regional Planning and Development Law 2010, Absatz 102 Vgl. NLÉ (2), 2012, S. 153


Das Amt für Nationale Inland-Wasserwege (National Inland Waterway Authority NIWA) regelt, lenkt und kontrolliert alle schiff baren Wasserstraßen, Binnenwasserstraßen, Binnenhäfen und Binnengewässer Nigerias. NIWA gibt unter „Inland-Wasserwegen“ alle Wasserstraßen, Flüssen, Bäche, Seen, Wattgebiete und Lagunen unter der Niedrigwassergrenze an. NIWA beansprucht zudem die Verantwortung für die Regulierung des Baus von Gebäuden innerhalb dieser Gebiete. Über informeller Gebiete wie wasserbasierte Slums gibt es jedoch keine regulatorischen Ansätze seitens Amts. NIWA kann den Bau eines Gebäudes auf dem Wasser gestatten, ohne das damit verbundene „Land“ zu veräußern. Die Landesregierungen haben dafür das Recht, die Baupläne zu genehmigen. Um in Nigeria eine Baugenehmigung zu erhalten müssen folgende Dokumente eingereicht werden: 1.

Vermessungsplan des Grundstücks

2.

Strukturelle/architektonische Zeichnungen des vorgeschlage-

nen Gebäudes

116 117


3.

Technischer Planungsbericht (wird von einem Stadtplaner

erstellt) 4.

Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Antragstel-

lers (Im Falle einer Gesellschaft, des Geschäftsführers)

Für den Bau eines Gebäudes auf dem Wasser wird dann zusätz-

lich die Genehmigung vom NIWA benötigt.

Der Prozess des Baugenehmigungsverfahrens dauert in der Re-

gel etwa einen Monat, wenn alle Dokumente zufriedenstellend sind.4

4

NLÉ (2), 2012, S. 154 - 156


Abb. 031 Für die schwimmende Schule von NLÉ in Lagos musste noch eine zusätzliche Baugenehmigung für Schulen eingeholt werden.

118 119


Fazit Schwimmende Gebäude haben bis heute noch keinen etablierten Markt gefunden, obwohl sie sowohl umwelttechnische als auch wirtschaftliche Vorteile gegenüber der Methode der Landgewinnung durch Sandaufschüttung besitzen. Durch die unklare rechtliche Einordnung schwimmender Häuser, die sich sowohl in Kändern der Ersten Welt, als auch in Entwicklungsländern ergibt, und die damit verbundene unsichere Kreditgebung durch die Banken ist das Bauen auf dem Wasser noch nicht auf dem Immobilienmarkt etabliert. Auch der Ruf von schwimmender Architektur als Luxusgut erschwert das Konstituieren der Bauweise. Schwimmende Architektur führt ein Nischendasein, das demnach wegen externer Umstände existiert, obwohl die eigentlichen, positiven Charakteristika die Nachteile übertreffen. Durch die häufigere Anwendung schwimmender Gebäude kann der Druck auf die Behörden und auf den Immobilienmarkt wachsen, die Bauweise als Standard zu einzuräumen.


120 121


Länder der Ersten Welt

AQUATISCHE


5.1 - GEDACHT

Entwicklungsländer

VISIONEN



Ein immenser Wachstumsglaube ließ europäische Architekten des 20. Jahrhunderts Wasserflächen für großmaßstäbliche Stadterweiterungsmaßnahmen in Betracht ziehen. Klimatische Veränderungen und deren Folgen waren in diesen Zeiten für Planer jedoch kein Thema. Der Platzmangel in den wassernahen Großstädten war für Anhänger des Metabolismus zur gleichen Zeit Impulsgeber für das Planen auf dem Wasser. Die visionären Entwürfe der Planer der 1960er Jahre beschränken sich dabei ausschließlich auf die Städte der Ersten Welt. Problematiken wie die der Flüchtlingskrise und der zunehmenden Umweltbelastungen des 21. Jahrhunderts werfen für heutige Architekten soziale und politische Fragen auf.

124 125


Das architekturphilosophische Konzept des Metabolismus Die Gruppe der Metabolisten gründete sich Anfang der Sechziger Jahre in Japan aus einer Vielzahl angesehener Architekten. Auch Stadtplaner, Fotografen, Grafiker und Illustratoren schlossen sich der Gruppe an. Ziel der Vertreter des Metabolismus war eine radikale Erneuerung der Stadt, da sie der Meinung waren, dass die vorhandenen architektonischen Formen und Planungsprinzipien nicht in der Lage waren, den industriell urbanisierten Massengesellschaften, die sich in Japan entwickelt hatten, gerecht zu werden. Die jungen Architekten kritisierten mit ihrem Standpunkt bewusst eine Architektur, die von Dauerhaftigkeit, Vollendung und Standardisierung geprägt ist. Die Lösung der urbanen Problematik sahen sie in der Konzeptionierung flexibler, erneuer- und erweiterbarer Großstrukturen und einer prozesshaften Raumgestaltung.


Die Charakteristika dieser Architektur sollten sein: 1)

Humanism

Die metabolistische Architektur richtet sich nach dem

Menschen und seinen sich stetig verändernden Bedürfnissen

2)

Incompletedness

Eine unvollständige, nicht abgeschlossene Bauweise wird

bevorzugt, um dem stetigen Wandel des Lebens zu

entsprechen 3)

Unitality and Interconnectedness

Die architektonischen Systeme basieren auf einer modul-

haften Elementbauweise, deren Einheiten untereinander

kombiniert werden können

4)

Temporal Inclusiveness

Anstelle der baulichen Dauerhaftigkeit, richten sich die

Entwürfe nach menschlichen Zyklen des Werdens und

Vergehens und der Endlichkeit

Nicht der Mensch richtet sich nach seiner Umgebung, sondern die Umgebung passt sich ihm an. Die Metabolisten sahen die Gesellschaft als vitalen Prozess. Der Mensch galt als ein Bestandteil des natürlichen Seins mit Lebewesen und Pflanzen. Die Natur und Kultur sollten miteinander verwoben werden und einen stetigen Austausch (= Metabolismus im biologischen Sinne) neue Arbeits-, Wohnens- und Lebensstrukturen formen. Menschlichkeit, Technik und Natur sollten dabei harmonisch miteinander verwoben sein.1

1

Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 31 - 32

126 127


Plan for Tokyo Abb. 032 Geplante Lage der Stadterweiterung in der Bucht von Tokio


Standort

Bucht von Tokio, Japan

Planer

Kenzo Tange

Planungsjahr

1960

Nutzung

Lineare Stadterweiterung, Masterplan

Größe

Zentrale Achse ca. 27km lang

Beweggrund

Überbevölkerung, mangelhaftes Verkehrsnetzwerk und Kommunikation, hohe Grundstückspreise

128 129


Die Metropolregion Tokio-Yokohama ist mit aktuell rund 37,75 Millionen Einwohnern der größte Ballungsraum der Welt. 9,5 Millionen Einwohner kommen auf eine Fläche von 622 km2 in der Stadt und ergeben damit eine Dichte von über 15.200 Einwohnern/km2. Bereits in den 50er Jahren war man sich der fortschreitenden Überbevölkerung der Metropole und anderer wachsender und überbelasteter Städte der Nachkriegsjahre bewusst. Als wichtiger Vertreter des Metabolismus entwickelte Kenzo Tange im Jahre 1960 mit Hilfe eines Planerteams eine „Strukturelle Reorganisation“ Tokios. Der Entwurf sollte keinen statischen Masterplan zeigen, sondern vielmehr als sich ständig verändernder Organismus funktionieren. Um dem Zusammenleben von vielen Menschen Raum für eine dynamische Entwicklung zu geben, sieht der Entwurf die Konzeption einer linearen Kommunalachse vor, die sowohl an die bestehend gewachsene Stadt Tokios anschließt, als auch genügend Platz für eine wandlungsfähige Entwicklung bietet. Tange schlug ein effizientes Beförderungssystem vor, da es seiner Meinung nach durch Kommunikations- und Informationstechnologien zu einem Verlust physisch-greif barer Mensch-zu-Mensch-Beziehungen gekommen sei. Dieser Entwicklung sollte durch Vernetzung von Öffentlichkeit und Mensch entgegengewirkt werden. Die Struktur beinhaltete sowohl Massenverkehrsmittel für Pendler, als auch Individualverkehr per Auto. Das Beförderungskonzept sah vor, das bestehende, radiale Verkehrssystem durch einen linearen Auf bau zu ersetzen. Zentripetale Systeme sind laut Tange ein Ausdruck mittelalterlicher Gesellschaftsformen, bei denen das Leben um zentrale Plätze gestaltet war, um die die Gesellschaft angesiedelt war. Moderne Städte seien jedoch vielmehr von Schnelligkeit, Mobilität und Kommunikation geprägt. Dadurch entstehe eine stärkere Vernetzung, die durch lineare Strukturen besser befriedigt werden könne.1

Die Linie sah Tange als Kommunalachse und zentrale Zone des

1

Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 49 ff.


Abb. 033 Der Verkehr sollte s-förmig entlang der Ringelemente der zentralen Achse geführt werden.

urbanen Lebens. Alle Funktionen einer Großstadt sollten sich entlang der Linie anordnen, wodurch Kommunikation und Nachrichtenaustausch auf kürzestem Wege stattfinden könnte.2 Die Linearität sollte aus einer Reihe von Ringelementen gebildet werden, die weiteres Wachstum stufenweise zugelassen hätten. Jedes Element sollte aus drei horizontal angeordneten Verkehrsebenen bestehen, die durch Zufahrten untereinander verbunden werden sollten. Ein Ringelement besaß 3 Unterteilungen, die jeweils einen Quadratkilometer umschlossen. Insgesamt sollte die Achse aus 23 dieser kleineren Glieder zusammengesetzt. sein. Der Verkehr sollte gegenläufig geführt werden, sodass eine S-förmige Fortbewegung entlang der Zentralachse entstanden wäre. In Kombination mit den unterschiedlichen Stadien der Bewegung in einem Tagesablauf eines Menschen erzeugte Tange eine Rangfolge der Geschwindigkeit: von einem höheren zu einem niedrigeren Fahrttempo zum Schritttempo des Fußgängers. Neben PKW 2

Vgl. Kultermann, 1970, S. 123 ff.

130 131


30m 30m

Abb. 034 Schematischer Aufbau der Pilotis und Kernsysteme.

30m Bürogeschosse Kern Aufzüge

Bürogeschosse (temporär austauschbare Elemente) Glasfenster (temporär austauschbare Elemente) Kern und Aufzüge (permanente Struktur)

Wohnsiedlungen


sollte eine Einschienenbahn täglich 2,5 Millionen Personen auf der Achse befördern. Pro Ringelement hätten somit mindestens 100.000 Arbeitsplätze gebaut werden müssen.3 Zur Lösung der Neustrukturierung sollte die Verbindung von „Pilotis“ und „Kernsystemen“ beitragen. Die Pilotis waren als 150 – 250m hohe Tragpfeiler geplant, die das Kernsystem mit Infrastruktur (z.B. Fahrstühle, Abwasserrohre oder elektrische Leitungen) beinhalteten. 10- bis 20-stöckige Bürohäuser oder Hotels sollten sich zwischen den Pilotis aufspannen und über den Verkehrsebenen schweben. Unter den Gebäuden entständen somit freie Flächen, die zur Fortbewegung oder zum Parken genutzt werden könnten. Somit wäre auf den unteren Ebenen über dem Meeresspiegel Verkehr untergebracht, während weiter oben immer mehr private Funktionen gelegen wären.4

Parallel zur Kommunalachse sollten Einkaufszentren und

Wohngebiete angesiedelt werden. Sie sollten mit dem Hauptstrang über orthogonal abzweigende Straßen verbunden werden. Auf dem Festland sollten durch diese Vernetzungsform die städtischen Nebenzentren an die Linearstruktur angeschlossen werden. Die Wohnsiedlungen auf dem Wasser sollten auf trockengelegtem Land oder auf Plattformen auf im Meeresboden verankerten Pfeilern entstehen. Der Querschnitt der Bebauung auf diesen künstlichen Inseln sollte eine dreieckige Form haben: Im oberen wie im unteren Bereich der Triangel-Struktur sollten Wohnhäuser untergebracht werden, im Inneren öffentliche Einrichtungen, Kindergärten und Schulen, Parkplätze, Einkaufszentren sowie Einbahnschienenstationen. Den Bewohnern sollte es möglich sein, ihre Wohnungen frei zu gestalten.5

Die Kommunalachse machte das Element Wasser zu ei-

nem wichtigen Aspekt der Planung. Der Entwurf sollte den Bewohnern 3 4 5

Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 61 ff. Ebd., S. 62 - 63 Ebd., S. 65 ff.

132 133


Tokios die natürliche Schönheit des Meeres wieder bewusst machen, die durch die Ansiedlung von Industrieanlagen an der Küste weithin verloren gegangen war. Außerdem war es Tange ein Anliegen, den damals schon massiven Grundstücksspekulationen durch neues Bauland zu entgegnen. Deswegen sollten öffentliche Instutionen das Bauprojekt beaufsichtigen, um Bodenspekulationen zu vermeiden.

Die Realisation des Projektes schätze Tange auf ca. 20 Jahre.

Die Kosten wurden damals auf ca. 159 Milliarden Euro geschätzt. Das Entwicklungskonzept für die strukturelle Rekonfiguration Tokios ist laut Tange auch für Millionenstädte, die mit ähnlichen Problematiken konfrontiert sind, wie New York, Paris oder London, geeignet.6

Obwohl der „Plan for Tokyo“ aufgrund von ökonomischen und

rechtlichen Einwänden nicht realisiert wurde, gilt er als eines der wichtigsten Denkmodelle zum Städtebau der Nachkriegszeit. Tange war überzeugt, dass das Bauen auf dem Wasser eine hervorragende Möglichkeit zur Verbesserung urbaner Situationen war.7 Bewertung Die Entwurfsprinzipien der Metabolisten sind, obwohl sie Produkt einer anderen Ära sind, Methoden, die auf Herausforderungen der heutigen Zeit Antworten liefern können. Die in Kapitel 3 beschriebenen unterschiedlichen Lebensformen der modernen Menschen verlangen nach der gleichen Flexibilität und Unabgeschlossenheit der Planung, wie sie von den Metabolisten in den 1960er Jahren verlangt wurde. Die Langlebigkeit eines Gebäudes wird demnach durch die Austauschbarkeit einer Substruktur (z.B. Bei Tange Bürogeschosse) erreicht, die nicht austauschbaren Teile (z.B. Kern und Aufzüge) bilden das Gerüst. Wie auch 6 7

Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 66 -67 Ebd., S. 67


bei van den Broek und Bakema in Europa spielt für Tange im Tokio der 1960er Jahre der Verkehr eine große Rolle, weswegen ein planerischer Fokus für den Plan for Tokyo auf der Verkehrsführung lag. Im Angesicht der klimatischen Veränderungen, die auch großteils durch den CO2-Ausstoß des Verkehrs verursacht werden, sollte der Fokus heute stärker auf alternativen Transportmitteln (siehe z.B. New Amsterdam Waterfront) liegen. In den 1960er Jahren gab es jedoch noch kein allgemeines Bewusstsein für die Folgen des vermehrten CO2-Ausstoßes.

134 135


Marine City Abb. 035 Modellfoto der inneren Ringe der Marine City


Standort

Mobil

Planer

Kiyonori Kikutake

Planungsjahr

1963

Nutzung

Stadt auf dem offenen Ozean

GrĂśĂ&#x;e

500.000 Einwohner

Beweggrund

Knapper werdende Ressource Land

136 137


Abb. 036 Zonen der Marine City

Äußere Zone für Produktion Innere Zone für Wohnen Zentren für Planung und Verwaltung

Ebenso wie Kenzo Tange war Kiyonori Kikutake ein wichtiger Vertreter des Metabolismus in Japan. Für Kikutake kam die Motivation zum Bau mit dem Element Wasser vor allem aus den Auswirkungen der knapper werdenden Ressource Land. In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg wuchs Japan zu einer industriellen Massengesellschaft heran, die in der Überbevölkerung vieler japanischer Städte resultierte. Dadurch entstand zudem ein gesellschaftlicher Zustand, den Kikutake als „ Kontinental-Zivilisation“ bezeichnete: Die kontinentale Besiedelung der Menschen führte seiner Meinung nach zu einem kriegerischen Gegeneinander, das durch Besitz und Nichtbesitzt von Land ausgelöst wird. Den Ausweg aus dieser Not sah Kikutake in der Loslösung vom Festland und der Besiedelung der Meere. 1

Mit „Marine City 1963“ thematisierte Kikutake wie schon in frü-

heren Projekten die Urbanisierung des offenen Ozeans. Die Stadt sollte Platz für 500.000 Einwohner bieten. Sie sollte mobil sein und zu verschiedenen „Ankerplätzen“ geschleppt werden können, und je nach Lage und 1

Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 73


Abb. 037 Abb. 038 Abb. 039 Auf bau der Tower Shaped Communities und der WohnUnits

Bedarf, auf verschiedene ökonomische und ökologische Bedingungen reagieren können. Den äußeren Ring der Stadt bildeten 500 – 1000m breite amöbenförmige Kunststoffflächen, die über Brücken miteinander verbunden werden sollten. Die Inseln sollten einerseits Schutz vor Wellen bieten und zum anderen sollten Unterwasser Produktions- und Industrieeinheiten an ihnen befestigt werden. Der innere Ring wurde, im Gegensatz zu früheren Entwürfen, ebenfalls in kleinere Plattformen untergliedert. Auf ihnen sollten die „Tower Shaped Communities“ Platz finden, die Kikutake bereits in den 50er Jahren entworfen hatte. Diese Wohnform sollte auf einer kleinen Grundfläche Raum für möglichst viele Menschen schaffen. Die 300m hohen Türme sollten 1.250 Wohneinheiten für 5.000 Menschen beinhalten. Sie sollten auf dem Prinzip des äußeren Wachstums und der inneren Regeneration beruhen: Ein fester Betonzylinder sollte zuerst einen Produktionsbereich beinhalten, in dem die zylinderförmigen Wohneinheiten hergestellt würden, und anschließend ein Forschungslabor zur Verbesserung der Wohn-Units, Versorgungsnetz, Aufzug und Gemeinschaftsflä-

138 139


chen beinhalten. Die Wohneinheit ist flexibel nutzbar und teleskopartig erweiterbar. 2

Die Schwimmebenen sollten wiederum untereinander und mit

den Industriebereichen über Brücken verbunden sein. (Schiffe sollten an Anlegestellen an den inneren Ring anlegen können.) Am inneren Ring sollte es zudem ein Zentrum für Verwaltung und Planung geben. Dieses sollte jedoch nicht die Regierung oder das Parlament der Stadt beinhalten. Nach der Vorstellung Kikutakes sollte das Miteinander der Menschen mehr durch die natürlichen Prinzipien des Wassers (einem Verstand, der sich aus dem Meer und seinen Bedingungen ergibt) geregelt werden, als von Motiven der beteiligten Menschen. Nur intelligente und konstruktive Lösungen hielten der Kraft des Wassers stand. Durch die Anordnung des inneren und äußeren Rings ergab sich eine strikte Trennung von Wohnen und Arbeiten, eine klare funktionale Zonierung. Damit unterscheidet sich das Projekt z.B. deutlich von Kenzo Tanges „Project for Tokyo“, bei dem die Zusammenhänge zwischen Wohnen und Arbeiten verknüpft werden sollten.3 Bewertung Das Projekt Kikutakes entstand vor allem in Reaktion auf die bereits 1960 vorhandene immense Dichte von Japans Großstädten. Es ist demnach in erster Linie ein Projekt der Landgewinnung durch schwimmende Plattformen. Die Flexibilität und Erweiterbarkeit liegt bei diesem Projekt vor allem bei den Tower shaped Communities, die dem Wohnen in der „Marine City“ dienen sollten. Das Layout ist durch die Anordnung von Wohn-, Produktions- und Verwaltungsplattformen streng funktional und wenig durchmischt. Auch wenn die Beweggründe sich unterscheiden, ist der Entwurf maßgebliche Inspiration für die Bewegung des Seasteadings. 2 3

Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 98 Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 98, 99


140 141


Koto District Project Abb. 040 Lageplan der von Koto ausgehende Stadter wei terung und der Erweiterung in der Bucht von Tokio


Standort

Bucht von Tokio ausgehend vom Bezirk Koto

Planer

Kiyonori Kikutake

Planungsjahr

1963

Nutzung

Stadterweiterung

Größe

40 Hektar

Beweggrund

Gefährdung des Bezirks durch Erdbeben, Überflutungen, Brände, Erdsenkungen und dadurch entstehende Massenpaniken

142 143


Abb. 041 Abb. 042 Schema der gerasterten Erweiterung auf dem Wasser vor Koto

Im Gegensatz zur eben vorgestellten „Schwimmstadt“, die für das offene Meer gedacht war, handelt es sich bei dem „Koto District Project“ bzw. „Tokyo Bay Project“ um eine Annäherung an die bestehende städtische Umgebung. Der Bezirk Koto in Tokios Bucht ist ca. 5.000 ha groß, in den 60er Jahren lebten hier etwa 500.000 Menschen. Für Kikutake war das Areal von Koto im Vergleich zum Gesamtraum Tokios besonders belastet: 1)

Hohes Erdbebenrisiko und Gefahr der Zerstörung aufgrund

des sandigen Untergrunds.

2)

Hohes Brandrisiko aufgrund der dichten Bebauung und

mangelnder Brandschutzmaßnahmen

3)

Hohes Überflutungsrisiko, da Koto wie Edogawa,

Katsushika und Adachi zu großen Teilen unterhalb des

Meeresspiegels liegt

4)

Hohes Erdsenkungsrisiko

5)

Risiko von Massenpaniken während eines Erdbebens

Kikutakes Plan war es, die Bereiche, die unter dem Meeresspiegel lagen, bis 6m tief auszugraben und den gewonnenen Sand an anderen Stellen aufzuschütten, an denen später Parks entstehen sollten. In die so entstandenen Wasserareale sollten schwimmende Inseln von 200 auf 200m


platziert werden, auf der je eine „Tower Shaped Community“ mit 20 Geschossen Platz finden sollte. Die neuen Wohngebiete sollten mit Brücken für Autos und Eisenbahnen bzw. Wasserwegen eine neue Intrastruktur erhalten. Ausgehend von Koto sollte das Projekt in die Bucht von Tokio hineinwachsen. Als Variation des „Koto District Projects“ entwarf Kikutake das „Tokyo Bay Project“ als eigenständige Aquacity, unabhängig vom Koto-Bezirk. Die dicht besiedelten, traditionellen Stadtteile Tokios entzerrt werden und damit räumliche Aktionsfelder eröffnen, die die chaotischen Verhältnisse der Vergangenheit überwinden und die Bildung einer multinationalen Gesellschaft fördern sollte. Die Stadt hätte durch die Erweiterung ca. 40 Hektar Wohnfläche dazu gewonnen. Die Gefahren, die Koto und die Bucht von Tokio bedrohten, wären durch das Bebauungssystem laut Kikutake deutlich minimiert worden. Auf den neuen Flächen sollten Freiräume zum Flanieren und Ausspannen geschaffen werden, die zur Entspannung der Lebensverhältnisse beigetragen hätten. Außerdem wäre die Konzentration der Infrastruktur aufgelockert worden. Das „Koto District Project“ sowie das „Tokyo Bay Project“ zeigen Versuche, die teilweise gescheiterte Stadtplanung Tokios durch konstruktive Erweiterungen zu überwinden und sinnvoll zu ordnen. Bewertung Im Vergleich zu Kikutakes „Marine City“ kommen für das „Koto District Project“ spezifischere, an die Bedürfnisse des Bezirks angepasste Beweggründe für die Stadterweiterung hinzu. Hier beschränkt sich die Flexibilität nicht allein auf die Wohngebäude, sondern erweitert sich auf die Anordnung einzelner Inseln. Für eine vorstellbare Realisierbarkeit war jedoch der Maßstab der Plattformen von 200 auf 200m meiner Meinung nach zu groß. In einer skalierten Fassung ist die Idee der Stadterweiterung auf eine Bucht direkt vor dem Ufer der betreffenden Stadt ein durchaus realisierbarer Grundgedanke.

144 145


Walking City Abb. 043 Die Walking Cities durchschreiten das Wasser vor den Ufern von New York


Standort

Mobil

Planer

Archigram

Planungsjahr

1964

Nutzung

Flexible und mobile Stadt

Größe

Bis zu 40 Stockwerke

Beweggrund

Kritik an Rationalität, die zu unbefriedigender Urbanität führt

146 147


Abb. 044 Ansicht der laufenden Stadt

Archigram (von „architectural telegram“) war eine Gruppe britischer Architekten, die von 1960 bis 1974 ihre Entwürfe in einer gleichnamigen Zeitschrift veröffentlichten. Die sechs Mitglieder Warren Chalk, Peter Cook, Dennis Crompton, David Greene, Ron Herron und Mike Webb hinterfragten die Grundmauern des Modernismus und prangerten die misslungenen Entwicklungen seelenloser Stadtplanungen an. Eine Stadtplanung der Zukunft musste sich laut Archigram nicht an den rationalen Zielen der Machbarkeit orientieren, denn diese habe unter Anderem zur unbefriedigenden Urbanität englischer Städte geführt. Mit bunten Darstellungen und provokativen Überschriften verfolgten sie doch ein ernstes Ziel: das Auf brechen und Verändern konventioneller Lebensweisen. Enthusiasmus für Technologie, Zukunftsglaube und kindliche Träume von Omnipotenz wurden in Form von High-Tech Megastrukturen auf die Spitze getrieben.1

Ron Herron entwickelte mit Walking City im Jahr 1964 die Idee

einer lebenden, mobilen Stadt, die sich mit Hilfe riesiger Teleskop-Gliedmaßen über Land und Wasser fortbewegt. Es ist ein Entwurf, der sich 1

Vgl. McQuaid, 2002, S. 150


Abb. 045 Das Londoner Visualisierungsbüro Atkinson + Co. präsentierte 2017 Darstellungen der Walking Citys im heutigen, post-apokalyptischen, überfluteten London.

wie viele anderen von Herrons Zeichnungen, mit dem Begriff der Unbestimmtheit und einer sich ändernden Architektur beschäftigt. Die Zeit, in der Archigram wirkte, war hochgradig politisiert. Dadurch entwickelte sich die Idee als eine direkte Antwort auf die wahrgenommenen Bedrohungen des Kalten Krieges. Erdacht als „Archen“, die post-apokalyptischen Schutz bieten, sollten die wandernden Ballungsräume es ermöglichen, zu sichereren Zonen zu Gelangen.

Ein Bild vieler miteinander verbundenen Städte, die vor der

Skyline New York Citys entlang schreitet zeigt, wie die „Metropole“ Manhattan, eine unbewegliche Ikone des Modernismus, wie eine Herde Tiere durchschreitet. Durch einziehbare Korridore verbunden, bilden die einzelnen Städte im Verbund eine wandernde Metropole, die sich nicht nur fortbewegt, sondern sich auch endlosen Veränderungen anpasst. Auch einzelne Gebäude oder Strukturen sollten mobil sein, sodass sie sich dorthin bewegen könnten, wo sie gerade gebraucht würden.

Inspiriert war Walking City unter Anderem von der Theorie der

intelligenten Wohnmaschine von Le Corbusier, die alle Bedürfnisse ihrer

148 149


Bewohner auf komprimiertem Raum erfüllen sollte. Die mobile Hülle sollte jedoch an keinen festen Ort gebunden sein, sondern sich immer dort hinbewegen können, wo seine Ressourcen oder Arbeitskräfte gebraucht würden.2 Jede der Einheiten enthält die Elemente eines urbanen Komplexes: Wohnviertel, Büros, öffentliche Einrichtungen und Freizeitanlagen. Um das Innere mit ausreichend Tageslicht und Sauerstoff zu versorgen, sollte ein Teil des Daches geöffnet werden können. Diese buchstäblich mobile und unbestimmte Architektur war weniger ein ernsthafter Vorschlag für eine Struktur, als vielmehr ein Kommentar dazu, wie Veränderungen alle Aspekte einer Stadt bestimmen.3 Bewertung Der Entwurf von Archigram generiert vor dem Hintergrund des Kalten Krieges einen Zufluchtsort für bedrohte Menschen und macht sich damit die Eigenschaft der Mobilität der schwimmenden Mega-Stadt zu Nutze, um schnell in sichere Gebiete zu kommen. Man kann also auch hier einen Ansatz zur Katastrophenhilfe durch schwimmende, mobile Architektur erkennen, wie es z.B. auch bei den Floating City Apps von Waterstudio der Fall ist. 2 3

Vgl. Herwig, 2003, S. 49, 50 Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 256 - 259


Abb. 046 Abgehängte Kapseln über und unter dem Meeresspiegel vor der Küste

Capsule Pier Im Jahr 1965 entwickelte Herron einen weiteren Lebensraum auf bzw. im Wasser. Mit „Capsule Pier“ präsentierte er eine Kombination aus Überund Unterwasser-Wohnkapseln für die flachen Gewässer der Küsten. Im Meeresboden verankerte Masten sollten die biomorph geformten Kapseln mit Hilfe von Drahtseilen tragen. Die Kapseln, die sich über der Meeresoberfläche befinden sollten über Stege zu Fuß erreichbar sein. Unterwasser sollten sie von Tauchern über röhrenförmige Schleusen zu betreten sein. Die Grundlage der Idee sollte die einfache Erweiterbarkeit sowie das Zusammenbauen und Demontieren der Struktur sein. Die Idee der Kapseln lieferte Warren Chalk 1964 als von der Raumfahrt inspirierte vorgefertigte Wohnzellen, deren einzelne Elemente austauschbar sind.4

4

Ebd. Vgl. Wagenknecht, 2012, S. 256 - 259

150 151


Pampus Plan Abb. 047 Ausdehnung des Pampus Plan in das Ijmeer


Standort Planer Planungsjahr Nutzung Größe Beweggrund

Ijburg, Amsterdam, Niederlande Van den Broek und Bakema 1965 Stadterweiterung 350.000 Einwohner Erwartetes wirtschaftliches und städtisches Wachstum

152 153


Abb. 048 Pampus Plan Hauptverkehrsader und Knotenpunkt 55.000 Einwohner


154 155 City Pampus mit großstädischem Geschäfts- und Kulturzentrum 200.000 Einwohner

Dritte Insel Lokales Zentrum mit Monorail-Haltestelle 30.000 Einwohner

Zweite Insel 65.000 Einwohner


Parallel zu den Projekten der Metabolisten in Japan hatten die niederländischen Architekten Johannes Hendrik van den Broek und Jacob Bakema große städtebauliche Visionen für Europa. Im Jahr 1965 lieferten sie einen Vorschlag für eine großflächige Stadterweiterung Amsterdams als langgestreckte Megastruktur auf dem Ijmeer. Das Projekt entstand als Beitrag zur aktuellen Diskussion über die erwartete Urbanisierung von Teilen des Landes. Laut Bakema sollte der Plan als „Beitrag zur Lösung der bevorstehenden totalen Urbanisierung der Niederlande“ gesehen werden. Gleichzeitig galt er sowohl als Kritik an der Charta von Athen (die die funktionale Zonenteilung der Stadtgrundrisse forderte), als auch als Fortführung von Le Corbusiers’ Forderung nach „soleil, espace, vendure“ für die moderne Stadt.1

Auf vier künstlich geschaffenen Inseln sollte eine Großstadt

für 350.000 Einwohner entstehen. Damit wäre ein Dichte von 150 Wohnungen pro Hektar entstanden. Im Vergleich dazu stehen die tatsächlich realisierten Inseln in Ijburg mit einer Dichte von 70 bis 100 Wohnungen pro Hektar. Die hohe Dichte sollte durch Wohngebäude von 24 bis 40 Geschossen für bis zu 10.000 Menschen erreicht werden.

Der Entwurf für das Stadtzentrum der Bandstadt Pampus City

bestand aus einer linearen Sequenz von Wohn-, Geschäfts-, und Bürobauten. Am Ende des Rückgrats beugte sich der neue Stadtrücken um die alte, bestehende Insel Pampus und schuf somit einen neuen Stadtkern um einen inneren See mit Häfen, Boulevards und Kais. Wohngruppierungen aus Kernwandgebäuden sollten Innenräume mit Schulen, Kirchen und Läden umschließen. Jede dieser Gruppierungen sollte von einem anderen Architekten geplant werden, jedoch die gleichen Produktionstechniken und genormte Bauelemente besitzen, sodass die Wohneinheiten variabel gestalten werden könnten.2

Mobilität spielte im Entwurf eine überdurchschnittlich große

1 2

Vgl. Het Nieuwe Instituut, 2014 Vgl. Architectengemeenschap van den Broek und Bakema, 1976, S. 24 - 29


Abb. 049 Querschnitt durch die Hauptverkehrsader

Abb. 050 Beziehung zwischen Wohnbereich und Polderlandschaft

156 157


Rolle. Dies steht im Einklang mit dem damals immensen (und weiter erwarteten) Wohlstandswachstum, das sich insbesondere im immer weiter verbreiteten Autobesitz zeigte. Die neuen Inseln wurden daher über eine breite Verkehrsader mit 14 Spuren inklusive einer Einschienenbahn wie eine Wirbelsäule miteinander und mit der „Alten Stadt“ Amsterdam verbunden. Die Architekten gingen davon aus, dass der größte Teil der Bewohner sich täglich zwischen diesen Bereichen zum Arbeiten bewegen würde. Fußgänger sollten innerhalb von zwei bis fünf Minuten die Hauptverkehrsader erreichen können.

Trotzdem war der Plan für Bakema eine ausgewogene Einheit

zwischen Verkehren und Verbleiben. Die Wohn- und Arbeitsstadt lag mitten im freien Raum, sodass sich die Erholungsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe befanden. Diese waren vor allem durch die Lage und Orientierung der Stadt in der umgebenden Weite und rauen Natur des Ijmeers gegeben.3 Zu der Peripherie der Inseln hin sollte die Bebauung niedriger und offener werden, um den Bewohnern die Erholungsfunktion des Wassers und der Landschaft zu erhalten.4

Am Ende blieb der Pampus Plan ein Idee. Amsterdam entschied

sich für die Stadterweiterung in Form des Bijlmermeer im Südosten der Stadt. Bewertung Der unbändige Wachstumsglaube der Zeit rechtfertigt den großen Maßstab und den hohen Stellenwert des Verkehrs des Entwurfes. Da die Urbanisierung trotz allem ein Prozess ist und man einen solchen Plan nicht auf einmal realisiert hätte, stelle ich jedoch in Frage, wie das Projekt in den Anfangsjahren funktioniert hätte, wo noch wenige Menschen dort gelebt hätten. 3 4

Vgl. Berg, 2015 Vgl. Nederlands Architectuurinstituut


158 159


New Amsterdam Waterfront Abb. 051 Lage der New Amsterdam Waterfront vor der KĂźste New York Citys


Standort

New York City, New York, USA

Planer

1111 Design Studio

Planungsjahr

K.A.

Nutzung

Park- und Landwirtschaftsflächen, alternatives Transportkonzept

Größe

Ca. 25 Hektar

Beweggrund

Konstruieren eines nachhaltigen Stadtentwicklungskonzept

160 161


Abb. 052 Das Planungsareal auf dem East River zwischen Upper East Side und Roosevelt Island Obst- und Gemüsegärten

Boulevard für Fahrradfahrer und Fußgänger Hauptroute

Roosevelt Island

Queensboro Bridge


162 163 Baumgärten für Baumpatenschaften

Fußgängerwege durch das Areal


Abb. 053 Der zentrale Boulevard des Planungsgebietes

Abb. 054 Urban Gardening in der New Amsterdam Waterfront


New York ist eine leistungsfähige Stadt und das weltweit wichtigste Finanzzentrum. Dennoch sehnt sich der New Yorker laut einer Analyse des Amsterdamer Planungsbüros 1111 Urban Design Studio nach Erholung im Grünen und alternativen Transportmöglichkeiten, wie öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrradfahren. Die New Amsterdam Waterfront ist eine Struktur von Inseln aus gewonnenem Land. Die Struktur erweitert das Manhattan-Raster ins Wasser und generiert dadurch ein architektonisches Layout, das der Stadtstruktur ähnelt. Trotzdem soll der Kontrast zwischen dem städtischen Erlebnis und dem grünen Erlebnis an der Wasserfront deutich spürbar sein.

Das Projekt der New Amsterdam Waterfront ist in erster Linie

darauf ausgerichtet, den Manhattan East River Greenway umweltfreundlicher zu gestalten. Das Gebiet soll zur Motivation der Stadtbewohner beitragen, darüber nachzudenken, was es wirklich bedeutet, zu einer grüneren Umwelt beizutragen. Darüber hinaus soll der Besucher an Aktivitäten teilnehmen können, die zu einer grüneren und schätzungswerten Umwelt beitragen. Ein Teil des Gebiets ist mit Gemüsegärten angelegt, in denen man sein eigenes Obst und Gemüse züchten kann. Ein anderer Teil dieses Gebiets besteht aus einer Baumlandschaft, wo es möglich sein soll, eine Baumpatenschaft zu übernehmen.

Das Rückgrat der New Amsterdam Waterfront bildet ein breiter

Boulevard, der nur alternative Transporte zulässt. Das Schlüsselelement des Boulevards ist ein breiter zweispuriger Fahrradweg geflankt von Fußgängerwegen. Neben dieser Hauptroute gibt es auch weniger schnelle Routen durch das Gebiet, die vor allem Erholungszwecken dienen. Bei der Konzeption des Projekts wurde sich auf vier Schwerpunkte konzentriert: natürliche Wasserfront, Nachhaltigkeit, innovative Materialien und Engagement der Gemeinde.

164 165


Natürliche Wasserfront Der Klimawandel und der Anstieg des Meeresspiegels bedeuten einen zusätzlichen Druck auf die New Yorker Uferpromenaden. Die meeresseitige Struktur des Entwurfes soll die Form und Funktion eines natürlichen Riffs haben. Die Wege sind so gestaltet, dass der ungestörte Lebensraum von Wildtieren gewährleistet sein soll. Reptilien, Fische und andere Küstentiere sollen sich frei durch die Grün- und Wasserwege bewegen können. Nachhaltigkeit Das Design konzentriert sich auf alternative Transportmöglichkeiten und erlaubt keine motorisierten Fahrzeuge in dem Gebiet. Die New Amsterdam Waterfront wurde darüberhinaus mit Freifluss-Gezeitenturbinen entworfen und entwickelt, die den Bereich mit emissionsfreiem Strom versorgen. Innovative Materialien Die Pfade, Bänke, Park-Einrichtungen usw. werden aus natürlichem Material und Produkten aufgebaut, die leicht zu auseinanderzubauen und neu aufgestellt werden können. Der Fahrradweg soll mit Sensoren ausgestattet werden, die Radfahrer identifizieren können und die Beleuchtung auf dem Radweg vor einem Radfahrer aktivieren und fünf Meter hinter dem Radfahrer dimmen. Engagement der Gemeinde Neben einer umweltfreundlicheren Gestaltung des Manhattan Greenway in der New Amsterdam Waterfront ist die Einbeziehung der lokalen Gemeinschaft ein sehr wichtiger Aspekt. Neben den Standardelementen eines Parks bietet die New Amsterdam Waterfront der örtlichen Gemeinde die Möglichkeit, sich aktiv an der Instandhaltung und dem Aussehen der Gegend zu beteiligen. Das Konzept


beinhaltet spezifische Bereiche für Gemüsegärten, Bio-Foodpoints, Gemeinschaftstreffpunkte, einen Pavillon für Umweltbewusstsein, Baumpatenschaftsgärten und Öko-Bildungsgärten.1 Bewertung Der Beweggrund für New York City einen grünen Boulevard zu schaffen, auf dem sich die Stadtbewohner erholen können, adressiert meiner Meinung nach nicht die aktuellen Bedürfnisse der Stadt. Zwar wünschen sich auch viele New Yorker mehr grüne Flächen in der Stadt und mehr gemeinschaftlich nutzbare Bereiche, jedoch kämpft der größte Teil der Bewohner gegen wuchernde Wohnungsmietpreise und wäre mit bezahlbarem Wohnungsraum besser bedient. Trotzdem sind die Konzepte des alternativen Transports und der grünen Energiegewinnung für Großstädte verfolgbare Ansätze, da gerade hier besonders durch Transport das meiste CO2 ausgestoßen wird. Durch die Sensibilisierung der Menschen aus der Ersten Welt für die Eigenverantwortung zum Klimawandel könnten in den Städten bessere Bedingungen geschaffen werden.

1

Vgl. 1111 Urban Design Studio

166 167


Europe In Africa Abb. 055 Modellfoto der Insel fĂźr eine Ausstellung im Stedelijk-Museum in Amsterdam in 2017


Standort

Mittelmeer zwischen Italien und Tunesien

Planer

TD Architects

Planungsjahr

2016

Nutzung

Zufluchtsort für Geflüchtete

Größe

Erste Phase für 150.000 Einwohner

Beweggrund

Flüchtlingskrise

168 169


Europa befindet sich seit Jahren in einer immensen Flüchtlingskrise. Mehr als 20.000 Menschin starben in den letzten 25 Jahren beim Versucht das Mittelmeer zu überqueren. Selbst das hochdiplomatische Arrangement, die Migrationsrouten durch die Türkei und Griechenland über Osteuropa zu leiten, hat unbeabsichtigt dazu geführt, dass Flüchtlinge über noch gefährlichere Wege von Nordafrika über das Mittelmeer gelenkt werden. Die schiere Unüberwindlichkeit des Problems hat eine Reihe von ideenreichen Vorschlägen geführt. Einer davon stammt von Theo Deutinger und seinem Amsterdamer Architektenteam. Die Idee besteht darin, eine künstliche Insel vor der Küste Tunesien zu errichten, die als Zufluchtsort für Flüchtlinge dient, die hoffen, nach Europa zu gelangen. Der Planung nach wäre EIA ein etablierter Stadtstaat auf dem Tunesischen Plateau, einem schmalen Steifen Meeresboden, der zwischen den Ausschließlichen Wirtschaftszonen Tunesiens und Italiens im Mittelmeer liegt. Die Europäische Union würde dieses Land von den beiden Staaten über einen 99-Jahre-Vertrag mieten, um dann Landmasse zu schaffen, die eine eigene Nation mit „ eigener Verfassung, eigener Wirtschaft und sozialem System“ unter dem Schutz der EU formt. Deutinger erklärt, dass die Stadt ähnlich Karthago sein könnte, der antiken Stadt, die das Zentrum der karthagischen Zivilisation war und sich dort befand, wo nun Tunesien liegt. 1

Laut Architekten wäre EIA die erste Stadt, die Teil von Europa

ist, aber keinem europäischen Nationalstaat angehört. Außerdem wäre sie an die europäische Verfassung gebunden – eine im Jahr 2004 geplante kontinentweite Verfassung, die jedoch niemals ratifiziert wurde, nachdem französische und niederländische Bürger 2006 dagegen gestimmt hatten. „Europe in Africa wäre also auch ein Testfeld für die zuletzt angeschlagene Europäische Union.“, so Deutinger. Bei Gesprächen mit Geflüchteten sei die Idee gut angekommen. EIA würde so entworfen werden, um jeden zu akzeptieren, der beitreten 1

Vgl. Taylor, 2016


will. Flüchtlinge wie jene, die in Schiffswracks im Mittelmeer umkommen, wären ebenso willkommen wie Wirtschaftsmigranten. Es würde geregelte Bootsfahrten von Nordafrika geben, die Flüchtlinge und Migranten an Bord nehmen. Auf der Insel könnten die Neuankömmlinge arbeiten. Vorstellen könne man sich den Beginn dieser Stadt wie den Beginn einer amerikanischen Pionierstadt. Größere europäische Unternehmen kämen erst später dazu, um das Wachsen der Ökonomie nicht zu stören. Denjenigen, die auf der Inseln leben, würde keine automatische Unionsbürgerschaft erteilt werden, sie könnten sie jedoch nach 5 Jahren in EIA erhalten (Diese Zeit würde für angemessene Sicherheitsprüfungen und andere Vorkehrungen ausreichen).2 Die erste Phase von EIA soll für 150.000 Einwohner geplant werden. Der Masterplan soll das Beste aus Europa und Afrika in sich vereinen. Die Basis würde ein urbanes Raster sein, das auf dem ursprünglichen städtischen Raster Timbuktus beruht. Seine urbane Infrastruktur soll sich auf Fußgänger und öffentliche Verkehrsmittel konzentrieren und nach europäischen Standards gebaut werden. Der urbane Masterplan soll sich auf natürlich verschattete, gesunde und attraktiven öffentlichen Raum unter Einbeziehung des mediterranen Klimas fokussieren. Eine Fähre soll vier mal täglich zwischen den Küsten von Afrika und EIA fahren. Jeder soll sich ohne Visum frei zwischen den beiden Ländern bewegen können, müsste aber trotzdem auf jeder Seite seinen Pass zeigen. EIA soll einen Flughafen sowie einen Hafen erhalten. Energiequellen sollen eine Mischung aus Gezeiten-, Sonnen- und Windkraftanlagen sein. Süßwasser würde durch Meerwasserentsalzung gewonnen. In Zukunft könnte EIA erweitert werden, um mehr Einwohner aufzunehmen.3

In der Vergangenheit hat es bereits ähnliche, wenn auch we-

niger spezifische Vorschläge gegeben. U.a. kündigte 2016 der ägyptische 2 3

Vgl. Taylor, 2016 Vgl. Europe in Africa

170 171


Abb. 056 EIA soll das Beste Europas und Afrikas in sich vereinen. Fßr das Layout der Insel bedienten die Architekten sich demnach auch an verschiedenen hoch funktionellen oder attraktiven Bausteinen verschiedener europäischer und afrikanischer Städte.


Telekom-Milliardär Naguib Sawiris seinen Plan an, eine Reihe von Inseln zu kaufen, die als eine Art Zufluchtsort für Flüchtlinge eingerichtet werden könnten. Keiner dieser Pläne wurde jedoch bis jetzt durchgesetzt und man kann nur schwer Fortschritte beobachten.4

Der logistische Prozess des Kaufs von vorhandenen Landmas-

sen ist für eine neue Nation nicht einfach, besonders wenn es die Zusammenarbeit mit anderen Ländern oder Organisationen voraussetzt. Durch die Neugewinnung von Land im Mittelmeer solle dieses Problem zumindest ein wenig umgangen werden können, obwohl es dem Projekt einen beträchtlichen technischen Aspekt hinzufügt. Kritiker zeigen auf, dass die Gründung eines neuen Staates für Flüchtlinge eher ein Versuch wäre, Europas Flüchtlingsproblem zu beheben, anstatt die Probleme zu lösen, die die Menschen zu Flüchtlingen machen. Deutinger kennt diese Kritikpunkte, sieht aber EIA nicht in der Gefahr. „EIA wird nicht kolonial sein, da es seinen Einwohnern gehört und nicht einer europäischen Nation. EIA wird kein Ghetto sein, da es nicht eingezäunt wird.“ Mit Studenten der Universität Eindhoven arbeiten die Architekten weiterhin daran, das Konzept zu einem echten Plan zu machen, anstatt einer losen Idee.5 Bewertung Wie in Kapitel 2 beschrieben, wird sich die Zahl an Flüchtlingen und Migranten wegen der Klimaveränderungen und der Urbanisierung erhöhen. Einen Ansatz zu finden, wie diese Menschen einen Zufluchtsort finden können, ohne sich andauernden Asylbeantragungen zu unterziehen und mit einer möglichen Abschiebung umgehen zu müssen, ist eine wichtige Maßnahme. Obwohl das Layout der Insel Deutingers bisher noch keinen realisierbaren Charakter besitzt, ist die Verbindung von Architektur und Politik ein Zeichen der Realität.

4 5

Vgl. Taylor, 2016 Vgl. Taylor, 2016

172 173


Fazit Die zeitliche Dichte der nicht realisierten visionären Projekte mit aquatischem Bezug zeigt einen Höhepunkt in den 1960er Jahren. Vor allem die vorherrschenden Entwicklungen der oftmals unsensiblen Stadtplanungen der Moderne gaben für die Architekten in Europa den Anstoß, sich mit Entwicklungsstrategien auf dem Wasser auseinanderzusetzen. Für die Metabolisten in Japan gab dagegen die durch den Anstieg der Bevölkerung knappe werdende Ressource Land den Anlass, aquatische Landgewinnung in Betracht zu ziehen. Während die meisten der wasserbezogenen Projekte der 1960er Jahre auf die Landgewinnung durch Sandaufschüttung setzten, war der Vorteil der Mobilität von schwimmenden Stadtbausteinen vor allem Kiyonori Kikutake bewusst. Bedrohungen wie Erdbeben oder Überschwemmungen waren für ihn schon damals entwurfsrelevante Aspekte, während klimatische Veränderungen für den Großteil der Planer in der Zeit kein Thema waren. Für die Architekten von heute kommen neue Problematiken hinzu: Die Flüchtlingskrise und Umweltprobleme beispielsweise fügen den Projekten


von TD Architects und 1111 Urban Design Studio eine andere politische und soziale Dimension hinzu. Jedoch basieren auch diese Entwürfe auf der Landgewinnung auf Sandaufschüttung und ignorieren damit die heute omnipräsenten Folgen des Klimawandels. Die ungleiche Verteilung der Projekte in Etwicklungsländern und Ländern der Ersten Welt zeigt die vorwiegend wirtschaftlich motivierten Beweggründe für visionäre Utopien.

174 175


Länder der Ersten Welt

AQUATISCHE


5.1 - GEMACHT

Entwicklungsländer

VISIONEN



Die Auswahl der realisierten Projekte zeigt eine Variation an Maßstäben. Die zeitliche Aktualität der realisierten Projekte zeigt die zunehmende Behandlung des Themas von schwimmenden Stadtelementen aus den verschiedensten Beweggründen. Während viele der Entwürfe einen kleinen Maßstab besitzen, sind die Visionen für den Einsatz und die Erweiterbarkeit in der Zukunft oft immens. Auch die technischen Aspekte nehmen in der weltweiten Forschung einen zunehmenden Stellenwert ein.

178 179


Waterwoningen Ijburg Abb. 057 Skizze der Ansicht von SĂźd-Osten


Standort

Ijburg, Amsterdam, Niederlande

Planer

Marlies Rohmer Architects & Urbanists

Baujahr

2011

Nutzung

Wohnungsbau

Größe

75 Häuser, 10.625m2 Bruttogeschossfläche

Beweggrund

Entwicklung eines Pilotprojekts mit urbaner Dichte auf dem Wasser

180 181


Abb. 058

Kontext Amsterdam - Ijburg

Ijburg

ng

tu ch

Ri Am m

da er

st

Ijmeer

Waterbuurt West

Waterbuurt Oost

Buiteneiland noch nicht fertig

Steigereiland

Haveneiland-West

Middeneiland noch nicht fertig

Strandeiland noch nicht fertig

Grote Rieteiland Diemerpark

Centrumeiland noch nicht fertig

Abb. 059

Lage Waterbuurt

Kleine Rieteiland

Haveneiland-Oost

Rieteiland-Oost


8 Kilometer östlich von Amsterdams Stadtzentrum entfernt liegt der neu entstandene Stadtteil Ijburg. Er besteht aus den im südwestlich gelegenen, aufgespülten, künstlichen Inseln Steigereiland, Haveneinland und Rieteilanden. Die Planung der ersten Phase, die bereits fast vollständig realisiert wurde, sah 18.000 Wohnungen für 45.000 Bewohner, sowie Infrastruktur mit Schulen, Bibliothek, Sportstätten und Geschäften. Im Jahre 1999 wurde mit der Anlage der ersten Inseln begonnen. Weitere Inseln sind vorgesehen, deren Realisierung ist allerdings ins Stocken geraten.1

Die Inseln von Ijburg sind thematisch gegliedert, und haben ne-

ben Bevölkerung auch Büro- und Dienstleistungsflächen. Der Abschnitt Steigereiland, der zugleich das Portal zum gesamten Stadtgebiet darstellt, ist als städtebauliches Laboratorium gedacht. Hier konnten die Möglichkeiten des Bauens auf Wasser mit einer städtischen Dichte untersucht werden. Dies wurde auf zwei Arten realisiert: der westliche Teil des inneren Sees auf Projektbasis, der östliche Teil durch einzelne private Beauftragungen frei von Vorschriften bezüglich des architektonischen Erscheinungsbildes.2

Das Projekt Waterbuurt West besteht aus 2 Bestandteilen: Den

75 Wohnhäusern De Waterwoningen von Marlies Rohmer und dem Mehrzweckkomplex Het Kadegebouw von DOK Architecten. Waterwoningen wurde 2001 bis 2011 geplant und gebaut, Het Kadegebouw von 2001 bis 2009. Der Gabäuderiegel Kadegebouw dient gleichzeitig als Geräuschbarriere zur Straße für Waterbuurt als auch als Car Park.

Auftraggeber für Waterwoningen war die Entwicklungsgemein-

schaft Ontwikkelingscombinatie Waterbuurt West v.o.f.. Waterbuurt West ist ein kompakter Stadtteil mit einer Dichte von ca. 100 Häusern pro Hektar. Die Dreiecksteilung der Wasserfläche ergab sich durch die Aufstellung der Stromleitungen. Durch Variation der Abstände zwischen den Häusern und ihrer Orientierung wurde versucht, ein Spiel mit sich ständig 1 2

Vgl. Waterbuurt West Ontwikkelingscombinatie Vgl. Pierdolla, 2008, S. 127

182 183


Abb. 060 Lage von Waterbuurt West Haus, in dem ich gewohnt habe

Het Kadegebouw

Hauptverkehrsader Ijburglaan

Westlicher Teil von Steigereiland


184 185 Ă–stlicher Teil von Steigereiland

Waterbuurt Oost


verändernden Ansichten zu schaffen. Die Siedlung wird über 3 m breite Stege, die sogenannten Steiger, erschlossen, die über mehrere Tunnel im Kadegebouw zu erreichen sind. Die Bewohner befahren diese auch mit Fahrrad oder mit kleinen Elektroautos. Parkplätze können bei dem Kauf eines der Häuser zusätzlich erworben werden. Diese befinden sich direkt hinter dem Kadegebouw. Unter den Stegen laufen die Ver- und Entsorgungsleitungen der Häuser entlang. Die Stege wurden von der Stadt als öffentlicher Raum deklariert. Waterbuurt sollte keine „Gated Community“ werden.3 Die Stege stehen auf Stützen und sind mit gelenkigen Verbindungen mit den schwimmenden Häusern verbunden. Die Häuser sind an sich schräg gegenüberliegenden Pfählen, die im Seeboden verankert sind, festgemacht, um das Schwanken der schwimmenden Häuser so gut wie möglich einzudämmen. Die Häuser können an den Pfählen hinauf- und hinuntergleiten. (Abb. 065)

Die schwimmenden Häuser sind entweder alleinstehend, zwei-

teilig, oder dreiteilig ausgebildet. Am Ufer befinden sich Deichhäuser, die auf Stützen stehen. In der Siedlung verteilt gibt es außerdem viergeschossige Einzelbauten, die ebenfalls durch Stützen getragen werden. Jedes der schwimmenden Häuser ist mit einer Wasserpumpe ausgestattet. Die schwimmenden Wohnungen konnten im Gegensatz zu den fest stehenden Häusern nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen werden, da ein hoher Wärmeverlust durch die offen geführten Leitungen auftreten würde. Stattdessen erfolgt die Wärmeversorgung in den Wohneinheiten mit Gas über den Kadegebouw.4 18 von den 75 Häusern von Waterbuurt West sollten ursprünglich gefördert werden und als Sozialwohnungen vermietet werden. Dies wurde jedoch nicht umgesetzt, da die Kosten für die Häuser zu hoch wurden. Die 18 Wohnungen, alle dem dreiteiligen Gebäudetyp angehören, werden

3 4

Vgl. Witsen, 2012, S. 19 - 25 Vgl. Pierdolla, 2008, S. 127


Entwurfsprinzipien zu den Schwimmeigenschaften

Wasserdicht durch Herstellung "aus einem Guss"

Abb. 061

Betonwanne

Ausgleich der voraussichtlichen Belastung durch Anpassung der Fundamentwände

Abb. 062

Ausgleich der Wände

Abb. 063 Schwanken der einzelnen Häuser

Befestigung an Stahlpfählen diagonal versetzt um Schwanken zu minimieren

Abb. 064

Stabilität durch Verbindung

Abb. 065

Verbinden mit Stahlpfählen

186 187

Abb. 066

Systemschnitt


durch die Wohnungsstiftung Eigenhaard auf dem freien Sektor vermietet.5 Die Häuser wurden von der Firma Arkenbouw im 70 km entfernten Urk in einem Trockendock konstruiert und über den Wasserweg mit Schleppern an ihren Bestimmungsort gebracht. Die schwimmenden Gebäude werden von Betonwannen getragen, die bis zu einem halben Stockwerk (1,5m) im Wasser versinken. Die Betonwannen werden aus einem einzigen Guss hergestellt. Das ist für die Dichtigkeit des Betons von großer Bedeutung, da es dadurch keine Fugen gibt, in die Wasser eindringen könnte. Jede der Wannen wird für eine spezielle Einrichtung des jeweiligen Hauses gefertigt. Wenn ein Haus auf einer Seite besonders schwer sein sollte, wurde die Wanne auf der gegenüberliegenden Seite dicker gegossen, um das Gleichgewicht des Hauses auf dem Wasser zu erhalten.6

Auf der Betonwanne baut sich eine leichte Stahltragkonstrukti-

on auf, die an den kurzen Seiten mit einer Verglasung und an den langen Seiten mit einer bunten Kunststoffverkleidung verkleidet ist. Die Bewohner können die Seiten ändern, auf denen sie sich eine Durchsicht oder Privatsphäre wünschen. Andere Optionen beinhalten die Möglichkeit, Erweiterungen mithilfe eines vordefinierten Erweiterungspakets hinzuzufügen. Sonnenterrassen, Veranden, schwimmende Terrassen, Markisen usw. können problemlos an dem Skelettrahmen befestigt werden. 7

Der Innenauf bau der Häuser ist flexibel. Von den Architekten

werden optionale Positionen von Wänden und Unterteilungen vorgeschlagen, die von den Bewohnern mit der Zeit selbstständig angepasst werden können. Das unterste Stockwerk ist teilweise untergetaucht und bietet Platz für mehrere Schlafzimmer und ein großes Badezimmer. Das nächste Stockwerk ist ein Hochparterre, in dem die Küche, ein Gäste-WC und weitere Zimmer vorgesehen sind. Im obersten Geschoss befinden sich in jedem Haus Dachterrasse und Wohnbereich.8 5 6 7 8

Vgl. Witsen, 2012, S. 38, 39 Vgl. Witsen, 2012, S. 34 - 36 Vgl. Pierdolla, 2008, S. 126 Vgl. Pierdolla, 2008, S. 126


Bewertung Im Zuge einer selbst organisierten Exkursion nach Amsterdam Anfang Oktober, hatte ich die Möglichkeit zwei Tage und Nächte im Untergeschoss eines der einzelnen schwimmenden Häuser zu wohnen. Ich wollte eigens die Erfahrung machen, wie es ist, auf dem Wasser zu wohnen. Ich konnte bei einem jungen Paar wohnen, die erst kürzlich das Haus erworben hatten.

Das Projekt ist in seiner städtebaulichen Dichte, der Konstruk-

tion und Funktion das erste seiner Art und gibt einen Ausblick, was mit schwimmender Architektur möglich gemacht werden kann. Durch den experimentellen Charakter, den das Projekt hat, haben sich jedoch auch einige Probleme ergeben:

Durch die Anordnung hinter dem Kadegebouw ergibt sich eine

mentale Barriere. Die Erreichbarkeit über die Tunnel macht den Stadtteil zu einem nicht integrierten Ort. Auf den Stegen selbst gibt es keine Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Zusammenkunft oder des längeren Aufenthalts. Die Stege dienen lediglich der Erschließung der Häuser. Ebenso waren Pflanzen und Bäume nicht Teil des Entwurfs. Beim Herumlaufen entdeckte ich einige unbewohnte Häuser. Wie sich später herausstellte stehen momentan tatsächlich mindestens 13 Häuser zum Verkauf (Stand 20.10.2017). Ich könnte mir vorstellen, dass einige der Häuser nur als „Sommerresidenz“ genutzt werden und in den Herbst- und Wintermonaten untervermietet werden. Dadurch würde die Siedlung im Herbst und Winter durchaus weniger belebt sein als im Sommer. Die Nachfrage an die Häuser vor ihrer Fertigstellung war so groß, dass die Entwicklungsgemeinschaft eine Verlosung organisierte. Jedoch war wohl nicht jedem der experimentelle Charakter von Waterbuurt bewusst.

Entgegen meiner Erwartungen, waren die Bewegungen der

Wassers im Inneren des Hauses deutlich spürbar. Das liegt daran, dass die einzeln schwimmenden Häuser durch ihre Breite in Relation zu ih-

188 189


rer Höhe einen relativ hohen Schwerpunkt haben. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass das Haus auch bei stillem Wasser dauerhaft eine leichte Schlagseite hatte. Wie bereits oben erwähnt, wurde die Betonwanne gemäß der voraussichtlichen Belastung durch die Möblierung gegossen. Es ist aber natürlich möglich, dass die neuen Bewohner ihre Möbel an andere Orte gestellt haben, als die Vorbesitzer. Für eine Flexible Nutzung ist dieses Prinzip demnach nicht von Vorteil. Durch die Deklaration zur Immobilie wird den Häusern einer ihrer größten Vorteile genommen: Die Mobilität. Es ist nicht möglich, ein Haus aus der Siedlung auszugliedern und an anderer Stelle anzuschließen. Dadurch fällt ein großer Vorteil gegenüber den feststehenden Gebäuden der Siedlung weg.


190 191


Urban Rigger Abb. 067 Das schwimmende Gebäude liegt im Hafen von Kopenhagen.


Standort

Kopenhagen, Dänemark

Planer

BIG - Bjarke Ingels Group

Baujahr

2016

Nutzung

Studentenwohnungen

Größe

12 Wohnungen, insges. 300m2 Wohnfläche, 160m2 Innenhof

Beweggrund

Mangel an bezahlbaren Studentenunterkünften

192 193


In Dänemark gibt es, ähnlich wie in Deutschland, immer mehr Studienanfänger. Das Architekturbüro BIG entwickelte 2016 daher eine schwimmende Studentenunterkunft für den Hafen Kopenhagens. Trotz des Mangels an Möglichkeiten für die Stadt zu expandieren ist Kopenhagens Hafen der Meinung des Büros nach ein wenig genutztes und unterentwickeltes Areal im Herzen der Stadt.1 Das Projekt baut auf dem standardisierten Container-System auf: Neun Container wurden im Kreis gestapelt und ergeben zwölf Studiowohnungen, die einen zentralen Innenhof (160m2) einfassen. Insgesamt ergeben sich 300 m2 Wohnfläche, jede Wohnung hat eine Fläche von 23-27 m2. Der Innenhof funktioniert als gemeinschaftlicher Treffpunkt für die Studenten. In ihm sind außerdem eine Anlegestelle für Kajaks, eine Badeplattform und ein Grillbereich integriert.2

Der Innenhof besitzt, anders als in frühen Entwürfen, keine

Überdachung. Durch die Anordnung der Container im oberen Geschoss entstehen jedoch im Erdgeschoss auch überdachte Bereiche. Aus der Anordnung der Container entsteht auf dem schwimmenden Ponton ein Mini-Quartier. Diese Eigenschaft ergibt sich durch die besondere Stapelung der Container. Das Erdgeschoss besteht aus drei Containern, die in einer Dreiecksform angeordnet sind und einen Innenhof bilden. Die Ecken des Dreiecks sind voneinander getrennt, um optische Verbindungen zum Außenraum zu schaffen. Weitere sechs Container bilden das Obergeschoss. Jeweils zwei Container liegen nebeneinander und schließen die Lücken des Sockelgeschosses. Die drei sich ergebenden Dachflächen haben je eigene Funktionen: Eine Dachfläche ist mit Sonnenkollektoren ausgestattet, ein Dach ist begrünt und das Dritte bietet seinen Bewohnern in Form einer Terrasse den Blick über das Wasser. Das Obergeschoss, der Keller und die Dachterrasse werden über Treppen im Innenhof erschlossen. Der Keller besteht aus Pontons aus wasserdichtem 1 2

Vgl. Bjarke Ingels Group, 2016 Vgl. Urban Rigger ApS


Abb. 068 Grundriss OG Jeweils zwei zusammengefasste Container ergeben drei Studentenwohnungen im Obergeschoss

Abb. 069 Grundriss EG Im Erdgeschoss besteht eine Wohnung aus jeweils einem Standardcontainer. Der SchwimmkĂśrper aus einer Betonwanne wird fĂźr Kellerabteile, Technikraum und Waschraum benutzt.

194 195


Beton und bietet 230 m2 Raum für zwölf Lagerräume, einem Technikraum und einen gemeinschaftlichen Waschraum.3 Die Solarenergie, die über das Dach generiert wird, speist eine Wärmepumpe. 75% der Energie für Heizung und Warmwasser können von der Pumpe aus dem Meer gewonnen werden. Eine Wärmerückgewinnungsanlage bezieht wiederum 95% der aufgebrachten Energie durch das Lüftungssystem zurück. Dadurch wird der CO2-Fußabdruck des Gebäudes weitgehend minimiert.4 Für BIG ist das System auch für andere Hafenstädte geeignet, in denen bezahlbares Wohnen benötigt wird, aber der Platz begrenzt ist. In der Vision der Architekten können mehrere der Gebäude im Hafen zu sechseckigen Gruppen zusammengefasst werden, um räumliche und visuelle Verbindungen zu schaffen. Momentan beschränkt sich das Projekt jedoch auf den Prototypen im Hafen Kopenhagens.5 Bewertung Wegen der weltweiten Verfügbarkeit von ISO-Standard-Containern wäre der Urban Rigger einerseits überall realisierbar. Durch den relativ hohen Einsatz von Technik ist das Gebäude jedoch in seinen Baukosten hoch und nur mit genug Kapital durchführbar. Der Urban Rigger hat zwar das Potential, das Wohnbedürfnis einer einzelnen Bevölkerungsgruppe zu stärken, wie das für mehr als die 12 Bewohner funktionieren wird, wird sich im weiteren Verlauf zeigen.

3 4 5

Vgl. Lembke, 2017 Vgl. Bjarke Ingels, 2017 Vgl. Bjarke Ingels Group, 2016


Abb. 070 Die Vision der Architekten zeigt eine ganze Siedlung mit Gebäuden, die nach dem Vorbild des Urban Riggers geschaffen wßrden

196 197


Seasteading Abb. 071 Die erste Stadt auf dem Ozean soll zunächst an einer bestehenden Stadt und ihrer Infrastruktur Anschluss finden, um dann mit der Zeit immer weiter wegzurßcken.


Standort

Vorerst Tahiti, Französisch Polynesien

Planer

Seasteading Institute, Blue Frontiers

Baujahr

2020 - ?

Nutzung

Autonome Stadt

Größe

Vorerst 12 Plattformen je 625 m2 für 200 bis 300 Menschen

Beweggrund

Schaffung dauerhaften Wohn- und Lebensraums außerhalb der auschließlichen Wirtschaftszonen der Nationen

198 199


Abb. 072 Die Karte zeigt die Ausschließlichen Wirtschaf tszonen der Nationen. Selbst kleinste Inseln besitzen einen Zonenradius von 200 Seemeilen. Innerhalb dieser Zone besitzt der jeweilige Staat die souveränen Rechte (z.B. Sand-, Kiesund Kohlenstoffgewinnung) und die Ho h e i t s b e f u g n i s se (z.B. Das Recht, künstliche Inseln oder Bohrinseln zu errichten)


200 201


Als Seasteading bezeichnet man das Konzept der Schaffung von dauerhaftem Wohn- und Lebensraum auf dem Meer, die außerhalb der von den Nationen beanspruchten Gebiete liegen. Laut dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, können Nationen eine ausschließliche Wirtschaftszone bis 200 Seemeilen (370km) hinter der Küste beanspruchen. (Abb. 072) Außerhalb dieser Zone unterliegt die hohe See keinen Gesetzen außer denen des Staates, unter welcher Flagge ein Schiff fährt. Somit könnte ein Seastead Vorteile aus den losen Rechts- und Verwaltungsvorschriften schöpfen, die außerhalb der Wirtschaftszonen der Nationen herrschen, und unter weitgehender Selbstverwaltung stehen.1

Seit 2008 besteht das Seasteading-Institut, das sich zur Aufga-

be gemacht hat, die Errichtung mobiler, autonomer Gemeinschaften auf schwimmenden Plattformen in internationalen Gewässern zu erleichtern. Da es sich selbst als Non-Profit-Organisation sieht, plant das Seasteading-Institut nicht den Bau eines eigenen Seasteads sondern bietet lediglich Unterstützung. Die Planung soll Unternehmern und Firmen zufallen. Zudem ist die Organisation auf Spenden und Investitionen angewiesen.2 Floating Island Project: French Polynesia Am 13. Januar 2017 unterschrieben die Leiter des Instituts eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) mit Französisch Polynesien, bei der Errichtung einer „Seazone“ mit einem „eigenen Regierungsrahmen“ zu kooperieren. Zu Französisch Polynesien gehören insgesamt 118 Inseln und Atolle, darunter Tahiti. Bis Ende 2017 soll die Rechtmäßigkeit des Projektes statuiert werden, sodass die Entwicklung und der Bau konkret begonnen werden können. Dazu muss das Seasteading-Institut eine Wirtschaftsanalyse einreichen, um die ökonomischen Vorteile für Französisch Polynesien darzulegen wie auch eine ökologische Einschätzung, 1 2

Vgl. Umweltbundesamt, 2014 Vgl. Seasteading, in: Vision/Strategy, 2017


Abb. 073 In Zusammenarbeit mit der niederländischen Firma DeltaSync entstand das Konzept von mobilen Plattformen, die sich zwischen verschiedenen Seasteads bewegen können. Man könnte dann mit seinem Haus einfach von Stadt zu Stadt umziehen.

um die Gesundheit des Ozeans zuzusichern. Eine vorläufige ökonomische Einschätzung des Unternehmens EMSI sagt bereits für die ersten 2 Jahre des Projektes einen Gewinn von 600 Arbeitsplätzen mit mehr als 23 Mio. $ an Arbeitslöhnen voraus. Das Projekt würde in diesem Zeitraum mehr als 120 Mio. & Umsätze machen sowie 7 Mio. $ jährliche Steuern generieren. Der Bericht wurde der Regierung von Französisch Polynesien bereits vorgelegt. Das Seasteading-Institut hat eine Tochtergesellschaft (Blue Frontiers) ausgegliedert, die schwimmende Inseln entwickelt und konstruiert und das Projekt der Seazone steuert. Mit dem Bau soll bereits 2018 begonnen werden, wenn die Rechtmäßigkeit des Projektes bestätigt ist.3 Ein vorläufiger Vorschlag für die schwimmende Stadt wurde im September 2017 von dem niederländischen Büro DeltaSync (z.B. Floating Pavilion Rotterdam) bereitgestellt. In ihrer Vision ist die Stadt aus modularen Plattformen zusammengesetzt – entweder Quadrate von 25 auf 25m oder Fünfecke mit 25m Seitenlänge. Eine Plattform besäße Platz für ca. 30 Be3

Vgl. Seasteading, in: Floating City Project, 2017

202 203


wohner. Die Quadrate und Fünfecke können in Zahlreichen astähnlichen Strukturen arrangiert werden. Der Preis für die Quadrate liegt schätzungsweise bei ca. 5 Millionen Dollar. 20% jeder Plattform soll für öffentliche und begrünte Flächen vorbehalten werden.4 Die Plattformen, die von dem Büro bereits in Rotterdam benutzt wurde, haben eine Lebenserwartung von über einem Jahrhundert. In den ersten 2 Jahren sollen ca. 12 schwimmende Inseln errichtet werden, die für 200 bis 300 Menschen Platz bieten. Die Inseln sollen ca. einen Kilometer von der Küste entfernt auf dem Meer liegen. Mit den Jahren soll die Struktur immer weiter von der Küste abrücken, sodass sie irgendwann außerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone von Französisch Polynesien liegt und damit autonom ist (Abb. 074).5 Bewertung Der Beweggrund des Seasteadens ist in erster Linie politisch. Durch die Lage von schwimmenden Städten außerhalb der Wirtschaftszonen sollen ganze unabhängige Staaten entstehen, womöglich sogar mit neuen, bisher unbekannten Staatsformen. Der angestrebte Maßstab ist auch hier riesig und mit heutiger Technik nicht realisierbar. Die nunmehr schrittweise Herangehensweise durch die vorläufige Verortung und Anbindung an die Infrastruktur eines bestehenden Staates lässt jedoch das Projekt in nähere Zukunft rücken.

4 Ebd. 5 Vgl. Quirk, 2017


Abb. 074 Die Planung sieht vor, dass es mit den Jahren mรถglich ist, durch neu erfundene Technologien die Stadt auf offenem Meer einzurichten und so die komplette Autonomie eines neuen Staates zu erreichen.

204 205


Abb. 075 Ein Modell der Insel wird im Wasserbecken des Instituts bei maritimem Strömungs- und Wellengang untersucht.

Forschungsstand des MARIN-Instituts Das Maritime Research Institute Netherlands (MARIN) forscht in verschiedenen Sektoren der maritimen Technologien wie Offshore-Technik, Schiffsbau und Software-Entwicklung. Zur Zeit arbeitet das Institut unter anderem an einer riesigen schwimmenden Insel als Lösungsansatz für überbevölkerte Städte und den drohenden Meeresspiegel-Anstieg. Die Insel umfasst 87 große schwimmende Dreiecke, die flexibel miteinander verbunden sind. Zusammen formen sie eine flexible schwimmende Insel die einen Durchmesser von 1 bis 5 km besitzen kann. In der Mitte der Inseln befinden sich 7 große Dreiecke mit einer Seitenlänge von 500 Meter. Sie einschließend gliedern sich 80 Dreieck mit einer Seitenlänge von 250 m an. Die Plattformen sind mit 512 Federn miteinander flexibel verbunden und mit 256 Fendern voneinander geschützt.6

MARIN hat das erste Modell der „Mega Floating Island“ in ihrem

Offshore Becken unter Einfluss von Wellenbewegung, Sturm und Strö6

Vgl. MARIN, 2017


mungen getestet (Abb. 075). Die Inseln können laut dem Institut zukunftssicheren Raum für Leben und Arbeiten bereitstellen: •

Entwickeln, Generieren, Speichern und Unterhalten von

Erneuerbaren Energien (ablandiger Wind, Gezeitenenergie,

Wellenenergie und schwimmende Solarflächen)

Laden und Transportieren von Fracht in Küstenzonen,

in denen es an Infrastruktur mangelt

Lebensmittelanbau von unter anderem Fisch und Seegras

Bau von Gebäuden und Erholung am Wasser7

Dem Institut stehen große technologische Herausforderungen bevor: Wie entwickelt man die Inseln so, dass sie stark und sicher genug vor Wind und Strömungen sind? Wie können die Systeme miteinander und mit dem Meeresboden verbunden werden? Inwieweit kann sich die Insel bewegen und welche Auswirkungen hat dies auf die Menschen, die dort wohnen und arbeiten? Wie kann man Verkehr und Transport organisieren? Auch ökologische Fragen stellen sich den Forschern: Wie beeinflusst eine große schwimmende Gemeinschaft das Wasser darunter und rundherum? Wie kann man das System zyklisch gestalten im Hinblick auf Wasser, Energie, Rohstoffe und Abfall? MARIN betreibt weiterhin Forschungen dazu und testet die Erkenntnisse an einem Modell in ihrem Offshore Becken. 8

7 8

Vgl. Waals, 2017 Vgl. MARIN, 2017

206 207


Energiestation

Farm@sea

Exportkabel

H2 0m

25

H2 Langzeitenergiespeicher Kurzzeitenergiespeicher Wartungsanlage Offshore-Windpark Umspannwerk Wohnen/Büro

Aquakultur (Fisch, Seegras, Krustentiere) Fischverarbeitung Seegrasverarbeitung Überwachungsanlage Aquakultur Energieproduktion für den taglichen Gebrauch Wohnen/Büro


Abb. 076 Das MARIN Institut entwickelt neben den technischen Aspekten der schwimmenden Insel auch verschiedeneNutzungskonzepte.Die Schwerpunkkte der Nutzung sind technisch und energetischer Art.

Logistik

Hafen für große Container-Schiffe Container-Depot Energieproduktion für den täglichen Gebrauch Wohnen/Büro

208 209


Islas de los Uros Abb. 077 Zwei hintereinander liegende Inseln auf dem Titicaca-See


Standort

Titicaca-See, Peru/Bolivien

Erbauer

Uros Idios

Baujahr

Seit Vorinka-Zeit (13. Jahrhundert)

Nutzung

Wohnen

Größe

49 Inseln, je ca. 70m2 (Stand 2016)

Beweggrund

Ursprünglich Rückzugsort zur Verteidigung vor den Inkas

210 211


Das Volk der Uro-Indios aus Peru und Bolivien baut bereits seit Vorinka-Zeiten schwimmende Inseln aus den Wurzeln des Totora-Schilfs. Ihr Lebensraum befindet sich in einer großen Bucht zwischen Puno und der Halbinsel Capachica, wo sich ein breiter Schilfgürtel ausbreitet. Ursprünglich als Rückzugsort zur Verteidigung vor Angriffen der Inka gedacht, wohnen heute auf ca. 49 Inseln auf dem Titicaca-See (Stand 2016) noch wenige Hundert Menschen. Die größte Insel beherbergt noch immer einen Wachturm. Aus dem mehrjährigen Staudengewächs baut sich jede Familiengruppe seine eigene Insel. Die Basis der Inseln besteht aus Bündeln aus Schilfwurzeln. Diese sind mit Seilen und Pfosten im Seegrund verankert. Aneinander geknüpfte, gewebte Schilfmatten sind sind darauf platziert. Jede Familie der Gruppe besitzt ein separates Haus, das nur aus einem Raum besteht und hauptsächlich zum Schlafen dient. Die Häuser sind um einen zentralen Gemeinschaftsplatz angeordnet, auf dem das soziale Leben stattfindet (Abb. 077). Das Schilf wird auch für den Bau der Unterkünfte, Boote, Matratzen und Sitzgelegenheiten benutzt. Außerdem dient es den Uros als Brennstoff zum kochen und wird sogar als jodreiches Nahrungsmittel für Mensch und Tier verwertet.1 Weil die Inseln von der Unterseite her mit der Zeit verrotten, legen die Uros die Schilfmatten von oben in regelmäßigen Zeitintervallen wieder nach. Diese Methode bringt jedoch Probleme mit sich: Die Wasserqualität in der Nähe der Inseln verschlechtert sich schnell wegen des anhaltenden Verrottungsprozesses. Der Klimawandel bewirkt außerdem, dass das Schilf nur noch in unzureichenden Mengen nachwächst.

Neben der Fischerei ist der Tourismus die größte Einnahme-

quelle der Uros. An Besucher verkaufen sie bunte selbstgenähte Decken und erhalten Trinkgelder von Fotografen. Es gibt eine Schulinsel für eine traditionelle Schule, sowie eine von der christlichen Kirche. Ältere Kinder und Jugendliche gehen auf dem 1

Vgl. Blondet und Rodríguez-Larraín, 2017, S. 194


Abb. 078 Die Sonnenkollektoren generieren Strom für Handy-Ladegeräte und andere kleine Elektrogeräte. Auch ein Weihnachtsbaum wird damit beleuchtet.

212 213


Festland zur Schule.

Die Inselbewohner speisen seit über 25 Jahren Strom von

aufgestellten Photovoltaik-Paneelen, die ihnen Energie für Licht und kleine elektronische Geräte liefern. Energielieferanten wie Kohle oder Diesel sind aufgrund der ausschließlichen Erreichbarkeit der Inseln durch Boote und den hochentflammbaren getrockneten Schilf keine praktikable Lösung. Auf der größten Insel befindet sich zudem eine Radiostation, die von den Bewohnern selbst geleitet wird. Sie spielt für einige Stunden am Tag Musik.2

Das Interesse der jüngeren Generationen an den Inseln und den

alten Traditionen schwindet, sie ziehen ein „modernes“ Leben in der Stadt vor. Die schwimmenden Gemeinschaften werden demnach wahrscheinlich mit der Zeit verschwinden.3 Bewertung An der Lebensweise der Uros ist besonders die Verflechtung von jahrhundertealter Tradition und modernen Kommunikations- und Energietechniken ein besonderes Merkmal. DIe Modernität reicht jedoch wohl für die jüngeren Generationen im Vergleich zur Stadt nicht aus, sodass sie trotzdem größtenteils von den Inseln abwandern.

2 3

Vgl. Yeo, 2014 Vgl. Olthuis und Keuning, 2010, S. 179, 180


214 215


Makoko Floating school Abb. 079 Die Schule lag am wasserseitigen Rand der Gemeinde. Die Kinder konnten die Schule mit ihren Booten erreichen.


Standort

Makoko, Lagos, Nigeria

Planer

NLÉ Architects

Baujahr

2013

Nutzung

Schule, Gemeinschaftsgebäude

Größe

220 m2

Beweggrund

Soziale und technische Bedürfnisse der Gemeinde im Kontext von Klimawandel und Urbanisation stillen

216 217


Makoko ist eine vorwiegend auf Pfahlbauten errichtete Gemeinde an der Küste der Millionenstadt Lagos in Nigeria. Makokos Bevölkerung lag 2016 geschätzt bei ca. 100.000 Personen. Die Mehrheit der Einwohner lebt vom Fischfang, der Holzverarbeitung und dem Kleinhandel. Städtische und staatliche Institutionen üben nur wenig Einfluss auf die Gemeinde aus, Sicherheit und Ordnung wird vorwiegend durch Area Boys (Gruppierungen von meist jugendlichen Kriminellen) „gewährleistet“.1

Im Jahre 2012 sollten die Pfahlbauten Makokos verschwinden

und das Gebiet zwischen der Küste und der Third Mainland Bridge Durch Sandaufschüttungen in Bauland umgewandelt werden. Bei der gewaltsamen Vertreibung der Bewohner kam es zu einem Todesopfer und die Aktion wurde vorerst eingestellt. Seither wurde der Status Quo nicht mehr geändert.2

Im selben Jahr entwarf der nigerianisch-stämmige Architekt

Kunlé Adeyemi eine schwimmende Schule für Makoko. Sie entstand als Prototyp mit der Absicht in Zukunft nachhaltige, ökologische, alternative Bausysteme und urbane Wasserkulturen für die lebhafte Bevölkerung der Küstenregionen Afrikas zu entwickeln. Die Struktur wurde von Makokos Gebäuden und Lebensverhältnissen inspiriert. Es wurden lokale Materialien, Techniken und Arbeitskräfte genutzt. Die Projektgruppe bestand aus Adeyemis Architekturbüro NLÉ, Makokos Jugend- und Gemeindeleitern, lokalen Holzarbeitern und lokalen und internationalen Mitarbeitern. Finanziert wurde es durch das Africa Adaption Programme (AAP) des UNDP (Bundesministerium für Umwelt). und die Heinrich-Böll-Stiftung3

Die Pyramiden-Struktur des Gebäudes ist 10 m hoch und steht

auf einer 10 auf 10 m großen Basis. Sie kann bis zu 100 Personen tragen, auch bei extremen Wetterlagen. Das Gebäude hat 3 Geschosse. Das erste 1 Vgl. The Economist, 2012 2 Ebd. 3 Vgl. Archdaily, 2013


Abb. 080 Auf bau des Gebäudes

Offene Klassenräume

Geschlossene Klassenräume

Pflanzenbeete

Bereich für Anschlüsse Toilette

Schwimmende Plattform aus leeren Plastikfässern mit Regenwasserspeicher

218 219


Geschoss ist ein offener Bereich für Schulpausen und Versammlungen, der auch als Gemeinderaum nach Schulschluss dienen kann. Das zweite Geschoss bietet geschlossene Räume für zwei bis vier Klassenzimmer mit Platz für 60 bis 100 Schüler. Eine Treppe an der Seite verbindet den offenen Bereich, die geschlossenen Klassenzimmer und die offenen Klassenzimmer im dritten Geschoss.4 Die Konstruktion wurde im September 2012 begonnen. Recycelte leere Plastikfässer, die in großer Zahl in Lagos gefunden werden konnten, wurden für den Schwimmkörper des Gebäudes verwendet. Es besteht aus 16 hölzernen Modulen, von dem jedes 16 Fässer beinhaltet. Die Module wurden auf dem Wasser zusammengesetzt und bildeten die schwimmende Plattform. Anschließend wurde mit der Konstruktion der A-Rahmen begonnen und im März 2013 fertiggestellt. Energie-, Wasser- und Abfallsysteme wurden im Mai 2013 installiert. Das Gebäude wird über Photovoltaikanlagen auf dem Dach mit Strom versorgt. Eine kompostierbare Toilette, wie sie lokal verwendet wird, wurde in das Gebäude integriert. Der Kompost wird für Vegetation und Bepflanzung auf der Struktur verwendet. Die Schule wurde im Meeresboden verankert, kann aber mobil gemacht werden und mit einem Schlepptau bewegt werden.

Das Projekt wurde im März 2013 fertiggestellt und eröffnet und

im August 2015 offiziell der Gemeinde übergeben. Die Schule wurde auch für viele andere Zwecke genutzt: Spielplatz, Fischmarkt, Veranstaltungsraum, Werkstatt oder auch Filmkulisse. Am 7. Juni 2016 wurde die Holzkonstruktion durch ein Gewitter und mangelnde Instandhaltung zerstört. NLÉ plant den Wiederauf bau. Für die Biennale in Venedig in 2016 entwarf das Büro bereits ein verbessertes und robuster konstruiertes Modell der schwimmenden Schule. Es ist einfach vorzufertigen und schnell aufzustellen, wenn es abgebaut werden und den Standort ändern muss. Die Knoten- und Ankerpunkte wurden hierbei stärker und stabiler ausgearbeitet.5 4 5

Vgl. NLÉ (2), 2012, S. Vgl. NLÉ (3)


Abb. 081 Energiekonzept und Wassermanagement

220 221


Abb. 082 Die Prototypen beinhalten neben der Struktur der gebauten Schule als Wohnbauten auch verschiedene Strukturen fĂźr das Festland von Lagos.


222 223


Im Jahr 2014 entwickelte NLÉ in Kooperation mit dem spanischen Büro Zoohaus/ Inteligencias Colectivas im Rahmen der Ausstellung „Uneven Growth“ Prototypen und urbane Infrastrukturen, die das Stadtgewebe bereichert und die lokale Intelligenz mit globalen Technologien kombiniert. Durch das Kombinieren von groß- und kleinmaßstäblichen Interventionen sollen die Entwürfe als Katalysatoren wirken und in nachbarschaftlichen und individuellen Größen Einfluss auf die Stadt nehmen. Die verschiedenen Prototypen sollen Lagos’ urbanen Status stärken, fördern und verbessern (Abb. 082).6 Bewertung Das Projekt adressiert die Probleme der rapide wachsenden Küstenstadt Lagos auf eine sensible, kleinmaßstäbliche Art. Durch ausführliche Recherchen zum Standort, den vorgefundenen Ressourcen und zu den Bedürfnissen der Menschen, entstand ein exakt auf den Ort zugeschnittener Prototyp. Von der Konstruktion bis zur Finanzierung wurden die Planungen so weit detailliert, dass die Durchführung reibungslos funktionieren konnte. Planer arbeiteten mit Financiers, Politikern und lokaler Bevölkerung zusammen und entwickelten so ein Konzept, hinter dem alle beteiligten Akteure standen. Für andere Orte müsste die Planung an die dort gegebenen Umstände angepasst werden, könnte jedoch sicherlich in seinen Grundzügen übernommen werden. Die Entwicklung des Prototypen-Katalogs liefert außerdem Vorschläge für die Verbesserung der Infrastruktur und der Versorgung der ganzen Stadt.

6

Vgl. NLÉ und Zoohaus/Inteligencias Colectivas, 2014,


Abb. 083 Grundrisse

224 225


Floating City Apps Abb. 084 Schwimmende Stadtbausteine mit verschiedensten Funktionen können nach Meinung der Architekten eine wertvolle und flexible Expansionsmöglichkeit auf ungenutzten Wasserflächen von wassernahen Städten darstellen.


Standort

Dhaka, Bangladesch

Planer

Waterstudio NL

Baujahr

2013 - ?

Nutzung

6 Prototypen mit jeweils verschiedenen Nutzungen

Größe

Je 1 Standard 40‘ ISO-Container mit einer Fläche von 28,3 m2

Beweggrund

Verbesserung der Zustände in „WetSlums“

226 227


Das niederländische Architekturbüro Waterstudio NL machte 2014 einen Vorschlag für kleinmaßstäbliche schwimmende Anlagen als Bottom-Up-Ansatz zur Verbesserung der Umstände von sogenannten „wetslums“. Die Idee der Floating City Apps basiert auf dem Konzept eines vielseitig nutzbaren schwimmenden Schiffscontainers. Die erste realisierte dieser Einheiten beinhaltet 28 Computerarbeitsplätze und zwei Lehrbildschirme. Sie soll am Tag als Klassenraum und abends als Internetcafé dienen. Die Einheit ist simpel konstruiert: der umgebaute Container ist auf eine hölzerne Basis aufgebracht, die auf einem Rahmenwerk aus Drahtgeflecht liegt. Die Rahmen beinhalten Taschen gefüllt mit recycelten PET-Flaschen (Abb. 085). Die Materialien für die schwimmende Plattform sind in Entwicklungsländern leicht zugänglich, sodass die Einheiten einfach reproduziert werden können. Zusätzlich soll die Idee der gebrauchten Flaschen als Schwimmkörper zum Freihalten der Wasserwege von Plastikmüll beitragen.

Der Innenraum jeder City App soll in den Niederlanden mit

Wänden und Ausrüstung eingerichtet werden. Außerdem soll jede Einheit mit Photovoltaik Paneelen auf dem Dach ausgestattet sein. Zur Zeit gibt es Planungen für sechs verschiedene Einheiten: Kommunikation und Bildung, sanitäre Anlagen, Gemeinschaftsküche, Gesundheit, Müllsammlung und Konstruktion. Diese Auswahl soll jedoch mit der Zeit erweitert werden und an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden können.1

Die Kosten eine schwimmende City App zu designen, zu bauen

und zu liefern liegen bei ca. 50.000€. Um die Umsetzung des Konzeptes zu realisieren, wurde 2013 mit der niederländischen Hilfsorganisation Cordaid die Floating City App Foundation gegründet. Die Stiftung arbeitet mit Partnern wie dem UNESCO-IHE Institute for Water Education zusammen, sowie mit Behörden des jeweiligen Landes. 1

Vgl. Dorigo, 2017


Abb. 085 Konstruktionsprinzip

Solarkollektoren

Container Inneneinrichtung Schwimmende Plattform

GerĂźst

Netze mit PET-Flaschen

Auflage

228 229


Im Juni 2015 wurde bei einer Zeremonie in Dhaka, Bangladesch,

eine Vereinbarung zwischen Floating City Apps, Cordaid und dem bangladeschischen Rat des Ministeriums für Post, Telekommunikation und IT in Anwesenheit der niederländischen Ministerin für Infrastruktur, Melanie Schultz, für die Errichtung der ersten Floating City App in Bangladesch unterschrieben.

Das UNESCO-IHE Institue for Water Education soll Cordaid da-

bei assistieren, Gebiete für Floating City Apps zu identifizieren und zu kartieren. Mit Hilfe von lokalen Stellvertretern, soll ein „wet slum“ kartografisch erfasst werden und die Bedürfnisse der Gemeinschaft bewertet werden, um die passenden Nutzungen zu ermitteln. Schiffscontainer sollen dann mit den jeweiligen Nutzungen angepasst werden und dann zu dem Ziel am nahesten liegenden Hafen transportiert, von dem sie mit dem LKW weiter transportiert werden. Die schwimmende Plattform soll vor Ort konstruiert werden und der Container anschließend auf die Plattform aufgebracht werden.

Waterstudio NL entwickelte zusätzlich ein Geschäftsmodell für

den Betrieb der City Apps: Sie werden an einen heimischen Unternehmer verpachtet, der den jeweiligen Dienst den Gemeindemitglieder für eine kleine Gebühr bereitstellt. Wenn die Situation sich ändert und die App nicht mehr gebraucht wird, kann sie zu einem anderen Ort geschleppt werden oder für eine Ausbesserung oder Umrüstung zurück in die Niederlande verschifft werden.

Die erste Pilot-Einheit einer Floating City App, die einen Klas-

senraum beinhaltet, wurde am 11. März 2016 seinen finalen Tests unterzogen. Auf dem Hofvijver vor dem niederländischen Parlament in Den Haag wurde sie auf Seetauglichkeit und Stabilität geprüft. Gleichzeitig wurde die App offiziell dem Botschafter von Bangladesch durch den Repräsentanten der Gemeinde Den Haags übergeben.2 2

Vgl. Hill, 2017


Abb. 086 Die Sanitär-Einheit enthält 6 Toiletten und 6 Duschen. Abwasser wird von der Einheit gesammelt und gesäubert

Abb. 087 Küchen-Einheit

Abb. 088 Der Zugang zum Internet soll verschiedene Nutzungen, vom Privatgeschäft bis zum Gruppenlernen, möglich machen

Abb. 089 Die Gesundheits-Einheit dient als Erste-Hilfe-Einrichtung und Gesundheitspf legestelle.

230 231


Der erste große Standort der City Apps wird sich auf dem Banani-See bei Korail befinden, einem Slum an der Küste Dhakas, Bangladesch. Korail bedeckt ca. 61 Hektar Land am Wasser, das zum größten Teil einem bangladeschischen Telekommunikationsunternehmen gehört. Über 40.000 Menschen wohnen hier. Viele der Häuser sind auf Pfählen über dem Wasser gebaut, sodass die Floating City Apps einfach zu erreichen sind. Entgegen der eigentlichen Planung, wonach bereits im Oktober 2017 fünf Einheiten in Bangladesch eintreffen sollten, wurde bislang kein Container überführt. 3 Bewertung Das Konzept des minimalinvasiven, kleinmaßstäblichen Staderweiterungen, wie es ähnlich von NLÉ in Lagos praktiziert wurde, kommt auch in diesem Projekt zum Tragen. Zudem adressieren die City Apps in erster Linie durch den Klimawandel gefährdete informelle Siedlungen. Trotzdem ist es leicht möglich, die Konzepte auch auf andere Orte zu übertragen. Durch den Einsatz von Standard-Containern sind die Einheiten schnell und günstig zu transportieren und könnten somit auch in akuten Katastrophensituationen zum Einsatz kommen. Ein Kritikpunkt für mich ist jedoch, dass die Einheiten ausschließlich in den Niederlanden gebaut und gewartet bzw. umgebaut werden können. Der Aufwand des Transports in weiter weg gelegene Länder wäre verhältnismäßig hoch und der Prozess würde Zeit in Anspruch nehmen, in der die App nicht genutzt werden könnte. Besser wäre es, ein Konzept zu erarbeiten, an dem die Einwohner selbst teilhaben und somit die Einheiten womöglich selbst instand halten zu können.

3

Vgl. Knight, 2017


232 233


Fazit Bei der Gegenüberstellung von Projekten mit engem aquatischen Bezug stellt man eine ungleiche Verteilung in Entwicklungs- und Ländern der Ersten Welt fest. Die leeren Seiten stehen hierbei für das besondere Nischendasein von aquatischen Planungen in den Entwicklungsländern. Jedoch zeigen die realisierten Entwürfe von NLÉ Architects und Waterstudio NL in Entwicklungsländern, dass sie bereits oder in Zukunft einen großen Einfluss auf die Gegebenheiten vor Ort nehmen können. Bei diesen Projekten wird deutlich, wie sehr die Aspekte der Interdisziplinarität von Akteuren an einem erfolgreichen Verlauf teilhaben. Der kleine Maßstab der geplanten Strukturen berücksichtigt die vorhandenen, informellen Strukturen, und ergänzt sie, um sie zu stärken. Projekte werden dadurch sozial nachhaltiger. Die Projekte in den Ländern der Ersten Welt besitzen eher Experimentier-Charakter. Ein klassisches Top-Down-Projekt, wie Waterbuurt West von Marlies Rohmer kämpft mit sinkendem Kaufinteresse, da sich die Bewohner nicht mit dem experimentellen Charakter der Siedlung identifizieren können.


234 235


CASE STUDY


6


RASANTE URBANISIERUNG

+

KLIMAWANDEL


AQUATISCHE ANPASSUNGSTRATEGIEN FÜR WACHSENDE KÜSTENSTÄDTE AN DIE FOLGEN DES KLIMAWANDELS


Translation Klimawandel, Populationswachstum und Urbanisierung sind globale Entwicklungen, die Druck auf die Städte ausüben. Für Küstenstädte bedeutet das hinsichtlich des Klimawandels insbesondere die Folgen von steigendem Meeresspiegel und Überschwemmungen. Die Städte stehen mehr und mehr im Zwang, bezahlbaren Wohnraum zu generieren und sich vor den Folgen der klimatischen Veränderungen zu schützen. Es folgt, dass die soziale Ungleichheit steigt und illegale Siedlungstätigkeiten unter schlechten strukturellen Bedingungen zunehmen. Überschwemmungen häufen sich und bedrohen insbesondere die Bewohner der unteren sozialen Schichten. Schutz vor Überschwemmungen wird heute meist nur über teure Schutzmaßnahmen in Form von Deichen und Flutmauern erreicht. Diese können jedoch meist nur die wirtschaftsstärksten Länder der Welt realisieren und die Lösung ist auf lange Sicht nicht nachhaltig. Ebenso begibt es sich mit der künstlichen Landgewinnung durch das Aufschütten von Sand. Städten wird kurzfristig zwar der Druck neue Flächen für Menschen zu generieren genommen, jedoch ist Sand kein nachwachsender Rohstoff und wird


bei anhaltender Nachfrage ausgehen. Um zu vermeiden, dass immer mehr Menschen durch diese Entwicklungen ihre Wohnungen verlieren und zur Umsiedlung oder Migration gezwungen werden, braucht es eine Alternative. Beispiele von Projekten in engem aquatischen Kontext haben gezeigt, dass das Bauen auf dem Wasser, insbesondere schwimmende Architektur, noch keine etablierte Methode ist. Auch Umstände wie unklare rechtliche Verhältnisse erschweren die Konstituierung von schwimmenden Gebäuden. Die Vorteile, die schwimmende Stadtbausteine vor dem Hintergrund von Urbanisierung und Klimawandel bieten, weisen darauf hin, dass das Bauen auf dem Wasser auf kurze oder lange Sicht eine gängige Methode sein muss. Eine schwimmende Architektur versucht nicht, gegen die klimatischen Veränderungen zu kämpfen, sie ist an sie angepasst und hält ihnen weitaus länger Stand als landbasierte Gebäude. Die meiste großen Städte liegen am Wasser, ihre Wasserflächen sind doch oft nicht genutzt. Die Möglichkeit der Expansion durch schwimmende Stadtbausteine auf alle Arten von Wasserflächen bietet einen nachhalti-

240 241


gen Weg den Trend der Urbanisierung zu kompensieren. Meine Arbeit baut auf dem Prinzip der kleinmaßstäblichen Intervention in einer Küstenstadt eines Entwicklungslandes auf. Durch die Kleinmaßstäblichkeit des Entwurfs soll eine kurzfristige Realisierbarkeit erreicht werden. Durch die schnelle Verfügbarkeit und den zügigen Auf bau von Strukturtypen kann auch auf akute Nachfrage, wie z.B. bei unvermittelten Migrationsvorkommnissen oder akuten Katastrophensituationen reagiert werden. Der Entwurf wird anhand einer Case Study ausgeführt. Lagos dient dabei als Beispiel einer rasant wachsenden Küstenstadt mit akuten sozialen und urbanen Herausforderungen. Der Entwurf wird an die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Bewohner einer informellen wassernahen Siedlung angepasst sein. Die Planung soll Bauweisen vorsehen, die von der Bevölkerung selbst auf- und ausgebaut werden kann, und sieht den Umgang mit regionalen Materialien und Bauweisen vor. Die entstehenden Prototypen sollen in ihren Grundprinzipien auch auf andere Küstenstädte anwendbar sein. Die Herausforderung besteht unter anderem darin, mit geringen Mitteln den höchstmöglichen Standard und eine dauerhafte Verbesserung der Lebensumstände zu erreichen.


242 243


STANDORT UND BEVÖLKERUNG


6.1


Afrika

Abb. 090

Nigeria


Lagos

Makoko

Lagos Lagos ist ein gutes Beispiel, wenn es darum geht, die extremsten urbanen Disparitäten bei der Entwicklung von Megacities zu veranschaulichen. Lagos erlebt ein relativ neues, aber explosives Bevölkerungswachstum und steht paradigmatisch für Situationen, in denen städtische Slums, während sie mit enormen Mobilitätsfragen und Gesundheitskrisen kämpfen, riesige Ausmaße annehmen.1 Die Stadt, in der ca. 15 Millionen Menschen leben transformiert sich 1

Vgl. Gadanho, 2014, S. 21

246 247


ständig. Trotz der Abwesenheit von Infrastruktur, Systemen, Organisationen und Einrichtungen, die in den Ländern der Ersten Welt den Begriff „Stadt“ definieren, besitzt Lagos ein anhaltendes Wachstum an Produktivität. „Diese Mängel haben ausgeklügelte Alternativsysteme hervorgebracht, die eine Neudefinition von Begriffen wie Stabilität und Ordnung erfordern. [...] Die Funktion der Megalopole von Lagos zeigt die große Wirksamkeit von Systemen und Akteuren, die nach traditionellen Vorstellungen von `Stadt` als marginal, liminal, informell oder illegal betrachtet werden.“2

2

Koolhaas, 2001, S. 652


248 249


Abb. 091


Abb. 092

250 251


os

g La

Abb. 093


Bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter wäre ein gewaltiger Teil der Küste von Lagos und den umliegenden Gebieten mit weiteren Städten und Siedlungen an der Südküste Nigerias bedroht.

252 253


1978 - Jetzt

1963 - 1978

1901 - 1962

Makoko

Lagos 1900

Abb. 094


Wachstumsverlauf von Lagos WIe bei vielen anderen Küstenstädten, siedelten sich die ersten Menschen in Lagos am Wasser an. Mit der Zeit wurde das Land in Richtung Festland besiedelt. Die Gemeinde von Makoko besteht seit über 100 Jahren und liegt im ältesten Siedlungsgebiet an der Bucht von Lagos. Lagos besitzt nur ungefähre Stadtgrenzen. Das führt zu der bisher ungelösten Frage, wo Autoritäten über Land bestimmen können, was wiederum zu juristischen und politischen Auseinandersetzungen führt. 1 1

Vgl. Koolhaas, 2001, S. 661

254 255


Mille Market Aree

Ogudu Village Oworonsoki Ilaje

Makoko Okobaba Otto Ijora Olove Badia Marine Beach

Banana Island 1984

Eko Atlantic City 2009-

KĂźstennahe Siedlungsgebiete Besetzte Gebiete kĂźnstlich angelegtes Land

Abb. 095


Informelle Siedlungen Viele der informellen Sielungsstrukturen von Lagos liegen an der Ostküste an der Bucht in unmittelbarer Nähe zum Wasser oder sogar auf dem Wasser. Mehr als 300.000 Menschen wohnen in den informellen Siedlungen an der Küste. Etwa 100.000 davon leben in der größten Siedlung, Makoko, die zum größten Teil auf dem Wasser liegt. In unmittelbarer Nähe zu den informellen Siedlungen an der Küste von Lagos liegen die luxuriösen, hochpreisigen Gebiete von Lagos Island, Banana Island und Ikoyi. Daher ist das besetzte Land der Slums ein attraktiver Standort für weitere teure Bauprojekte.

256 257


Makoko

Lagos Island Victoria Island

Ikoyi Lekki

Maroko

Abb. 096


Zwangsräumung Unter der damaligen Militärregierung wurde bereits 1990 eine der größten informellen Siedlungen Lagos’ zwangsgeräumt. Im ehemaligen Fischerdorf Maroko östlich von heute Victoria Island hatten sich Menschen mit geringem Einkommen angesiedelt. Trotz der Nähe zu dem sauberen gut gebauten Victoria Island und Ikoyi hatte Maroko keine guten Straßen, Abwassersystem, Leitungswasser, Elektrizität oder Krankenversorgung. Bald erkannte man die früher ökonomisch unwichtige Halbinsel Lekki als erstklassige Lage für den Bau zusätzlicher Wohnungen für hohe Einkommensschichten und als Erweiterung von Victoria Island. 300.000 Menschen wurden bei der gewaltsamen Räumung des Viertels obdachlos. Die Regierung rechtfertigte die Räumung mit der Behauptung, dass es sich um eine illegale Siedlung handelte, die im Lagos-Masterplan nicht vorgesehen war. Es gab keine umgehende Organisation einer Umsiedlung der Bewohner. Erst 16 Jahre später wurden Umsiedlungen gestellt, aber sie kamen viel zu spät, waren unbezahlbar, schlecht ausgestattet und nicht für alle verfügbar.

258 259


Abb. 097 Prognose für die Bevölkerung Nigerias und Lagos‘

2015

183 Mio.

273 Mio.

Wachstumsrate: 2,27

51% urban

Wachstumsrate: 2,32

66% urban

Lagos Bevölkerung: 17,39 Mio.

Fruchtbarkeitsrate: 5,32

2030

Lebenserwartung: 53,26

Lagos Bevölkerung: 24,2 Mio.

Fruchtbarkeitsrate: 4,28

Lebenserwartung: 59,20

BIP pro Kopf = 631$

BIP pro Kopf erwartet = 1.048$

Der durchschnittliche Nigerianer gibt

Der durchschnittliche Nigerianer kann

1,72$ pro Tag aus.

2,87$ pro Tag ausgeben.


$

$

10,9%

Abb. 098

$

Oberschicht

20

10

$

7%

20

$

3,8% 2%

4

$ 2

76,3% Unterschicht

10

4

7%

Mittelschicht

$

$ 2

76,3% Unterschicht

3,8% 2%

Mittelschicht

10,9% Oberschicht

Ungleiche Einkommensverteilung

2$ kann man in Lagos kaufen: FĂźr 2$ kann man in Lagos kaufen: FĂźr

Abb. 099 Beispielhafter Tageseinkauf

2 Orangen

1 Trinkwasserbeutel

12 Eier

2 Orangen

1 Trinkwasserbeutel

12 Eier

N120 N120 123456

1kg Karotten

1 Laib Brot

1kg Karotten

1 Laib Brot

260 261

N120 N120 1 Busticket

123456

1 Busticket


Abb. 100 Makoko


2012

Abb. 101 Makokos Bevölkerungs- und Standortstruktur

>100.000

~20.000

1 - 10

pro

~40.000

Makoko Mit etwa 100.000 Einwohnern ist Makoko das größte küstennahe Slum in Lagos. Die Schätzungen der Einwohnerzahl schwanken jedoch stark wegen der hohen Fluktuation des Gebietes. Die meisten Bewohner Makokos verdienen ihr Geld in der Fischerei und in der Holzverarbeitung. Makoko liefert ca. ein Drittel von Lagos‘ gesamtem Fischbedarf. Das verarbeitete Holz wird gleichzeitig auch für den Bau der Unterkünfte benutzt. Der Transport findet über Wasserwege statt, es gibt keine befestigten Straßen. Ebenso sind keine Agrarflächen für Nahrungsmittelanbau vorhanden. Die meisten Häuser in Makoko stehen auf Stützen im Wasser der Bucht von Lagos.

262 263



6 - Case Study

264 265

Abb. 102


Abb. 103

0

50

200


Abb. 104 181,2m2

Holzhäuser

50,6m2

74,8m2

110,5m2

60,6m2

88,3m2

118,1m2

22,9m2

45,2m2

69,6m2 44,8m2

35%

106,1m2

130,6m2

21,4m2

31,3m2

22% Betonbungalows

17,4m2

1,5 - 3m

Bebauung Die meisten gebauten Häuser in Makoko sin eingeschössige Holzhäuser, die aus dem selbst verarbeitetem Holz hergestellt werden. Mittlerweile werden auch zweigeschossige Bauten hergestellt. Mit der Zeit kommen auch wegen der steigenden Verfügbarkeit von Beton immer mehr Betonbungalows dazu. Die Bucht von Lagos ist an ihren tiefsten Stellen nur 3m tief, sodass eine weite Ausdehnung der aufgeständerten Häuser auf die Bucht möglich war. Die Dächer bestehen hauptsächlich aus dem leicht zuänglichen Wellblech, was aber nicht besonders langlebig und stabil ist. Manche Häuser besitzen Dächer aus Bambus. Die Fassaden bestehen ebenfalls aus Holz oder Wellblech. Die Häuser stehen auf Holzstützen im Wasser. Das Holz wird durch den dauerhaften Kontakt mit dem Wasser leicht instabil.

266 267


Abb. 105

Dächer

Abb. 106

Fassade

Abb. 107

Fundamente


268 269


seit 2000 seit 2006 neu

Abb. 108

seit 2006 verloren

0

50

200


Entwicklung Die Gebäude am Rand der Siedlung in Richtung der Bucht sind besonders bei Übeschwemmungen gefährdet. Makoko hat bereits eine große Anzahl von Gebäuden durch diverse Überschwemmungen verloren. Die Fundamente der Häuser halten die Kräfte des Wassers nicht aus und brechen vielfach zusammen. Schwimmende Gebäude am Rand der Gemeinde wären weniger durch solche gefahren betroffen.

270 271


Haupterschließungsstraßen

Abb. 109

Nebenerschließungsstraßen

0

50

200


Abb. 110 Lage von Makoko vor der Third Mainland Bridge

Erreichbarkeit und Wasserstraßen Die Third Mainland Bridge liegt direkt vor der Gemeinde Makokos und führt auf Umwegen nach Makoko. Zwei weitere Routen führen von Norden und von Westen in das Gebiet. In Makoko gibt es zwei große Wasserstraßen, die in einer Hauptstraße münden, die auf die Bucht hinausführt. Etliche kleinere Wasserwege zweigen von diesen Hauptrouten ab. Während an den großen Straßen der größte Bootsverkehr herrscht und der Platz am größten ist, sollten hier eher öffentliche Nutzungen angeordnet werden. Schulen, Gemeindezentrum und Gesundheitszentren können hier beispielsweise angesiedelt werden. An den kleineren Straßen können vor allem private Funktionen untergebracht werden.

272 273


Überflutungen

Abwassernetz

Große Überflutungen passieren 3 - 4 Mal im Jahr und halten bis zu 4 Tage an.

Es gibt kein zentrales Abwassersystem in Makoko. Nur 2% der Population sind an Abwasseranlagen angeschlossen. Abwasser wird vor dem Haus in die Lagune abgelassen.

Energienetz

Müllentsorgung

5% der Einwohner Makokos erhalten Strom vom zentralen Stromnetzwerk. 19% benutzen Generatoren. Die restliche Bevölkerung lebt mit Kerzen und Laternen.

Die Müllentsorgung in Lagos ist unzureichend ausgebaut. Das Recyceln von Materialien stellt jedoch einen großen Geschäftszweig dar.

Hygiene

Trinkwasser

Die meisten Menschen haben keinen Zugang zu einer hygienischen Toilette. Der meiste fäkale Abfall wird ohne Behandlung in die Umgebung abgelassen.

Die meisten von Makokos Bewohnern sind auf Trinkwasser von Händlern angewiesen. Das Trinkwasser kostet meistens mehr als der Preis, den wohlhabende Bewohner Lagos‘ für Leitungswasser zahlen.


Urbane Probleme Die Analyse der urbanen Problematiken von Makoko ergibt neben der dauerhaften Überflutungsgefahr große infrastrukturelle Mängel. Zu den größten Unzulänglichkeiten gehören der provisorische Zugang zu Strom und Trinkwasser. Daneben hat die Gemeinde große Probleme mit der Müllentsorgung: Müll und Fäkalien werden oft einfach zwischen den Häusern abgelagert. Dies bringt hohe gesundlheitliche Schwierigkeiten mit sich.

274 275


Abb. 111

Ăœberschwemmungen

Abb. 112

Wasserversorgung

Abb. 113

Landwirtschaft

Abb. 114

Hygiene und MĂźllentsorgung


Industrie

Abb. 115

Dienstleistungen

Abb. 116

Transport

Abb. 117

276 277


Gesundheit

Die größten Gesundheitsprobleme in Makoko sind nicht ansteckende Krankheiten wie Malaria, oder Unterernährung. Geburten sind außerdem eine große Herausforderung.

Sicherheit

Besitzverhältnisse

Städtische und staatliche Institutionen üben nur wenig Einfluss auf die Gemeinde aus. Sicherheitstechnische Aufgaben werden vorwiegend von arbeitslosen Jugendgruppen übernommen.

Nur 7% der Einwohner Makokos besitzen ein Haus rechtmäßig. 57% der Grundstücke gehören der Olayia-Family. 11,9% werden ohne die Zustimmung des Besitzers okkupiert.

Bildung

Arbeitslosigkeit

Eine große Anzahl Kinder, die in Makoko leben, geht nicht zur Schule. An der Gemeinschaft herrscht kein politisches Interesse seitens der Regierung.

In 2012 waren 19% von Makokos Bevölkerung arbeitslos (im Vergleich Nigeria 2012: 10,5%). Die meisten Menschen leben von Fischfang, der Holzverarbeitung und vom Kleinhandel.


7,1% von vorigen Besitzern übernommen

7,1% Regierung 9,5% ethnische Hauptgruppen

11,9% Selbstaneignung

7,1% von einem Händler gekauft 57,1% Olayia-Family

Abb. 118

Soziale Probleme

Nur 7,1% von Makokos Einwohnern besitzen einen legalen Rechtstitel für ihr Haus. Die meisten wohnen zur Miete bei der Olaiya-Familie, der durch ein Gewohnheitsrecht ca. 57,1% der Gebäude und Grundstücke gehören. Neben einer regelmäßigen Miete für die jeweiligen Häuser, müssen die Mieter auch eine jährliche Miete für das Grundstück zahlen. Einen Rechtstitel für ein Gebäude zu erhalten ist ein aufwendiger Prozess. Einige Bewohner okkupieren ein Grundstück ohne die Erlaubnis des Besitzers (Selbstaneignung).1

1

Vgl. NLÉ (2), 2012, S. 15

278 279


Abb. 119

Wohnen

Abb. 120

Einkaufen

Abb. 121

Bildung

Abb. 122

Freizeit


280 281


Abb. 123


Sozialstruktur Die Bewohner Makokos kommen von überall aus West-Afrika und bringen eine Vielzahl an Kulturen und Sprachen mit in die Gemeinde. Das Zusammenleben ist friedlich. Sicherheit wird jedoch fast ausschließlich von den sogenannten „Area Boys“, meist arbeitslose Jugendliche, gewährt. Traditionelle Praktiken, wie schamanische Behandlungen und Medizin, Aberglaube, Rituale und traditionelle Feiern nehmen einen hohen Stellenwert im Gemeindeleben ein. Die Familie ist ebenso sehr wichtig. Die Erwachsenen erwarten Respekt und Hilfe von ihren Kindern. Moderne Kommunikationstechniken wie Mobiltelefone werden in Makoko von immer mehr Menschen benutzt. 1

1

Vgl NLÉ (2), 2012, S. 147

282 283


5,2 Sonnenstunden/Tag

136mm Niederschlag/Monat

5% bekommen Strom vm Stromnetz

19% benutzen Generatoren

76% benutzen Kerzen und Laternen

Stromversorgung Die meisten Bewohner Makokos besitzen keinen Zugang zu Strom. Gekocht wird vielfach auf den Terrassen im Außenbereich, was bereits mehrfach zu verheerenden Bränden in dem dicht besiedelten Gebiet geführt hat. Ein Teil der Bewohner kann sich den Betrieb eines Stromgenerators leisten, der mit Benzin betrieben wird. Die wenigsten sind an das Stromnetz von Lagos angeschlossen. Das Stromnetz ist zudem nur in der Nähe des Festlandes zugänglich.


26,4°C 5,2 Sonnenstunden/Tag

136mm Niederschlag/Monat

5% Klima

bekommen Strom vm Stromnetz

19%

Mit einem durchschnittlichen Niederschlagsaufkommen von 136mm pro Monat liegt Lagos bei der doppelten Menge an Niederschlag im Vergleich

benutzen Generatoren

zu Deutschland.1

Da Lagos in unmittelbarer Nähe zum Äquator liegt verläuft die Sonne

76%

ziemlich genau von Osten nach Westen.

benutzen Kerzen und Laternen

1

Vgl. Statista, 2018

284 285


KONZEPTION


6.2


Abb. 124


Woh n

t

ei n he i

Bio gas

an la

g e

San itä

rei

nh

ei

t en

Fisc hk

or

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t

P flan z

Sch ul e

S o l a ra

288 289

0

50

b

nl a ge

200



Makoko nach 5 Jahren In den ersten fünf Jahren nach Projektbeginn werden zunächst hauptsächlich zerstörte Häuser durch neue, schwimmende Wohnhäuser ersetzt. Neubauten, die vorwiegend am Rand der Siedlung in Richtung der Bucht entstehen, werden ebenfalls die im Folgenden vorgeschlagenen Wohnungseinheiten sein. Um die akuten Probleme wie mangelnde Hygiene und Stromknappheit anzugehen, werden erste Photovoltaik- und Sanitäreinheiten aufgestellt. Kleinteilige Möbel finden zwischen den bestehenden Strukturen bereits Platz. Zwei Schulen dienen als hybride Selbstbau-Werkstätten, Bildungs- und Gemeinschaftseinrichtungen.

290 291


Abb. 125


Woh n

t

ei n he i

Bio gas

an la

g e

G em e i nd

ez

en tru m

en

Fisc hk

or

be e

t

P flan z

Gesu n

dh

ei

se

t

in

he

it

San itä

rei

b

nh

t ei S o l a ra

nl a ge

Sch ul e

292 293

0

50

200



Makoko nach 15 Jahren Nach 15 Jahren hat sich die Bauweise der Prototypen bei der Bevölkerung etabliert. Bei Bedarf werden eigenhändig weitere Typen gebaut, die allgemeine Situation hat sich bereits verbessert. Mittlerweile haben ca. 20 % der Bevölkerung einen dauerhaften Stromzugang. Der Anbau von Pflanzen in eigenen Pflanzbeeten hat sich zu einem neuen Wirtschaftszweig für die Bevölkerung entwickelt. Da Makokos Bevölkerung weiter wächst, entstehen die meisten neuen Wohngebäude auch zukünftig am Rand der Siedlung. Die Häuser werden zu großen gemeinschaftlich geprägten Komplexen kombiniert. Durch die infrastrukturelle Aufwertung der Siedlung erfolgt eine vermehrte Akzeptanz der informellen Siedlungstätigkeiten bei der Regierung und der einkommensstarken Nachbarschaft in Ikoyi und Lagos Island. Die Gefahr der Zwangsräumung von Makoko wird somit eingedämmt.

294 295


Abb. 126 Vogelperspektive von Makoko nach 15 Jahren


296 297


Abb. 127

Zentralität des Schwerpunktes

Tiefer Schwerpunkt

Probleme bei zu hohem Schwerpunkt (s. Waterwoningen Ijburg)

Stabilität durch Symmetrie


Entwurfsrelevante Bedingungen Gleichgewicht Um eine hohe Stabilität auf dem Wasser zu erreichen, ist die Einhaltung einiger Konstruktionsprinzipien zu beachten. Die Symmetrie in Richtung mindestens einer Achse trägt zum konstanten Gleichgewicht auf dem Wasser bei. Ebenso spielt die Position des Schwerpunktes des Auf baus eine wichtige Rolle. Wie bei den schwimmenden Häusern von Ijburg beobachtet, befindet sich der Schwerpunkt der Häuser durch die relativ hohe Gebäudehöhe im Verhältnis zur geringen Breite weit oben. Das bewirkt, dass das Haus leicht ins Schwanken gerät. Je näher sich der Schwerpunkt an der Wasseroberfläche befindet, desto stabiler die Schwimmeigenschaften. Außerdem ist es von Vorteil, wenn sich der Schwerpunkt darüberhinaus in der Mitte des Grundrisses des Schwimmkörpers befindet.

298 299


Betonwanne

Holzstämme

. nutzbarer Hohlraum

. Gefahr der Wasserein-

. lokale Bauweise

. instabil

. extrem lange Lebens-

dringung

. schneller und einfa-

. ohne chemische

dauer

. relativ hohe Kosten

cher Auf bau

Behandlung anfällig für

. keine Instandhaltung

. hohes Gewicht

. lokale Ressource

Pilze und Tiere

nötig

. der Tierfgang ist für

. recyclebar

. relativ kurze Lebens-

. Beton auch immer

die Tiefe von Lagos‘

. geinger Transportauf-

dauer

mehr in Lagos im

Bucht zu groß

wand

. regelmäßige Instand-

Einsatz

. nicht per Container

. weltweit jeweils vor

haltungsarbeiten nötig

. vorfertigbar

transportierbar

Ort verfügar

. keine lokale Bauweise


Vergleich von Schwimmkörper-Systemen

Beton-Styropor-Kombination

PTS Holzpontons

. extrem lange Lebens-

. Styropor schlecht

. modular erweiterbar

. benötigt Polyuret-

dauer

recyclebar

. leichte Konstruktion

han-Beschichtung für

. keine Instandhaltung

. Styropor als Rohstoff

. geringer Tiefgang

die Abdichtung

nötig

vor Ort nicht verfügbar,

. hohe Tragfähigkeit

. Herstellung benötigt

. hohe Stabilität und

müsste an vielen Orten

. geringer Transportauf-

professionelle Anleitung

Steifigkeit

der Welt importiert

wand

. praktisch unsinkbar

weden

. vorfertigbar

. vorfertigbar

. relativ hohe Kosten

. hohe Stabilität auf dem

. hohes Gewicht

Wasser

. nicht per Container transportierbar

300 301


Abb. 128 Installieren der Pontons für ein Fertighaus auf einem See südlch von Wien

Abb. 129 Auf bau der Pontons

2,5 0

85

,00 10

2,5

0

85

0 7,5

Polyurethan-Beschichtung Hohlkörper aus Brettschichtholz


Paolo Timber Solutions (PTS) Holzpontons Der Vergleich der unterschiedlichen Arten von Schwimmkörpern, die zur Zeit ihre Anwendung finden, zeigt, dass es bisher keine ideale Lösung für schwimmende Gebäude gibt. Trotzdem ist im Vergleich der Holzponton die Alternative mit den am geringsten bewertetn Nachteilen. Der österreichische Architekt Paul Schöpf entwickelte in Kooperation mit der TU Wien im Zuge des internationalen studentischen Wettbewerbs „Solar Decathlon“ die innovativen Schwimmkörper. Die Holzpontons bestehen aus 3-lagigem Brettschichtolz und sind mit einer Polyurethanbeschichtung behandelt. Die Schicht wird zur Abdichtung des Holzes benötigt, ist aber umwelttechnisch nicht bedenkenlos, da Polyurethan aus der begrenzten Ressource Erdöl hergestellt wird. Trotzdem überwiegen die Vorteile des Holzpontons seine Nachteile. Das Bauteil ist mittlerweile zertifiziert und kann mitsamt des mit den Studenten entwickelten Solarhaus als Fertighaus in Wien erworben werden. Mehrere Firmen bieten inzwischen die Fertigung der Holzpontons an. Die Pontons sind auf eine Größe von 10m x 2,50m x 0,85m standardisiert, und sind damit für die Maßvorgaben von Makokos Straßenbreiten geeignet. Der realtiv niedrige Teifgang der Pontons erlaubt es den Gebäuden, bis dicht an das Ufer gelangen zu können. Sondergrößen sind bestellbar. Es werden nur zwei unterschiedliche Größen für die Nutzungseinheiten verwendet, was den Planungs- und Herstellungsaufwand reduziert. Die Pontons können als fertiges Produkt in 53‘ HC-ISO-Standardcontainern verfrachtet werden und sind damit ohne Auf bauzeit sofort einsetzbar.

302 303


lokale St채rken

Bed체rfnisse des Einzelnen

Umwelt und Nachhaltigkeit

st채dtebauliche Struktur

Klima

Bed체rfnisse der Gemeinschaft


Konzept Makoko befindet sich wie oben gezeigt im Spannungsfeld unterschiedlicher urbaner und sozialer Problembereiche. Die Aufgabe besteht darin, ein umfassendes Konzept zu entwickeln, das diese Probleme behandelt und dabei auch auf die lokalen Stärken setzt. Fßr eine sozial wie architektonisch nachhaltige Planung geben vor allem sechs Faktoren die ausschlaggebenden Rahmenbedingungen:

304 305


Schwimmkörper wegen Manövrierfähigkeit

max. 10m breit

m

~15

Schwimmkörper wegen Manövrierfähigkeit

max. 5m breit

m

Abb. 130

~10


1) Städtebauliche Struktur Die städtebaulichen Umstände von Makoko sind ein maßstabsgebendes Moment bei der Planung einer mobilen und flexiblen Architektur. Die hohe Dichte der Siedlung und die daraus entstehende relative Beengtheit der derzeitigen Wasserstraßen verlangt nach einer kleinmaßstäblichen Struktur, um die stetige Mobilität der schwimmenden Gebäude zu ermöglichen (Abb. 130). Die dadurch entstehende Flexibilität unterstützt die hohe Fluktuation und den rasanten städtebaulichen Wandel von Makoko.

306 307


Abb. 131 lokale Bauweisen und die externe Planung durch Experten spielen zusammen.

Abb. 132 Alle vorgeschlagenen Prototypen basieren auf einem Konstruktionsraster von 5m auf 5m. Damit wird die Produktion und Erlernbarkeit der Bauweise vereinfacht. 5m

5m


2) Lokale Stärken Die entstehende Konzeption setzt in Kombination mit der externen Planung der Konstruktion auf das lokale Wissen der Bevölkerung zu Aus- und Umbau (Abb. 131). Um eine zukünftige Verselbstständigung des Projekts zu unterstützen, werden nur die wichtigen konstruktiven Grundlagen geplant, die eine professionelle Analyse und Bearbeitung benötigen. Für den weiteren Ausbau einer simpel konstruierten Grundstruktur können sich die Bewohner ihre eigenen baulichen Traditionen und Praktiken zu Nutze machen. Wenn sich die Art der Konstruktion auf lange Sicht für die Bevölkerung bewährt, kann die Konstruktionsweise in das lokale Wissen der Gemeinde übergehen. Damit können Strukturen entstehen, die über die vorgeschlagenen Prototypen hinausgehen und weitere Funktionen abdecken (Abb. 132).

308 309


Abb. 133 Die Wohneinheiten kรถnnen untereinander ausgetauscht werden.

O

Abb. 134 Die Einheiten kรถnnen in zwei Richtungen miteinander kombiniert werden. Durch die festen Breite kรถnnen die zusammengeschlossenen Einheiten weiterhin durch die Siedlung transportiert werden.


3) Bedürfnisse der Gemeinschaft Die meisten Probleme Makokos betreffen die ganze Gemeinschaft. Die Gefahr von Überschwemmungen, die Müllentsorgungsprobleme und der Mangel an Trinkwasser sind drei der größten Thematiken von Makokos Alltag. Strukturen, die diesen Umständen entgegenwirken, können somit für alle Bewohner eine Verbesserung der Lebensverhältnisse bringen. 4) Bedürfnisse des EInzelnen Dagegen gibt es auch viele Sachverhalte, die den einzelnen Menschen jeweils unterschiedlich betreffen. Die spezifischen Lebensumstände und das Wohnverhältnis des Individuums beeinflusst den funktionalen Detaillierungsgrad der Planung. Für die Grundrisse werden Möblierungsvorschläge geliefert. Die Varianz der Möblierungsmöglichkeiten bleibt jedoch so hoch, dass die Grundrisse individuell an Lebens- und Wohnumstände angepasst werden können und bereits vorhandene Möbel eingebracht werden können. Durch die Erweiterbarkeit eines Basismoduls durch weitere Einheiten, kann die Wohnung auch auf extreme Lebensveränderungen, wie den Ein- oder Auszug von Kindern und Verwandten reagieren (Abb. 133, 134). So können auch in Wohngemeinschaften Flächen oder Räume untereinander getauscht werden. Damit kann der Grundriss den jeweiligen Lebensverhältnissen angepasst werden, ohne dass ein Umzug in ein anderes Haus für eine Wohnpartei nötig wird.

310 311


D체nger f체r Pflanzen

Abb. 135 Simple Technologien sorgen aktiv und passiv f체r eine Verbesserung der Lebensqualit채t

Gas zum Kochen Komposttoilette

Biogasanlage


5) Umwelt und Nachhaltigkeit Um nicht nur eine soziale, sondern auch eine umwelttechnische Nachhaltigkeit zu erreichen, werden bei der Konzeption so viel nachwachsende und recycelbare Rohstoffe wie mÜglich verwendet. Im Entwurf enthaltene Technologien wie Komposttoiletten, Biogasanlagen und Wasserauf bereitungsanlagen basieren auf der Wiederverwendung und Weiterverarbeitung von vorhandenen Ressourcen, Mitteln und Abfällen. Dies dient zum einen dem Schutz der Natur und zum anderen der Verminderung von Mßll- und Abwasseraufkommen.

312 313


Abb. 136 Durchlüftung des offenen Obergeschosses kühlt den Innenraum des Erdgeschosses

Abb. 137 Verschattung des Innen- und Außenraums

Abb. 138 Anordnung der Solarpanele passend zum Sonnenverlauf in Lagos

W

O

W

O Abb. 139 Sammlung und Weiterverwendung von Regenwasser


6) Klima Um die Verwendung von hochpreisigen Klimaanlagen oder elektrischen Ventilator- oder Verschattungssystemen zu vermeiden, reagiert der Entwurf mittels natürlicher Belüftung und Verschattung auf das tropische Klima in Lagos. Durch die Entkopplung von Dach und Raumdecke werden die Innenräume natürlich gekühlt (Abb. 133). Ein großer Dachüberstand sorgt für die Verschattung des Außenbereiches (Abb. 137). Die Anordnung der Solarflächen auf dem Dach ist so dem Verlauf der Sonne angepasst, dass die Panele über den Tag so viel Sonnenlicht wie möglich aufnehmen können (Abb. 138).

314 315


PROTOTYPEN


6.3


Ăœberflutungen

Besitzverhältnisse

Trinkwasser

Hygiene

Energienetz

angegangene Probleme


Typ 01 - Wohnen

318 319


Abb. 140


320 321


Abb. 141

Solarpanele

Dachdeckung aus lokalen Bambus- und Holzressourcen

1

Dachunterkonstruktion

Trägerrost

Wände aus luftdurchlässigem Bambusgeflecht

Rahmentragwerk mit ausgesteiften Eckverbidungen

2

Vordachträger

3 Versorgungskern in Holzständerbauweise

Bodenbelag aus Holz

Trägerrost

Holzpontons


1

2

3

Konstruktion Das Tragwerk der Einheit basiert auf einem Holzrahmenwerk mit einem Achsmaß von 2,50m auf 5m. Zwischen jeweils zwei Stützen sind die Querträger eingespannt und biegesteif mittels Nagelblechen miteinander verbunden. Die Rahmen werden mittels Stahlfüßen auf den Trägerrost aufgebracht, der auf den Holzpontons aufliegt. Um das Holz des Trägerrosts vor Wasser zu schützen, wird er auf Platten gelegt. Damit entsteht ein Freiraum auf den Holzpontons, auf dem Wasser direkt abfließen kann. Ein weiterer Trägerrost bildet das Auflager für den Bodenbelag des oberen Geschosses. Durch die Verbindung mit dem Fußboden entsteht eine ausgesteifte Platte, die mit den Rahmen und einer Diagonale an der Rückseite des Hauses die Aussteifung des Gebäudes bildet. Quer auf den Rahmen liegt die Dachunterkonstruktion, die eine Dachhaut aus halbierten Bambusrohren trägt. Babmus kommt als nachwachsende Ressource in den Wäldern in der Nähe von Lagos vor. Der auskragende Teil des Dachs liegt auf ebenfalls in die Stützen der Rahmen eingespannten Trägern auf. Ebenso wie das Dach sind die Wände aus Bambus gefertigt. Die lokalen Handwerkstechniken sollen für die Konstuktion der Wände und des Daches betraut werden.

322 323


Abb. 142 Querschnitt

Abb. 143 Längsschnitt

19,5m2

12,5m2

1,5m

9,5m2

5,00

2,0m

Abb. 144 Grundriss Erdgeschoss

5,00

Abb. 145 Grundriss Obergeschoss

2,50


Wohneinheit 1

halbprivat privat

halböffentlich öffentlich

Funktionen Die kleine Wohneinheit besitzt eine Wohnfläche von 19,5 m2 im Erdgeschoss und 9,5m2 Nutzfläche im Obergeschoss. Der Außenraum, der dem halböffentlichen Leben und der Erschließung durch das Anlegen der Boote dient, ist 12,5 m2 groß. Die Einheit bietet damit Platz für 2 Bewohner. Da ein großer Teil des Lebens von Makokos Einwohnern im Außenraum stattfindet, sind die Anteile des Außenbereichs im Vergleich zum Innenbereich hoch. Ein freistehender Versorgungskern bildet das Zentrum der Einheit. In der Küche sind ein Kochfeld, eine Wasserauf bereitungsanlage mit Reversosmose und angeschlossenem Spülbecken untergebracht. Die Auf bereitungsanlage funktioniert ohne Strom und besitzt einen Durchsatz von 200ml/min, genug für bis zu 3 Personen. Eine Komposttoilette ist hinter einer Schiebetür untergebracht. Sie wird mit bei der Holzverarbeitung in Makoko anfallenden Sägespänen versorgt und muss ca. alle 6 Tage geleert werden. Die Wohneinheiten funktionieren damit unabhängig von externen Anschlüssen wie Abwasser- oder Stromleitungen. Die Versorgung findet autark für jede einzelne Einheit statt. Strom für Licht und kleine Elektrogeräte wie Handyladegeräte, Radio oder Fernseher liefern

324 325


Abb. 146 Querschnitt

Abb. 147 Längsschnitt

12,5m2

31,5m2

1,5m

14,5m2

5,00

2,0m

Abb. 148 Grundriss Erdgeschoss

7,50

Abb. 149 Grundriss Obergeschoss

2,50


Wohneinheit 2

die Photovoltaikflächen auf dem Dach. Eine Raumspartreppe führt in das offene Obergeschoss der Einheit. Hier bietet sich im halbprivaten Raum Platz für Freizeit, Wirtschafts- und Werkarbeiten. Wohneinheit 2 bietet mit 31,5m2 Wohnfläche im Erdgeschoss Platz für bis zu vier Personen. Die Entwurfsprinzipien sind die gleichen wie bei Wohneinheit 1. DIe beiden Einheiten besitzen an Vor- und Hauptdach jeweils die gleichen Firsthöhen. Dadurch sind sie miteinander kombinierbar und bilden neue geschlossene Verbindungen. Die Konstruktionsmaße der Wohneinheit 1 bilden die Basismaße für die meisten der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Prototypen.

326 327


Abb. 150 Bei den vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Wohnmodule entstehen unterscheindliche Innenund Außenraumbeziehungen, die in ihrer jeweiligen Kombination unterschiedliche Funktionen übernehmen können. Ein privater Außenraum wird zu einem gemeinschaftlich genutzten Hof . Ein Wohn- wird zum Schlaf bereich.


328 329


Wohnkombination A

Abb. 151 Grundriss EG

Abb. 152 Längsschnitt


Wohnkombination B

Abb. 153 Grundriss EG

Abb. 154 Längsschnitt

330 331


Wohnkombination C

Abb. 155 Grundriss EG

Abb. 156 Längsschnitt


332 333


Abb. 157 Intergration der Wohneinheiten in den Bestand


334 335


Unterkonstruktion Decke

Unterkonstruktion Dach

Regenrohr

Vordach (vorgefertigt)

Hauptdach (in Teilen vorgefertigt)

Solarpanele

Wände (vorgefertigt)

Kern (vorgefertigt)

KĂźche

Wasserauf bereitungsanlage

Komposttoilette

Abb. 158


Die Wohneinheit als Katastrophenunterkunft Um bei akuten Überschwemmungskatastrophen die schnellstmögliche Unterbringung der betroffenen Bevölkerung auf globaler Ebene zu ermöglichen, kann die Wohneinheit als extern vorgefertigte Baukasteneinheit vorgesehen werden. Vor dem Hintergrund alle Bauteile in einen 53‘ HC ISO-Standardcontainer unterzubringen, sind so viele Baukomponenten wie möglich bereits zusammengesetzt, um einen schnellen Auf bau zu erzielen. Per Cointainer können die Einheiten schnell geliefert werden und weltweit zum Ensatz kommen. Neben der Wohneinheit an sich wäre in dem Container noch Platz für Möbel (z.B. Betten), Lebensmittel, Klei-

336 337

Holzpontons (vorgefertigt)

Abstandsplatten

Unterkonstruktion Fußboden

Fußbodendielen EG und OG

Querträger Rahmen

Stützen (vorgefertigt)

Dachträger Rahmen

Aussteifung

Treppe

Vordachträger (vorgefertigt)

dung und andere Dinge für die Notversorgung.



Abb. 159 Pontons, Unterkonstruktion und Rahmen werden an Land zusammengebaut und können anschließend auf das Wasser geschoben werden. Der Ausbau könnte bereits auf dem Wasser stattfinden. Jeder gelieferten Einheit liegt eine detaillierte und leicht verständliche Bauanleitung bei, um den Auf bau ohne professionelle Hilfe zu ermöglichen.

338 339


Trinkwasser

Hygiene

Gesundheit

angegangene Probleme


Typ 02 - Sanitär und Wasseraufbereitung

340 341


Abb. 160


342 343


20' eitung e

Abb. 161 Längsschnitt

8,10

15,00

10,00

1,225

Abb. 162 Grundriss


Licht

Pumpe

Abb. 163 Funktionsschema

Funktionen Die Sanitäreinheit besteht aus einer Kombination aus einer Wasseraufbereitungsanlage und einem Dusch- und Toilettenkomplex. Die Wasserauf bereitungsanlagen werden in ISO-Standardcontainern vorinstalliert und können damit schnell geliefert und in die Einheit intergriert werden. Die Solarpanele auf dem Dach der Wasserauf bereitungsanlage versorgen die benötigten Pumpen für das Prinzip der Umkehrosmose und für den Hin- und Hertransport des Wassers zwischen des Sanitärkomplexes und der Anlage. Die Anlagen bereiten das gebrauchte Wasser auf und führen es zurück in die Sanitäreinheit. Wenn die Anlagen nicht voll belastet sind (z.B. nachts), können die Wasserauf bereitungsanlagen Wasser auf Trinkwasserniveau auf bereiten und speichern. Dies kann dann auf einer Seite der Container von der Bevölkerung direkt abgezapft werden. Der Sanitärkomplex kann für Männer und Frauen getrennt benutzt werden. Duschen besitzen einen jeweils eigenen Umkleidebereich. Die Toiletten liegen hinter einer blickdichten Wand, um eine größtmögliche Privatheit bei der öffentlichen Anlage zu generieren. Die Solarpanele auf dem Dach des Komplexes versorgen die Einheit mit elektrischem Licht.

344 345


Energie

Sicherheit

angegangene Probleme


Typ 03 - Solarfeld

346 347


Abb. 164


348 349


Abb. 165 Versorgungsaufgaben der Photovoltaiksysteme


Funktionen Das deutsche Energiesystemunternehmen Intech entwickelte modulare Schwimmkörper für ihre Photovoltaikanlagen. Das System ist für jede Systemgröße einsetzbar, da es durch das einfach Anschließen und Abkoppeln einzelner Module einfach zu skalieren ist. Die Einheiten können schnell am Ufer zusammengebaut werden und anschließend reihenweise auf das Wasser geschoben werden. Durch integrierte Laufstege sind die Module gut zugänglich. Laut Hersteller generieren die Solarmodule im Durchschnitt 5% mehr Strom als Boden- oder Dachanlagen wegen der reflektierenden Wasseroberfläche. Die Module werden durch die natürliche Luftzirkulation unter den Einheiten passiv gekühlt. 1 Die im Entwurf vorgeschlagenen Funktionseinheiten besitzen jeweils eigene Solarmodule auf dem Dach, um sich mit Strom für kleine Elektrogeräte und Licht zu versorgen. Da die schwimmenden Solaranlagen mehr Energie generieren, können sie zum Beispiel mehrere Wohneinheiten gleichzeitig versorgen oder den Strom für Geräte wie Computer oder Kochplatten liefern, die mehr Strom verbrauchen (Abb. 165). 1

Vgl. INTECH, 2017

350 351


Gesundheit

Bildung

angegangene Probleme


Typ 04 - Gesundheitszentrum

352 353


Abb. 166


354 355


Aufnahme

Abb. 167 Längsschnitt

Beh.

Beh.

Beh.

Beh.

WC Beh.

TeekĂźche

Lager

Aufnahme

Abb. 168 Grundriss

Wartebereich

Wartebereich

10,00

15,00


Funktionen Das Gesundheitszentrum besteht aus acht gleich großen Räumen, die über einen umlaufenden Stegbereich von den langen Seiten erschlossen werden. Fünf der Räume können als Behandlungszimmer für Ärzte und Schamanen genutzt werden. Die Wartebereiche für Patienten befinden sich unter dem Dach an den kurzen Seiten der Einheit. Ein Abteil fungiert als Aufnahme, wo sich Patienten anmelden und Termine vereinbaren können. An die Aufnahme gliedert sich eine Teeküche für die Beschäftigten, sowie ein WC und Lager für Medikamente und Utensilien an. Das Lager ist aus Sicherheitsgründen nur durch das Personal über die Teeküche zu erreichen. Teeküche und Aufnahme können in den Außenraum geöffnet werden. Die Behandlungsräume besitzen aufgrund von Sicht- und Datenschutz geschlössene Wände, sind aber zur besseren Belichtung und Belüftung nach oben offen. Luft kann über das zweigeteilte Dach gut zirkulieren.

356 357


Gemeinschaft

Handel

Bildung

angegangene Probleme


Typ 05 - Gemeindezentrum

358 359


Abb. 169


360 361


10,00

20,00

2,0m

1,5m

Abb. 170 Grundriss Erdgeschoss

Abb. 171 Grundriss Obergeschoss


Abb. 172 Längsschnitt

20,00

Funktionen Das Gemeindezentrum fungiert als ein flexibler Treffpunkt für Makokos Bevölkerung. Das Erdgeschoss ist durch den Einsatz von Klappwänden heiten einteilbar (Abb. 173). So können Veranstaltungen, die unterschiedlich viel Platz benötigen auch gleichzeitig stattfinden. Versammlungen, Vorträge, Erwachsenenbildung und ein regelmäßig stattfindender Markt können als öffentliche Veranstaltungen im Gemeindezentrum stattfinden. Räume können aber auch privat gemietet werden. In der Mitte der Gemeindeeinheit befindet sich ein nicht überdachter Innenhof. Hier können auch privatere Veranstaltungen wie Hochzeiten nichtöffentlich, aber unter freiem Himmel stattfinden. Er trägt zudem zur Belichtung der Geschosse bei. Treppen an den Seiten des Hofes führen auf das offene 2,0m

Obergeschoss. Für Feiern oder gemeinschaftliche Zusammentreffen wird 1,5m

10,00

und Vorhängen im Innenbereich zu verschieden großen Nutzungsein-

eine Gemeinschaftsküche angeboten. Der niedrige Raum unter dem Dach sowie der Raum unter den Treppen kann als Lagerfläche für Möbel dienen. Die Gemeindeeinheit wird städtebaulich am Kreuzungspunkt der drei Hauptwasserstraßen angesiedelt. Sie ist damit von allen Bewohnern gut zu erreichen und liegt an öffentlich exponierter Stelle.

362 363


Abb. 173 Aufteilungsmรถglichkeiten des Erdgeschoss-Grunddrisses

198 m2

38 m2

86 m2

49 m2

38 m2

49 m2

49 m2

38 m2

86 m2

86 m2


Märkte

Vortr ä

Abb. 174 Nutzungsmöglichkeiten für das Gemeinschaftszentrum

ge

pri vat e

un

d

ö ff e

nt e lich F ei ern

Arb ei t s- u nd H

b ob up ygr p en W e rk s

(Ab end -) S

ta t t

ch

e ul G em e i nd

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364 365


Abb. 175 Innenperspektive des Gemeindezentrums


366 367


Bildung

angegangene Probleme


Typ 06 - Schule und Computerraum

368 369



370 371


15,00

Klasse A

Klasse B WC

10,00

Computerraum

Klasse C

Klasse E Klasse D

Abb. 177 Grundriss EG

Klasse F

Klasse G

Abb. 178 Grundriss EG


Abb. 179 Längsschnitt

Abb. 180 Querschnitt

Funktionen Die Schule besitzt sieben Klassenräume. Die Klassen liegen am Rand der Einheit, zwischen ihnen spannt sich der geschützte Pausenhof auf. Von hier aus führt eine Treppe zu den beiden Klassenräumen im Obergeschoss. Unter den Dachschrägen liegen zusätzliche Pausenfläche sowie Lagermöglichkeiten für Tische und Stühle. Die Klassenräume im Erdgeschoss sind für 16 Schüler ausgelegt, können aber in den Pausenhof erweitert werden und damit jeweils bis zu 32 Schüler unterbringen. Für die digitale Bildung der Schüler ist auf einer Seite der Einheit ein Computerraum mit 5 Computerarbeitsplätzen vorgesehen. Für die Nutzung der Rechner empfiehlt sich die Ansiedlung einer Solareinheit neben der Schule, um die benötigte Strommenge zu generieren (Abb. 176).

372 373


MĂźllentsorgung

Arbeitslosigkeit

Trinkwasser

angegangene Probleme


Typ 07 - Urbane Mรถbel

374 375


Der eigene Anbau von Nutzpflanzen ist eine Alternative zu dem Kauf von einigen Lebensmitteln und Utensilien. Damit können die Bewohner einen Teil ihrer begrenzt verfügbaren Geldmittel einsparen. Die Beete schwimmen auf dem Wasser und können in beliebig langen Reihen hintereinander miteinander verbunden werden. Längere Kobinationen können vor allem am Rande der Siedlung als größere Anbauflächen angegliedert werden (Abb. 125). Einzelne Beete können auch bei den einzelnen Wohnhäusern von privat genutzt werden. Für den Anbau von Pflanzen auf dem Wasser der Bucht von Lagos kommt jedoch die Verwendung von kostbarem Trinkwasser zur Bewässerung nicht in Frage. Eine Alternative stellt der Anbau von sogenannten Halophyten dar.


Typ 07.1 - Pflanzenbeete

Abb. 181 Axonometrie

376 377


Abb. 182

Gemüse, Früchte und Nüsse

Getreide und Ölsamen

Hausgebrauch

Rohrkolben (Typha)

Queller (Salicornia)

gewöhnliche Strandsimse

100 - 250 cm

20 - 45cm

(Bolboschoenus Mariti-

Meerkohl

Quinoa

Meerfenchel

Batis Maritima

Gemeiner Bocksdorn

wilder Weizen

mus) 30 - 120 cm Mangrovenfarn Meerstrand-Binse


Halophyten Als Halophyten oder auch Salzpflanzen bezeichnet man Pflanzen, die an erhöhte Salzgehalte in ihrer Umgebung angepasst sind. Der durchschnittliche Salzgehalt von Meerwasser liegt bei etwa 35g/kg. Der Salzgehalt im Trinkwasser liegt im vergleich bei etwa 1g/kg. Es gibt eine große Vielfalt an Nutzpflanzen, die den Salzgehalt von Meerwasser überleben können. Dazu zählen essbare Pflanzen wie Früchte, Gemüse und Nüsse, Getreide und Ölsamen und Pflanzen für den Hausgebrauch, z.B. für das Flechten von Körben oder Möbeln. Abbildung 182 zeigt eine beispielhafte Auswahl an Pflanzen, die ihre Verwendung in der Bucht von Lagos finden könnten. Die Pflanzen könnten mit dem vorhandenen Meerwasser bewässert werden und unter dem tropischen Klima gedeihen und verarbeitet werden.

378 379


Abb. 183

1,00

2,00


Typ 07.2 - Mini-Biogasanlage

Abb. 184 Axonometrie

380 381


Abb. 185

6l organische Abf채lle pro Tag (Komposttoilette, Essensreste,...)

Bakterien zersetzen das organische Material und produzieren dabei Biogas

Das gefilterte Biogas wird im Gastank auf bewahrt

Das Gas kann in Flaschen abgef체llt werden und zum kochen genutzt werden Gasfilter Fl체ssigd체nger entsteht als Nebenprodukt


Funktion Das israelische Start-up-Unternehmen HomeBiogas entwickelt seit 2011 mit Unterstützung von EU-Hilfsprogrammen Biogasanlagen für den Hausgebrauch. Die Anlagen kommen bereits in Ländern wie Kenia, Argentinien und Uganda, wie auch in vielen anderen Ländern zum Einsatz.1 Die Anlagen benötigen für den Vorgang keinen Strom und sind damit bei der Unterbringung in Makoko unabhängig von Stromsystemen. Eine Einheit ist in weniger als 2 Stunden aufgebaut und benötigt nur 2m2 Platz. Eine Anlage kann pro Tag bis zu 6 l organische Abfälle aufnehmen. Nach einer bis drei Wochen nach Installation der Anlage erhält man bereits das erst Mal Biogas. Das Biogas kann direkt an der Anlage in Flaschen abgefüllt werden und zum Kochen verwendet werden. Ein Kilogramm verwerteter Abfall entspricht dabei in etwa der Gasmenge für eine Stunde kochen. Als Nebenprodukt des Prozesses entsteht zusätzlich Flüssigdünger. Dieser kann wiederum zum Bewirtschaften der schwimmenden Pflanzenbeete genutzt werden. Das Prinzip der Biogasanlagen ist simpel, dadurch relativ einfach zu reproduzieren und kostengünstig zu erwerben. Da für den Prozess eine durchschnittliche Tag-Nacht-Temperatur von mindestens 17°C benötigt wird, eignen sich die Biogasanlagen besonders für wärmere Gebiete.2 Für das Müllentsorgungsproblem und die gesundheitlichen Verhältnissen würden die Anlagen Abhilfe schaffen und sogleich kostbare Energie liefern. 1 2

Vgl. HomeBiogas, 2017 Vgl. Vattenfall, 2017

382 383


Um den großen Berufszweig der Fischerei von Makokos Bevölkerung zu stärken und zu unterstützen, werden einfach konstruierte Fischkörbe vorgeschlagen. Mit Abmessungen von 5m x 5m x 2m kann jeweils ein Korb vor eine Wohneinheit angehängt werden. Die Körbe ermöglichen eine kontrollierte Fischzucht und Fütterung für den Erhalt der Fischpopulationen in der Bucht von Lagos und dem damit einhergehenden Erhalt des für Makoko so wichtigen Verdienstquelle. Die Konstruktion der Körbe besteht aus zwei quadratischen Rahmen aus dünnen Metallprofilen, um die ein stabiles Netz gespannt ist. Vier Bojen halten den Korb an der Wasseroberfläche. Für größere Fischbestände können die Körbe zusammengeschlossen werden und in Gruppen vor der Siedlung in der Bucht schwimmen.


Typ 07.3 - Fischkorb

Abb. 186 Axonometrie

384 385


Abb. 187 Die Konstruktion des Marktstands basiert auf einem einfachen Stecksystem aus OSB-Platten. Nach der Nutzung können die Stände platzsparend verstaut werden. Ein Modul kann vier Körbe tragen.

Wie in Abb. 120 gezeigt, findet der Großteil von Makokos Einzelhandel von Booten aus statt. Um den halböffentlichen, überdachten Raum der Wohneinheiten und des Gemeindezentrums für den Handel zu nutzen, wurde ein Marktstandmöbel konzipiert. In Ergänzung zu den mobilen Bootsmärkten, sollen sie die Möglichkeit des Verkaufs von selbst produzierten Waren bieten, die zum Beispiel auf den Pflanzenbeeten angebaut wurden. Dies bietet eine Alternative zu den teilweise überteuerten Waren der externen Händler.


Typ 07.3 - Marktstand

Abb. 188 Axonometrie

386 387


Abb. 189


Woh n

t

ei n he i

Neue

Fu

on

nk ti

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Bio gas

an la

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G em e i nd

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rei

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t ei S o l a ra

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Sch ul e

388 389

0

50

200



Makoko nach 25 Jahren Die Durchmischung von alten Bestandsgebäuden und den neuen Bautechniken wird immer deutlicher. Die Bewohner Makokos bauen auf Basis der Konstruktion der mittlerweile etablierten Prototypen neue Typen mit anderen Funktionen. Mit den Jahren sind neue Bedürfnisse entstanden, die eine bauliche Antwort benötigen. Die früheren Werkstätten funktionieren mittlerweile als gut besuchte weiterführende Schulen. Einige der Schüler besuchen nach dem staatlich anerkannten Abschluss die Universität von Lagos. Auch andere an der Bucht gelegenen informellen Siedlungen haben bereits begonnen, die Bauweisen von Makoko zu adaptieren.

390 391


Abb. 190 möglicher erster Ablauf der Projektinitiierung

Vision

Aquatische Anpassungsstrategien für wachsende Küstenstädte an die Folgen des Klimawandels

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so r

Wo ?


Mögliche Finanzierungspartner Für die meisten Bauprojekte wird noch vor der Konzeption mindestens ein Teil des Finanzierungsplans sichergestellt. Bei humanitären Projekten wird jedoch oft zuerst die Notwendigkeit des Projekts durch eine Planung nachgewiesen und die Finanzierung danach festgestellt. Welche Möglichkeiten sind für die Finanzierung humanitärer Gebäude verfügbar?1 Staatliche Zuschüsse Zuschüsse werden meistens durch staatliche Behörden an Non-Profit-Organisationen für einen spezifischen Zweck vergeben. Die Bewerbung um Zuschüsse ist ein oftmals langwieriger Prozess, aber einer der kostengünstigsten Wege, Mittel zu beschaffen. Für die Case Study könnten Anträge in Deutschland und Nigeria gestellt werden. Die UN Das UNDP (United Nations Development Programm) besaß 2016 ca. 1,6 Milliarden $ für die Einhaltung von Menschenrechten, gesundheitliche 1

Vg. Olsen, 2010, S. 3

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Versorgung sowie Stromerzeugung und –Versorgung. Es wird vollständig aus freiwilligen Beiträgen der UN-Mitgliedsstaaten finanziert. Das UNDP konzentriert sich auf die Vergabe von Zuschüssen, Trainings und Beratungstätigkeiten an Entwicklungsländer.2 UN Habitat ist das Wohn- und Siedlungsprogramm der Vereinten Nationen. Die „Habitat-Agenda“ beinhaltet die Schaffung von adäquaten und bedürfnisorientierten Unterkünften, sowie nachhaltiger Siedlungsentwicklungen in urbanisierten Gebieten. Damit würden die Prototypen für Makoko die Kriterien erfüllen. Ebenso wie das UNDP finanziert sich UN-Habitat hauptsächlich aus Spenden. Im Jahr 2016 verfügte das Programm über insgesamt etwa 212,6 Mio. $. Davon gingen ca. 11% an Projekte in Afrika. 2% des Budgets wurden für Slumverbesserungen ausgegeben. 3 Die Weltbank Die Weltbankgruppe ist eine Entwicklungsbank, die Finanzierungsinstrumente wie Kredite und Zuschüsse für Entwicklungs- und Auf bauprojekte in Entwicklungsländern bereitstellt. Ihr Ziel ist es vor allem, den Anteil der in Armut lebenden Weltbevölkerung zu reduzieren. Die Weltbank vergibt langfristige Darlehen zu niedrigen oder ohne Zinsen. Im Geschäftsjahr vergab die Weltbank für Projekte in Afrika 424 Mio. $. Dies entspricht jedoch nur 2,4% der gesamten Auszahlungen des Jahres. Der Großteil der Zahlungen ging an Projekte im Mittleren Osten/Nordafrika (29,9%) und Ostasien/Pazifik (22,2%).4 Open Architecture Collaborative Das OAC (ehemals Architecture for Humanity) ist eine in den USA ansässige Non-Profit-Organisation, die pro-bono Design- und Baumanage2 3 4

Vgl. UNDP, 2018 Vgl. UN Habitat, 2018 Vgl. Weltbankgruppe, 2017, S. 22


ment-Dienstleistungen und Finanzierungen für Projekte auf der ganzen Welt zur Verfügung stellt. Die Organisation fördert humanitäre und soziale Architektur durch Partnerschaften, Interessenvertretung und auf Bildung basierende Programme. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind jedoch vergleichsweise gering. OAC entwickelte jedoch in 2007 mit dem Open Architecture Network (Heute Open Architecture Collaborative) ein Open-Source-System zur Unterstützung von nachhaltiger und sozialer Architektur. Das Netzwerk umfasst Projektmanagement, Datensharing, eine Ressourcendatenbank und Online-Tools für gemeinschaftliche Planungen. 5 Neben der Finanzierung durch Stiftungen und Zuschüsse gibt es weitere Methoden, den Zuwachs von notwendigem Kapital zu erhöhen: die Werbung von Sponsoren und technischen Partnern, die Initiierung von Fundraising-Veranstaltungen und die Erlangung von durchgehender Medienberichterstattung. Für die Realisierung der strukturellen Verbesserung Makokos müsste ein langfristiger Finanzierungsplan aufgestellt werden, um eine finanzielle Unterstützung über eine große Zeitspanne zu garantieren.

5

Vgl. Brake, 2016

394 395


Metro Manila, Philippinen Einwohnerzahl: 1,8 Mio. (Metropolregion 12,9 Mio.)

Abb. 191

Jakarta, Indonesien Einwohnerzahl: 9,6 Mio. (Metropolregion 30 Mio.)

Abb. 192

CitÊ Soleil, Port au Prince, Haiti geschätzte Einwohnerzahl des Slums: 200.000 - 400.000

Abb. 193


Pulau Bungin, Indonesien Einwohnerzahl: 2.800 auf 8 Hektar

Abb. 194

Alternative Standorte Neben Lagos gibt es weltweit weitere Großstädte, an deren Küsten große informelle Siedlungen liegen. Viele dieser Gemeinden besitzen ähnliche Problematiken wie Makoko und unterliegen vergleichbaren klimatischen Umständen. Die vorgeschlagenen Prototypen können den Bedürfnissen der Bewohner der unterschiedlichen Siedlungen angepasst werden.

Korail, Dhaka, Bangladesch Einwohnerzahl: 40.000

Abb. 195




Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 001 Stadtentwicklung von Küstenstädten im Spannungsfeld Eigene Zeichnung Abb. 002 Hula - What If You Fly? https://www.designboom.com/wp-content/uploads/2015/11/ hula-warning-painted-murals-melting-icebergs-designboom-03.jpg Abb. 003 Jill Pelto - Cimate Change Data http://www.jillpelto.com/climate-change-data/ Abb. 004 Nildelta heute Eigene Zeichnung Abb. 005 Nildelta bei einem Meeresspiegelanstieg von 1m Eigene Zeichnung Abb. 006 Nildelta bei einem Meeresspiegelsnstieg von 5m Eigene Zeichnung Abb. 007 Umwälzströmungen zwischen dem grönländischen und antarktischen Eisschild Eigene Zeichnung nach: Atmos. Chem. Phys., 16, 3761–3812, 2016 Abb. 008

Szenarien des Meeresspiegelanstiegs und der Eisschildschmelze Eigene Zeichnung nach: Atmos. Chem. Phys., 16, 3761–3812, 2016

Abb. 009 Besonders gefährdete Küsten und Inselregionen der LECZ Eigene Zeichnung nach: : http://science.sciencemag.org/cont ent/328/5985/1517/F3 Abb. 010 Szenario des vollständig überfluteten New York City https://vimeo.com/219649214 Abb. 011 Bevölkerungswachstum von 2015 bis 2100 in Prozent http://cdn2.spiegel.de/images/image-879301-galleryV9-yurh-879301. jpg Abb. 012 Zuwachs der Weltbevölkerung pro Zeiteineit Eigene Zeichnung nach: https://de.statista.com/statistik/daten/stu die/1816/umfrage/zuwachs-der-weltbevoelkerung/ Abb. 013 Prognose des Bevölkerungszuwachsverlaufs Eigene Zeichnung nach: http://www.br.de/themen/wissen/weltbevo elkerung-bevoelkerungswachstum-menschen-erde-welt-100.html Abb. 014 Statistik des Bevölkerungszuwachsverlaufs Eigene Zeichnung nach: https://de.statista.com/statistik/daten/stu die/157531/umfrage/laender-mit-der-hoechsten-bevoelkerungs zahl/ Abb. 015 Szenarien für die Bevölkerungsentwicklung in den LECZ Eigene Zeichnung nach: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0118571. g002 Abb. 016 Bevölkerungsdichte Deutschland und Bangladesch Eigene Zeichnung Abb. 017 Migrationsstrom https://www.citi.io/wp-content/uploads/2017/09/migration-illustra tion-2000-920x400.jpg Abb. 018

informelle Konversionen in New York City


https://www.archdaily.com/589157/inequality-and-informali ty-in-new-york-situ-studio-s-proposal-for-moma-s-uneven- growth-exhibition/54bd130ee58ece61b9000236-heat-map-of-illegal Abb. 019 Urbaner Zuwachs pro Stunde http://2oqz471sa19h3vbwa53m33yj.wpengine.netna-cdn.com/wp-con tent/uploads/2015/11/world-population-growth-by-hour.jpeg Abb. 020 Rocinha Slum in Rio de Janeiro https://qph.ec.quoracdn.net/main-qimg-9996d257318e560ae96ac 3733ded57e7-c Abb. 021 Potentielle Faktoren, die die Armut in städtischen Gebieten beeinflus sen können. Eigene Zeichnung nach: Addressing poverty, inequality and insecurity. Structure of my presentation Insecurity, poverty and inequality – the scale and the nature Pro-poor politics. Published byPriscilla Horsley,, auf: http://slideplayer.com/slide/3590631/ Abb. 022 Proteste im Gezi-Park https://cdn.opendemocracy.net/files/imagecache/article_xlarge/ wysiwyg_imageupload/546137/2111823.png Abb. 023

Le Corbusier blickt über die Stadt Oswalt, P., Overmeyer, K., Misselwitz, P. (2013) Urban Catalyst – Mit Zwischennutzungen Stadt entwickeln. Dom Publishers, Berlin.

Abb. 024 Tricycle House http://architizer-prod.imgix.net/media/139303940993701_Tricyc le_House_in_Beijing.jpg?q=60&auto=format,compress&cs=strip&w =1680 Abb. 025 Empower Shack Project Ansicht Reihe http://u-tt.com/wp-content/uploads/2015/10/2015_12_12__Empo wer_Construction_00018_website-1500x1000.jpg Abb. 026 Verkehr in Lagos https://hapmag.s3.amazonaws.com/wp-content/uploads/osho di-1024x768.jpg Abb. 027

Entwicklungsschema des informellen Wohnungsbaus in Kairo ARCH+, Architekturen der Globalisierung, Nr. 230/2017, S. 95

Abb. 028 Verlauf der Landgewinnung in der Bucht von Tokio bis 1990 https://thetokyofilesmaps.files.wordpress.com/2017/06/tokyo-reclai med-land-map.png Abb. 029 Inseln von Ijburg im Bau https://www.mimoa.eu/images/1165_l.jpg Abb. 030 Schwimmende Häuser im Yachthafen in Kröslin http://durchstarten-in-mv.de/files/uploads/unter nehmen/ihr_ord ner_1723/leitbild1437995489.jpg Abb. 031 Schwimmende Schule in Lagos http://static3.businessinsider.com/image/561feb9dd0895d22c 8b4604-2592-1936/nle_5.jpg Abb. 032 Lageplan http://jsah.ucpress.edu/content/72/2/256 Abb. 033

Ringelemente

408 409


https://i.pinimg.com/736x/60/cc/aa/60ccaadbe5e277ae5fe 80668291eccc7.jpg Abb. 034 Schematischer Auf bau der Pilotis und Kernsysteme http://projectivecities.aaschool.ac.uk/wp-content/ uploads/2012/03/02_TokyoBayOfficeBuilding.jpg Abb. 035 Modellfoto https://www.domusweb.it/content/domusweb20/en/news/archi ve/2011/05/03/metabolism-the-city-of-the-future/_jcr_content/ main_content/article_image0.img.rmedium.jpg Abb. 036 Zonen der Marine City Eigene Zeichnung nach: http://article.sapub.org/image/10.5923.j. arch.20160604.03_011.gif Abb. 037 Tower Shaped community http://article.sapub.org/image/10.5923.j.arch.20160604.03_003.gif Abb. 038

Seitenansicht einer Wohnunit Kikutake, Kiyonori, in: Concepts and Planning, Tokyo, 1978, S. 102

Abb. 039

Vergrößerungs- bzw verkleinerungsfähiges Wohnmodul Aufnahme von Antje Wagenknecht, Archivmaterial des Architekturbü ros kikutake architects, Kiyonori Kikutake, 2012

Abb. 040 Lageplan http://68.media.tumblr.com/tumblr_mdcb0zU8Rz 1qe4odpo1_1280.jpg Abb. 041

Koto District Project Kikutake, Kiyonori, in: Concepts and Planning, Tokyo, 1978, S. 62

Abb. 042

Erweiterung des Stadtprojektes Aufnahme von Antje Wagenknecht, Archivmaterial des Architekturbü ros kikutake architects, Kiyonori Kikutake, 2012

Abb. 043 Walking City vor Manhattan https://i.pinimg.com/originals/43/93/88/439388a0e80b539b1fe8c 427b1996e34.gif Abb. 044 Ansicht der laufenden Stadt https://images.adsttc.com/media/images/5722/ba2f/e58e/ cee4/4a00/0152/large_jpg/zvg001.jpg?1461893667 Abb. 045 Walking City in London heute https://i.pinimg.com/originals/9b/4a/6b/9b4a6b32f677195ff6bb01d 47ff0282c.jpg Abb. 046 Capsule Pier https://i.pinimg.com/originals/11/de/cd/11decd6d10147572c 91338c708abadec.jpg Abb. 047 Ausdehnung des Pampus Plan in das Ijmeer https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0b/Uitbrei dingsplan_Pampus_-_Pampus_Expansion_Plan_%286143543120%29. jpg Abb. 048

Pampus Plan Architectemgemeenschap van den Broek en Bakema, in: Architek- tur-Urbanismus, Stuttgart, Karl Krämer Verlag, 1976, S. 24 , 25

Abb. 049

Querschnitt durch die Hauptverkehrsader


Architectemgemeenschap van den Broek en Bakema, in: Architek- tur-Urbanismus, Stuttgart, Karl Krämer Verlag, 1976, S. 27

Abb. 050 Beziehung zwischen Wohnbereich und Polderlandschaft https://dezwijger.nl/programma/de-toekomst-dienooit-kwam-het- pampusplan Abb. 051 Lage der New Amsterdam Waterfront vor der Küste New York Citys https://architizer.com/projects/the-new-amsterdam-waterfront/ media/296999/ Abb. 052 Lageplan https://architizer.com/projects/the-new-amsterdam-waterfront/ media/298082/ Abb. 053 Der zentrale Boulevard https://architizer.com/projects/the-new-amsterdam-waterfront/ media/297000/ Abb. 054 Urban Gardening https://i.pinimg.com/originals/be/ab/be/beabbe6bc1e54880dc9ae 3ba548a0c21.jpg Abb. 055 Modellfoto http://media.nisor.com/image/ku_entry_2017_0519_224829_2077.jpg Abb. 056 Funktionen der EIA https://www.europeinafrica.com Abb. 057 Skizze Eigene Zeichnung Abb. 058

Kontext Amsterdam - Ijburg Eigene Zeichnung nach Google Maps

Abb. 059 Lage Waterbuurt https://www.ansa.it/documents/1334931625986_AmsterdamFloating. pdf Abb. 060 Lage von Waterbuurt West Google Maps Abb. 061 Betonwanne Eigene Zeichnung Abb. 062 Ausgleich der Wände Eigene Zeichnung Abb. 063 Schwanken der einzelnen Häuser Eigene Zeichnung Abb. 064 Stabilität durch Verbindung Eigene Zeichnung Abb. 065 Verbinden mit Stahlpfählen Eigene Zeichnung Abb. 066 Systemschnitt Eigene Zeichnung nach: http://architizer-prod.imgix.net/mediadata/ projects/102011/44175781.jpg? q=60&auto=format,compress&cs=strip&w=1680 Abb. 067

Dachaufsicht

410 411


Video: Urban Rigger: Visionary architecture uses water as energy sour ce, with Danfoss solutions

Abb. 068 Grundriss OG https://static1.squarespace.com/static/564154e2e4b 061c794957f90/585bde49bebaf b4eff5d1fd4/585bde4ae4fcb5dc45fa1b cc/1482415691859/BIG-.-Urban-Rigger-.Copenhague-12-1200x1200.jpg Abb. 069 Grundriss EG https://static1.squarespace.com/static/564154e2061c794957f90/585b de49bebaf b4eff5d1fd4/585bde4a59cc682219bc5d1a/1482415691509/ BIG-.-Urban-Rigger-.Copenhague-11-1200x1120.jpg Abb. 070 Vision https://static1.squarespace.com/static/564154e2e4b 061c794957f90/57c5a839f5e231e6173b7349/5852b670d1758eb23d 44ca6f/1500914702070/urban-rigger-floating-student-housing-clus ter-4.jpg?format=1500w Abb. 071 Seasteading http://www.blue21.nl/wp-content/uploads/2016/01/Floating-Ci ty-3652-x-2957-1014x821.jpg Abb. 072 Ausschließliche Wirtschaftszonen http://td-architects.eu/projects/show/exclusive-economic-zone Abb. 073

Mobilität der Stadt https://www.seasteading.org/floating-city-project/

Abb. 074 Abrücken vom Festland https://cdn-images-1.medium.com/max/800/1*R68qTn8zDdyWk gOE7pQ_6g.jpeg Abb. 075 MARIN Testbecken https://owncloud.marin.nl/index.php/s/mPdUCORx5cLvE3j?pa th=%2FModel%20tests Abb. 076 Entwurfsszenarien Olaf Waals, 11072017 Presentatie Drijvend Eiland Demo.pptx, 11.7.2017 Abb. 077 Zwei hintereinander liegende Inseln auf dem Titi- caca-See http://1063457201.n137365.test.prositehosting.co.uk/wp-content/ uploads/2012/12/peru-floating-uros-islands.jpg Abb. 078

Sonnenkollektoren auf den Inseln der Uros http://www.climatechangenews.com/files/2014/12/IMG_3153.jpg

Abb. 079

Floating School vor Makoko http://www.stuk.be/sites/default/files/images/event/main/ciwan baan-makokofloatingschoollagos.jpg

Abb. 080 Auf bau des Gebäudes Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www. nleworks.com/publication/makoko-research-heinrich-boll-stiftung/, S. 127 Abb. 081 Energiekonzept und Wassermanagement http://www.nleworks.com/wp/wp-content/uploads/2012/11/ MFS_2-960x550.jpg Abb. 082

Prototypen


https://i.pinimg.com/originals/d1/13/57/d1135740cde9cab 1c2a7cafa2d8ce09b.jpg Abb. 083

Grundrisse der Schule https://imagineschooldesign.files.wordpress.com/2014/07/plans.png

Abb. 084 Floating City Apps http://waterstudio.nl/images/flash_banner/20111007%20city%20 apps%20.jpg Abb. 085 Konstruktionsprinzip http://floodlist.com/protection/floating-city-apps-floating-facilities Abb. 086 Sanitär-Einheit https://www.re-thinkingthefuture.com/rtfa2014-urban-design-built/ city-apps-waterstudio-nl/ Abb. 087 Küchen-Einheit https://www.re-thinkingthefuture.com/rtfa2014-urban-design-built/ city-apps-waterstudio-nl/ Abb. 088 Kommunikations-Einheit https://www.re-thinkingthefuture.com/rtfa2014-urban-design-built/ city-apps-waterstudio-nl/ Abb. 089 Gesundheits-Einheit https://www.re-thinkingthefuture.com/rtfa2014-ur ban-design-built/city-apps-waterstudio-nl/ Abb. 090 Verortung Eigene Zeichnung Abb. 091 Lagos Koolhaas, Charlie, in: True Cities, 2009, HillerMedien, Berlin Abb. 092 Lagos Koolhaas, Rem, Boeri, Stefano, Kwinter, Sanford, Tazi, Nadia, Obrist, Hans Ulrich, in: Mutations, Barcelona, ACTAR Verlag und Bordeaux, arc en rêve centre d‘architecture, 2001, S. 698, 699 Abb. 093 Anstieg des Meeresspiegels Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 28 Abb. 094 Wachstumsverlauf Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 20 Abb. 095 Informelle Siedlungen Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 20 Abb. 096 Zwangsräumung Eigene Zeichnung Abb. 097 Prognose für die Bevölkerung Nigerias und Lagos‘ Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 67, 68

412 413


Abb. 098 Einkommensverteilung Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 69 Abb. 099 Beispielhafter Tageseinkauf Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 69 Abb. 100 Makoko Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www. nleworks.com/publication/makoko-research-heinrich-boll-stiftung/, S. 151 Abb. 101 Makokos Bevölkerungs- und Standortstruktur Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www. nleworks.com/publication/makoko-research-heinrich-boll-stiftung/, S. 151 Abb. 102 Makoko Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www. nleworks.com/publication/makoko-research-heinrich-boll-stiftung/, S. 49 Abb. 103 Lageplan Eigene Zeichnung Abb. 104 Bebauung Eigene Zeichnung nach: http://www.zhangsida.com/Floating-To wer-Prototype Abb. 105 Dächer NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 43 Abb. 106 Fassade NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 43 Abb. 107 Fundamente NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 43 Abb. 108 Makokos Entwicklung Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 50 Abb. 109 Erreichbarkeit Eigene Zeichnung nach: Makoko Floating School, Research report, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 50 Abb. 110 Lage von Makoko vor der Third Mainland Bridge http://lh3.ggpht.com/-yZ3-pwm0Ul4/U06K9WUbCiI/ AAAAAAAAxhg/QVQhGg8jpCc/makoko-16%25255B13%25255D.jpg?img max=800


Abb. 111 Überschwemmungen NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 23 Abb. 112 Wasserversorgung NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 45 Abb. 113 Landwirtschaft NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 41 Abb. 114 Hygiene und Müllentsorgung NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 45 Abb. 115 Industrie NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 41 Abb. 116 Dienstleistungen NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 42 Abb. 117 Transport NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 41 Abb. 118 Besitzverhältnisse Eigene Zeichnung Abb. 119 Wohnen NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 45 Abb. 120 Einkaufen NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 42 Abb. 121 Bildung NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 45 Abb. 122 Freizeit NLE, in Makoko Floating School – African Water Cities Project, 2012, auf: http://www.nleworks.com/publication/makoko-research-hein rich-boll-stiftung/, S. 42 Abb. 123 Sozialstruktur http://www.mysinchew.com/files/preview/640x409..120220148.jpg

414 415


Abb. 124 Makoko nach 5 Jahren Eigene Zeichnung Abb. 125 Makoko nach 15 Jahren Eigene Zeichnung Abb. 126 Vogelperspektive Eigene Zeichnung Abb. 127 Entwurfsrelevante Bedingungen Eigene Zeichnung Abb. 128 Instaliieren der Holzpontons https://i.pinimg.com/564x/bf/59/4f/bf594feb20b60edcfadad 668ba6eb2d5.jpg Abb. 129 Auf bau der Pontons Eigene Zeichnung Abb. 130 Breite der Wasserstraßen Eigene Zeichnung Abb. 131 lokale Bauweisen und externe Planung Eigene Zeichnung Abb. 132 Konstruktionsraster Eigene Zeichnung Abb. 133 Austauschbarkeit der Wohneinheiten Eigene Zeichnung Abb. 134 Erweiterbarkeit der Wohneinheiten Eigene Zeichnung Abb. 135 Simple Technologien Eigene Zeichnung Abb. 136 Durchlüftung Eigene Zeichnung Abb. 137 Verschattung Eigene Zeichnung Abb. 138 Anordnung der Solarpanele Eigene Zeichnung Abb. 139 Regenwassersammlung Eigene Zeichnung Abb. 140 Axonometrie der Wohneinheit Eigene Zeichnung Abb. 141 Konstruktion Eigene Zeichnung Abb. 142 Querschnitt Wohneinheit 1 Eigene Zeichnung Abb. 143 Längsschnitt Wohneinheit 1 Eigene Zeichnung Abb. 144 Grundriss EG Wohneinheit 1 Eigene Zeichnung


Abb. 145 Grundriss OG Wohneinheit 1 Eigene Zeichnung Abb. 146 Querschnitt Wohneinheit 2 Eigene Zeichnung Abb. 147 Längsschnitt Wohneinheit 2 Eigene Zeichnung Abb. 148 Grundriss EG Wohneinheit 1 Eigene Zeichnung Abb. 149 Grundriss OG Wohneinheit 1 Eigene Zeichnung Abb. 150 Kombinationsmöglichkeiten Eigene Zeichnung Abb. 151 Grundriss EG Wohnkombination A Eigene Zeichnung Abb. 152 Längsschnitt Wohnkombination A Eigene Zeichnung Abb. 153 Grundriss EG Wohnkombination B Eigene Zeichnung Abb. 154 Längsschnitt Wohnkombination B Eigene Zeichnung Abb. 155 Grundriss EG Wohnkombination C Eigene Zeichnung Abb. 156 Längsschnitt Wohnkombination C Eigene Zeichnung Abb. 157 Integration der Wohneinheiten in den Bestand Eigene Zeichnung Abb. 158 Auseinanderlegung der Wohneinheit 1 Eigene Zeichnung Abb. 159 Die Wohneinheit als Katastrophenunterkunft Eigene Zeichnung Abb. 160 Axonometrie Sanitäreinheit Eigene Zeichnung Abb. 161 Längsschnitt Sanitäreinheit Eigene Zeichnung Abb. 162 Grundriss Sanitäreinheit Eigene Zeichnung Abb. 163 Funktionsschema Eigene Zeichnung Abb. 164 Axonometrie Solaranlage Eigene Zeichnung Abb. 165 Versorgungsaufgaben Eigene Zeichnung

416 417


Abb. 166 Axonometrie Gesundheitszentrum Eigene Zeichnung Abb. 167 Längsschnitt Gesundheitszentrum Eigene Zeichnung Abb. 168 Grundriss Gesundheitszentrum Eigene Zeichnung Abb. 169 Axonometrie Gemeindezentrum Eigene Zeichnung Abb. 170 Grundriss EG Gemeindezentrum Eigene Zeichnung Abb. 171 Grundriss OG Gemeindezentrum Eigene Zeichnung Abb. 172 Längsschnitt Gemeindezentrum Eigene Zeichnung Abb. 173 Aufteilungsmöglichkeiten Eigene Zeichnung Abb. 174 Nutzungsmöglichkeiten Eigene Zeichnung Abb. 175 Innenperspektive Eigene Zeichnung Abb. 176 Axonometrie Schule Eigene Zeichnung Abb. 177 Grundriss EG Schule Eigene Zeichnung Abb. 178 Grundriss OG Schule Eigene Zeichnung Abb. 179 Längsschnitt Schule Eigene Zeichnung Abb. 180 Querschnitt Schule Eigene Zeichnung Abb. 181 Axonometrie Pflanzenbeete Eigene Zeichnung Abb. 182 Halophyten Eigene Zeichnung Abb. 183 Abmessungen Biogasanlage Eigene Zeichnung Abb. 184 Axonometrie Biogasanlage Eigene Zeichnung Abb. 185 Funktionsschema Eigene Zeichnung nach: https://elife.vattenfall.de/wp-content/ uploads/2017/01/256_HomeBiogas_Biogasanlage-Funktion.jpg Abb. 186 Axonometrie Fischkorb Eigene Zeichnung


Abb. 187 Konstruktion des Marktstands Eigene Zeichnung Abb. 188 Axonometrie des Marktstands Eigene Zeichnung Abb. 189 Makoko nach 25 Jahren Eigene Zeichnung Abb. 190 mĂśglicher erster Abauf der Projektinitiierung Eigene Zeichnung Abb. 191 Metro Manila, Philippinen http://3.bp.blogspot.com/-ztwKms7aKmo/UhewEcyZAII/ AAAAAAAABO0/BifOUtMbR5c/s1600/Manila+-+Class+Conflict.jpg Abb. 192 Jakarta, Indonesien https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/aa/Jakarta_ slumlife58.JPG Abb. 193 CitĂŠ Soleil, Port au Prince, Haiti https://www.washingtonpost.com/pbox.php?url=http://www.was hingtonpost.com/blogs/worldviews/files/2017/09/AFP_S763Q. jpg&w=1484&op=resize&opt=1&filter=antialias&t=20170517 Abb. 194 Pulau Bungin, Indonesien https://www.thelangkahtravel.com/wp-content/uploads/2017/10/ Pulau-Bungin.jpg Abb. 195 Korail, Dhaka, Bangladesch https://www.voanews.com/a/reu-migrant-journey-from-rural- bangladesh-shows-sacrifices-dangers-of-slum-life/3598045.html

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