151 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 151, JULI / AUGUST 2015
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Vienna Biennale
2015
Ideas for Change 11.6. – 4.10.2015 Die erste Biennale für Kunst, Design und Architektur
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MAK Angewandte Kunsthalle Wien Az W departure Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst
Universität für angewandte Kunst Wien
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Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien
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Leitartikel von Thomas Weber.
Reiner Wein für Wien Niemand glaubt, dass Michael Häupl gemeinsame Sache mit blauen Krawallbrüdern machen würde. Wer ihm dereinst als – roter – Bürgermeister nachfolgen soll, wäre aber eine interessante Entscheidungsgrundlage für die anstehende Wien-Wahl. Zeit, eine Kronprinzessin oder einen -prinzen ins Spiel zu bringen, Herr Bürgermeister!
ein, dass derlei in Niederösterreich auch nicht passiert ist, gilt nicht als Ausrede. Wien sollte da wirklich anders sein. Denn in den vergangenen Wochen wird zwar viel über mögliche und unmögliche Koalitionskonstellationen diskutiert – wobei da mittlerweile fast alles denkbar scheint. Auch, dass die Stadt-SP in Wien anders als in anderen Bundesländern keinesfalls mit den populistischen Postfaschisten von der FPÖ zusammenarbeiten werde, hat Michael Häupl unmissverständlich und glaubwürdig klargestellt. Aber wirklich Konkretes hat man vom amtierenden Bürgermeister – immerhin Jahrgang 1949 – über die eigene Nachfolge noch nicht gehört. Dass Häupl über diese nicht alleine entscheiden und herrschaftlich verfügen könne, mag nicht ganz falsch sein, schiene angesichts seiner realen Machtbasis als Begründung doch eher fadenscheinig. Zumal er persönliche Präferenzen sonst auch nicht zurückhält. Etwa persönliche Regierungsvorlieben. Wir wissen mittlerweile, dass er als Bürgermeister sicher nicht mit der FPÖ koalieren möchte und auch mit den Neos bitte eher lieber nicht. Dass ihm – no na! – am allerliebsten wieder eine absolute rote Mehrheit, er aber auch für ein Dacapo von Rot-Grün zu haben wäre. Und wenn sich die Schwarzen schon so aufdrängen, dann warum nicht auch mit den verstreuten Resten der
tionär lenkt, der dafür bekannt ist, am Stammtisch auch Freiheitliche abzuholen. Wo selbst in kleinen Parteien wie bei den Grünen das Spektrum an politischen Überzeugungen, Pragmatismus- aber auch Populismusbereitschaft ein breites ist, ist es bei einer Volkspartei wie auch die SPÖ eine ist, riesengroß. Zumal die finanzielle Lage die Stadt in den nächsten Jahren wohl dazu zwingen wird, weniger Geld auszugeben. Wo wird eher eingespart? Bleibt genügend Geld für Kultur? Wie positioniert man sich in den Verteilungskämpfen zwischen Hochkultur und den prekären Subkultur- und Off-Szenen? Fördert man Start-ups und die Kreativwirtschaft? Kürzt man gar die Gelder für den Life Ball? Fragen über Fragen, die – auch wenn das manche leugnen mögen – weit mehr als das soziale Klima betreffen, sondern sich massiv auf das Lebensgefühl nicht nur von Wien auswirken, sondern auch weit darüber hinaus. Deshalb: Schenken Sie uns reinen Wein ein, Herr Bürgermeister! Vielleicht gibt es dann ja sogar Grund, sich am Wahlabend den Spritzwein bringen zu lassen. Bild michael winkelmann
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Stadtkonservativen. So weit, so kalkuliert, so nachvollziehbar. Mindestens genauso wichtig wie mit wem eine rote Zusammenarbeit künftig denkbar ist, wäre aber eine klare Ansage, wen er sich als Nachfolger vorstellen kann. Gerade weil die Wiener SPÖ die Wahl – völlig zu Recht – als Richtungsentscheid verkaufen wird. Es geht immerhin um das, was das Rote Wien ausmacht bzw. das, wie es – nicht ganz verkehrt – Rot-Grün weitergedacht hat. Immer wieder ist aus dem Rathaus zu hören, dass – kein Wunder – das interne Hickhack um die Häupl-Nachfolge längst begonnen hat. »Wir reden vor der Wahl nicht über Koalitionen. Wir reden über uns«, meinte der Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler unlängst in St. Marx. Wenn diese Ansage ernst zu nehmen ist, dann muss Häupl Stamm- und potenziellen Wählern wie Parteifreundinnen reinen Wein einschenken, über wen sie in den nächsten Wochen nachdenken, für wen sie mobil machen und von wem sie die Bevölkerung überzeugen sollen. Das Risiko, dass sich eine Handvoll Personen, die sich jetzt noch Chancen für seine Nachfolge ausrechnen, im Wahlkampf vielleicht weniger engagieren, hat ein Kaliber wie Häupl dabei staatsmännisch in Kauf zu nehmen. Schließlich macht es keinen geringen Unterschied, ob die Geschicke der Stadt künftig eine frauennetzwerkende Finanzpolitikerin wie Renate Brauner, ein slicker Manager wie Norbert Kettner (der sich als Gründer der Kreativagentur Departure verdient gemacht und als Tourismusdirektor der Stadt nun schon länger die globale Positionierung Wiens über hat) oder doch ein trinkfester, leutseliger Bezirksfunk-
Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber
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Pop-up Die Stadt brodelt. Pop-up-Märkte, spontane OpenAir-Raves und Street Food erobert den öffentlichen Raum. Daneben ziehen kleine Geschäfte und Coworking Spaces in leerstehende Gebäude und Etagen ein. Alles zwischendurch. Wem aber nutzt die viele Zwischennutzung? Wie steht die Stadt dazu? Und wem gehört die Stadt?
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Magazin Pop-up 014 —— Eigentlich sind alle von Zwischennutzung begeistert. Die Stadt, Vermieter und all die Leute, die Platz für ihre Projekte bekommen. Kritik am System regt sich eher im Ausland und an der Uni. Golden Frame: Hans Weigand – Bass Player From The 16th Century In A Big Wave 018 —— Der Surfer steht in der Welle, er reitet auf dem Schicksal, mit Zipfelmütze und einem Bass, fast so wie der Gitarrist in »Mad Max«. Open-Airs 020 —— Kein Wochenende vergeht, ohne dass nicht irgendwo spontan Techno gespielt wird. Welche Chancen bieten sich da und wollen diese guten Menschen vielleicht mehr als nur eine gerade Bassdrum? Grapschen im Club 022 —— Man muss drüber reden. Nicht nur, weil nun doch der Paragraph zu sexueller Belästigung ausgeweitet wird. Sondern weil Grapschen immer häufiger passiert und es gerade in Clubs keine klare Lösungen gibt. Festival Netzwerk 024 —— Früher gab es einen, der fast alles veranstaltet hat. Heuer hat sich die Konkurrenz verschärft. Aber wer ist verbandelt? Wem gehören die österreichischen Festivals?
Brut 026 —— Acht Jahre lang hat das Brut die Theaterlandschaft in Wien aufgezäumt und Performances gezeigt, die sonst nirgends Platz hatten. Wir haben versucht, Resümée zu ziehen. A$ap Rocky 028 —— Asap ist nicht mehr so trill und nicht mehr so cloudy wie früher. Er hat angefangen, komplexe Geschichten zu erzählen. Da wird es ganz schön deep. Marsimoto 029 —— Wer Marsimoto schon vorher mochte, wird »Ring der Nebelungen« vergöttern. Ein Album wie eine Einstiegsdroge. Waldschütz 030 —— Du brauchst eine eigene Handschrift, heißt es in der Fotografie immer wieder. Einer, der es geschafft hat, ist Andreas Waldschütz. Nach einigen Umwegen. Superhelden 034 —— Obwohl Superhelden oft Strumpfhosen anhaben, haben die meisten von ihnen einen weißen Penis. Im extrem erfolgreichen Superhelden-Business sind Frauen Mangelware. Möglicherweise ändert sich das gerade. True Detective 036 —— Die erste Staffel hat mächtig vorgelegt. Die Erwartungen sind entsprechend hoch. Die Serie kann aber überraschend viele einlösen.
der Online-Shop
von The Gap
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Andreas Waldschütz Muss man in Österreich auswandern, um mit Fotografie Geld verdienen zu können? Eigentlich nicht, wenn man sich auf Mode und Werbung spezialisiert. Andreas Waldschütz hat es trotzdem getan. Und dabei hat er einen ganz eigenwilligen Stil entwickelt. Wir haben einen der eigenwilligsten Fotografen des Landes porträtiert.
030 Rubriken Leitartikel 003 Inhalt 004 Editorial / Porträts / Impressum 006 Fondue 007 Unbezahlter Anzeiger 009 Splitter 010 040 Fotostrecke: Poolbar Workstation: Romana Zöchling und Susanna Wagner 043 Literatur: Valerie Fritsch 046 Prosa: Tina Fey 054 Reviews 051 Termine 058
Bild der Ausgabe Woah Dude. Beste Journalisten unter 30. Diesmal Franziska Tschinderle und Amira Ben Saoud, nachdem es letztes Mal noch Teresa Reiter, Jonas Vogt und Ines Fernau waren. Könnt ja also doch sein, dass man was bei uns lernt. Freut uns natürlich auch riesig.
Kolumnen Dance Yrself Clean Know-Nothing-Gesellschaft
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Das Leben nach der großen Party — Wir waren gerührt, als uns so viele Leute zum runden Geburtstag gratuliert haben. Fast alle Artikel und Interviews zu unserer 150. Ausgabe waren anerkennend und freundschaftlich. Dabei waren wir überzeugt, dass uns genügend Leute auch hassen, zu oberflächlich, zu besserwisserisch, zu brav, zu cool oder zu schlecht finden. Vielleicht spart man sich diese Postings heute einfach oder geht dafür ins derstandardForum. Wir konnten eine rauschende Party feiern. Und dann muss es weiter gehen. Vielleicht spontan zu einem Rave? Maximillian Zeller hat sich deshalb einerseits die vielen Partys angesehen, die neuerdings ohne große Vorkommnisse mit den Behörden in Wien stattfinden (S. 20). Andrerseits beleuchtet Teresa Havliceks Coverstory die vielen Zwischennutzungen in Wien von einer umfassenden Perspektive (S. 14). Und weil ihre restbetrunkene Emojis-Kolumne in unserer Beilage zum Festivalsommer so gut angekommen ist, wird sie diese nun auch hier weiterführen (S. 49). Die fanden ein paar ältere Herren zwar nicht anspruchsvoll genug, aber hey, wir werden immerhin mit Storys über »True Detective« (S. 36) oder Theater in Wien (S. 26) unser Möglichstes tun, damit wir weiter euren weißen Penissen gefallen. Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap
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Yasmin Vihaus
Lukas Traber
Die zauberhafte Yasmin — Wir wissen nicht genau, wie Yasmin bei uns gelandet ist, aber wir können uns gut vorstellen, dass sie am Linzer Bahnsteig 9 ¾ zuerst gegen eine Wand gelaufen und dann in der magical Medienwelt gelandet ist. Yasmin ist nämlich ein großer Harry Potter-Fan und während sie noch immer auf den Aufnahmebrief wartet, zaubert sie einstweilen Texte für uns. Warum, weiß eigentlich auch keiner, denn Yasmin hat mit ihren 22 Jahren schon einige Zeit redaktionell beim ORF, dem Hogwarts der ContentProduktion, gewerkt. Außerdem besitzt sie solide Grafik-Kenntnisse, weswegen ihr Lebenslauf wie der Traum eines jeden Human Rescources-Menschen gestaltet ist. Überhaupt hat Yasmin Sinn für Ordnung, von dem nur der Zustand ihrer Wohnung ausgenommen ist: Dinge, die sie mag (Bibliotheken, Gigi d’Agostino), Dinge, die sie nicht mag (lange Telefonate, Arschkriecherei) und Dinge, die Leute an ihr nicht mögen (sie ist kein »Game Of Thrones«- und Katzenfan) hat sie uns säuberlich aufgelistet, damit wir weniger Arbeit beim Verfassen dieses Porträts haben. Jep, bald schon wird Yasmin dieses Chaos hier übernehmen – nur unsere schönen Pandas lassen wir sie nicht durch Eulen ersetzen!
Story-Junkie — Mit dem Papa über die neueste HBO-Serie oder den neuesten ScorseseFilm diskutieren können, wer wünscht sich das nicht? Lukas Traber kann das. Die Liebe zu Film und Serien hat er von daheim. Daheim, das war in Leibnitz. Danach gleich Theaterwissenschaften in Wien. Er saugt Geschichten auf, auch aus Games, Comics oder HipHop. Von jedem, der etwas zu erzählen hat. Stubenhockerei, das könne man ihm manchmal vorwerfen. Oder auch einfach ein Opfer dieser Zeit zu sein. Wirklich schlecht hört man ihn dabei selten über etwas reden. Auch im Lauf seines Praktikums bei The Gap hätte man ihn wohl ungestraft Sklavenarbeit wie Kaffeeholen machen lassen können, so freundlich ist er. Begeisterung, dafür muss etwas aber schon außergewöhnlich sein. Louis CK und Alan Moore etwa. Seine analytische Arbeit hat er nach dem Praktikum beim ORF, für das Serien-Magazin Primetime oder das Kunstmagazin Picks weiter geschärft. Dazu kommen immer wieder eigene filmische Arbeiten, Drehbuch, Regieassistenz, Cutter. Und wenn dann kurz vor Druckschluss noch die neueste Staffel von »True Detective« hereinflattert, findet Lukas garantiert irgendwie Zeit, seinem Heißhunger auf Geschichten nachzugehen.
TEXT Amira Ben Saoud BILD privat
TEXT Stefan Niederwieser BILD privat
Impressum
HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Benjamin Agostini, Amira Ben Saoud, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Barbara Fuchs, Carola Fuchs, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Philipp Grüll, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Magdalena Hiller, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Michael Kirchdorfer, Kristina Kirova, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Markus Köhle, Christian Köllerer, Alexander Kords, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Franz Lichtenegger, Artemis Linhart, Gunnar Landsgesell, David Mochida Krispel, Davi Maurer, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Dominik Oswald, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Gabriel Roland, Georg Russegger, Stefan Schallert, Joachim Schätz, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Tanja Schuster, Richard Schwarz, Katja Schwemmers, Katharina Seidler, Christoph Sepin. Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Sophie Strohmeier, Peter Stuiber, Werner Sturmberger, Denise Helene Sumi, Yasmin Szaraniec, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Alexius Baldissera, Magdalena Meergraf, Yasmin Vihaus termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Richard Lürzer DESIGN Elisabeth Els, Manuel Fronhofer, Erli Grünzweil, Katharina Kvasnicka Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien; Tel. +43 (1) 20 57 06; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, IBAN AT77 14200 20010710457, BIC EASYATW1 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42 HEFTPREIS EUR 2 erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.
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Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at
Also: Alkoholismus ist gar keine Sackgasse, lediglich eine Einbahn. Ende der Debatte.
Super Sport? Dieser rollende Kanister ist bestenfalls super geeignet als Begleitfahrzeug für die leichtathletische Disziplin »geriatrisches Gehen am Rollator«.
Affen werfen mit Kot um sich, aber wir sind nicht umsonst Homo sapiens sapiens.
»Ja! Natürlich«-Ferkel (*2007–†2015). Einst als Werbestar gefeiert, ist sie nach einem Karrieretief in die Edelprostitution abgedriftet, und hat sich zuletzt mit der konventionellen Agrarmafia angelegt. Der Rest des geschändeten Leichnams dürfte in ein paar McRibs gelandet sein.
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Die Einsicht in das Mögliche und Unmögliche ist es, die den Helden vom Abenteurer unterscheidet. Theodor Mommsen 1817 – 1903
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Eine Lanze für die Mega-Ravekultur Sollen sie doch EDM hören, solange sie nicht brandschatzend durch die Straßen ziehen. Ebenso, wie es mittlerweile obsolet sein sollte – ein bisschen seltener geworden ist es immerhin –, den Begriff »Hipster« in einem Satz mit Hornbrillen, Stoffsackerln und Vollbärten zu nennen, könnten sich die Menschen langsam auch damit abfinden, dass es in den USA eine riesige Rave-Szene gibt, die auf größtenteils sauschlechter Musik basiert und sehr viel Geld macht. EDM, oder wie dessen Derivate von Brostep bis Melbourne Bounce heute genannt werden, ist die aufgeblasenste, effekthascherischste Version von Dance Music, die man sich (oft nicht einmal) vorstellen kann, und irgendwo sitzen Geschäftsmänner händereibend beisammen und erfinden auf ihren Tablets Trendfrisuren und Modelabels mit Glitzersteinen für Millionen an armen Raverinnen. Ebenso ist es wahr, wie die amerikanische DJ Reid Speed kürzlich vom Online-Magazin Thump zitiert wird, dass Dance Music vom früheren Auffangbecken für die, die nicht in den Mainstream gepasst haben, zum Massengeschmack geworden ist. »Die zehn besten Anti-EDM-Zitate« lautet die Überschrift der dazugehörigen Story, in der DJ-Sager zum sogenannt »dreckigsten Begriff in der Welt elektronischer Musik« aufgelistet sind.
Die Avantgarde hat sowieso die Nase vorn
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Auch wenn alle oben genannten Gegenargumente stimmen, mag es nicht so recht einleuchten, welchen Nachteil die originäre Techno-, House- oder Bass Music-Szene daraus ziehen sollte. Die Avantgarde hat sich, sobald sie von der Zeit eingeholt wurde, noch immer eigene und neue Wege gebahnt. Schon klar, EDM bestätigt in ihrer billigen Hässlichkeit die Vorurteile einiger übriggebliebener Menschen, die elektronische Tanzmusik immer noch für die simple Aneinanderreihung von bumm, bumm, bumm und bumm halten. Steve Aoki mag Torten werfen, aber es ist zu bezweifeln, dass er dadurch einer undergroundigen House-DJ Publikum oder potenzielle Download-Kunden wegnimmt. (In einem Interview zeigte sich uns Aoki übrigens als extrem freundlicher, reflektierter, nüchterner Gesprächspartner mit einem Uni-Abschluss in Feminist Studies, aber das ist eine andere Geschichte.)
Die Verknüpfung von Underground und Mainstream
Kolumne: »Dance Yrself Clean« Katharina Seidler Kolumnistin, FM4, Falter — @kaseidler
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Wenn eine Caribou-Nummer von einem Mega-DJ – wenn auch in einem ansonsten fragwürdigen Set – vor zehntausenden Leuten gespielt wird, ist das doch eine gute Sache; und wenn ein Popstar wie Robbie Williams sich eines Beats von Todd Terje bedient (»Candy«) oder Cashmere Cat vom Turntablist-Champion zum gut bezahlten Pop-Produzenten wird, wollen wir ihnen die Bekanntheit und den hoffentlich damit einhergehenden Geldregen doch gönnen. Unter den EDM-Zitaten aus der Thump-Liste halten wir uns daher am liebsten an Ricardo Villalobos: »Ich kann EDM oder billige Popmusik nicht wirklich verurteilen, wenn die Leute demokratisch entschieden haben, dass es das ist, was sie wollen. Leute, die dieselben Interessen haben, ziehen nicht in den Krieg und töten sich gegenseitig.«
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Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.
Mundgerecht
Worträtsel
Bussi drauf
Es gibt einen Grund, warum dir dein erster Zahn ausgefallen ist und wir kennen ihn alle: Krustenbrot. Es tut zwar so, als wäre es ein unglaublich knuspriger, frischer Traum, aber eigentlich ist es der Teufel, der dir die Mühen des Kauens abverlangt. Dein Mund hat etwas Weiches verdient. Du hast etwas Weiches verdient! Eine Sache auf der Welt, die dir keinen Widerstand leistet. Ja, du willst dieses krustenlose Brot für Senioren haben. www.loewenbrot.de
Manche Menschen verlieren so oft ihre Schlüssel, ihr Handy oder ihre Würde, dass man glauben muss, sie würden gerne suchen. Auch diesen Menschen kann man ab und an mal ein Geschenk machen. Zum Beispiel dieses personalisierbare Wörtersuche-Plakat. Da kann man dann draufschreiben: »Du hast dein Handy bei mir vergessen, Depp!« oder Ähnliches. Augenarzt-Feeling inklusive. www.radbag.at
Es fällt schwer, nicht auf die Artikel im Newsfeed zu klicken, die einem die Grindigkeiten des Alltags erklären. Wie viele Bakterien zum Beispiel auf dem Klo wohnen oder was man so alles beim Schmusen austauscht (schlimmer nur, wenn mans am Klo tut). Zeit für den Kuss-Stempel: Den zwischenmenschlichen Kontakt aufs Nötigste verringern, trotzdem wie von roten Lippen geküsst aussehen. www.thegadgetflow.com
CHRISTIAN ULMEN NAHUEL PÉREZ BISCAYART EUGENE BOATENG FRIEDERIKE BECHT
Ab 24. Juli nur im Kino 002-013 Gap 151 Splitter.indd 9
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Javier Mancilla (Heuer, Betonküche, Morisson)
TOP 10
UNDERACHIEVERS
01 Latte Art 02 Segway-Führerschein 03 Jeggins 04 City Long Boarder 05 Alkoholfreier Radler (Gösser) 06 Veganer Bio Pferdeleberkäs & Soja Blunzn 07 Jan Josef Liefers 08 Murphy’s Law 09 Warteschleifen (kann auch die eigene sein) 10 WLAN in öffentlichen Verkehrsmitteln
TOP 5
KÖCHE, BEI DENEN MAN GEGESSEN HABEN SOLLTE
01 David Munoz (Diver XO) 02 Marc Veyrat (La Maison des Bois) 03 Stefan Wiesner (Gasthof Rössli) 04 Martín Berasategui (Martín Berasategui / M.B. / Lasarte) 05 Murray McDonald (Fogo Island Inn)
auch nicht schlecht: Sonntag = Steak Tag
thegap.at/goodies »Becks letzter Sommer«
Nikolaus Ostermann (Flaneur)
TOP 10
EMO-ALBEN, DIE ÜBERLEBT HABEN
01 The Get Up Kids – Something To Write Home About (1999) 02 Sunny Day Real Estate – Diary (1994) 03 Jimmy Eat World – Clarity (1999) 04 Brand New – Deja Entendu (2003) 05 Thursday – Full Collapse (2001) 06 Taking Back Sunday – Tell All Your Friends (2002) 07 The Promise Ring – 30° Everywhere (1996) 08 Saves The Day – Through Being Cool (1999) 09 Mineral – The Power Of Failing (1997) 10 The Promise Ring – 30° Everywhere (1996)
TOP 5
RELATIV KURZE SMS, DIE ICH IN DEN LETZTEN JAHREN VOM CHEFREDAKTEUR BEKOMMEN HABE (IN EINER LUSTIGEN REIHENFOLGE)
01 02 03 04 05
ej du da? (2014) Obacht, ich kehr langsam zurück (2011) Sheeeeeat (2013) spinn ich oder fehlt mir noch die coverstory (2015) Besten Dank! (2009)
auch nicht schlecht: Ohne Smartphone aufgewachsen zu sein und daher keine Instant-WhatsApp-Bla-Zurückschreibzwänge zu empfinden. Telefonfunktion kennts?
Es sind schon die großen Themen, die Frieder Wittich in seinem neuen Film (Start: 24. Juli) anschneidet: Lebensträume, das Ausbrechen aus den gewohnten Bahnen, Musik oder auch Freundschaft. Erzählt werden sie am Beispiel des Lehrers Robert Beck (Christian Ulmen), der eigentlich immer Musiker werden wollte. Wir verlosen 3 Pakete, bestehend aus Buch, Soundtrack von Bonaparte und 2 Tickets.
»FM4 Soundselection 32« FM4 muss mit einer neuen Soundselection keine Wagnisse eingehen, sondern liefert den Erwartungen entsprechend einen aktuellen, breiten Mix: Da sind die internationalen Artists und die heimischen, die alten Bekannten und upcoming Favoriten, die vielgespielten Nummern aus dem Radio und ein paar, die man noch nicht sooft gehört hat: Tocotronic, Mark Ronson, Ghostpoet, Gerard, Mavi Phoenix oder auch Bilderbuch. Wir verlosen 3 Exemplare.
»Lego Jurassic World« Lego schickt die Spieler diesmal in den Jurassic Park und die Jurassic World. Die Level spielen im aktuellen Film und führen immer wieder in die Vergangenheit, um mit den Original-Figuren Aufträge zu meistern. Das Gameplay hat sich dabei nicht viel verändert, bietet einen leichten Einstieg und gelungene, nicht zu intensive Unterhaltung, die meist durchaus kindertauglich ist. Wir verlosen je ein Exemplar für Nintendo 3DS und Playstation Vita.
»The Witcher 3 – Wild Hunt« Mit »The Witcher 3« erscheint nicht nur für alle Freunde des Rollenspiels ein wichtiger und großer Titel. Es gilt, die neuesten Abenteuer von Geralt von Riva zu bestehen und dabei riesige Welten zu durchstreifen und mit den eigenen Entscheidungen und Handlungen das Geschick der Welt zu bestimmen. Wir verlosen ein Paket, bestehend aus der PS4-Version der Spiels und einem passenden Knapsack von Musterbrand.
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Visionen mit Luft und Licht 24. Juni - 30. August
Quartier Belvedere
21erHaus.at
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Pandagram-Steckbrief: misterflopatrick Einmal pro Ausgabe bitten wir interessante Menschen, unseren Instagram-Account für zehn Tage zu übernehmen. Das meistgelikte Foto gibt's hier.
Julia Wojta (Julie Pop Bakery)
TOP 10
DINGE, DIE ICH AN WIEN LIEBE
01 Schnitzel im Skipik & Lohn 02 Sterneschauen im Planetarium 03 Sunbathing bei der alten Donau 04 Die weißen Socken samt Gesundheitsschlapfen der AidaVerkäuferinnen 05 Fiaker-Fahrer am Stephansplatz 06 Grammelknödel im Nordpol 07 Weihnachtsbeleuchtung am Graben 08 Tichy’s Eismarillenknödel 09 Altmann & Kühne’s Liliput-Konfekt 10 Arthouse-Filme im Votivkino
TOP 5
FRISEUR-NAMEN IN WIEN
01 Kamm in 02 GMBHaar 03 Hairgott 04 Haarmonie 05 Abschnittsalon
auch nicht schlecht: Einmal ausschlaaaaaafen!
Ein Regentag in Wien, zwei Freunde, ein Regenschirm und die Stadt. Schon ist das Foto entstanden.
Erli Grünzweil
misterflopatrick
(Grafiker bei The Gap)
Patrick Florián ist erst 16 Jahre alt, begann vor zwei Jahren auf Instagram zu posten und hat mittlerweile 200.000 Abonnenten.
TOP 10
Begriffe aus der Typografie-Terminologie
01 Scheitel 02 Ohr 03 Gemeine 04 Schenkel 05 Durchschuss 06 Sporn 07 Auszeichnung 08 Sperren 09 Schweif 10 Zurichtung
TOP 5
01 Cola? 02 No, no, no 03 #0093c9 04 I love you but I’ve chosen Fetzi 05 miau
auch nicht schlecht: Coca-Cola aus der Dose.
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Bild Patrick Florián
(Fremde) Post-It-Notizen am Schreibtisch
sieht man mir nicht an, ist aber so:
Ich bin ungeduldig.
am schwersten auf einem foto festzuhalten:
Autos in schmalen Gassen (#soloparking).
liebste foto-app:
VscoCam
liebster hashtag:
#vscocam
drei follow-empfehlungen
@lukaseliaswinkler @helloemilie @hannes_becker
schaue oder höre ich nur hinter zugezogenen vorhängen:
Emotionale Musik
würd’ ich mir tätowieren:
Meinen eigenen Namen ;)
saidnooneever:
»I don’t like photography«, said no one ever, because it captures the life around us and no one hates the life.
instagram.com/thegapmag
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Die Menschen vom Wiener Sonntag sehen in ihren Zusammenk端nften mehr als eine gratis Party mit Bumms. Sie wollen sich die Stadt zur端ckholen. 014
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Die Stadt erobern
Zwischennnutzung, Pop-up, Open-Airs und Freiräume
Pop-Up Bitch Es ist ein spannender Moment, um sich mit Freiräumen zu befassen: Wegen der weltpolitischen Lage übernachten Flüchtlinge in Zeltstädten, das Engagement eines Abgeordneten, der sein Hotel zur Zwischennutzung für Flüchtlinge zur Verfügung stellen will, fällt politischem Unwillen zum Opfer, und währenddessen geht es am Wochenende statt zur Demo zu spontanen Open-Air-Raves und kollektiven Street-Food-Märkten. Diese Events sind beliebt, das wird gerade auf Facebook deutlich sichtbar, wo sie in wenigen Tagen tausende von Zusagen bekommen und hinterher Bilder hübscher Menschen auftauchen. Kritische Beobachter sehen darin aber auch eine neoliberale Entwicklung, die den urbanen Aktivismus nicht verschont: Freiheit, Individualismus, Konsum. Street Food statt Uni brennt?
Durch Leerstand zur Kreativstadt Ähnlich hip wie Street Food ist Zwischennutzung. Das bedeutet, dass Immobilieneigentümer leerstehende Objekte meist nur für Betriebskosten zur Verfügung stellen, zeitlich begrenzt, mehrere Monate, zwei Jahre oder länger. Normalerweise wird damit die Zeit überbrückt, bis das Objekt renoviert oder abgerissen wird, oder eben doch ein langfristiger Mieter oder Käufer gefunden wird. International gesehen war Leerstand in Österreich immer ein vergleichsweise kleines Phänomen. In Berlin gehören Hausbesetzungen schon lange zum guten Ton, nach der Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahre führten baufällige Häuser und ungeklärte Eigentumsverhältnisse zu vielen leerstehenden Objekten und einer Fülle von Besetzungen. Unzählige Kulturinitiativen und Institutionen sind entstanden, die oft bis heute aktiv sind. Die Stadt brodelt immer noch. Auch in spanischen Städten, die sehr unter der Wirtschaftskrise der letzten Jahre leiden und generell in Metropolen mit verwaisten Industriearealen boomt das
Selbermachen, man macht spontan Musik und Markt. »Ich bin mit der Annahme an unsere Untersuchungen gegangen, es gehe den Nutzenden darum, die Stadt zu verändern und kritisch zu reflektieren: Wem gehört öffentlicher Raum? Wer darf den gestalten? Wo gibt es Aneignungsstrategien und wo gibt es Barrieren?«, erklärt Magdalena Gartner, die im Rahmen der Studie »Hinter den Fassaden – Zwischen kollaborativem Urbanismus und Renditeerwartungen« das Thema Zwischennutzung an der Wirtschaftsuniversität Wien untersucht hat. Im Gespräch klingt sie überraschend kritisch, sie thematisiert Besetzungen und die Eroberung der Stadt, während sich die öffentliche Debatte viel mehr um leistbaren Arbeitsraum für Start-ups dreht.
Kultur erhalten und öffentlichen Raum bespielen In Wien hat sich nie eine große Besetzungskultur entwickelt. Auf solche Aktionen wurde Mitte der 70er Jahre von der Stadt mit Zuckerbrot und Peitsche reagiert: Einige wurden sofort geräumt, andere legalisiert und subventioniert. Übrig geblieben sind WUK, Arena und Amerling-Haus. Das Ernst-Kirchweger-Haus ist das einzige noch besetzte Haus in Wien. »Die sozialdemokratische Stadtverwaltung in Wien war immer relativ schnell darin, Bewegungen zu unterstützen und dadurch auch gewissermaßen zu vereinnahmen«, meint die Kulturtheoretikerin Angelika Fitz dazu, die auch an der TU Wien lehrt. Dennoch erinnert man sich an die Besetzungen. Bis heute sind Hauseigentümer skeptisch: Groß ist die Angst, die Leute nie wieder aus dem Haus zu bekommen.
Von der Hausbesetzung zum Pop-up Heute wird nicht mehr besetzt. Man sucht stattdessen nach einem Raum, um dort zu arbeiten. Architekturstudierende brauchen etwa Platz für ihre Modelle, Kunst braucht Fläche, um auszustellen oder
Text Teresa Havlicek Bild Johannes Jelinek / Vakat / vakatmedia.com
Design-Märkte, Open-Airs und Pop-up-Märkte sprießen aus dem Boden, Agenturen werden gegründet und Start-ups gefördert – wir erobern uns die Stadt. Aber es gibt auch Kritik. Ist das nur harmloser, neoliberaler Aktivismus? Wem gehört die Stadt eigentlich?
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Shirty heißt einer von vielen Märkten, auf denen Wiener Yuccies abhängen. Sie verkaufen Shirts, Lampen, importieren Sneakers oder Street Art.
zu arbeiten, vielen Start-ups sind Büro- oder Verkaufsflächen auf dem freien Markt (noch) zu teuer. Dafür nimmt man eben kurzfristige Lösungen in Kauf. Man arbeitet meist ohnehin auf Projektbasis und weiß nicht, ob man in fünf Jahren noch dasselbe machen wird. Bezeichnenderweise heißt der Vertrag, mit dem die Zwischennutzung formalisiert wird, Prekarium. Er kann von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden. Für den Eigentümer hat das Vorteile: Die Betriebskosten werden ihm abgenommen, manchmal wird sogar renoviert oder das Image besser. Nachdem coole Leute dort »Rummel Hummel« oder einen »Makers Market« veranstalten und ihre Kunst, Yogakissen oder Longboards verkaufen, ist auch ein marodes Gebäude attraktiver geworden. Oder kann wie im Fall des Fox House nachher in Ruhe abgerissen werden. Von der Container-Party Jessas in der Krieau über zahlreiche Food-Popups und dem temporären Hostel Trust 111 in der Schönbrunnerstraße ist alles dabei. Win-Win nennt man so eine vorteilsbeladene Situation typischerweise. Die Nachfrage nach solchen Räumen ist allerdings deutlich größer als das Angebot.
Win-Win-Win Um Vorurteile abzubauen, soll noch dieses Jahr eine Zwischennutzungsagentur im Auftrag der Stadt Wien ihre Arbeit beginnen. »Die Agentur soll zentrale Anlaufstelle für Eigentümer und Nutzer sein, und das allgemeine Stadtklima rund um das Thema verbessern«, so Gerlinde Riedl, Pressesprecherin im Büro des Stadtrats für Kultur und Wissenschaft, das die Ausschreibung betreut. Diese Agentur stand im rot-grünen Koalitionsprogramm und soll noch rechtzeitig vor der Gemeinderatswahl im Oktober umgesetzt werden. Für Kulturstadtrat Mailath-Pokorny war die Aufwertung rund um den Yppenmarkt etwa durch Soho Ottakring ein prägendes Beispiel, das ihm die Vorzüge für die Stadtentwicklung nähergebracht hat. Weil für Zwischennutzung in Wien offiziell lange niemand zuständig war, hat sich Jutta Klee-
dorfer von der MA 18 für Stadtentwicklung und Stadtplanung in den letzten Jahren zur inoffiziellen Ansprechperson entwickelt. Es gibt kaum einen Ort, zu dem sie keine Geschichte erzählen kann. Zum Fluc etwa, welche Schwierigkeiten es da am Anfang gab und wie es zu einem beständigen Verstärker in der Wiener Subkultur wurde. Oder dass einer der coolsten Standorte der Stadt, die Burggasse 2, wo früher die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse war, jahrelang leer stand und nichts zugelassen wurde, bis ein Investor das Sans Souci hinstellte. Auch sie sieht in der Belebung von Straßen und Grätzeln die große Stärke des Konzepts. Gassenlokale, die leer stehen oder als Lager genutzt werden, sind Gift für das öffentliche Leben einer Straße. »Die Leute schätzen das, wenn man sieht, da arbeitet jemand oder es stehen jetzt Sessel vor der Tür. Die Zwischennutzer sind wahnsinnig gut darin, sich ins öffentliche Leben einzubringen. Sie sind genauso tolle Sympathieträger wie urbane Gärtner. Da reden dann Leute miteinander, die sonst nichts miteinander zu tun hätten.« Dass es so viel leere Gassenlokale gibt, hat auch etwas mit unserem Einkaufsverhalten zu tun. Bankangelegenheiten erledigen wir online, und statt zum Elektriker um die Ecke fahren wir zum Media Markt. Deshalb nisten sich Cupcakes, Craft-Bier und Co-Working-Spaces in den Erdgeschossen ein. Und vor lauter Aufgeilen am nächsten Homemade-UmcompromisedStreet-Food-Pop-up kommen wir nicht auf die Idee, auf die Straße zu gehen und eine durchdachte Kulturförderung zu verlangen. Unsere Wirtschaft so wie sie ist hat uns gelehrt zu denken, dass Kurzfristigkeit nichts Schlechtes ist. Projektarbeit? Verbindlichkeit? Sicherheit? Unsichere Arbeitsbedingungen werden mittlerweile oft als Freiheit wahrgenommen.
Das Grätzel und die Wirtschaft Die Kreativwirtschaft hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig für die Stadt Wien entwickelt. 2014 waren
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dort 60.600 Menschen in über 16.000 Unternehmen beschäftigt. Das Interesse ist also groß, kleine Unternehmen zu fördern und ihnen erschwingliche Räume zu verschaffen. In der Stadt werden heute Klassenkämpfe ausgetragen, sagt der bekannte marxistische Geograph David Harvey. Weltweit gibt es einen Konkurrenzkampf zwischen Städten, um sich als Standort zu profilieren. Sozial Schwache werden an den Stadtrand gedrängt, weil »das Kapital«, also Immobilieneigentümer, versuchen, den Wert ihrer Objekte zu steigern. All die Zwischennutzer treiben diese Entwicklung natürlich an.
Der Schatten des Leerstands Egal mit wem aus der Szene man spricht, alle sind begeistert. Wien wäre vielleicht ein wenig spät dran, aber nimmt jetzt Fahrt auf. Dass Kreative oft prekär leben und arbeiten und mit ihrer Selbermacherei auch ein paar Häuser aufwerten, stört niemanden. »Da muss man pragmatisch denken, und das Beste aus den Räumlichkeiten machen, die man hat«, so Kulturstadtrat Mailath-Pokorny. »Kurzfristig ist es nicht möglich, den Leerstand in qualitativen Wohnraum umzuwandeln oder die Situation am Immobilienmarkt zu verändern. Dafür können wir Raum schaffen für Kreative.« Man wundert sich eher über das Zögern auf Eigentümerseite und versucht, ihnen ihren wirtschaftlichen Nutzen vor Augen zu halten. In anderen Ländern werden die Schattenseiten häufiger diskutiert: »Natürlich ist das ein Warm-up für die Aufwertung eines Geländes. Da stellt sich die Frage: Wie verteilt sich die Wertsteigerung? Was haben die davon, die das vollbracht haben?«
Nicht alle finden es geil, von Bobos und steigenden Mieten verdrängt zu werden. Gesehen von Eva Mair am Yppenplatz in Wien. Wo denn nun all die Punks geblieben sind, wissen wir nicht. Vielleicht ist der letzte mit dem Auszug aus der Pizzeria Anarchia verschwunden, vielleicht containern sie auch bei Nacht, was von den Street-Food-Festivals noch übrig ist. Bei all den lustigen Märkten und Festen darf man fragen, wem das am meisten nützt. Der rotgrünen Stadtregierung muss man aber trotzdem zusprechen, dass sie eine durchaus offene Einladung ausgesprochen hat, sich am öffentlichen Raum zu beteiligen und Ideen mit der »Grätzeloase« zu unterstützen. Auch eine Zwischennutzungsagentur wäre anderswo schwer vorstellbar. Dass die letzte große konsumfreie Zone am Donaukanal einem Beach-Club-Restaurant zum Opfer fallen soll, ist eine andere Geschichte. Da der Bereich eindeutig der nichtkommerziellen Nutzung gewidmet ist, haben Aktivisten ein Demo-Picknick mit Musik und veganem Essen organisiert. Zum Facebook-Event haben gerade einmal 150 Leute zugesagt. Vielleicht sollten sie den Event-Titel auf »Spontaner OpenAir-Rave <3« ändern. Die Studie »Hinter den Fassaden – Zwischen kollaborativem Urbanismus und Renditeerwartungen« wurde am 25. Juni an der Wirtschaftsuniversität Wien vorgestellt. Die Serviceagentur der Stadt Wien »Kreative Räume« wird noch vor dem Sommer international ausgeschrieben und soll 2016 operativ ihre Arbeit beginnen. Gesucht werden Personen oder Unternehmen, die mit der Kultur-, Kreativ- und Immobilienbranche vernetzt sind und über Wien-Kenntnisse sowie Erfahrungen im Bereich Zwischen- und Nachnutzung verfügen.
Bild Shirty, Wrap Stars, Eva Mair
erklärt Angelika Fitz. Drei Jahre lange arbeitete sie durch das Projekt We-Traders mit Kunst-, Architektur- und Nachbarschaftsinitiativen aus Portugal, Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen. In diesen politischen Szenen ist man müde von der kurzfristigen Bespielung von Räumen. »Da wird viel diskutiert: Wo ist die Verbindung zwischen öffentlichem Raum und politischen Strategien? Wie kann man sich anders versammeln und wie muss man sich organisieren, um Projekte und Ideen langfristig am Laufen zu halten?«
Trotzdem gut Dennoch würde Fitz das Konzept nicht grundsätzlich in Frage stellen. »Zwischennutzung hat einen Anfang und ein Ende. Das ist die Stärke des Konzeptes, denn es macht Dinge möglich, die sonst nicht möglich wären. Allerdings kann temporär nicht das Einzige sein, man muss sich immer wieder ansehen: Was braucht es noch?« 017
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Surfen und E-Bass spielen ist cirka so sinnvoll wie völlige Kontrolle über die Strömungen seines Schicksals zu haben und dabei gut auzusehen. Also sehr. 018
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golden frame Hans Weigand – »Bass Player From The 16th Century In A Big Wave«
Badass Bass, Mad Max Er reitet auf dem Schicksal, mitten in der Welle, wie im Einklang mit seiner existenziellen Geworfenheit. Dabei hat Hans Weigands Bassspieler sogar die Dramatik von »Mad Max« vorweggenommen. Die Welt ist außer Kontrolle, sie umtost den Bassspieler, droht ihn zu überspülen. Er wirkt wie ein den grausamen Launen der Welt ausgeliefertes Spielzeug und gleichzeitig wie der im Auge des Sturms ruhende Pol. Wie der Irrsinn, mit dem man all dem anderen Irrsinn begegnen muss. Hier ist jetzt nicht nur von Weigands Bass Player die Rede, sondern auch von Coma The Doof Warrior, dem Kriegsmusikanten in Immortan Joes Diensten aus George Millers Film »Mad Max: Fury Road«.
Während Coma auf das Dach eines Trucks geschnallt die Lawine aus Stahl, Staub und Gewalt, die der Handlungsstrang von »Mad Max« ist, auf seiner feuerspeienden Gitarre beschallt, reitet der Bassist aus dem 16. Jahrhundert auf der elementaren Wucht einer Welle. Der eine ist dem Wahnsinn der Menschen um ihn ausgeliefert, der andere dem Toben der Natur. Sie spielen beide von der rastlosen Wucht der Fortbewegung getrieben. Und doch scheinen beide dem Trubel, in dessen Mitte sie sich befinden, auf seltsame Weise entrückt. Nur die gewaltige Energie, die um die Musiker aufbraust, nehmen sie auf und leiten sie in ihre Instrumente weiter, die zu Katalysatoren ihrer schicksalhaften Gefangenschaft werden. Im Film können wir die Musik hören, die Coma der brutalen Energie dieses postapokalyptischen Fiebertraums entreißt. Es ist der Hard Rock, der nicht nur Immortan Joes War Boys, sondern auch zahlreiche Soldaten in viel realeren Konflikten in Kampfeslaune versetzt. Das Gemälde hingegen verrät uns nicht, welche Basslinie aus der Brandung schallt. Der Surfer bleibt zurückgezogen in der tosenden Laube, die ihm das Meer schafft. Immerhin hat er ja auch kein Publikum und musiziert, wie Coma auch, nur für sich – eigentlich: durch, mit und für das gewaltige Toben der Umwelt.
Stahlsalat oder Holzschnitt? Die Energie bleibt der Schlüssel – nicht zuletzt verwenden beide Musiker elektrisch verstärkte Instrumente. Coma hat mit dem Doof Wagon, einem vierachsigen LKW, auf den Verstärker getürmt sind, seine Energiequelle – im physischen wie im metaphysischen Sinn. Der Bassist hingegen kennt keine Elektrizität. Weigand versagt ihm die Stromversorgung, stellt ihm aber reichlich sonstige Energie bei: das Meer und das Holz. In »Mad Max« leistet die Technologie schon längst nichts mehr für die Zivilisation. Sie dient nur mehr dem frenetischen Überlebensdrang der Einzelnen. Bei Weigand hingegen organisiert das bearbeitete Holz die rand- und bandlose Natur. Es ist das Material des Surfbretts und das der Gitarre, mit denen der holzschnitthaft stur surfende Bassist aus der Renaissance die Kraft der Wellen verarbeitet. Hans Weigands Bild ist ab dem 17. Juni im 21er Haus zu sehen. George Millers Film läuft in den Kinos.
Text Gabriel Roland Bild coutesy Gabriele Senn Galerie, Hans Weigangd
Der Wahnsinn und das Toben
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Text Maximilian Zeller Bild Claudio farkasch / lichtschalter, Richard Lürzer, Johannes Jelinek / vakant
Open-Air-Partys in Wien — Rave- und Techno-Hype im Freien
Wir machen draußen Mucke, warum nicht? 020 Open-Air-Partys sprießen in Österreich wie Schwammerl aus dem Boden. Was können und wollen diese Events eigentlich? Wir haben uns ein paar Gedanken dazu gemacht. Jetzt ist schon wieder was passiert. Samstag Nachmittag, Tatort: Arenawiese. Oder, genauer gesagt, Facebook. Während man mittags noch angeschlagen von der vorangegangenen Partynacht im Bett liegt und verschlafen seine Newsfeeds durchscrollt, biegt bereits die alte Hexe namens FOMO aka Fear Of Missing Out um die Ecke. Die Rave-Kollegen sind nämlich schon wieder – oder noch immer? – bei einem Open-Air irgendwo im Prater. High vom guten Leben, der frischen Luft und der schönen Natur, posten sie völlig enthemmt Bilder und Status-Updates. Sie zeigen vor, wie unkaputtbar, aktiv und crazy sie sind. Der Facebook-Algorithmus will die Stubenhocker bluten sehen und platziert die Partybilder sichtbarst in der Timeline. Das spornt selbst Verkaterte an – man will mithalten können. Also doch gleich aufstehen und auch freilufttanzen? Hm, erstmal Kaffee. Das bereits vereinbarte Treffen beim Vintage-Pop-up-Market in Neubau hatte man schon ganz vergessen. Zu dem freshen Street-FoodFestival wollte man danach ja auch noch weiterziehen …
Event-Stress schon am nachmittag? Früher durfte man am Wochenende zumindest tagsüber durchhängen, jetzt soll auch Samstag und Sonntag etwas unternommen und geleistet werden. Die Peer Pressure steigt durchs dauernd on sein, die Eventisierung läuft auf Hochtouren. Nicht erst seit gestern drängt das, was man unter »Feiern« subsummiert, aus den Clubs in den urbanen öffentlichen Raum und von der Nacht in den Tag. Schon längst trifft man sich an einem Samstagnachmittag nicht mehr nur zum Chillen
in Gastgärten. Nein, junge, hip gekleidete, gut vernetzte und quasi kulturinteressierte Stadtmenschen, die etwas auf sich halten, treffen sich lieber gleich bei irgendeinem Pop-up mit Musik und Socialising. Beim Second-Hand-Flohmarkt mit 20 ausgesuchten, schicken Ausstellern, bei einer Vernissage einer blutjungen Street Art Gallery oder bei irgendwas mit exotischem Essen und ayurvedischem Gin-Tonic mit Gurke. Open-Air-Feiereien mit DJs sind dabei eine Hauptattraktion.
Unser täglich Clickbait Kaum ein Tag verstreicht, an dem nicht ein neues Facebook-Event mit »Open-Air« im Titel erstellt wird. Sonderzeichen, Herzchen und Emoticons im Schlepptau. Sommer, Sonne, Fröhlichkeit ist hier die Devise. Das Feeling und die Vibes sind Headliner, die Musik darf supporten, spielt meistens zweite Geige. Das Wochenende wird immer mehr auch tagsüber zur Fortgehzone. Clubben in der Nacht macht jeder, das kennt man bereits und das gehört sowieso zum AusgehStandard. Der Nachmittagstanz wirkt frisch und irgendwie spannend. Entsprechend gut besucht sind diese Events, und entsprechend jung. Hier ist vermeintlich noch nicht alles besetzt und durchdekliniert. Man muss nicht Teil einer abgebrühten Musikszene sein, um hier mitmachen zu können. Das macht sie erst einmal so erfolgreich. Man kann einfach hin und das, ohne sich zu viel zu verpflichten. Noch dazu läuft das alles bei freiem Eintritt. Der Konsumationszwang fällt weg. Diese Open-Airs versprühen nicht ganz zu unrecht einen Hauch von Freiheit. Der Klick-Finger sitzt also viel lockerer als bei sophisticated Musik-Veranstaltungen in den etablierten Techno-Bunkern der Stadt.
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Links: Spontaner Techno vorm Alten Zollamt, Rechts: Tanz durch den Tag, Wiener Sonntag,
Schaut man genauer hin, kann die Euphorie mitunter rasch verfliegen. Denn nicht nur Hobby-Veranstalter richten diese Wohlfühl-Raves aus, sondern immer häufiger professionelle Promoter. Und gratis bedeutet meist nicht kostenlos.
Kein Tanz durch den Sonntag ohne Techno Noch vor ein paar Jahren gab es in Österreich nur sporadisch Freiluft-Partys. Kollektive und Promoter wie Emissionen Picknick, Eastern Conference, Maispace oder auch das Team der Pratersauna leisteten hier Pionierarbeit. In Deutschland, vor allem in Berlin, war man zu diesem Zeitpunkt schon viel weiter. Aus der Ferne wirkte es so, als wäre im dicken B oben an der Spree mehr als genug ungenützter öffentlicher Raum für Partys verfügbar. Nicht nur kurz nach dem Mauerfall, sondern auch in den Nuller Jahren gab es reichlich Möglichkeiten, spontan im Freien eine Anlage aufzustellen. Zudem war die Stadtpolitik der deutschen Hauptstadt immer schon deutlich weniger restriktiv, was das Feiern betrifft. Mit dem Internet und den deutschen NumerusClausus-Flüchtlingen schwappte der Trend langsam in die Alpenrepublik über. Als bei »Tanz durch den Tag« am 1. Mai 2013 zehntausende Menschen am Brigittenauer Sporn tanzten und Gerüchten zufolge die Polizei die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen nicht mehr auflösen konnte, war auch dem letzten Zweifler klar, dass hier ein großes Ding am dampfen ist. Events wie »Kein Sonntag ohne Techno« trugen natürlich ebenso zum Erfolg dieser Art zu Feiern bei. Sie prägten das, was sich Leute erwarten und wie sich das Ganze anfühlen sollte. Das alles machte Schule. Mittlerweile können sich viele junge DJs und Veranstalter mit Open Airs selbst auf sich aufmerksam und einen Namen machen. Denn die Slots, um in den angesagten Techno-Clubs zu spielen, sind begehrt, umkämpft und rar. Draußen im Park kann man als völliger No Name zum Zug kommen und von sich reden machen.
Irgendwie, irgendwo, irgendwann Es spielt sich zuerst auf Facebook ab. Vor allem seit Events im Feed viel sichtbarer sind. Info-Pages und Facebook-Gruppen wie »Open Airs in Wien«, »Open Airs in Österreich«, »openairs.wien« oder »Wien Open Air Termine und Locations <3« informieren Feieranten und pushen den Erfolg der Draußen-und-Umsonst-Events noch weiter. Sogar die Presse hat davon schon Wind bekommen und tastet sich vorsichtig an das Thema heran. Und wo ein Hype, da auch die Hater. Unlängst bespaßte ein Event namens »Irgendein anderes Wiener Open-Air bei Sonnenschein« die Freunde gepflegten Technos. Im Event-Text bekamen alle ihr Fett weg. Die Trolle schafften es mit Leichtigkeit, das plakative und peinliche Gedöns mancher Open-Air-Crews zu entlarven. Hashtag Geil, Hashtag Hipster, Hashtag Bobo, Location TBA, Wasser, Seifeblasen, gaaanz viel Spass und Mucke … äh Techno-Mucke. We lolled. Aber Spaß beiseite, die Rückeroberung des öffentlichen Raums ist ein absolut positiver Aspekt der Open-Air-Schwemme. Und das in einem Land, das nicht unbedingt für seine vielen Freiräume bekannt ist. Dass es für manche dabei zuviel Wohlfühl-Terror mit zu vielen Herzchen und Seifenblasen gibt, liegt in der Natur der Sache. Meistens sind das die Leute, die nicht verstehen, warum junge Leute nicht mehr zu ihren Events kommen, wo es doch um echte, wahre Partymusik geht. Es wird sich normalisieren. So wie in den Clubs werden ganz unterschiedliche Stile und Crowds raus an die Sonne gehen. Dort mit speziell kuratierten Tracks, da mit Schranz, drüben mit entspannten Sommer-Beats. Mal mit Cocktails, mal mit Wasser, mal mit Pop-up-Burgern. Oder sogar mit Fokus auf der Musik. Aber nur so eine Idee. 021
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Sexuelle Belästigung im Club — Grapschen, dumme Sprüche und weiche Grenzen in der Clubkultur
Text Benjamin Agostini, Stefan Niederwieser Bild Screenshots aus dem Video »Route 94 – My Love«
My Love In letzter Zeit wird mehr übers Grapschen geredet als sonst. Wir haben uns dieses komplexe Thema mit Blick auf die Clubs in diesem Land angesehen. Drei Uhr früh, irgendein Club in Wien. Die Tanzfläche ist sehr gut gefüllt, der DJ spielt einen Track, Trap, 90er Dancefloor, egal. Da streift irgendwas deinen Arsch. Ein paar Minuten später dasselbe, dieses Mal viel stärker, vermutlich war es derselbe Typ. So etwas passiert in den Clubs am Wochenende laufend. Es könnte sich bald ändern.
Wieso viele gerade jetzt darüber reden? In letzter Zeit kommt das Thema »Grapschen« immer häufiger auf. Was geht und was nicht, ist nicht für alle gleich, ja, es ist vielleicht nicht einmal an jedem Tag der Woche für ein- und dieselbe Person gleich. Und in Clubs gelten ein wenig andere Regeln. Es kann ok sein, ein Kompliment zum Arsch zu geben, Oberarme oder auch Brüste zu berühren. Oft halt nicht. Es wird also heftig diskutiert. Heute beschäftigen sich die Leute eben damit, wo man sich am Wochenende wohlfühlt und wo nicht. Zwei Gründe bringen die Diskussion gerade besonders ins Rollen: Einerseits ist da die anstehende Änderung des Strafgesetzbuches, der Paragraf 218 wird erneuert. Dabei wurde anfangs eine umfassende Ausweitung vorgeschlagen, was als sexuelle Belästigung gilt. Grapschen, vielleicht sogar Umarmen sollte nicht mehr unstrafbar sein. Für kurze Zeit war die Änderung wieder vom Tisch, weil der Vorschlag von mehreren Seiten als zu schwammig kritisiert wurde. Nun soll ein Zusatz zu »sexueller Demütigung« kommen. Po und Oberschenkel werden jetzt explizit genannt, intensive Berührungen könnten bald strafbar werden. Das Vergehen wird aber vom Einzelfall abhängen.
Andererseits hört man aber auch von Bekannten, dass in letzter Zeit viel öfter gegrapscht wird und man nicht mehr in bestimmte Clubs und Bars gehen will, wo solche Belästigungen besonders häufig vorkommen. Vielleicht redet man heute auch einfach offener darüber. Im Vorfeld haben wir also mit vielen Frauen gesprochen – auch mit Männern, aber die haben das Problem deutlich seltener. So ziemlich alle Frauen haben eine Geschichte und eine Meinung dazu. Fünf davon haben wir herausgegriffen, die sehr unterschiedlich mit dem Thema umgehen. Darunter ist auch Katharina Seidler, Journalistin bei FM4, The Gap und Expertin für Clubleben in Wien. Wie soll man also auf sexuelle Belästigung im Club reagieren? Was ist ok, was nicht? Ein Artikel wird alleine noch keine eindeutigen Antworten geben können. Aber ein Diskurs kann entstehen, damit ein paar Unklarheiten ausgeräumt werden können.
Und dann sperrt er die Tür zu und hört nicht auf Die Geschichte von Tamara [Anm.: alle Namen von der Red. geändert] zeigt schon, wie undurchsichtig das Thema Grapschen im Club ist. Tamara hat an diesem Abend ein Auge auf einen Typen geworfen, man kennt sich, es ist spät und ohne viel Geplänkel wird geschmust. Das Ganze wird auf die abgelegene Behindertentoilette verlegt – logisch, denn immerhin ist dort mehr Platz und es müssen nicht alle anderen Gäste zusehen oder Fotos machen können. Aber als der Typ die Tür der Toilette zusperrt, wird sehr schnell deutlich, dass es nicht beim Schmusen bleiben soll. Etwas dagegen zu sagen hilft nichts, sich wehren auch nicht. Erst nachdem Tamara schreit, begreift der Typ, dass hier etwas massiv falsch läuft.
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Wie soll ich auf Grapscher reagieren? Sag laut, was dir nicht passt — Mach klar, was du davon hältst, ungefragt angetatscht zu werden. Wenn ein eindeutiges Nein beim ersten Mal nicht hilft, lauter werden, damit die Leute um dich herum darauf aufmerksam werden. Mach ein Foto (optional) — Es hilft, notfalls genau zu wissen, wie jemand ausgesehen hat. Egal, ob man es am Tag darauf mit Freunden oder vielleicht sogar auf Facebook anspricht. Such Freunde und Bekannte — Eine Gruppe wirkt oft abschreckend. Und wenn es gute Freunde sind, können sie dem Grapscher auch zu verstehen geben, dass eine Grenze überschritten ist. Geh zur Security — Dafür sind sie da. Sie werden ein Gespräch mit dem Täter suchen und je nachdem wie dieser reagiert, kann es zu einem Rauswurf kommen. Wenn der Täter schon bekannt ist, kann auch ein Hausverbot folgen. Ruf die Polizei — Es ist nicht deine Schuld, dass andere Leute Idioten sind. Du hast ein Recht, dich in einem Club wohlzufühlen. Polizei wirkt immer abschreckend. Bei besonders schlimmen und unangenehmen Fällen kann demnächst Anzeige erstattet werden.
Amanda (22) ist meistens im Volksgarten, Passage und in kroatischen Clubs unterwegs. Sie reagiert an einem Abend im Voga auf einen Grapscher zuerst mit Konfrontation. Sie sagt ihm deutlich, er soll das gefälligst lassen. Als der Typ weiterhin lästig ist, geht sie zur Security, die den recht jungen Typen schließlich rauswirft. »Vielleicht ist das eine übertriebene Reaktion, aber es ist mein Abend. Ich zahle ja dafür, da verlange ich von den Türstehern, dass sie für mich da sind, wenn irgendetwas nicht passt. Ich werde sicher nicht nach Hause gehen, nur weil jemand blöd ist«, sagt Amanda. Anna und Elke (beide 24) besuchen meistens kleinere Studenten-Lokale. Sie geben zu aufdringlichen Leuten selbst klar zu verstehen, dass das nicht geht, bevor andere eingeschalten werden. »Ich finde, jedes Mädel sollte immer auszucken, wenn sie angegrapscht wird. Von mir aus auch ein bisschen zu viel. Dann wird es denen auch mal zu blöd«, sagt Anna. Sie empfindet Grapschen als Erniedrigung, als Machtspiel. Wenn sie sich ehrlich ist, ist sie aber nicht sicher, wie weit sie gehen soll. Vor ihren Freunden will sie nicht diejenige sein, die den anderen den Abend damit versaut. »Da ist auch ein gewisser Emanzipationsgedanke dahinter, nicht gleich zur Security zu gehen. Und vielleicht auch die Unsicherheit, dass etwas ja doch unabsichtlich gewesen sein könnte«, meint Katharina Seidler dazu. Eine echte Lösung kann das für sie aber nicht sein. Es müsse ein Umdenken in der Gesellschaft einsetzen, das Frauen mehr Rückhalt in diesen Belangen gibt. »Ich könnte mir auch vorstellen, dass sich bei Partygängern etwas ändert, wenn man den Gedanken schon mal öfter durchgedacht hat, dass man etwas sagen muss«, sagt Katharina.
der »Got It?«-Initiative die Besucher dazu ermutigen, Belästigungen aufzuzeigen. Gleichzeitig strebt er eine Zusammenarbeit aller Wiener Clubs an, damit jeder weiß, bei wem man sich melden kann, falls es Probleme gibt. Manche Clubs haben also realisiert, dass ein paar wenige unangenehme Leute die Atmosphäre eines Abends zerstören können. Und sie tun etwas dagegen. Natürlich hat jeder Club dabei seine eigenen Regeln und sein eigenes Publikum. Wer es zu lange duldet, wird früher oder später vermutlich einfach immer weniger weibliche Gäste haben. Letztlich sind die Clubs aber nicht vollkommen allein dafür verantwortlich, etwas gegen Grapscher zu tun. Es braucht auch die Courage der Besucher. Klar, in einem Club gelten andere Regeln wie in einem Büro. Wenn man dort nicht mehr tanzen, trinken und schmusen kann, egal ob nüchtern oder zugedröhnt, hängen bald alle nur mehr fad auf Tinder und Facebook rum. Aber wenn es sich etabliert, sexuelle Belästigung im Club zu konfrontieren und zu melden, wenn es zu viel wird, kann sich das herumsprechen und für sich alleine schon abschreckend wirken. Und dann braucht es den neuen Paragraphen auch nur im Notfall, um das mit dem Sex im Club zu regeln.
Auf Aufriss In manchen Clubs gibt es Ansätze, wie man mit Belästigung umgeht. In der Grellen Forelle werden bereits testweise Personen eingesetzt, die Signalfarben tragen um aufzufallen und einerseits Ansprechperson sind, andererseits aber auch als Abschreckung dienen sollen. Sie achten aktiv auf Belästigungen auf der Tanzfläche. Die Leute sollen wissen, zu wem sie gehen können. »Den Clubbesuchern steht natürlich auch unser ganzes Personal für jegliche Belange zu Verfügung. Also nicht nur die Security, sondern auch zum Beispiel das Bar-Personal«, sagt Johannes Piller, manchmal Schreiber für The Gap, mittlerweile vor allem Chef-Booker der Forelle. Zwei andere Clubs haben auch ihre eigenen Aktionen gestartet. Im Rhiz hängen seit einiger Zeit Hinweise, die Besucherinnen dazu aufrufen, zum Bar-Personal zu gehen, wenn »euch jemand beim Tanzen zum Beispiel blöd anmacht.« Peter Nachtnebel, Manager des Fluc, will mit 023
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Festivallandschaft ÖSterreich — Wer hinter den heimischen Festivals steckt
Wer werkt im Festivalnetz? 024 Nach langjähriger Dominanz einer Unternehmensgruppe herrscht neuerdings mehr Konkurrenz am heimischen Festivalmarkt. Vor allem große Player aus Deutschland bringen Bewegung ins Spiel. Ein Überblick. Es wird langsam eng in der heimischen Festivallandschaft. Österreichweit veranstalten zig kleine Initiativen – oft nach dem Prinzip der Selbstausbeutung – für wenige Hundert bis wenige Tausend Besucher Konzerte auf der grünen Wiese (oder in der Halle). Die Ambitionierteren darunter schaffen es mit Glück, sich dauerhaft als kultureller Fixpunkt in ihrer Region zu etablieren, etwa das Acoustic Lakeside oder das Poolbar-Festival. Daneben die, die vom Veranstalten leben: die Wiener Konzertagentur PSI Music zum Beispiel, die seit einigen Jahren auch das Full Hit Of Summer in der Wiener Arena auf die Beine stellt; die Pratersauna, deren Prater unser vom Bezirks- zum ClubFestival geschrumpft ist, die mit dem Lighthouse Festival in Kroatien alljährlich aber auch ein Auslandsprojekt (in Kooperation mit X-JamVeranstalter Doc LX) abwickelt; oder Festivals wie Spring und Elevate in Graz und das Beatpatrol in Sankt Pölten. Und dann gibt es natürlich noch die Großen: Nova Rock, Frequency, das neue Rock in Vienna für die Gitarren-Fraktion, Lake und Electric Love für die EDM-Fans. Von Spezialfällen wie dem Snowbombing in Mayrhofen abgesehen – es richtet sich mit englischem Veranstalter vor allem an eine englische Klientel (Ski-Urlaub und Festival in einem) –, hat sich das Engagement ausländischer Veranstalter bislang in Grenzen gehalten. Mit dem Markteintritt der deutschen Branchenriesen DEAG und FKP Scorpio ist hier 2015 jedenfalls ein kleiner Höhepunkt erreicht. Beste Gelegenheit also für eine Dokumentation des Status quo.
Poolbar Feldkirch Poolbar Festival GmbH
Anmerkung: Donauinselfest, Popfest Wien sowie Donau festival sind als parteipolitisch oder politisch gewollte Veran staltungen gewissermaßen außer Konkurrenz und daher unberück sichtigt geblieben.
Clam rock festival Klam Red Snapper
Electric love Salzburg Revolution Event GmbH
Snowbombing Mayrhofen SBH Events
Acoustic Lakeside Sittersdorf Verein Acoustic Lakeside
Text Manuel Fronhofer
England
der platzhi r s c h: b ar rac u da ho ld i ng Nova Rock, Frequency, Urban Art Forms und und und – in den letzten Jahren hat niemand den Festivalmarkt des Landes so dominiert wie die Barracuda Holding mit all ihren Sub-Unternehmen. Ein Marketing- und ein Ticketing-Service für die mehreren hundert Konzertveranstaltungen der Unternehmensgruppe pro Jahr hat man auch aufgebaut. Überdies hält der Festival-Platzhirsch Anteile am Musikmagazin Volume. Einer Beteiligung aus Deutschland (FKP Scorpio und Four Artists an Musicnet.at) hat man sich vor einigen Jahren wieder entledigt. Die Holding ist im Besitz von sieben Personen, die teilweise auch im Unternehmen engagiert sind – die Exponiertesten: Ewald Tatar (Nova-Rock-Chef mit Wiesen-Vergangenheit) und Harry Jenner (Frequency-Chef, als Flex-DJ zum Veranstalten gekommen).
m it de ut sch e r unt e rst üt zung : a rcadia l iv e Unter dem Namen The Arcadia Agency haben Bernhard Kaufmann und Filip Potocki über die Jahre erfolgreich eine Full-ServiceMusikagentur aufgebaut. Was mit der Beteiligung des deutschen Labels Chimperator begann, gipfelte 2015 in der Gründung der Arcadia Live GmbH – einem gemeinsamen Unternehmen der beiden Österreicher mit den deutschen Größen Four Artists, Chimperator Live, KKT und FKP Scorpio. Erste Großprojekte unter neuer Flagge: der WienAbleger des Hip Hop Open (in Stuttgart von 0711 Entertainment und Four Artists veranstaltet) und das wiederbelebte, zuletzt 2009, damals noch von einer Tochter der Barracuda Holding veranstaltete Nuke Festival. Die Markenrechte dafür stellt Norbert Bauer (Warehouse St. Pölten / Grünberg & CIE GmbH / Beatpatrol) zur Verfügung.
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Slowakei Electric spring Museumsquartier Verein Wien macht Kultur
Deutschland Rock in Vienna Donauinsel Blue Moon
Waves Vienna 1. Bezirk Comrades GmbH
kroatien
Wiener welle Ottakringer Brauerei Comrades GmbH
Deutschland
Prater unser Pratersauna Pratersauna Betriebs GmbH
Full hit of summer Arena PSI Music
New Sound Ottakringer Brauerei LS Konzertagentur
Mind over matter Arena Skalar Freuquency St. Pölten Musicnet.at
Beat the fish Arena Skalar
Fridge Marx Halle Fridge Event GmbH
Beatpatrol St. Pölten Grünberg & Cie
Hip hop open Arena Arcadia Live
deutschland
Ungarn Nova rock Nickelsdorf Nova Music
Two Days a week Wiesen Skalar Urban art forms Wiesen Musicnet.at
Spring Graz Zargentur Projekt GmbH
Picture on Bildein Verein Picture On
Elevate Graz Verein Elevate MUSIC, ARTS AND POLITICAL DISCOURSE 23 – 26 OCTOBER 2014 – GRAZ / AUSTRIA
Lake Festival Unterpremstätten Leutgeb Entertainment Nuke Graz Arcadia Live
Nova Jazz & Blues Night Wiesen Skalar Sunsplash Wiesen Skalar Lovely days Wiesen Skalar Harvest of art Wiesen Skalar
deutschland
gros s e ges c hü tz e: b lu e mo o n enter ta inm e nt Wenn die Deutsche Entertainment AG (kurz: DEAG) neue Märkte erschließen möchte, wird geklotzt: Mit drei Großfestivals, eines davon in Wien (Rock In Vienna, veranstaltet von Blue Moon, einem Joint Venture mit Katrin Edtmeier), hat der Branchenriese heuer versucht, das Rock-Segment aufzurollen. Eine Kampfansage an die Konkurrenz in Deutschland, aber auch ans Nova Rock – mit mäßigem Erfolg.
de r ung a risch e w int e r: fridg e e v e n t gmb h Auch die Betreiber des ungarischen Sziget Festivals sind hierzulande aktiv. Mit 15 % ist man an einem Joint Venture mit der Wiener Kommunikationsagentur RSCG 4D beteiligt. Das gemeinsame Fridge Festival musste 2014 wetterbedingt von der Donauinsel in die Marx Halle verlegt, das Winter- und Motorsport-Rahmenprogramm abgesagt werden. Ende 2015 soll es wieder ein Fridge Festival geben.
gelungen er s howc as e: ls k o nz er tag e nt ur 2002 gegründet, ist die LSK alles andere als neu in der Branche. Mit dem Showcase-Festival New Sound hat das Unternehmen im Besitz der etablierten Konzertagenturen Marek Lieberberg (Frankfurt am Main), Semmel Concerts (Bayreuth) und Show Factory (Bregenz) heuer einen Schritt ins Festival-Segment gemacht, der helfen soll, neue Acts zu etablieren. Dank Headliner Wanda recht erfolgreich.
w ie n a l s brücke nkop f: com ra de s gmb h Das Club- und Showcase-Festival Waves Vienna will Brückenkopf für den Austausch zwischen Ost- und Westeuropa sein. Passenderweise gibt es ein Partnerfestival in Bratislava, mit dem verstärkt zusammengearbeitet wird. Auch das neue Festival Wiener Welle wird von der Comrades GmbH veranstaltet. Starke personelle Überschneidungen gibt es zum Verein Wien macht Kultur (Electric Spring Festival). 025
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acht Jahre Brut — Performance von internationalem Format in Wien
Art Brut Heiko Pfost und Thomas Frank haben das Brut Wien zu einem internationalen Dreh- und Angelpunkt der Performance-Szene gemacht. Auch wenn das hier fast keiner mitbekommen hat.
Anfang Mai, bei der großen Abschiedssause, gab es diesen einen perfekten Theatermoment: Die große Doris Uhlich auf Spitzenschuhen, an ihrer Seite der Balletttänzer Harald Balluch, die inmitten der schon sehr verschwitzten Partycrowd zum Schwan aus Saint-Saëns »Der Karneval der Tiere« tanzten. Queen of Naked Dance wird Doris Uhlich manchmal genannt. Und wenig später machte sie ihrem Namen alle Ehre und bespritzte standesgemäß zu »Survivor« von Destiny’s Child alle mit Sekt, bevor sie wieder nackt hinter dem DJ-Pult Position bezog und ein letztes Mal das Brut im Konzerthaus mit ihrer Interpretation des perfekten Disco-Sounds beschallte. Mit viel Rihanna, Roisin Murphy, Daft Punk und anderen guten Sachen. Großen Spaß bereitete das, aber nicht nur. Denn die oberösterreichische Choreografin ist noch dazu auf einer Missionstour, die da lautet: Liebe deinen Körper wie er ist, auch ohne Dove-Werbung. Tanz wie du willst, ob nackt oder angezogen. Denn es gibt nichts Spannenderes als den menschlichen Körper. Diese große Zuneigung für alles Humane, die Liebe für jede Hautfalte und zu jeder noch so verzackten Bewegung macht Doris Uhlich zur perfekten Gastgeberin und zur Inkarnation von acht Saisonen Brut.
Gute Mischung Denn diese herrliche Körpererfahrungssause verband auf ungezwungene Weise vieles, wofür das Brut unter der Intendanz von Heiko Pfost (der sich schon 2014 in die Bildungskarenz verabschiedete) und Thomas Frank stand: Kluge Performances, wilde Partys, gute Musik. Das Brut brachte den Beton gewordenen Traum jedes Kulturpolitikers der 00er-Jahre in die Hauptstadt: Das Theater sollte zu einem Aufenthaltsort werden, zum erweiterten Wohnzimmer der Kultur- und Nicht-So-Kulturszene. Beliebt wurde dieser Zugang auch durch dessen Budgetfreundlichkeit: Locker bespielte Wohnzimmer kommen eben viel billiger als dichte Ensemblestrukturen. Und so, zumindest die Theorie, sollte durch das »niederschwellige Angebot« potenzielles Publikum ins Haus gelockt werden und sich langsam mit dem Gedanken anfreunden, sich auch einmal mit hochdiskursivem Bühnengeschehen auseinanderzusetzen.
Peaches statt Hamlet
Text Magdalena Hiller Bild Andrea Salzmann, Florian Rainer, Jasmin Baumgartner
Zu neuer Größe im deutschsprachigen Raum geführt hatte dieses Konzept Mathias Lilienthal in Berlin. 2003 vereinte der ehemalige Volksbühnen-Dramaturg, der unter anderem Christoph Schlingensief fürs Theater entdeckte, drei Kreuzberger Bühnen zum großen Kulturtanker HAU. Sein Erfolgsrezept: Freie Gruppen statt Repertoire. Schnell produzierte Abende zu aktuellen Themen statt dem x-ten, sechs Wochen lang geprobten Hamlet. Und dazwischen richtig klotzen und so jemanden wie Peaches ihre Interpretation einer Barock-Oper abliefern lassen. Heiko Pfost und Thomas Frank übersetzten dieses Erfolgsrezept für Wien. Zwar wurde der Außenflügel des Künstlerhauses und der Keller des Konzerthauses schon seit 1989 als »dietheater« von freien Gruppen bespielt und bildete eine wichtige Plattform für die österreichische Tanzszene, doch den internationalen Einschlag brachten erst die beiden deutschen Intendanten. »Letzte Ausfahrt vor Berlin« plakatierten sie einmal großflächig auf dem Karlsplatz und das war nicht nur bloße Selbstironie: Die beiden vernetzten sich mit den anderen bedeutenden internationalen Koproduktionshäusern wie dem Kampnagel in Hamburg oder dem Mousonturm in Frankfurt a.M. und machten das Brut so zum Anker für viele nationale und internationale Performance-Truppen, die in dieser gastspielfaulen Stadt außerhalb des Impulstanz-Festivals und der Festwochen keine Spielstätte gefunden hätten. Größen wie Gob Squad, Forced Entertainment, She She Pop, die Rabtaldirndln, Rimini Protokoll und eben Doris Uhlich waren regelmäßig zu Gast.
Brutstätte für die neue Generation Die nächste Generation der Performance-Stars baute man dann gleich selber mit auf: Zuletzt etwa Simon Mayer, der noch im November mit »SunBengSitting« auf der winzigen Probebühne des Brut im Rahmen des Freischwimmer-Festivals auftrat und dieses Jahr mit »Sons of Sissy« gleich dreimal hintereinander das große Haus ausverkaufte. Simon Mayer macht das Unmögliche möglich: Alpenländische Traditionen wie Jodeln und Schuhplatteln auf ihre archetypische Gel026
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tung abzuklopfen und gleichzeitig humorvoll zu brechen. In eine ganz andere ästhetische Kerbe schlugen Florentina Holzinger und Vincent Riebeek, die hier alle ihre wichtigen Arbeiten zeigten einen richtigen Hype auslösten. Heute touren die beiden durch ganz Europa und lassen alle an ihrem schmutzig-romantischen Verständnis von Körper, Akrobatik und übel-geiler Popmusik teilhaben.
Viel auf die Ohren Ein weiteres wichtiges Standbein des Brut war auch immer die Musik. Experimentell ging es von Anfang an bei den Velak-Galas zu. 87 dieser an Progressivität kaum zu überbietenden und nicht immer leicht durchdringbaren Abende veranstaltete der Verein für elektroakustische Musik. Mit Brutto, einer monatlich stattfindenden Konzertreihe, schaffte man eine etwas abgeschwächte Version dieses Konzepts und holte heimische Musiker wie Fijuka, Gustav oder Patrick Pulsinger in das intime Setting der Bar im ersten Stock. Seit Herbst 2013 wurden auch Konzerte im großen Stil gehostet: Bilderbuch hatten hier ihren ersten umjubelten und ausverkauften Wien-Gig nach der »Maschin«Hysterie. Ginga, Hercules & Love Affair, Die Goldenen Zitronen – sie alle konnten erfahren, wie optimal der Spielraum auch für Konzerte geeignet ist. Wochenlang wurde auch vom Abend mit den Affine-Boys, Cid Rim und Wandl geschwärmt.
Die Krux mit der Niederschwelligkeit Und dann eben noch die Partys: Malefiz, Bretterbodendisko, Sweet Heat und auch unsere eigenen Release-Partys wurden zu leicht ansteuerbaren Größen im Wiener Nachtleben. Doch das mit den niederschwelligen Verlockungen wollte nicht so richtig fruchten. Bis zuletzt war es einem Großteil der Besucher nicht bewusst, dass hier etwas anderes außer Partys und Konzerten stattfindet. Und was da Großartiges auf der Bühne hinter verschlossenen Türen vor sich ging, war leider viel seltener Thema unter den verballerten Nachtfliegern als die legendäre Länge der Warteschlange bei Malefiz. Doch das war viel weniger ein Problem der Intendanz als Ausdruck einer generellen Symptomatik, die man sich als Theatermensch nur ungern eingesteht:
Performance- und moderner Tanz sind eben Randphänomene, die nur für wenige Menschen wirklich von Relevanz sind.
Nobody knows Doch dem wird sich die neue Intendantin Kira Kirsch, die zuletzt als leitende Dramaturgin beim Steirischen Herbst tätig war, wohl nicht geschlagen geben. Und daher ist es nur konsequent, dass auch sämtliche Begleitangebote noch einmal überdacht werden. Fast alle Feiereien müssen sich ein neues Zuhause suchen, auch wenn das die offiziellen Besucherzahlen schwer knicken wird. Spielplan-Konferenz wird es erst nach dem Sommer geben, eröffnet wird Ende Oktober. Klar ist bisher nur, dass die Spielstätte im Konzerthaus aufgegeben wird. Zum einen, da die neue Intendantin noch mehr in die Stadt hinausgehen will, zum anderen wohl auch aus Spargründen, denn vom Bund gibt es seit 2014 unverständlicherweise überhaupt keine Förderungen mehr.
Bye bye Atzgerei Vorbei ist es auf jeden Fall mit der schönen grafischen Gestaltung der Atzgerei, die über acht Jahre das gesamte Artwork von Programmen über In-House-Graffitis bis hin zu den immer präsenter werdenden Bannern vorm Künstlerhaus verantworteten. Jede noch so brachiale Wortspielerei machten sie mit ihren witzig-brutalen Illustrationen abseits des ästhetischen Mainstreams ein bisschen erträglicher. Erträglich war hier eigentlich ohnehin alles, vieles sogar richtig gut. Und das Wichtigste: Man musste sich Brut sei dank über Wien als Kulturstadt und den hiesigen Stellenwert zeitgenössischen Bühnengeschehens Gedanken machen. Wenn das Brut in den kommenden Jahren dieser Stein des Anstoßes bleibt, ist schon viel erreicht. Und vielleicht spaziert das werte Publikum ja eines Tages so selbstverständlich in die Performances wie es zu den Festen abging. Das Brut am Karlsplatz ist im Sommer wieder Spielstätte für das Popfest Wien. Die Intendanz von Kira Kirsch wird am 30. Oktober 2015 eröffnet. 027
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A$ap Rocky – »At.Long.Last.A$ap« — Rap nach Trill und Cloud
A$ap geht tief Nicht jeder, der zu »Goldie« abgegangen ist, wird mit »At.Long.Last.A$ap« seine Freude haben. Das neue Werk muss man schon »gspian« wollen. Dann lohnt es sich aber sehr. Beginnen wir mit etwas scheinbar Unwichtigem, der 2012er Single »Hands On The Wheel« von Schoolboy Q ft. A$ap Rocky, einem Lied über Alkohol, Bitches und Weed, hohl bis zum geht nicht mehr, rap-technisch total uninteressant, einzige Aussage yolo. Dazu passt das Sample von »Pursuit Of Happiness« wie die Faust aufs Auge: »Hands on the wheel, uh uh fuck that« schmettert Lissie, ihres Zeichens amerikanische Folk-Rock-Sängerin und untermalt mit der »Zero fucks given«-Attitüde die verzichtbaren Reime der Protagonisten. Freiheit, es geht um Freiheit. Darum, zu machen, was man will, der Welt zwei Mittelfinger zu zeigen, weil das die Definition von Glück ist. Lana Del Rey lässt grüßen. Der gesampelte Lissie-Song stammt ursprünglich von Kid Cudi & MGMT, hat in einem Remix von Steve Aoki die breite Masse erreicht, weil Menschen Maturareise machen oder halt Spring Break. Weil es Musik braucht, die einen dabei unterstützt, sich zuzuschütten, in Pools zu brunzen, Freunde anzuspeiben und Sex zu haben, an den man sich nicht erinnert. Doch in der Originalversion von »Pursuit Of Happiness« – und das hört man in der reduzierten und fast schon deprimierenden Variante von Lissie am Besten – ist diese Suche nach Glück kein Summer Splash. Das Leben voll auszukosten bedeutet, dafür den Tod in Kauf zu nehmen.
Text Amira Ben Saoud Bild Sony mUsic
Live Fast, Die Young Dass »Live fast, die young« ein häufig gebrauchter Topos ist – nicht nur in der Musik, sondern überall –, macht ihn nicht weniger relevant. Vor allem für einen Künstler wie A$ap Rocky, der mit der Zelebrierung von Oberflächlichkeiten groß geworden ist. In der hypnotischen Cloud-Rap-Blase über die eigene Realness und killa Fashion rappen, mal in einem Film mitspielen und ein bisschen Kunst machen – alles halt, was Kanye West vom Rapper als Universalgenie verlangt – ist zwar schön und war auch gut, bringt aber endende künstlerische Möglichkeiten mit sich, die A$ap mit dem 2013er Debüt »Long.Live. A$ap« und dem fast noch definierenderen, früheren Mixtape »Live. Love.A$ap« (2011) eigentlich schon ausgeschöpft hatte. Ob es der Tod von A$ap Yam, Mitgründer des A$ap Mob und langjähriger Wegbe-
gleiter, Freund und Mentor, ein LSD-Trip oder eine völlig bewusste Entscheidung war, sich neu zu orientieren, sei dahingestellt: Auf »At. Long.Last.A$ap«, das schon im Titel eine Zäsur, einen Schlussstrich markiert, widmet sich Lord Flacko Themen, die nicht nur pretty sind. A$ap geht jetzt tiefer. Indem er in sich hineinblickt, erweitert er auch seinen Horizont, seinen Blick auf die Welt und beginnt auf einmal echte, tiefgehende Geschichten zu erzählen. Musikalisch bedient er sich an einsamen Rock-Gitarren oder gloomy Soul, aber nicht nur als Stilmittel, sondern, um Stimmungen zu vermitteln, die oft auch düster sein können. Die eigene Stimme kommt dafür umso klarer zum Einsatz – die typischen runtergepitchten »Ahs« verschwinden mehr und mehr in den Hintergrund. Die Tracks nehmen unerwartete Twists, wie in Träumen, die bis kurz vor dem Aufwachen perfekten Sinn ergeben haben. Ein Album wie ein Kaleidoskop, das neben bunten, schönen Formen auch einmal hässliche zeigt. Ein bewusstseinserweiternder Trip. So als hätte A$ap dem Lissie-Song ganz genau zugehört, in dem es auch heißt: »Everything that shine ain’t always gonna be gold.« »At.Long.Last.A$ap« glänzt nicht, es kämpft nicht um Aufmerksamkeit und es will nicht um jeden Preis gefallen. Und genau das macht es zu musikalischem Gold. »At.Long.Last.A$ap« wurde, früher als geplant, am 26. Mai veröffentlicht. A$ap Rocky wird am 17. Juli beim Hip Hop Open Austria in der Arena Wien zu Gast sein.
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Marsimoto – »Ring der Nebelungen« — Starker grüner Stoff
Marsi macht immobil Das grüne Männchen vom roten Planeten lädt ein zur Raumfahrt im Dampfschiff.
Grüne Wolken Und es ist ein tiefer, sauberer Lungenzug. Die große Stärke eines Alter Egos wie Marsimoto ist die künstlerische Freiheit. Wer über bewusstseinserweiternde Drogen rappt, kann aus Prinzip sagen was er will. Hinter der Maske darf Marteria seiner ungefilterten Kreativität freien Lauf lassen. Niemand verlangt von einem Stoner, dass er was Sinnvolles von sich gibt, solange es Spaß macht, ihm dabei zuzuhören. Und diese Stärke spielt »Ring der Nebelungen« optimal aus. Quasi zusammenhangslos erzählt Marsi von der Suche nach dem Maja-Thron, von amphetamingepushten Paramilitärs unter Tomahawk-Beschuss und von Kajaktouren durch Lavaquellen. Sogar die thematisch kohärenten Tracks sind ordentlich abgedreht. »Zecken Raus« ist eine klassische Tierparabel, in der ein Insekt aus dem Nazi-Dasein aussteigt. Auf »Illegalize It« erklärt Marsi, dass nur seine Fans kiffen dürfen und alle
anderen dafür weggesperrt gehören. Die meisten der übrigen Lieder wirken aber wie Ausreden für den MC, sich komplett in seinen Gedanken zu verlieren. Und es macht einen Höllenspaß, ihm auf diesem Trip zu folgen. Das hat auch mit feiner Technik zu tun. Marsis komplexe Reime rollen mit butterweichem Flow über die basslastigen Beats. Da wippt der Kopf ganz von selbst mit, alles wird plötzlich ein bisschen langsamer, die Augenlider werden angenehm schwer. Contact High. Klar, an die hochgepitchte Stimme muss man sich gewöhnen, sollte man Marsi nicht kennen. Vor allem, wenn man Marterias sonst so raues Sprachorgan gewöhnt ist. Zusammen mit dem psychedelischen Sound und den wirren Lyrics ergibt sich so aber ein wunderbar weltfremdes Gesamtwerk, dem man die Herkunft vom Mars fast abkauft.
Grünes Alles An diesem Sound schraubte eine breite Riege an Produzenten: Kid Simius, The Krauts, BrenDMA, Dead Rabbit und Nobody‘s Face, sie alle hatten ihre Hände im Spiel. Ins Ergebnis kann man sich großteils gemütlich reinlegen und abchillen. Der dicke Bass lädt ein zum Abdriften. Bei zwei, drei Tracks breitet sich das Kopfnicken schon mal auf sämtliche Gliedmaßen aus, die Drums von »Green Pangea« oder der kreischende Trap bei »Illegalize It« werden Bewegung in die LiveCrowds bringen. Aber davon mal abgesehen herrscht Entspannung vor. Die vielen Samples sind geschickt eingefädelt, J Dilla, die Gravediggaz, Flying Lotus und sein singender Yoga-Lehrer Gonjasufi erweitern die Geräuschkulisse und fügen sich harmonisch ein. Wer Marsimoto schon vorher mochte, wird »Ring der Nebelungen« vergöttern. Der Marsianer hat seine Assets verdreifacht. Das Album ist mehr vom Alten, aber weil Marsmimoto so einzigartig ist, wirkt das Alte immer noch halbwegs frisch. Wer sich bislang noch nicht auf das grüne Männchen eingelassen hat, sollte das jetzt mal versuchen. Doch Vorsicht – »Ring der Nebelungen« hat Potenzial zur Einstiegsdroge.
»Ring der Nebelungen« von Marsimoto ist via Four Music erschienen. Am 1. Dezember kommt er in die Arena Wien.
Text Philipp Grüll Bild four music
Als Marsimoto vor zwei Monaten die erste Single aus »Ring der Nebelungen« veröffentlichte, blieb einigen Rauchern die Luft weg. »Illegalize It« kam mit wilden Trap-Beats und einem aggressiv rappenden Marsianer daher, wie soll man sich dazu bitte gemütlich einrauchen? Doch die aufgescheuchten Grashüpfer können getrost etwas Dampf ablassen und runterkommen. »Ring der Nebelungen« ist Kiffermucke der reinsten Sorte. Und auch nüchtern ist bei diesem Album nicht nur die Quietschestimme des MC auf hohem Niveau. Dass sich unter der Maske des grünen Power-Rangers der Rapper Marten Laciny a.k.a. Marteria verbirgt, war noch nie ein gut gehütetes Geheimnis. Spätestens seit »Zum Glück in die Zukunft II« hat sich der Mann seinen wohlverdienten Platz im Mainstream gesichert. Dass er sein erstes Album als Marsimoto veröffentlichte und das Alter Ego lange Zeit bekannter war als das Original, ist weniger bekannt. »Hallohziehnation« erschien 2006 und versenkte die Ärsche des Volkes ganz, ganz tief im Sofa. »Base Ventura«, unmaskiert, kam ein Jahr darauf. Seitdem hat sich der Produktionszyklus bei 18 Monaten pro Album eingependelt. Mal Maske, mal Mr. Ma. Jetzt ist wieder das kiffende Marsmännchen am Zug.
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Text Magdalena Meergraf Bild Andreas Waldschütz
» Viele haben aus meinen Arbeiten geschlossen, dass ich auch persönlich sehr düster sein muss. Doch Leute, die mich kennen, wissen: I’m a happy motherfucker!« (Andreas Waldschütz)
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Fotograf Andreas Waldschütz im Porträt — Musik und Mode in Österreich
I’m A Happy Motherfucker Du brauchst eine eigene Handschrift, heißt es in der Fotografie immer wieder. Einer, der es geschafft hat, ist Andreas Waldschütz. Nach einigen Umwegen.
Andreas Waldschütz ist sehr spät in der Fotografie gelandet, erst vor sieben Jahren, da war er 32. Davor ist für ihn in Österreich nicht viel passiert, stattdessen hat er sich international mit Musik- und Modefotografie einen Namen gemacht. Anfangs waren die Arbeiten noch sehr unterschiedlich, mittlerweile haben sie alle diesen ganz besonderen, unverkennbaren Stil. »Mich langweilt nichts mehr als ein cleanes, scharfes Bild«, sagt Andreas Waldschütz, wenn man ihn nach seinem persönlichen Stil fragt. Das Cleane versucht der Fotograf auf verschiedene Arten zu zerstören. Er hält sich Gegenstände vor die Linse oder fotografiert durch sie hindurch, was man normalerweise nicht machen sollte, weil ja dann die Bildinformation verlorengehen könnte. Doch genau das machen seine Bilder aus. Inspirationen findet er in außergewöhnlichen Locations. So auch bei seiner ersten Ausstellung »Sand People«. Ihm wurde von einer Geisterstadt bei einer alten Diamantenmine in Namibia erzählt. Die Wüste holt sich dort ihr Territorium zurück: »Da sind die Sanddünen in den alten Herrenhäusern, voll abstrakt, voll geil. Aufgrund dieser Location haben wir eine Geschichte geschrieben.« Equipment ist gar nicht so wichtig, sagt er. Die Technik muss sich anpassen, heute eine Kamera, morgen eine andere. Wichtig ist, wie man die Dinge sieht. Man muss raus in die Welt. Und raus ist er definitiv.
Arbeiterkind aus Donaustadt Wenn man Fotografen nach dem Beginn ihrer Leidenschaft fragt, sprechen sie oft über ihre erste Kamera. So auch Andreas Waldschütz, dessen visuelle Reise im Alter von zwölf Jahren im 22. Wiener Gemeindebezirk begann. Ein Onkel hat ihm damals eine alte Yashica geschenkt. Ahnung hatte er keine, was er da macht. Er ist raus in die Natur, hat Bäume fotografiert und sich Notizen zu den Lichtverhältnissen gemacht. Im Arbeitermilieu, in dem der mittlerweile 39-Jährige aufwuchs, waren kreative Berufe nicht wirklich etwas wert. Also machte er eine Lehre zum Großhandelskaufmann und wechselte später ins Event-Management. »Dann war mir das alles irgendwann zu deppert.« Sprach’s und ging auf Weltreise. Und wie es eben so passiert, lernt er in Neuseeland ein Mädchen aus San Francisco kennen und landet in Amerika, wo er im Filmbereich als Assistent beginnt und mit Größen wie Mike
Patton von Faith No More zusammenarbeitet. Er fängt an, seine ersten eigenen Musikvideos zu machen, doch nach zweieinhalb Jahren bekommt er kein Visum mehr und muss zurück. Fotografie war bis dahin immer noch kein Thema. Er zieht nach London, weil er sich dort den großen Durchbruch erhoffte, was aber kam, war ein Einbruch: »Am zweiten Tag ist jemand in meine Bude eingebrochen und hat alles genommen, was ich hatte. Laptop, Kamera, Festplatte, meine gesamten Arbeiten.« Mit einem Kumpel, dem Rennrollstuhl-Weltmeister Thomas Geierspichler aus Salzburg, fliegt er nach Südafrika und betreut den Sportler dort bei der Vorbereitung für die Paralympics 2008. »Thomas hat mich gefragt, wieso ich nicht fotografiere. Damals sah ich es aber noch als Abstufung an, Fotograf zu sein, nachdem ich Regisseur werden wollte.« Waldschütz fängt dann trotzdem damit an. Seine ersten Fotos macht er von Kindern in den Slums von Südafrika. Diese Bilder, seine allererste Arbeit aus dem Jahr 2007, hängen nun im Gästezimmer bei ihm zuhause. Nach ziemlich großen Umwegen ist er doch noch dort gelandet, wo er eigentlich am Anfang hinwollte. Auch wenn er sich lange noch nicht Fotograf genannt hat, weil er viel Respekt vor dem Beruf hatte. In Wien baut er ein Team um sich auf. »Es ist wie eine Familie. Das wirkt nach außen hin wie eine geschlossene Partie, in die du nicht reinkommst, aber wenn du drin bist, dann ist es geil, weil du weißt, wie der andere funktioniert.« Es wird viel Freiraum gelassen. Jeder in der Familie hätte seinen Stellenwert. Alle haben irgendwelche besonderen Skills – Fotografieren, Haareschneiden, Make-up und so weiter. Wie es da mit Kritik von außen aussieht? »Kritik kam meist nicht wegen meiner Arbeit, sondern wegen meinem Wesen. Leute hatten das Gefühl, ich wäre so eine Diva, mit mir wäre es schwer zu arbeiten. Die Menschen haben sich vielleicht auch ein Bild durch meine Arbeit gemacht. Das sieht alles teuer und aufwendig aus. Wir wollten uns ja hervorheben, das macht eben viel Wind nach außen.« 031
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10 Bilder pro Stunde Wäre man in den richtigen Kreisen, ließe sich schon gutes Geld machen, meint er. Die größte Freiheit habe man natürlich, wenn man sein eigenes Ding machen könne. »Deswegen habe ich mich von der kommerziellen Welt sehr lange fern gehalten. Sobald eine Agentur im Spiel ist, bist du als Fotograf gar nicht mehr als Künstler gefragt, sondern nur als Handlanger.« Leute würden sich dort nicht mit dem Stil eines Fotografen beschäftigen. Oft sei der gar nicht mal gewünscht. Gemacht hat er es dann aber trotzdem, Werbungen für A1, Media Markt, Orange und Mini-Cooper zum Beispiel – irgendwie muss man ja Geld verdienen. Es gehört zu den Privilegien von Fotografen, über Auftragsarbeiten zu jammern. Oft hört man dann Sätze, dass man das eine halt macht, um sich das andere leisten zu können. Eine Lösung ohne Kompromiss wird es kaum geben. Für Medien wie Die Presse Schaufenster und Wiener fotografiert er regelmäßig, auch die italienische Vogue steht auf dieser Liste. Waldschütz vermischt dabei analog mit digital. Über die Digitalisierung jammert er nicht: »Das ist einfach der Lauf der Zeit, den man nicht stoppen kann. Es gibt viele, die stehengeblieben sind und das komplett ignorieren. Man sollte sich aber vor neuen Möglichkeiten nicht verschließen.« Das Analoge findet er trotzdem sehr gehaltvoll. Es hätte eben diese gewisse Romantik. Und selbst wenn er digital arbeitet, ist es fast ein bisschen analog. Denn Andreas Waldschütz macht statt 200 nur zehn Bilder pro Stunde. Er lebt jetzt mit seiner Freundin in Berlin. Dort fühlt er sich wohl, sein Zuhause bleibt aber Wien: »Distanz zu Wien tut auch extrem gut.« In Bezug auf Fotokultur gibt es keine großen Unterschiede, es sei überall das gleiche Spiel. Seine eigene Vorlieben ändern sich dennoch: „»Mein Hauptaugenmerk lag auf Mode und dazu ein wenig Kunst. Der Kunst bin ich teilweise zu modisch. Der Mode bin ich teilweise zu künstlerisch. Dieser schnelllebige Zirkus ist nicht wirklich etwas für mich.«
Sohn, Cid Rim, Anna F Er möchte wieder mehr mit Musik arbeiten. Das ist irgendwie ehrlicher, meint er. Trotzdem weiß er, dass sich nur damit zumindest in Österreich nicht wirklich Geld verdienen lässt. Egal ob für Fotos oder Videos, die Industrie ist einfach zu klein. Aber es hilft, um den eigenen Namen in Umlauf zu bringen. Seine Fotos von Anna F, Zanshin oder Cid Rim kennt man, weil sie so markant sind und entsprechend häufig in Artikeln verwendet werden. Selbst bezeichnet er sich als musikaffin. Im tiefsten Herzen ein Rocker, mag er auch Elektronik. »Wenn ich in Wien bin, höre ich gerne Radio Arabella.« Seine Bandbreite ist entsprechend groß. Den mittlerweile aus Wien ausgewanderten Produzenten
Sohn hat Waldschütz rund um sein letztes Album immer wieder fotografiert – so auch das The Gap-Cover vom Februar 2013 – und mehrere Videos gedreht. Demnächst fliegt er mit ihm nach Los Angeles, um an dessen zweiten Album zu arbeiten. Alles andere ist noch nicht sicher. »Ich lasse mich einfach ein bisschen treiben. Ich weiß nur, dass Musik meine Zukunft sein wird.« Andreas Waldschütz fotografiert immer wieder Musiker und Mode-Kreationen aus Österreich oder dreht Videos. Einen Überblick bekommt man auf seiner kürzlich neu gelaunchten Website www.waldschuetz.com
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INSPIRIERENDE AUSZEITEN. AUCH FÜR SUPERHELDINNEN UND SUPERHELDEN.
Poeten erbeten: Jetzt gemeinsam Österreich poetisieren. www.PoetenDesAlltags.at
Bank Austria Kunstpreis „goes Crowdfunding“
218.000 Euro für die österreichische Kulturszene: Die Bank Austria stellt ihren Kunstpreis auf neue Beine. Neben Nominierungspreisen für wichtige Kulturinstitutionen sowie Kulturjournalismus vergibt sie 110.000 Euro für Crowdfunding-Projekte. Ausgewählte Künstlerinnen und Künstler erhalten von der Bank Austria im Rahmen einer über die Crowdfunding-Plattform wemakeit.at durchgeführten Kampagne ein Drittel des Finanzierungsbedarfs – zum Beispiel für • die Realisierung eines Konzepts, • die Planung einer Tournee, Ausstellungsserie, Konferenz oder eines Festivals, • eine Audio- oder Video-Produktion und und und ...
Crowdfunding mit dem Bank Austria Kunstpreis im Überblick: • Bewerbungsfrist: 1. Juni bis 31. Juli 2015. • Bekanntgabe der Teilnehmer auf kunstpreis.bankaustria.at am 7. August 2015. • Start der Crowdfunding-Kampagne am 10. September 2015. • Mindestens 20 Unterstützer pro Projekt. • Projekte aus den Bereichen: Architektur, Ausstellung, Bühne, Comics, Design, Festival, Film, Fotografie, Kongress/Konferenz, Konzert, Kunst, Kunstvermittlung, Literatur, Musik, Publikation, Tanz, Tonträger (Audio/ Video), Tournee. • Veranstaltungen in jedem Bundesland zum Bank Austria Kunstpreis vom 11. Juni bis zum 7. Juli 2015. Die Ausschreibungsdetails und Teilnahmebedingungen sind ab 1. Juni 2015 auf der Kunstpreis-Homepage der Bank Austria abrufbar: kunstpreis.bankaustria.at. Eine Einreichung für den Nominierungspreis sowie den Preis für Kulturjournalismus ist nicht erforderlich. Diese Preise werden im Rahmen eines Nominierungsverfahrens von einer prominent besetzten Fachjury im November 2015 vergeben.
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Text Leo Dworschak Bild Walt Disney, marvel / abc / syfy
Superhelden-Sexismus in Hollywood oder — Warum gibt es so wenig weibliche Superheldinnen?
Frauen im Kühlschrank Sind Hollywoods Superheldenfilme sexistisch? Mehr als das übliche Hollywood? Und ändert sich das gerade? Der einzige plausible Grund, die 3D-Version von »Marvel’s The Avengers« ihrem zweidimensionalen Pendant vorzuziehen, ist der in schwarzes Leder gehüllte Hintern von Black Widow, der den Zuschauern im zweiten Akt des Films förmlich ins Gesicht springt. Nicht, weil dieser Hintern so spektakulär wäre oder weil er der einzigen Protagonistin des Films gehört, die mehr als fünf Sätze zu sagen hat. Nein, es handelt sich schlichtweg um die einzige Einstellung in knapp zwei Stunden, der man das dritte D tatsächlich ansieht … Im Grunde stellt Black Widow (Scarlett Johansson) die ideale Identifikationsfigur für ein junges, weibliches Publikum dar. Die Frau ist taff, smart und streitbar, verfügt über stahlharte Nerven und einen mörderischen rechten Haken. Das Gegenteil einer hilflosen Maid in Not also. Doch Widow hat auch einen Makel, einen wortwörtlichen Schönheitsfehler: Ihre traditionell männlichen Superheldeneigenschaften stehen in krassem Gegensatz zu ihrem betont weiblichen, per 3D zum maximalen Hingucker gepushten Äußeren. Dass Widow im zweiten Teil der Franchise zu einer Art liebestrunkenem Hulk-Sidekick wird, sorgt für zusätzlichen Zündstoff. Ebenso die zweifelhafte Entscheidung des Marvel-Managements, die Widow-Fan-Artikel weitgehend aus der offiziellen »Age Of Ultron«-Merchandise zu entfernen, um Platz für die Plastik-Konterfeis männlicher Nebenfiguren zu schaffen. Die Internet-Community reagierte mit Spott und Entrüstung und die seit geraumer Zeit vor sich hin schwelende Sexismus-in-HollywoodDebatte loderte mal wieder auf. Sind »The Avengers« nun sexistisch? Ja, das sind sie. Das bedeutet aber weder, dass die Filme keine starken Frauen-Figuren enthalten, noch, dass sie in puncto Sexismus an einen durchschnittlichen Blockbuster heranreichen. Hollywood reproduziert seit knapp 100 Jahren dieselben eingestaubten Formeln. Deshalb steht Tom Cruise auf einem Hocker, wenn er seine Filmpartnerin küsst. Deshalb fährt Will Smith in »I, Robot« Sci-Fi-Autos, Bridget Moynahan aber nur Aufzug. Deshalb unterhalten sich Frauen im Film am liebsten über Männer. »Marvel’s The Avengers« bricht nicht mit diesen Formeln. Viele Fans der Franchise zeigen sich davon enttäuscht. Schließlich sind die Vorlagen der Streifen doch praktisch subversives Außenseitertum in Gedankenblasenform.
Der Anspruch, anders zu sein Werfen wir einen kurzen Blick auf den Comic-Zweig der US-amerikanischen Filmindustrie. Bis 2020 werden über 30 Werke aus den Pressen der Markt-Giganten Marvel und DC für das Kino adaptiert sein – die logische Konsequenz eines anhaltenden Trends, der mit den Erfolgen von »X-Men« (2000), »Spider-Man« (2002) und »Batman Begins« (2005) seinen Anfang genommen hat. Hollywood liebt Comics, weil ihr Fundus an Storys und Figuren schier unerschöpflich ist. Sie erfinden sich in regelmäßigen Abständen neu (sind somit perfekt auf Remakes und Reboots zugeschnitten) und verfügen über eine gigantische kaufkräftige Fanbase. Vor allem aber erzählen sie universelle Geschichten, wie etwa die von Gut vs. Böse, ohne im schalen Mainstream-Entertainment abzusaufen. Comic-Helden sind großteils Außenseiter, Minderheiten, tragische Figuren. Charaktere, die um ihre Identität ringen, die sich mit Hass und Häme konfrontiert sehen, die Normen sprengen und Klischees negieren. Die Anders-, die Fremdartigkeit der Figuren macht ihren Reiz aus. Hollywoods Filmemacher transponieren diese Andersartigkeit – der englische Begriff »otherness« ist ein wenig schmackhafter – nicht nur in das neue Medium, sie machen sie häufig zum zentralen Thema. Betrachten wir zum Beispiel die Filmversion der »X-Men«. Anders sein bedeutet hier, Mutant sein. In Teil eins wird über eine Regist-
rierungspflicht der Mutanten verhandelt, in Teil zwei gegen die Mutanten mobilgemacht und in Teil drei ein Heilmittel für oder gegen die Mutanten in Umlauf gebracht. X-Men-Schützling Rogue (Anna Paquin), die mit ihrer Mutation nicht zu Rande kommt, zeigt sich von der Aussicht auf Heilung begeistert. X-Men-Führungsfrau Storm (Halle Berry) erklärt daraufhin: »Sie können uns nicht heilen. Und weißt du, warum? Weil es nichts zu heilen gibt. Mit dir ist alles in Ordnung. Mit allen von uns.« Natürlich gibt es auch Captain America und Superman, die so geradlinig, gut und flach sind, wie das einfachere Zeiten erfordern. Sie zählen allerdings zu den weniger erfolgreichen ComicVerfilmungen. Gerade die X-Men wurden dagegen immer wieder als Metapher für die unterdrückte, homosexuelle Community interpretiert, die für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung kämpft. Und das in einem Blockbuster, der laut Internet Movie Database alleine in den USA über 230 Millionen Dollar einspielen konnte. Filmgewordene Comic-Heroen wie die X-Men haben nicht nur das Potenzial, sondern auch den Anspruch, anders zu sein. Zumindest die männlichen Mitglieder der Superheldentruppe.
Frauen im Kühlschrank Fremdartigkeit ist Trumpf! Wer aber glaubt, dass dieses Motto prinzipiell auf alle Bereiche, sprich alle in Comic-Adaptionen repräsentierten Bevölkerungsgruppen anwendbar ist, liegt falsch. Hollywood übernimmt nämlich gerne noch eine weitere, weniger positive Tradition der Vorlagen: Die stereotype Darstellung von Frauen, die häufig als sexistisch angesehen wird. Grob lässt sich die Kritik an der Gestaltung der (Kino-)Comic-Damen in drei Kategorien einteilen. Erstens: Unterrepräsentation. Nur in absoluten Ausnahmefällen bestreiten Superheldinnen ihre Kinoabenteuer als Titelfiguren und Hauptprotagonistinnen. Zweitens: Das äußere Erscheinungsbild. Großer Vorbau, praller Hintern, eng anliegende oder kaum vorhandene Kleidung – zumeist sehen Black Widow und Co. wie lebendig gewordene Männerfantasien aus. Drittens: Mittel zum Handlungszweck. Mangelt es dem Plot bzw. dem Superhelden an Motivation, bietet es sich an, diese durch den Mord an einer weiblichen Nebenfigur zu gewährleisten. Man bezeichnet diesen Topos als »Frauen im Kühlschrank« (der Begriff geht auf eine Ausgabe von »Green Lantern« zurück) und findet ihn auch in den Hollywood-Adaptionen, etwa in »Daredevil« (2003), um nur ein Beispiel zu nennen. Black Widow hätte das gleiche Schicksal in »Age Of Ultron« blühen können. Anstatt Hulk als toter Grund zur Rache zu dienen, schwärmt sie lediglich vom gemeinsamen Ausstieg bei den Avengers und einem normalen Leben samt Beziehungsglück. Regisseur und Drehbuchautor Joss Whedon, für Feminismus und starke Frauenfiguren bekannt, musste dafür einiges an Kritik einstecken. Selbst dem großen Joss, mittlerweile aus der Franchise ausgestiegen, war das Marvel-Disney-Joch am Ende wohl zu schwer. In einem Film, der weltweit über eine Mrd. Dollar einspielen soll (die Marke wurde im Mai geknackt), darf Black Widows 3D-Hintern eben nicht fehlen. Auch wenn Hollywood in vielen Teilen der USA als verruchter Hort von linkem Liberalismus gilt, der dem Land seine Vorstellungen aufzwängen will, hat Hollywood gezeigt, dass es einerseits auf einem Auge blind sein kann, aber auch fähig ist, dazuzulernen. Im Fernsehen soll das schon sehr bald viel besser funktionieren. Mit »Marvel’s Agent Carter« beispielsweise oder dem vorab hochgelobten »Supergirl«.
Weitere Filme mit Superheldinnen abseits von HollywoodKlischees sind beispielsweise »Kick Ass«, »Sin City« oder »Guardians Of The Galaxy«. »Marvel’s Agent Carter« läuft seit Ende Mai auf Syfy, »Supergirl« startet im Oktober. 035
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True Detective — Staffel 2
Sympathy for the Devil 036 »True Detective« setzt die Erwartungen extrem hoch. Die Serie kann aber überraschend viele davon einlösen.
Text Lukas Traber Bild Home Box Office, Inc.
»True Detective« war eine Offenbarung. Neben einer packenden Detektivjagd auf einen Serienmörder in den Sümpfen Louisianas bot die Show zwei der kaputtesten Cops der Fernsehgeschichte. Es gab mehrere Zeitebenen, eine aufreibende Atmosphäre, lange Kamerafahrten, dealende Nazis, atemberaubende Locations und viele weitere Schmankerln für Film-Nerds. Aber vor allem die Performance von Matthew McConaughey, der sich nach seiner überraschenden Transformation vom Teenie-Schwarm zum Charakterdarsteller noch einmal selbst übertraf, sorgte für ein enormes Echo. Und damit sind wir bei einem der wunden Punkte von Season 2 angelangt.
Alles bleibt neu »True Detective« ist eine Anthologie und folgt also in jeder Staffel einer neuen Geschichte, in neuem Setting. Damit wechseln auch die Charaktere. Statt Woody Harrelson und Matthew McCounaughey muss man sich auf eine neue Riege problemüberlasteter Cops einlassen. Neben Colin Farrell und Taylor Kitsch zählt mit Rachel McAdams diesmal auch eine Frau zu den Detektiven, während Vince Vaughn das Protagonisten-Quartett als zwielichtiger Unternehmer abrundet. Jede dieser Figuren bringt ihr persönliches Chaos mit ins Spiel. Die Psyche und sozialen Hintergründe der einzelnen Charaktere erklären sich eher durch ihre Handlungen. Jeder von ihnen hat seine sympathischen und unheimlichen Seiten. Ob man nun das Duo Cohle und Hart aus der ersten Staffel bevorzugt, ist wohl einfach Geschmackssache. Außer Frage steht, dass man es auch hier mit waschechten HBO-Antihelden
zu tun hat, die mittlerweile von Hollywoodstars auf dem Höhepunkt ihres Könnens verkörpert werden. Das Anthologie-Format bedeutet aber auch, dass man als Zuseher wieder bei null anfängt und sich auf ein neues, vielschichtiges Szenario einstellen muss. All die Schauplätze, Charaktere und unterschiedlichen Gesellschaftskreise, die anfangs in Staffel Zwei angerissen werden, sind sogar für moderne Serienverhältnisse ein wenig überfordernd. Wahrscheinlich soll man sie sich einfach mehrmals ansehen. Denn man fühlt sich, als würde man in die zweite oder dritte Staffel einer Show geworfen, ohne jemals eine andere Folge gesehen zu haben. Aber HBO nimmt die Zuseher eben nicht bei der Hand, um uns ein leicht verdauliches Mahl vorzusetzen, sondern erwartet Aufmerksamkeit und Kombinationsgabe, um alles zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Um die Spekulationen im Netz anzuheizen, um eine Welt zu bauen, die sich nicht einfach erklärt, sondern immer neue Verbindungen zulässt. Trotz allem bleibt »True Detective« der vorhergehenden Staffel in Sachen Stimmung und Thematik überraschend treu. Die desolaten Sumpflandschaften mögen einer urbanen Umgebung in der Gegenwart gewichen sein. Aber tiefschwarze Lebensphilosophie und Kommentare zum üblen Stand unserer Gesellschaft gibt es wieder reichlich – sogar unheimliche Tiermasken spielen wieder eine Rolle. Wer nach der Besetzung von »Fast and Furious«-Regisseur Justin Lin beunruhigt war, Season 2 könnte in ein Actionspektakel ausarten, kann sich entspannt zurücklehnen. Set-Gestaltung, Kamera und Musik machen hier den besten Michael-Mann-Filmen Konkurrenz und liefern ein beunruhigendes aber imposantes Gesamtbild, das auch auf einer Kinoleinwand voll überzeugt.
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It’s not TV, it’s HBO Es ist ein düsteres Weltbild, das der US-Bezahlsender HBO in seinen Dramaserien zeichnet, und das nicht erst seit »Game Of Thrones«. Ob nun bei »The Wire«, »Deadwood« oder »The Sopranos«, HBO-Serien scheinen den Hang zu haben, die dunkelsten Seiten des menschlichen Daseins hervorzukramen. Vergewaltigungen, brutale Morde und viel Drogen stehen beim Sender an der Tagesordnung. Im Vergleich zu unzähligen Heile-Welt-Szenarien und gesetzestreuen Helden mit blütenreiner Weste aus dem Fernsehen der 80er und 90er zeigen HBOShows seit etwas mehr als 15 Jahren die Kehrseite der Medaille. In den seltensten Fällen kann man dem Sender dabei aber vorwerfen, die Gewalt nur fürs Spektakel zu missbrauchen. Die meisten Charaktere sind komplex, selten von Grund auf böse, weshalb sie häufig selbst am stärksten unter ihren inneren Dämonen und Missetaten leiden. Ein mattes Grau hat die Schwarz-weiß-Malerei früherer Tage abgelöst. Vielleicht, weil es den großen, ideologischen Feind Kommunismus nicht mehr gibt. Und diese Färbung kann genauso abstoßend wie anziehend sein. Dass man nun im TV auch mit Anthologien Erfolg haben kann, bewies etwa der Sender FX mit der Show »American Horror Story«, in der Teile des Casts jährlich in ein neues Horrorszenario und damit in eine neue Rolle schlüpfen. Mittlerweile ist bereits die fünfte Staffel des Grusel-Megahits in der Mache. Die britische Sci-Fi-Reihe »Black Mirror« wiederum, die eher dank positiver Kritiken als durch hohe Zuschauerzahlen als Erfolg gelten darf, erzählt sogar in jeder Episode eine neue Geschichte mit neuen Darstellern. Verbunden sind diese nur dadurch, dass sie in der Zukunft spielen und einen technologiekritischen An-
satz verfolgen. »True Detective« befindet sich irgendwo dazwischen und das ist auch gut so. Harrelson und McConaughey jährlich in neue Rollen zu stecken, würde zum Anspruch, den HBO an seine Dramaserien stellt, genauso wenig passen wie eine komplexe Mordserie und deren Auflösung in weniger als einer Stunde zu präsentieren. Die neue Staffel hat äußerst gemischte und zum Teil auch ausgesprochen negative Kritik geerntet. Das mag zum einen an den neuen Darstellern und Charakteren liegen, vielleicht aber auch an der abgebrühten Weltsicht, mit der HBO-Produktionen immer wieder auch die dunkelsten Seiten der USA zum Vorschein bringen, was vor allem den dortigen Zusehern nicht immer ganz recht sein dürfte. In den Nachrichten werden wir täglich mit Gräueltaten und Katastrophen konfrontiert. Wenn man sich zum Ausgleich lieber eine romantische Komödie oder einen Animationsfilm mit Happy-End-Garantie ansieht, als sich auch noch von Entertainment weiter verstören zu lassen, ist das verständlich. Aber HBO bietet eben nicht nur unbegründete Worst-Case-Szenarien um ihrer selbst Willen, vielmehr bahnt sich der Sender anhand seiner Shows unbeirrt einen Weg durch den Sumpf der menschlichen Seele und macht das Schlechte und Böse auf der Welt transparent. So betrachtet lassen sich HBO-Serien nicht nur als exzellente Unterhaltung verstehen, sie haben in einer oft sinnlos erscheinenden Welt etwas geradezu Therapeutisches.
Die zweite Staffel von »True Detective« ist seit 21. Juni wöchentlich im Originalton auf Sky Go abrufbar. Die deutsche Synchronisation folgt am 17. September. 037
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diese seite ist teil einer entgeltlichen kooperation
Designer des poolbar-Style Libesel: Delia Maxim / Bernd Pegritz Schweigel: Delia Maxim / Tobias Ludescher Pantieman: Alexandre Durin Quattro: Kirstin Tödtling / Lukas Goller / Alexandre Durin / Judith Eiter-Abdouni Offizielles poolbar//festival PineUp-Shirt / Meta & Fose: Kaleido Absolut-Shirt: Kaleido Metafosed: Michael Marte
01 M eta & Fose, Elisabeth in Juvia, Patrick in Tiger of Sweden Jeans (beide von Lingg) 02 Sebastian in Pantieman & Tiger of Sweden Jeans (von Lingg) 03 Sebastian in Metafosed & Tiger of Sweden Jeans (von Lingg), Chiara in Libesel & Carla Mode
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Poolbar-T-Shirt-mode — Meta & Fose
Schmetterling im Pool Metamorphosen sind das Thema beim PoolbarFestival. Nur dass sie es anders buchstabieren.
Ganz schön mutig von der Poolbar, im allgemeinen Unmut auf die verschuldeten Griechen sich einfach mal griechische Lettern und griechische Gedanken auf die Brust zu heften. Aber so ist die Poolbar. Sie bringt seit über 20 Jahren mutiges Programm nach Vorarlberg – ein Programm, das noch dazu einfach so angenommen und gefeiert wird. Man war schon früh mehr als nur ein Festival. Dazu gehörten die Architektur-Wettbewerbe. Oder die immer überraschenden Festivalthemen. Andere schmeißen ein paar lässig klingende englische Vokabeln zusammen. Nicht so die Poolbar. Die aktuelle Ausgabe dreht sich also um Metamorphosen. Die Fotostrecke wurde im Monforthaus in Feldkirch geschossen. Das Poolbar-Festival findet von 10. Juli bis 15. August in Feldkirch statt. Auftreten werden u.a. Wanda, James Hersey, Dillon, Olympique, Patrice und Kele.
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04 Patrick in Quattro & Tiger of Sweden Jeans, (von Lingg) Dornbirn 05 Sebastian, Melanie in Libesel, er auch in Tiger of Sweden Jeans, sie in Nudie Jeans (beide von Lingg) 06 Melanie in Libesel & Nudie Jeans (von Lingg) 07 Chiara Bereuter in Libesel
Fotographie: Simon Egle Organisation: Livia Mathies Models eingekleidet in poolbar-Style sowie in Mode von Lingg Moden, Dornbirn & Carla Textil.
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bild Christoph Liebentritt dokumentation stefan kluger
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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Susanna Wagner, 48, Architektin
Zur Architektur kam sie eher durch Zufall. Ursprünglich wollte Susanna Wagner an die Angewandte, um Grafik zu studieren. Da sie jedoch keine herzeigbare Mappe besaß, inskribierte sie Architektur. Ihr Arbeitsalltag als Architektin ist von ganz viel Papierkram und Mails geprägt. Dazu kommt der Job auf der Baustelle, um Firmen beim Bauen genau auf die Finger zu schauen. Kreativ müsse man immer sein, aber anders, als sich das die meisten Leute vorstellen, erzählt Wagner. »Es ist faszinierend, eine bloße Idee oder eine Vision in gebaute Realität umzusetzen.« Die Arbeit ist manchmal auch von Enttäuschungen geprägt, zum Beispiel bei verlorenen Wettbewerben; wochen- oder monatelange Arbeit stecken da oft drinnen – und dann gewinnt ein anderer. »Dafür ist das Glücksgefühl schier unermesslich, wenn aus einem Auftrag ein gelungenes Projekt entsteht.«
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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Romana Zöchling, 28, Modedesignerin, Fotografin
Das Nähen hatte es ihr früh angetan. Bereits als Kind saß Romana Zöchling an der Nähmaschine – damals halt noch mit der Mama. Nach Modeschule, Studium und diversen Praktika ergab sich dann Schritt für Schritt das Konzept »offenes Atelier mit eigenem Label«. Als Einzelunternehmerin muss sie jeden Tag gut planen, um neben Buchhaltung und Recherche auch noch Zeit für Design, Nähen und Workshops zu haben. »Die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwimmen, da ich auch sehr viel mit tollen Freunden kooperieren und zusammenarbeiten darf.« Schwierig seien dagegen unbezahlte Urlaubs- und Krankenstandstage, kein fixes Gehalt, und die Tatsache, dass man die Verantwortung ganz alleine tragen müsse. Einmal an einer Schule unterrichten oder am Land ein Hundehotel eröffnen, diese Ideen reizen sie. Aktuell betreibt sie den Scheiderhof aber aus voller Überzeugung. »Ich arbeite fast jeden Tag, dennoch fühlt es sich nicht wie Arbeit an.«
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Prosa von Valerie Fritsch
für die grazer autorin valerie fritsch läuft es momentan rund. ihr roman »winters garten« wird allerorts gelobt und geht in die zweite auflage. sie selbst macht anfang juli beim wettlesen um den bachmannpreis in klagenfurt mit. anbei eine kurzgeschichte, die ihre vorliebe unterstreicht, scheinidyllen zu zerstören.
DIE
er Geigenladen lag neben einem Südfrüchtegeschäft und einem schmalen Wohngebäude in einer kleinen Straße voll von großen Häusern. Die Tanzmeistergeigen hingen mit langen Hälsen an den Wänden und die Cellos lehnten aufgespießt und einbeinig in den Ecken. Die Violinen lagen stumm in ihren Etuis, als wären es Särge und im Sommer saßen die Fliegen auf den Saiten der Harfen, bis man sie anschlug. An den Fensterscheiben drückten sich die Kinder die Nasen platt und die Jungen spähten hinein nach den Formen der Instrumentenkörper, weil sie sie an die Taillen jener Mädchen erinnerten, die nie mit ihnen sprachen. Draußen tobte die Welt vorbei, aber im Inneren des Geigenladens war es zu jeder Tages- und Nachtzeit die Ruhe eines warmen Sonntagnachmittages, die über den Instrumenten lag und nicht aufhörte damit. Laura Aich rauchte strohhalmdünne Zigaretten zwischen den zum Verkauf aufgespannten Saiten und berührte die mit Silberdraht umsponnenen Därme als spiele sie mit kleinen Katzen. Es war still in den Räumen. Die Gedanken waren so präzise, dass sie durch die Mitte des Stundenglases passten. Die Melodien saßen als Mobiliar im Kopf. Die Besitzerin des Geigengeschäftes schritt behäbig die Violinreihen auf und ab und die Kontrabässe schrumpften neben ihrem aufgedunsenem Leib zu Spielzeugfideln. Der fette Körper platzte aus allen Nähten und die Haut blähte sich feist um die weit
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GEIGEN aufgerissenen Äuglein. Zwischen den hölzernen Torsos und den furchterregend roten Blüten der Gladiolen, die neben der Kasse standen, machten die Kunden einen Bogen um die dicke Frau. Sie schien zu schlafen mit aufgeschlagenen Lidern und die Welt vergessen zu haben, oder: nie gekannt. Ihre Bewegungen waren langsam und ungenau. Auf ihren Schlüsselbeinen waren Violinschlüssel tätowiert, die auf dem Knochen saßen, als wären sie ein Schwarm Vögel. Jene, die sie sahen, sahen einen aus dem Fleisch berstenden Menschen mit Augen wie zerbrechenden Glasscheiben, und jene, die mit ihr sprachen, waren überrascht von der klangvollen Stimme, mit der sie alle Fragen beantwortete. Sie sah aus den Fenstern, um nicht in ihre Gesichter zu sehen. Sie fürchtete die Entgleisungen der Gesichtszüge und die Disharmonie ihres Tonfalles. Sie zog die Musik der menschlichen Stimme vor und fürchtete die Kluft, die zwischen den Worten und den Wirklichkeiten, in die man sie umdeuten musste, lag. Sie reichte den Käufern die Cellos und Violinen träge und beobachtete argwöhnisch, wie die Frauen die Instrumente mit spitzen Fingern anfassten, wie ihr vorkam, und schloss die Augen, wenn es ihr zu grausam schien. Manches Mal versteckte sie sich regungslos im Hinterzimmer und hielt sich die Ohren zu, bis die Kunden ratlos wieder gegangen waren und die Türe hinter ihnen ins Schloss fiel. Draußen schwangen die heiligen Narren die Zepter und jagten die Straßen hinunter in wilder Hetze, aber drinnen regierten die Rümpfe der Geigen. Sie war gierig nach den
hölzernen Herzen der Instrumente und neidisch auf die schmalen Taillen der Violinen. Die Männer die kamen, hoben die Geigen aus ihren Kästen, so vorsichtig, als trügen sie Mädchen zu Bett und legten sie an die Brust, als wären sie Geliebte. Sie strichen die Saiten wie Haut. Sie bewunderten die Formen atemlos. Waren sie von ihren Frauen verlassen worden, schliefen die Geigen im Bett. Es roch nach Fichtenholz und Kolofonium. Alle erlagen sie dem Zauber. Laura Aich stand eifersüchtig neben den Kunden und konnte sich nicht erinnern, wann ein Mann sie das letzte Mal so berührt hatte, wie sie es mit den Instrumenten taten. Wenn es Abend wurde, erwachten die Sinne. Waren alle gegangen, schloss sie die Türe des Ladens dreifach ab und hängte sich die Schlüssel neben jene, die sie tätowiert hatte, um den Hals. Die Apathie des Tages verschwand und machte jener Erregtheit Platz, die sich einzustellen pflegte, wenn man sich nach langer Zeit in Gesellschaft allein fand mit einem Liebhaber, den man nicht hatte berühren dürfen zwischen den vielen Menschen. Die Etikette des Geschäftstages fiel ab. Die Regale krümmten sich unter der Last der Musikinstrumente. In die Stille bogen sich die Melodien. Jene Töne, die tagsüber schwiegen, weil man die Instrumente nicht beachtet hatte, wurden laut. Ein dunkler Mozart und Elektroclash erhoben sich unter den Fingern von Laura Aich, sobald sie ihre Schützlinge berührte. Freibeuterhymnen und Singspiele, lose Fragmente, vaterlose Klänge und perfekte Symphonien krochen unter den Bögen hervor. Tag für Tag hob
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eine wahnsinnige Musik an, solange, bis das Haus dröhnte und die Lichter der Nachbargebäude ausgegangen waren.
Ad Personam: Valerie Fritsch Valerie Fritsch ist Schriftstellerin, Fotokünstlerin und Reisende – zumindest werden ihr diese Bezeichnungen in unzähligen Porträts, die in letzter Zeit über sie erschienen sind, zugeschrieben. Und erschienen ist viel über die 26-jährige Grazerin, denn ihr neuer Roman »Winters Garten« (Suhrkamp) wird in den Feuilletons gerade abgefeiert und als »Sensation« und »kleines Wunder« bezeichnet. Es ist ihr zweiter Roman und mit starken, einprägsamen Bildern schreibt sie darin den Weltuntergang herbei, sukzessive löst sich die Gesellschaft auf. Die Lust, auf engstem Raum Stimmung und Befindlichkeiten zu imaginieren, die größer als das vordergründig Ganze sind, merkt man auch der Kurzgeschichte »Die Geigen« an. Wer Pathos ohne Kitsch schätzt, ist bei der zuletzt mit dem Peter Rosegger-Preis ausgezeichneten Literatin richtig. manfred gram
Es glich einer Zeremonie. War das Spiel zu Ende, löschte sie die Lichter des Ladens und schwankte in jenen Teil des Geschäftes, den sie bewohnte. Der Schweiß stand ihr im Gesicht und troff kalt aus den Achselhöhlen. Die Ekstase sank einem Wasserspiegel gleich und rann ihr von der Haut. Vor dem Spiegel des Hinterzimmers hielt sie die Violinen und Cellos hoch und verglich sie mit ihrem eigenen Körper. Die Violinen waren ihr Leben. Sie wollte sein wie sie. Sie hasste die schmale Mitte, mit der sie die Männer betörten und sie hasste die ausladenden Töne, die ihre eigene Stimme übertrafen. Sie liebte die Hilflosigkeit, mit welcher sie ihr ausgeliefert waren, wenn sie sie von den Wänden riss in der Nacht und auf den Tisch warf, als wolle sie ihnen etwas antun. Bloß lagen sie vor ihr: unbedeckt und ungeheuerlich stumm, so schien es. Ihr eigener Körper blähte sich zu Ballonen in den Spiegelbildern und so viele Saiten sie sich selbst auch um den Bauch wand, so wenig erreichte sie die Taillenform der Violinen. Die Drähte schnitten ins Fleisch und an den schlechten Tagen trat Blut hervor zwischen den Hautwülsten. Sie streckte den Hals so hoch sie konnte. Sie hielt den Atem an. Sie schnitt sich Löcher in die Körperflanken. Manches Mal band sie sich die einzelnen Saiten zwischen die Zähne und spannte sie bis an ihre Zehen und sang bis in die Morgenstunden lärmige Töne, die klangen, als kämen sie aus brunnentiefen Gefäßen. Die Besessenheit wuchs zu einer einzigen Enttäuschung mit den Jahren. Der Geigenladen brannte an einem Sonntagnachmittag, an dem der Himmel voller Wolken hing. Draußen ging die Welt weiter und drinnen ging sie in Flammen auf. Die Saiten glühten wie Dochte und die in Brand geratenen Harfen glichen Hanukkah-Leuchtern. Die kalten Resonanzkörper knackten im Flackern und die Kästen und Etuis wurden mehr denn je zu Särgen für die Instrumente. Die bestialische Einäscherung war ein Fest und ein Fieber. Die Violinen knisterten im Feuer und schrien wie Frauen. Das Holz ächzte und die Musik, die noch nie gespielt worden war, entwich den verkohlten Torsos wie ein letzter Atemzug. Vor den Scheiben spiegelte das Benzin am Boden den Himmel und hinter den Fenstern verbrannte Laura Aich wahnsinnig vor Glück mit den Geigen: als wäre sie eine von ihnen.
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Kolumne von Theresa Havlicek
EMOJONAL SUPERPOWERS Was täten wir ohne Emojis. Mit den smarten Hieroglyphen überlebt man viel leichter im Großstadtdschungel. Deshalb sammeln wir hier in dieser neuen Kolumne Kommentare, Geschichten und Blödheiten für urbane Superhelden, für euch.
Mein disrespecting Bootycall hat mir gerade wieder mega kurzfristig geschrieben. Da ich eine selbstrespecting Woman bin, habe ich ihn ihm abgesagt als wär es nuffin und geh jetzt mit dir einen heben.
In Mäci reingegangen. Salat gegessen.
Wurde nicht in ein Hotel reingelassen, weil ich Orangensaft verschüttet habe. Was für einen Saft? Orangensaft. Trotzdem rein.
WARUM ist mein Computer so scheiße zu mir?!? I need them Superpowers. Kein Junk Food auf dem Heimweg vom Fortgehen gegessen. Health Win.
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= Gerade fünf Staffeln Game of Thrones gebingewatcht. Meinen Bruder trotzdem nicht mit meinem Lover verwechselt.
Wunschliste Superpowers: Alle Häuser in Österreich wo Flüchtlinge willkommen sind
Superpower: Beim ÖSV fahren, faire Werbeverträge haben und als Frau wertgeschätzt werden.
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Wie werden wir leben? Wie wollen wir leben? NachdeNkeN über die Stadt der ZukuNft «
Kino unter Sternen open Air am Karlsplatz
26. Juni – 18. Juli 2015 Was braucht die Stadt von morgen? Wie kann Zusammenleben auch in Zukunft funktionieren? Welche Versorgungsstrategien gibt es? Wer baut Infrastruktur? Was braucht moderne Mobilität? Wie wollen wir wohnen? Was wird aus dem öffentlichen Raum? Was macht urbane Kultur wirklich aus? Bleiben in einer »Smart City« noch Freiräume? Wie können wir als Bürger die Stadtentwicklung mitgestalten? Warum wachsen manche Städte – während andere schrumpfen?
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AB HIER: REZENS ONEN
151 Wolf Alice My Love Is Cool (Caroline / Universal)
Gib den Wölfen Zucker Mit viel Grunge und ein bisschen Folk zaubern die lange schon gehypten Wolf Alice eines der wenigen Alben, das alle Vorschusslorbeeren einlöst. Das Clash-Magazin drückte den Nordlondonern früh den Stempel »Lovechild of Folk and Grunge« auf. Dieser ließ sich trotz des vielen Bühnenschweißes in Londons Grind-Venues nicht verschmieren. Eigentlich wurde die Band aber 2012, zwei Jahre nach Gründung, gekickstartet: Das folkloristische »Leaving You« wirbelte im Netz einiges an Buzz auf, der sich fast zum Zuckerlsturm im Blogger-Wald aufbrauste. Wolf Alice steckten vorsichtig ihre Zehenspitzen in die lauwarme Business-Suppe und wurden gleich hart von hinten geschubst: Die BBC erklärte sie zum »Most Blogged About Artist« der Insel. Um sich rudernd sucht man nach Halt. Den erwischten Ellie und Joff in Form zwei neuer Mitglieder und deren musikalischer Mitgift. Oft entstehen Dinge halt erst im Fallen. Das Eintauchen glückte, man fand sich auf der Liste (wieder BBC) für neue, musikalische Galionsfiguren wieder. Was dann noch bleibt? Dem Ganzen irgendwie gerecht werden und ein übernatürliches Album abliefern. Der Sound der superjungen Briten hat sich mit den Kurzspielern dann auch von den anfänglichen Folkgeschichten (»Blush«) hin zu räudigeren Gitarrenbrettern (»Moaning Lisa Smile«) verschoben. Die Stimme, die nur einem Girl mit zerrissener Strumpfhose und mit Filzstift bemalten Fingernägeln gehören darf, heult aber immer noch in Glitzerpapier gewickelter Finsternis (»My loving kills me slowly« / »Silk«) Richtung Discokugel. Da ist er also, der Wolf im Schafspelz. Die Texte streunen um Queerness (»She«), Teenage Angst und den Moment, in dem das Merry-Go-Round sich nicht mehr um Idylle sondern um Ideale dreht (»Bros«). Die Videos persiflieren Youtube oder das (eigene) Rockstar-Gebaren (»Giant Peach«). Wolf Alice nehmen sich selbst nicht zu ernst, ihre Sache dafür umso mehr. Wer von Labels Geld nimmt und damit Spaß hat, beschließt ja eigentlich einen poetischen Act. Die Einflüsse entspringen hauptsächlich den bunt zusammengewürfelten SpotifyPlaylists, in denen Hole, die Deftones und eben auch Miley und Daughter geshuffelt werden. So viel Musikhunger erweckt leicht den Eindruck, man wisse nicht, wo man genau hinwolle (»I don’t know what I’m looking for«). Genau. Darum geht es. Planung ist ja irgendwie auch feige. Fallen lassen und immer wieder eintauchen umschifft den Stillstand und Wege entstehen manchmal erst im Gehen – oder bei Wolf Alice halt im freien Fall. 09/10 Christoph Kranebitter 051
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Pop. Was?
Für den Fetischcharakter und für die Regression des Hörens. Ausgewählt von Stefan Niederwieser. Vince Staples Summtertime ’06 (Def Jam) — Sommer! Wohoo! Gang-Mitglieder sterben wie die Fliegen. Cops schauen zu. Ein 21-Jähriger macht wütende Zeilen daraus. Und auf der anderen Seite des bruchsicheren Fensters geilen wir uns daran auf. Und wie. Was für ein riesiges Album. Nein, wir brauchen heute kein Kolosseum. Der Kultus des Todes ist tief in die westliche Kultur eingeprägt. Obamanation hat daran erstaunlich wenig geändert. Selten klang sie so berauschend, bitter und großartig wie hier. DJ Kicks DJ Koze (!K7) — Als die »DJ Kicks«-Serie vor 20 Jahren begann, gab es kein Soundcloud, kein Mixcloud, kein Play.fm. Was Mixes heute noch sollen, das zeigt cosy Koze. Er macht Kisten und Welten auf, zieht unerwartete Register und Stimmungen zusammen. Und noch dazu feiert er den runden Geburtstag der vielleicht wichtigsten Mixserie der Welt. DJ Koze macht das großteils abseits des Dancefloors, wie in einem berauschenden Nichts. Miguel Wildheart (RCA) — Fuck fuck fuck. Miguel tut es wieder. Er steckt da tief drin, im Strudel von Sex, geilen Körpern und nackter Haut. Auf dem sicheren Fundament von klassischen Popsongs. Andere hören da Sly Stone, D’Angelo oder Kendrick heraus. Das ist süß, aber warum nicht clever produzierten Pop als das nehmen, was er ist? Dann muss man auch keinen doppelten Boden suchen. Manchmal geht es einfach nur um Geschlechtsverkehr. Und das halt lieber mit Miguel. Andrea Black Magic (Jakarta) — Shlohmo, Flume, Stwo, die Einflüsse sind ziemlich eindeutig. Neu ist das ohnehin nicht. Soundcloud gibt dem täglich einen neuen Namen. Irgendwas mit Chill zum Beispiel. Aber wie der Pariser Andrea seine marmorierten Sound-Brocken verschiebt, zeigt, dass er nicht nur das Remix-Format beherrscht, sondern eigene, instrumentale Tracks aus dem Sumpf stumpfer Sound-Spielerei und betäubendem Bacardi-Feeling herauslösen kann. LA Priest Inji (Domino) — Kindness und Metronomy haben gemeinsam ein Album gemacht. Zumindest klingt LA Priest so. Nach Funk, von innen ausgehöhlt, mit lustigen Orgeln und niedlichen Geräuschen halb angefüllt. Die Melodien und Ideen purzeln aus diesem Album nur so heraus, ohne aber überladen zu wirken. Quirky bis über beide Ohren. Trotzdem eingängig. Ein idealer Soundtrack für Nerds und die, die es noch werden wollen.
Und außerdem natürlich:
Wolf Alice – Our Love Is Cool (Caroline) Gitarren des Jahres. Crack Ignaz – Kirsch (MPN) Was lange gwand war, wird endlich gwand. Ten Walls – Sparta EP (Boso) Riesige Tracks. Dann völlige Implosion.
Florence & The Machine How Big, How Blue, How Beautiful (Island)
Diamanten und Sachertorte Florence & The Machine veröffentlichen nach einer beinahe vierjährigen Pause ihr drittes Studioalbum. Und nennen es mal ganz einfach »How Big, How Blue, How Beautiful«. Sängerin Florence Welch erlitt laut britischer Presse letztes Jahr einen Nervenzusammenbruch – und hat sich mit diesem Album quasi selbst therapiert. Wer in seinen frühen 20ern schon zur Stilikone, um die sich Designer, Musiker und Fans gleichermaßen reißen, erkoren wird, hätte wohl gern einmal eine Atempause. Und jetzt sind die Dog Days over. Die großen Themen des Albums sind, what else, Beziehung und Verlust – und allem voran natürlich immer die Liebe. Der Grat zwischen Pathos und Kitsch ist bekanntermaßen schmal. Sehr, sehr schmal. Wie viel Kirchenchor, Drama, Überbau und Texte à la Liebesratgeber verkraftet die Welt? Spoiler: Gerade jetzt ganz viel davon. Was hier gelingt, sind ergreifende Dramen und eine hervorragende Instrumentalisierung. Bläser, Streicher, Trompete, Fanfaren, aber auch die klassische E-Gitarre sowie harte Bassdrums – das ganz große Kino eben. Produzent und Mastermind Markus Dravs hat der schönen Florence schlicht verboten, weitere Songs über das Wasser zu schreiben. »Ceremonials« war berstend voll von Metaphern zur transzendenten und gefährlichen Schönheit des blauen Elements. Florence Welch wendet sich etwas ab vom Wir-sind-alle-Kinder-derselben-Welt-Kultus, wirkt gelassener. Der einzig wirkliche Kritikpunkt liegt in der Konzeption. Wir wollen die Ausschweifung! Den Großteil der Stücke gezielt abzuschleifen, um ihnen ein bestimmtes Maß an Übersteigerung zu nehmen, wäre gar nicht notwendig gewesen. Es fehlt etwas von der Langlebigkeit und Ergriffenheit, von der man sich gerne die Gänsehaut quer über den Körper jagen lässt. Es wurde möglicherweise ein bisschen zu viel Ambition hineingenommen und am Diamanten ein klein wenig vorbeigeschliffen. Ein bisschen so, als nähme man die Glasur vom Schokoladekuchen. In diesem Sinne, nur sieben von zehn triefenden Sachertorten. Weil es aber schön ist, in Erinnerung vor allem auch an die früheren musikalischen Schätze dieser Band auch einmal ein übertrieben pathetisches, verliebtes Statement abzugeben: You’ve definitely got our love, Florence. 07/10 Lisa Schneider
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Schöner Lärm, betörende Stille, alles dazwischen und natürlich die obligate Ausnahme. Ausgewählt von Manuel Fronhofer.
Major Lazer Peace Is The Mission (Mad Decent)
Mainstream is the Mission Major Lazer can haz the Sound of Globalisation. Das funktioniert, ist aber nicht besonders spannend. Wir sind in Paris und besuchen unsere Freundin Charlotte. Die haben wir aber eigentlich in Spanien kennengelernt, Airbnb, do you remember, not long ago? Antonio war gerade von Kapstadt zurück und Yves hat seinen Israel-Urlaub extra unterbrochen und ist mit seiner chilenischen Freundin nachgereist (offene Beziehung). Und jetzt stehen wir alle vorm Eiffelturm und machen Fotos, aus denen wir ihn in Händen halten. We were bold and young, extrem glücklich und verbunden, weit gereist und gut vernetzt und wir hören »Lean On« von Major Lazer auf unseren I-Phones und wenn nicht wir, dann irgendwer, irgendwo, jetzt. Die erste Single von Major Lazers neuem Album »Peace Is The Mission« rangiert gerade auf Platz 1 der Spotify Global Top 50, das Video, in dem die edgy Dänin MØ, der französische DJ Snake, der megasüße Diplo und die anderen von Major Lazer indisch angehauchte Tänze darbieten, wurde auch schon mehr als 100 Mio. mal auf Youtube angeschaut. 2,57 Minuten dauert der Sound of Globalisierung, der heiße Scheiß, auf den sich alle einigen können, diese hervorragende Pop-Bombe. Sind Major Lazer jetzt also Mainstream? Jein, Major Lazer haben einfach gewartet, bis das, was sie immer gemacht haben, Mainstream wurde. Diplo, ein weißer amerikanischer Mann Ende 30, reiste dafür um die Welt, setzte ein paar sexistische Tweets ab, sammelte Sounds, Menschen, Bilder und große Emotionen und appropriierte, kuratierte und arrangierte sie. Auf »Night Riders« dürfen zum Beispiel Travis Scott, 2 Chainz, Pusha T und Mad Cobra (für den jamaikanischen Touch) zusammen auf einem Trap Beat herummachen. Tut niemandem weh. »Powerful« ist – wenn man Ellie Gouldings Interpretation von Singen ertragen kann – ein ganz guter Sia-Song, der Opener »Be Together« ft. Wild Belle ist sogar ein richtig guter. Der Rest hält das typisch Major Lazer’sche Reggae-Fusion-Programm bereit, zu dem man den internationalen Booty eh ordentlich shaken kann. Bei »Peace Is The Mission« wurde jedenfalls gut berechnet, austariert, abgeliefert und bedient. Dabei ist funktionierendes Konsumgut herausgekommen. 06/10 Amira Ben Saoud
\\GT// Beats Misplaced (Communicating Vessels) — Ob dieser Name eine gute Idee gewesen ist? Frag nach bei Google. \\GT// ist jedenfalls eine Art kleinster gemeinsamer Nenner für die US-Band rund um Songwriter und Frontman Scotty Lee, die auch schon als Green Teeth, als Get Tryin’ und als Ghost Traveler aktiv gewesen sein soll. Ihr Debüt »Beats Misplaced« ist ein von mal trägen, mal treibenden Gitarren getragenes Psych-Rock-Festspiel. Eines, das dezent dröhnt. Oscar Beautiful Words EP (Wichita) — Es ist nicht die schlechteste Assoziation, wenn einem bei dieser Musik der Name Jens Lekman durch den Kopf schwirrt. Der träumerische Bariton, die verspielte SchlafzimmerProduktion, die Leichtigkeit der Melodien bei gleichzeitig schwerem Herzen – Oscar Schellers Musik setzt auf viele Zutaten, die auch der Schwede so gekonnt zusammenführt. Mit ein bissl mehr Schmackes und gesampelten HipHop-Beats weiß sich der junge Londoner aber auch ein Stück von ihm abzusetzen. Teen Men Teen Men (Bar None) — Zwei Musiker, Nick Krill und Joe Hobson von der Spinto Band, und zwei bildende Künstler, Albert Birney und Catharine Maloney, gründen eine gemeinsame Band. Der »naive« Zugang zur jeweils anderen Kunstform bringt eine gewisse Unbekümmertheit zurück ins Spiel. Das klingt mit seiner luftig-leichten, psychedelischveranlagten Synth-Pop-Zärtlichkeit nach Sonnenuntergängen am Sandstrand, nach engem Tanzen unter der Diskokugel – sehr schön jedenfalls. Tame Impala Currents (Caroline) — Es wird eines der Alben des Jahres sein, da waren sich viele schon lange vor seiner Veröffentlichung sicher. Und ja, »Currents«, das entsprechend mit Erwartungen überfrachtete dritte Werk der Band rund um den begnadeten Eigenbrötler Kevin Parker, ist tatsächlich ziemlich großes Kino. Elektronisches dringt dabei weiter in den psychedelisch-vernebelten Kosmos des Australiers vor, ohne dass die feingeschichteten Klänge an orchestraler Wirkung einbüßen würden. Cry Baby Cry Baby [Single] (Fettkakao) — Das Wiener Label Fettkakao, Spezialist in Sachen DIY-Pop, hat knapp vor seinem zehnjährigen Jubiläum wieder was Neues am Start: Cry Baby. Drei Musikerinnen und ein Musiker, die teils auch in anderen Bands (Mopedrock, Goldsoundz, …) werken. Verspielte Tropicalia-Anklänge, Spurenelemente von quirlig-treibendem Punk, schön schräge Zwischentöne, ein gutes Gespür für nicht zu zuckrige Melodien und beim Gesang wechselt man sich ab. Nice!
Und außerdem natürlich:
Ezra Furman – Perpetual Motion People (Bella Union) Der ungestüme junge Mann im kleinen Schwarzen. Diesmal mit etwas Schubidu. Sleaford Mods – Key Markets (Harbinger) Neuer Stoff von den beiden Wutbürgern aus Nottingham. Fuck ’em all! Wolf Alice – My Love Is Cool (Dirty Hit) 90er-Grunge-Pop geht sich 2015 wieder sehr gut aus.
01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk
Neigungsgruppe Indie
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Jaakko Eino Kalevi Jaakko Eino Kalevi (Domino Records)
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Sleep Staatsakt (Hanseplatte)
Held der Straßenbahn
Dreams are my reality
Ein ehemaliger Tramfahrer aus Finnland macht auf Bryan Ferry. Das kann einfach nicht schiefgehen.
Ich lese Proust, Camus und Derrida. Andreas Spechtl baut der seine erste Soloplatte um die »Hauntology«Theorie auf. Kann man machen, muss man aber nicht.
Beim letztjährigen Waves Vienna flüsterte man sich seinen Namen noch als einen der Geheimtipps des Festivals zu. Eigentlich eine Schande, denn Jaakko Eino Kalevi – das sind übrigens die drei Vornamen des nach Berlin übersiedelten Finnen – ist alles andere als ein Newcomer. Seit mindestens 2001 veröffentlicht er schon Musik, nebenbei war er Tramfahrer in Helsinki. Und irgendwie hört sich diese Kombination unglaublich romantisch an. Bei seinen Songs haben davon vor allem die Texte profitiert: »No one cares about you and your things«, heißt es zum Beispiel in »Deeper Shadows«. Tramfahrer-Romantik eben. Jaakko bleibt dabei, passend zu den kühlen Basslines, immer in den tieferen Stimmlagen und erinnert an Bryan Ferrys verführerischen Gesang – in einer etwas verträumteren Ausprägung. Für eine Handvoll Songs unterstützt ihn eine Sängerin, namentlich Sonja Immonen, die sich perfekt in die gelassene Atmosphäre des Albums einfügt. Weiters spielt Jorja Renn, die übrigens auch bei Ferry unter Vertrag steht, auf zwei Stücken Saxofon. Neben dem Gesang herrschen in den Songs die Synthesizer vor. Mal klingt das nach verhalltem Glockenspiel, mal breitet der Finne Soundflächen damit aus. Den Großteil des Albums macht jedoch ein zarter Disco-Einfluss aus – fast immer tanzbar und nie so übertrieben, dass er als Abklatsch abgetan werden kann. Jaakko bewerkstelligt das durch diese gewisse Coolness, die sich durch alle zehn Tracks zieht. Keine übertriebene Produktion, nur eben mal ein Saxopfon oder eine schreiende Gitarre, um die Synthesizer zu unterstützen. Das Album macht vieles richtig und kann Jaakko Eino Kalevi den Durchbruch bringen, zumindest dürfte er damit über die Grenzen Finnlands hinaus Aufsehen erregen. Im zugegeben schon etwas abgeebbten Fahrwasser von Giorgio Moroder oder eben Daft Punks letztem Album macht es sich Jaakko Eino Kalevi gemütlich. Er holt das Genre in wohltemperierte Clubs, wo es um die Musik geht und wo man auf bedachte Bewegungen setzt, um seinen Tanzpartner zu umwerben.
Sie sind jetzt alle ein bisschen solo unterwegs. Um die gescheiteste Band des Landes muss man sich aber keine Sorgen machen. Sebastian Janata ist ein Worried Boy und Andreas Spechtl – Mastermind von Ja, Panik und Sexiest Man Alive – jetzt ganz alleine. Aber eh schon vorher ohne BurgenlandConnection unterwegs, mit Christiane Rösinger, mit den Türen. Im Vorjahr gab’s sogar eine Falco-Single. Im famosen »Au Revoir« vom aktuellen Ja, Panik-Album »Libertatia« fantasierte Spechtl noch mit dem Gedanken, als Ondrasek im Darknet Pässe zu checken. Jetzt ist er tatsächlich ins Allerdunkelste abgetaucht, unter dem Projektnamen Sleep dreht sich – nomen est omen – lyrisch alles um Schlaf und Traum. Dreams are my reality. La Boum – Die Fete. Und das geschieht fernab von allem, was Ja, Panik sonst so ausmacht, ist die völlige Abkehr vom Altbekannten. Es bleibt die warme, manchmal stark verfremdete und bloß englische Stimme, die meist somnambule Mantren wiederholt und die Hohlräume in der Musik ausstopft. Musik, die stark dem ursprünglichen Derrida'schen »Hauntology«-Begriff verbunden ist und eigentlich das europäische Heraufbeschwören und Besessensein von Geistern der Vergangenheit meint. Für die Poptheorie ist »Hauntology« musikalisch vor allem gespenstisches Knistern, Echos und gebrochene Rhythmen. Burial, Tri-Angle, Oneohtrix Point Never. Nun auch Sleep. Spechtl generiert seine vielfältigen Knacksereien aus Field Recordings. Natur und Industrie, drinnen und draußen, auch Gesprächsschnipsel. Die wenigen Gitarren verlieren sich in Entfremdung, die wenigen guten Melodien verenden leider mehr oder weniger in Fadesse oder jazzigem Nonsense. Metaphysisch ist »Sleep« tatsächlich eine Weiterentwicklung vor allem zur letzten Ja, Panik-Platte. Da will einfach jemand, der mehr für deutsche Texte getan hat als fast jeder andere, mal etwas anderes machen, fernab vom konstruiertem Druck der Öffentlichkeiten. Dass da nur das letzte Stück »Jinja Nights« halbwegs gut ist, ist die andere Sache. Einschlafen kann man dazu aber bestimmt sehr gut. 04/10
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Und anderes Musikalisches dazwischen und darüber hinaus. Kuratiert (ha!) von Amira Ben Saoud. Nicolas Jaar Nymphs II (Other People) — Circa 15 Minuten neue Musik erhalten wir mit »Nymphs II« von Nicolas Jaar, der sich 2011 mit dem Debütalbum »Space Is Only Noise« in die Herzen musikverliebter Komparatistikstudenten und zartbesaiteter Philosophen gespielt hat. Die neue akademische Viertelstunde klingt wie das Wesen von Nymphen selbst ist: zart und ephemer. Ein bisschen Weltschmerz, Tristesse – immer noch wichtige Zutaten von Jaars Musik, von der wir gerne noch mehr hätten.
Georgia Georgia (Domino)
Grime Grrrl Hier will jemand seine eigene Version von Dance Music voranbringen. Das gelingt, hookt nur nicht immer. Was in den Clubs in London gerade angesagt ist, hat es abseits der Insel nicht immer leicht. In diesen Breiten sind Techno, Saxofon und Melodien oft beliebter als transatlantische Sounds. Viele Beats bleiben deshalb etwas für Liebhaber. Grime, 2 Step oder UK Bass erging es so. Wer sie live hören und sehen will, muss ins Zillertal oder an die kroatische Küste fahren, wo englische Festivaltouristen manchmal ganze Dörfer übernehmen. Wenn also eine blutjunge Britin mit Club-Tracks ankommt, die nicht einmal echten Club-Tracks sind, könnte es also gut sein, dass sie hier ein Geheimtipp bleiben. Was einen nicht davon abhalten sollte, Freunde mit Georgia zu nerven. Man könnte dann beim Unspannendsten anfangen, der Produktion. Klar, Georgia Barnes ist die Tochter von Leftfield. Da lernt man das im Kinderzimmer. Oder man lernt Schlagzeug. Trotzdem schön, wenn die Kinderstube solche kristallinen, klaren Tracks hervorbringt. Wer glaubt, dass Papa dabei viel nachgeholfen hat, muss sich nur zwei Tracks anhören, um zu wissen, dass Georgia in ganz anderen Clubs, mit anderen Grooves, anderen Aggregatszuständen aufgewachsen ist. Geschrieben, gespielt und aufgenommen hat sie das ohnehin selbst. Es sollen zwei aufreibende, obsessive Jahre gewesen sein. Sie hat nebenher an der School of Oriental and African Studies Musik studiert. Man kann Einflüsse hören. Wenn man es nicht wüsste, vermutlich aber auch nicht. Die Stimme fällt ab. Katy B und Ellie Goulding wissen doch besser, wie man eine Hook schreibt, die auch hookt. Dabei hat Georgia nicht einmal Angst vor eingängigen Refrains oder Melodien. Sie stottern nur immer wieder und blühen nicht richtig auf. Die Stärken des Albums liegen darin, wie dicht es ist und wie stringent. Hier will jemand seine eigene Version von Dance Music voranbringen. Das gelingt auch, es klingt tatsächlich frisch. »Georgia« ist nur noch nicht so ausformuliert, dass es als Blaupause für andere dienen kann. Verschmerzbar und kann definitiv noch kommen. 07/10 stefan Niederwieser
The Internet Ego Death (Odd Future / Sony) — The Internet machen Musik zwischen Jazz, Soul und R’n’B – von der Herangehensweise sehr klassisch und geradlinig, dem Sound hört man seine Aktualität trotzdem an. Keine unnötigen Spielereien – die wundervolle Stimme von Syd tha Kyd umschmiegt die warmen Beats und führt den Weg. Am neuen Album dürfen auch Gäste wie Janelle Monae, James Fauntleroy oder Tyler, the Creator, Chef des gemeinsamen Kollektivs Odd Future, ran. Ta-Ku Songs To Make Up To (Ep / Fool’s Gold) — Dass es Musik wie die von Ta-ku braucht, weil manche Menschen gerne etwas hören, während sie Liebe machen, ist nur die halbe Wahrheit. Natürlich sind die sinnlichen Produktionen des Australiers mehr als nur Hintergrundmusik für Sex. Sie sind viel eher Vordergrundmusik für richtig guten Sex. Ob es wie auf dem Vorgänger um Break-ups geht oder wie auf »Songs To Make Up To« ums Vertragen – man halte das Bett in Reichweite. Crack Ignaz Kirsch (Melting Pot) — Auch wenn man der »König von den Alpen« ist, muss man irgendwann einmal ein Album machen, weil »ein fescher Motherfucker« zu sein auf Dauer nicht reicht. »Kirsch« wird nicht nur den Core-Fans des Salzburgers den Sommer versüßen, Scharen von neuen Jüngern werden den Teig in die Luft werfen, während sie den Rembrandt anschauen. Wer das nicht versteht, höre schnell in »Gustav Klimt« rein, eines der Highlights des Albums. Swag, Swag, Swag. Bobby Raps & Corbin Couch Potato (Free EP) — Mit dem Video zu »Without You« ist es Spooky Black gelungen, einen unglaublichen Hype aufzubauen – aber eigentlich ist es seine außergewöhnliche Stimme und die Art von R’n’B, die er mit ihr macht, die die Leute bei der Stange hält. Jetzt heißt Spooky Black zwar Corbin, hat aber nichts an Glanz und Gloria verloren. Zusammen mit MC Bobby Raps gibt’s die 7-Track-EP »Couch Potato« gratis auf Bandcamp und trotz Slacker-Titel klingt sie sehr ambitioniert.
Und außerdem natürlich:
Willow – F Q-C #7 (Rocnation) Deine Selbstverwirklichung ist nichts gegen die von Willow. Made In Heights – Without My Enemy What Would I Do (Self-Released) Würde man auf einer New Yorker Atelier-Party spielen. Giorgio Moroder ft. Sia (Salute Remix) – Déjà Vu (Self-Released) Salute, Garant dafür, dass der Remix immer besser ist als der Song.
01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk
Pop, Bass, Hop
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Argentinierstraße 30a, 1040 Wien
DanIel Kahn & The PaInTeD BIRD: "BaD OlD SOngS"
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(K)ein Shooter für Kinder
BILD Nintendo
Nintendo bringt mit »Splatoon« kindgerechte Action auf die Wii U. Spaß allein und zu mehrt ist garantiert – mal sehen, wie lange der anhält. »Splatoon« versteht sich als gewaltfreies Actiongame und setzt auf Spielelemente, die klassischen 3rd-Person-Shootern entlehnt sind. Nur wird hier nicht geschossen, sondern gemalt. Beziehungsweise angemalt, mit Farbspritzkanonen unterschiedlichen Kalibers und überdimensionierten Farbrollen. Schon im Einzelspieler-Modus macht das Freude. Es gilt sich durch Level zu malen, Gegner mittels Farbe zu eliminieren und kleinere Aufgaben (Schlüssel finden) zu lösen, um zum jeweils nächsten Abschnitt zu gelangen. So richtig dreht »Splatoon« aber erst als Multiplayer auf, wo Gegner in fast klassischen Modi auch online in Teams gegeneinander antreten können. Aber eben nur fast. Denn einerseits erinnern diese zwar an E-SportModi, wenn es etwa darum geht, mit dem eigenen Team und der eigenen Farbe mehr Spielfläche zu bedecken als der Gegner, andererseits ist aber die direkte Konfrontation nicht da. Gegner werden nicht ausgeschalten. Das macht schon einen Unterschied, auch wenn die Action trotzdem schnell und willkommen kompetitiv ist. Nur kurz gewöhnungsbedürftig ist die Steuerung, die mitunter nicht nur über die beiden Sticks funktioniert, sondern die Bewegung und Neigung des Pad-Controllers miteinbindet. Hier kommt es in den ersten Minuten zu ein bisschen Chaos, da das Spieltempo durchaus hoch ist. Mittelfristig wichtiger ist die Frage, wie lange »Splatoon« fesselt. Denn der Single-Player ist – nicht ganz unähnlich modernen OnlineShootern – nicht all zu lange. Und auch im Multiplayer ist noch nicht ganz klar, ob der schnelle Spielspaß sich in Spieltiefe umsetzen lässt und das schnelle Match zwischendurch auch nach ein paar Wochen noch reizt. Für den Start aber ist Nintento eine Marke und ein Spiel gelungen, das man so noch nicht kannte. Auch wenn »De Blob« das Spiel mit den Farben bereits beherrscht hat und die unzähligen Lego-Games schon vorgemacht haben, wie man ErwachsenenThemen kindgerecht aufbereiten kann. »Splatoon« bietet Spielern unterschiedlichsten Alters einen tendenziell flotten Einstieg und Spielspaß, der sich auf unterschiedliche Weise allein oder zu mehrt genießen lässt. Martin Mühl
»Splatoon« (Nintendo); Wii U; splatoon.nintendo.com 057
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TEXT Franz Lichtenegger BILD Christoph Niemann, Cristiano Corte, Marcos Morilla / LABoral Centro e Arte y Creación Industrial, Matthias Bildstein, Assunta Abd El Azim Mohamed, Zhanna Kadyrova, Cao Fei
Diese animierten Google-Logos zum Beispiel, die sind von Christoph Niemann. Außerdem macht er noch Werbekampagnen, Apps, Cover, Texte, Kinderbücher – eigentlich eh alles, und das auch noch richtig gut. Vor allem sein Schmäh macht ihn zu einem der gefragtesten Grafiker weltweit. Unterm Strich ist er ein ziemlich talentierter Typ, weshalb seine Ausstellung im MAK wohl auch so heißt: »Unterm Strich«. Eröffnung: 30. Juni, 19.30 Uhr; Dauer: 1. Juli bis 11. Oktober Wien, MAK
Christoph Niemann
TERMINE KULTUR
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TERMINE
KULTUR
TEXT Franz Lichtenegger BILD Christoph Niemann, Cristiano Corte, Marcos Morilla / LABoral Centro e Arte y Creación Industrial, Matthias Bildstein, Assunta Abd El Azim Mohamed, Zhanna Kadyrova, Cao Fei
Cathy Wilkes Stoffe, Handtücher, Schalen, Teller und Kekse. Das sind die alltäglichen Gegenstände, die die britische Künstlerin Cathy Wilkes gerne mal mit ihren lustigen Puppen verbindet. Im Lentos gibt›s den Sommer über ihre bislang umfassendste Ausstellung. Das sieht dann oft so aus: Eine Figur kauert über einer Flasche, die anderen – eine davon eine Braut – stehen um sie herum und schauen zu. Das pure Leben. Eröffnung: 2. Juli, 19.00 Uhr; Dauer: 3. Juli bis 4. Oktober Linz, Lentos
Inés Lombardi Die vergangenen fünf Jahre stehen im Mittelpunkt von Inés Lombardis Einzelausstellung in der Kremser Kunsthalle. Vor allem die brasilianische Moderne und Landschaftsarchitektur war für die aus São Paulo stammende Wahlwienerin seit jeher ein allgegenwärtiges Thema. Damit das alles ein rundes Bild ergibt, muss man sich aktiv durch den Ausstellungsraum bewegen und Bewegung ist bekanntlich immer gut. Eröffnung: 18. Juli, 18.00 Uhr; Dauer: 19. Juli bis 18. Oktober Krems, Kunsthalle
Schlawiener Ein Schlawiner ist laut Duden ein besonders schlauer und pfiffiger Mensch. Ein Schlawiener hingegen ist ein besonders schlauer und pfiffiger Wiener. In diesem Fall sind es sogar 19 Schlawiener, die in einer Gruppenausstellung junge Kunst aus Wien präsentieren. Und weil das alles so wunderbar frech und zwanglos ist, kann man auch schon mal mit Kuli malen. Ach, die Jugend von heute. Vernissage: 25. Juni, 19.00 Uhr; Dauer: 26. Juni bis 1. August Wien, Loft 8
Ernesto Neto Während in der Kunsthalle Krems eine Retrospektive der bisherigen Arbeiten von Ernesto Neto gezeigt wird, bekommt man in Wien die aktuelleren Werke des Brasilianers zu sehen. Entstanden sind diese in Kollaboration mit Schamanen des amerindischen Huni-Kuin-Volkes. Dementsprechend wird moderne Kunst nicht nur mit Traditionen und Ritualen, sondern auch mit Pfeffer und Lavendel vermischt. Dauer: 25. Juni bis 25. Oktober Wien, TBA21
Zhanna Kadyrova Zhanna Kadyrova ist eine dieser Frauen, die handwerklich wirklich was draufhaben. Für ihre Skulpturen verwendet sie bevorzugt Dachziegel, Fließen, Asphaltstücke und Beton. Wie gut Ziegelorangen tatsächlich schmecken sei mal dahingestellt. Das hält sie jedoch nicht davon ab, damit den ein oder anderen kritischen Kommentar gegen die die politische Lage in ihrer Heimat, der Ukraine, abzufeuern. Dauer: 27. Juni bis 22. August Innsbruck, Kunstraum
Cao Fei Die chinesische Multimedia-Künstlerin Cao Fei verknüpft Videokunst mit 3DAnimationen und nutzt auch die Möglichkeiten von Virtual-Reality-Welten. Mit ihrer bislang umfassendsten Arbeit, »RMB City« (2008–2011), hat sie eine komplexe virtuelle Stadt voller ikonenhafter Architekturen auf der Internetplattform »Second Life« konstruiert. In der Secession stellt sie Video-Installationen und großformatige Fotografien aus. Dauer: 2. Juli bis 30. August Wien, Secession 059
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META & FOSE PRESENT POOLBAR // FESTIVAL
Foto: Daniel Gottschling
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Aloe Blacc Patrice Dillon Theophilus London Wanda William Fitzsimmons Charlie Winston Kele (live/Bloc Party) Colour Haze Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi Darwin Deez Olympique Dorian Concept Etienne de Crecy King Khan & The Shrines HVOB The Menzingers Jack Garratt Jaguar Skills Elektro Guzzi James Hersey Roosevelt My Sleeping Karma Mother´s Cake M185 Cid Rim Wandl Maschek Hayden James Intergalactic Lovers The Hirsch Effekt u.v.a.
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Festival für Kulturelles von Nischen bis Pop
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Foto: Daniel Gottschling
Termine
Galerien
DIE SONNE SCHEINT DIR AUS DEM ARSCH, ICH MACH DIR EIN SUNBLOCKERKLISTIER.
Paul Horn, Bunker no 19, mixed media object
Cameron Platter, Burger 2015
Send A Sign From Below …
Cameron Platter – Hungry
Kein Zeichen von oben? Einseitige Kommunikation »Yeah Baby, Lemme See You Hungry.« Hungry ist im öffentlichen Leben ist das Thema – vielseitige eine Ausstellung mit neuen großflächigen Bildern Herangehensweisen der Pluspunkt dieser Grup- – teilweise direkt auf der Galeriewand und vorausgepenausstellung ungarischer Künstler. Paul Horn henden Arbeiten wie Skulpturen und Collagen. Der verbannt bekannte Redner in einen Bunker – die, Südafrikaner thematisiert Konsum, Exzess, Identität die sonst auf ein Podest gehoben werden, spre- und Gewalt in seinen bunten symbolhaften Werken. chen bei ihm aus einem Betonkasten. Hilda Kozári Cameron Platter ist kein Unbekannter – seine Bilder setzt sich mit Sprachlosigkeit und Codes von Min- sind Teil einer Dauerausstellung im MOMA in New derheiten auseinander und kreiert dabei Werke mit York und wurden von New York Times und dem Wall Brailleschrift, einer Schrift für Sehbehinderte. Die Street Journal besprochen. Alle Kunsthungrigen Künstlergruppe Default Protective entwickelt mit- sollten seine aktuelle Ausstellung »Hungry« in der tels Infografiken Zeichensysteme als Gebrauchs- Hilger Next Galerie nicht verpassen. bis 12. Sepanweisung für Glück und Unglück. bis 29. August tember Galerie Hilger Next, Wien Knoll Galerie Wien
TEXT Yasmin Vihaus BILD Knoll Galerie, Cameron Platter / Galerie Ernst Hilger
Kärnten
Silvano Rubino – Stasi Neutrale Kunstraum Walker, Klagenfurt bis 30. September Shoeting Stars Stadtgalerie, Klagenfurt bis 11. Oktober
Niederösterreich
Károly Klímó, Ilse Gewolf – Texte in der Malerie Gut Gasteil, Prigglitz bis 23. August
Oberösterreich
Entre.Sculptures Galerie Maerz, Linz bis 31. Juli
Salzburg
Iris Andraschek / Stefanie Moshammer Fotohof Salzburg bis 1. August
Steiermark
Touching Reality Galerie Zimmermann Kratochwill, Graz bis 11. Juli
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Tirol
Anders leben. Luxus der Einfachheit FO.KU.S, Innsbruck 20. Mai bis 25. Juli
NUR WEIL DU HUGO SAUFST, BIST DU NOCH LANGE KEIN BOSS, DU KLEIDERBAUER!
HASS
IN 17
SILBEN
Vorarlberg
»Leben mit Kunst« im Rahmen der Art Bodensee Messe Dornbirn 10. bis 12. Juli
Wien
Mario Giacomelli – Gegen die Zeit Galerie Westlicht bis 9. August Busk – Look At Me Now Inoperable Gallery bis 29. August America, America Anzenberger Gallery bis 31. Juli Tamuna Sirbiladze – Give Me A Break Galerie Kunstbüro bis 17. Juli Zipped Worlds Galerie Photon bis 25. Juli
www.milena-verlag.at
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TERMINE
FESTIVALS
7 Fragen an Josef Resch (Innsbrucker Tanzsommer) Gibt es heuer einen Schwerpunkt? Nein. Dies hieße Einengung. Tanz ist frei. Wir wollen einfach Spannendes bieten. Und wie viele Menschen erwartet ihr euch? Mit allen Veranstaltungen – auch jenen in den Bezirken und dem Summer Camp – an die 40.000. Davon sind wie viele weibliche Gäste dabei? Das Tanzpublikum ist mehrheitlich weiblich. Männer werden häufig »mitgenommen«. Was hat sich beim Tanzsommer verändert? Er sucht den öffentlichen Raum – dies ist die größte Bühne. Ist es Absicht, dass die Geschlechter bei den Performances getrennt auftreten? Ausschließlich weibliche oder männliche Darsteller ist nur eine Facette. Die Welt des Tanzes ist bunt. Fast alles ist möglich und gewünscht. Der Tanzsommer ist ein Spiegel der tänzerischen Realitäten. Konkret: Es war nicht Absicht, es ist Zufall. Die technischen Möglichkeiten werden immer größer. Inwiefern färbt das auf den Tanzsommer ab? Welche Neuerungen sind entstanden? Diese Möglichkeiten sind atemberaubend. Ab 2015 steht uns durch Umbauten in der Dogana eine neue Bühne zur Verfügung. Breite 22 Meter, Tiefe bis 20 Meter. Ab 2016 wird das Publikum im 2. Stock des Hauses die Dogana betreten und eine steile Tribüne mit Bühne im Erdgeschoß vorfinden. Somit hat jeder Gast 100 % Einsicht auf das Bühnengeschehen. Besser geht es nicht. Wie viel kostet ein derartiges Event und wie wird es finanziert? Mehr als die Hälfte der Kosten trägt das zahlende Publikum. Stadt, Land, Tourismus sowie Sponsoren übernehmen die Differenz. Neid ist in unseren Breiten ein schlimmes Laster, daher erspare ich Ihnen genaue Ziffern – und mir sinnlose Diskussi onen. Der Tanzsommer Innsbruck findet von 18. Juni bis 8. Juli in Innsbruck und Umgebung statt.
Wenn man Leute mit Gaffer einwickelt, tanzen sie viel lustiger. Zu sehen beim famosen Impulstanz.
Impulstanz Im Sommer wird besonders gern getanzt. Zumindest in Österreich. Dabei ist das Impulstanz das größte und bekannteste der Hüpf-, Spring- und Ausdrucks-Festivals. Es schenkt österreichischer Choreografie besondere Aufmerksamkeit. Schuhplattler Simon Mayer oder Doris Uhlich sind beide dabei. Bastardkunst sei das, was in Östereich oft passiert. Zwischen bildender Kunst, Tanz, Performance und sogar Architektur. Da passt es, dass sich mehrere Projekte mit dem Wiener Aktionismus auseinandersetzen. »Fuckmegunterbrusbrusguntermefuck« ist etwa der schöne Titel eines Projekts von Miguel Gutierrez. Im Vestibül wird wieder gefeiert, bis die Sonne raus ist. Und neben bewährten Wiener Spielstätten werden heuer auch verstaubte Museumstrakte und die Grelle Forelle zu Schauplätzen für zeitgenössischen Tanz. Gleich drei Museen öffnen ihre Pforten: Weltmuseum, Mumok und 21er Haus. Auch hier wird sich zwischen performativer und bildender Kunst ausgetauscht. 16. Juli bis 16. August Wien, diverse Locations
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TERMINE
FESTIVALS Wie mit Freunden kochen, nur auf LSD. So kann man sich »Deep Dish« von Liquid Loft vorstellen.
50 Prozent Frauen hatten die beiden Popfest-Kuratoren Electric Indigo und Trishes in ihrem Programm angekündigt. Wenn man die Acts mit und ohne Männern vergleicht, ist es sogar noch deutlich mehr geworden. Schwerst Respekt dafür.
Sommerszene Salzburg
Ars Electronica
Seit 1979 wird beim Ars Electronica versucht, Kunst, Technologie und die Gesellschaft zu verbinden. Mittel dafür sind Symposien, Ausstellungen und Konzerte. Es geht um Ursache und Wirkung, innovative sowie bahnbrechende Ideen. Festgelegte Formate gibt es dabei keine, ein gesellschaftlicher Nutzen ist jedoch erwünscht. Den bringt das Medienkunstfestival, welches sich selbst als Arbeit in und mit Öffentlichkeit versteht, aber automatisch mit sich. Unter dem diesjährigen Titel »Post City« zeigt das Event den 40.000 Besuchern, wie Städte der Zukunft aussehen können. 3. bis 7. September Linz, Postverteilerzentrum am Hauptbahnhof
Wenn es um die Herstellung von Natur und die Komposition des Augenblicks geht, wenn außereuropäische Positionen mit politischen Inhalten abgehandelt und temporäre Räume aus Körpern der Künstler geschaffen werden, könnte die Sommerszene Salzburg ihre Finger im Spiel haben. An zehn Spielorten werden Tanz- und Theatergastspiele sowie performative Arbeiten und Installationen stattfinden. Dabei wird das künstlerische Talent von Salzburger Gruppen – alles Premieren und in Koproduktion mit der Szene Salzburg entstanden – in den Vordergrund gestellt. 23. Juni bis 4. Juli Salzburg, diverse Locations
TEXT Alexius Baldissera BILD IMEKA, Chris Haring, Max Alberti
Herzen mit den Händen formen ist für Anfänger. Sara Lugo ist keine Anfängerin.
Kino unter Sternen
Den Lieblingsfilm kostenlos unter klarem Sternenhimmel genießen? Die Mutter der Wiener Open-AirKinos bietet allen Filmliebhabern und Hobbystreamern genau das. Dabei reicht das Spektrum von österreichischer Filmschau mit Endzeit-Fantasien und Amokläufen über den thematischen Schwerpunkt Doppelgänger bis hin zu Filmklassikern von Regisseurinnen und Regisseuren im Exil. Die TU Wien verschönert das Programm zusätzlich mit Science-Fiction-Nächten. Und das bei jedem Wetter. Da kann der Weltuntergang getrost warten. 26. Juni bis 18. Juli Wien, Karlsplatz
Glatt und verkehrt
Afrika-Tage Am 31. Juli wird es wieder bunter in Wien. Grund dafür sind die Afrika-Tage, die zum elften Mal die Donauinsel mit Esprit, Musik, Tanz, Schmuck, Gewürzen und vielen Künstlern in einen farbenfrohen Ort verwandeln. Neben der Vitalität der afrikanischen Kultur und dem Programmpunkt Kamelreiten geht es in Vorträgen und Lesungen aber auch um Probleme am Mutterkontinent und die Förderung von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. So oder so, Afrika bewegt uns. 31. Juli bis 16. August Wien, Donauinsel
Bald heißt es wieder »Schiff Ahoi«. Denn das 19. Kremser Musikfestival lädt erneut zu einer musikalischen Donau-Schifffahrt auf dem Dampfschiff Schönbrunn durch die Wachau ein. Dabei darf es an Konzerten und natürlich Wirtshäusern und Heurigen nicht fehlen. Unter dem Titel »Am Strand von Belgrad« widmet man sich dabei der Musikszene Serbiens – die für rasante Blasmusik, flotte Akkordeon-Melodien im Balkan-Gewand und feuchtfröhliche A-Cappella-Gesänge steht. Prost und Mahlzeit! 3. bis 5. Juli Wachau und Umgebung (Krems-Stein, Oberfucha, Aggstein) 063
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MUSIK
Tocotronic geben sich gelassen. Auf Platte und live gibt’s dafür große Gefühle.
Tocotronic Nach 20 Jahren im Geschäft ist es kein Wunder, dass Tocotronic für viele ihrer Fans unter »Die Band meiner Jugend« firmieren. Und dass die Hits von früher bei Konzerten die größeren emotionalen Anknüpfungspunkte bieten. Dabei wäre nichts falscher, als die Qualität ihrer jüngeren Releases in Abrede zu stellen. Gutes Beispiel: das Anfang Mai erschienene aktuelle Album, durch das sich die Liebe als roter Faden zieht – Zärtlichkeit, Solidarität, Sexualität. Die Musik zu Dirk von Lowtzows metaphernreichen, sanft vorgetragenen Lyrics lässt dabei mehr Pop und Folk zu, als man es bislang von Tocotronic gekannt hat. Sehr schön jedenfalls und ein Beweis für die Entwicklungsbereitschaft dieser Band. 19. Juli Wien, Arena
30.sep.– 4.oct.2015 Tickets in allen Raiffeisenbanken in Wien und NÖ sowie auf ww.ticketbox.at! Ermäßigung für Raiffeisen Kontoinhaber.
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Frisuren, die bei jedem Wetter halten – Fijuka beherrschen die große Kunst der Inszenierung.
Popfest Die große Leistungsschau heimischer Popmusik beschert dem Wiener Karlsplatz Jahr für Jahr einen Menschenauflauf, dem nicht viel zum Volksfest fehlt. Kuratiert haben heuer Susanne Kirchmayr aka Electric Indigo und Stefan Trischler aka Trishes. Im Programm macht sich die spezielle Expertise der beiden – Elektronisches und HipHop – bemerkbar, ohne dass anderes ausgeblendet würde. Und das bei vorbildlicher, fast ausgeglichener Geschlechterverteilung. Mit dabei: 5/8erl in Ehr’n feat. Fiva, Attwenger, Clara Luzia, Dorian Concept, Dubblestandart feat. Lee »Scratch« Perry, Fijuka und und und. 23. bis 26. Juli Wien, Karlsplatz
TEXT manuel Fronhofer BILD Michael Petersohn, Clemens Schneider, Clemens Fantur, Søren Solkær, Siggi Eggertsson, Skalar Entertainment, Domino Records
TERMINE
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TEXT manuel Fronhofer BILD Michael Petersohn, Clemens Schneider, Clemens Fantur, Søren Solkær, Siggi Eggertsson, Skalar Entertainment, Domino Records
Kunsthalle Wien
TERMINE
MUSIK
Prater Unser
Cid Rim
Die große Elektronik-Sommersause im Prater geht in die sechste Runde. Platz hat auch heuer wieder vieles – von Techno bis House, von Broken Beats bis HipHop. Zu hören und sehen sind: Attila, Cid Rim, Einzelkind, Francesco Tristano, Magic Mountain High, Oskar Offermann, Pablo Mateo, Penrose Riots, Ptaki, Suff Daddy, The Clonious, XDB, Zanshin und viele mehr. 3. bis 4. Juli Wien, Pratersauna
Harvest Of Art
Belle & Sebastian
Die beiden Überflieger der heimischen Popmusik, Bilderbuch und Wanda, an einem Abend auf der selben Festivalbühne. Noch dazu auf einer der sympathischsten, die das Land zu bieten hat. Neu adaptiert hat man das Gelände in Wiesen überdies. Und dass sich beim Harvest Of Art auch noch die charmanten Schotten von Belle & Sebastian die Ehre geben – nicht schlecht! 10. Juli Wiesen, Ottakringer Arena
Poolbar
Dillon
Karlsplatz FUNCTION FOLLOWS VISION, VISION FOLLOWS REALITY 27/5 – 23/8 2015 #Vision
Essenziell für Musikliebhaber im Westen des Landes: die Poolbar mit ihrem dichten Festivalprogramm. Heimisches wie Wanda, Elektro Guzzi, M185, Wandl, Dorian Concept und HVOB ist dabei natürlich ebenso vertreten wie Gefeiertes von internationaler Provenienz. Heuer etwa Theophilus London, Darwin Deez, Aloe Blacc, Dillon, Étienne de Crécy und Kele. 10. Juli bis 15. August Feldkirch, Altes Hallenbad
Beat The Fish
Snoop Dogg
Die neue HipHop-Konzertreihe Beat The Fish geht gleich mal in der Deluxe-Version vom Stapel: mit Snoop Dogg als Headliner und als Open Air in der Arena, wo ja kurz davor auch das Hip Hop Open mit A$ap Rocky stattfinden wird. Gute Tage für einschlägig Interessierte also. Zugezogen Maskulin sind als einer der Support-Acts fixiert. Ersatz für den kurzfristig ausgefallenen Pusha T wird noch gesucht. 22. Juli Wien, Arena
Bonnie »Prince« Billy Es ist nicht leicht, den Überblick über Will Oldhams Output zu behalten. Mehr als 20 Alben, den Großteil als Bonnie »Prince« Billy, hat er bereits rausgehauen. Stets in überzeugender Ausführung: Folk und Country, schwarzhumoriger Schabernack und waidwundes Leid. 23. Juli Dornbirn, Conrad Sohm — 24. Juli Sittersdorf, Acoustic Lakeside — 25. Juli Wien, Arena — 26. Juli Linz, Rosengarten am Pöstlingberg
Soko
Danny Brown
Sun Kil Moon
Nach ihrem ausverkauften Flex-Konzert im März ist die Französin nun erneut in Wien zu sehen. Im Reisegepäck: »My Dreams Dictate My Reality«, ihr aktuelles, von 80er-Indie-Sound in dezenter Goth-Tönung geprägtes Album. Wegen der großen Nachfrage wurde das Konzert vom B72 ins Wuk verlegt. 13. Juli Wien, Wuk
Eine der auffälligsten Zahnlücken des HipHop gibt es bald auch in Wien zu begutachten. Danny Brown hat mit seinem dritten Album »Old« nicht nur bei den Kritikern, sondern auch beim Publikum punkten können. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart des Genres schlägt er darauf mühelos eine Brücke. 14. Juli Wien, Wuk
Unter dem Pseudonym Sun Kil Moon hat Mark Kozelek (Red House Painters) zuletzt ein sehr gutes und ein okayes Album veröffentlicht. Äußerst persönliche Songwriter-Musik, die leider durch Kozeleks immer wieder fragwürdigen öffentlichen Umgang mit anderen Menschen ein wenig beschädigt wird. 3. August Wien, Arena
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Luca Trevisani, As though repetition can legitimize the act, 2014, Foto: Jan Windszus, Courtesy Mehdi Chouakri, Berlin, © 2014 Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien
„Function follows vision, vision follows reality” war ein Leitmotiv von Friedrich Kiesler (1890–1965), der mit seiner Theorie des Correalismus bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts die interdisziplinäre Arbeitsweise heutiger Künstler/innen antizipierte. Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien Karlsplatz rückt Kieslers Interesse an innovativen Formen der Präsentation von Kunst ins Zentrum, schafft vor allem aber über Werke zeitgenössischer Künstler/innen ein Setting, das Ideen des visionären Gestalters aufgreift und in die Gegenwart übersetzt. Künstler/innen: Friedrich Kiesler & Leonor Antunes, Olga Balema, Céline Condorelli, Morton Feldman, Annette Kelm, Charlotte Moth, Francesco Pedraglio, Luca Trevisani, Nicole Wermers
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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.
Mutter ist noch immer auf der Eins
illustration Jakob Kirchmayr
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ird jemand im Rahmen eines Interviews gefragt, was denn die größte persönliche Schwäche sei unter der er zu leiden habe, liest man nicht selten als Antwort: »Ich bin ein bisschen ungeduldig«. Das ist sozial sehr erwünscht und – so hat mir ein befreundeter Recruiter und Humanressourcenmanager erzählt – auch bei Vorstellungsgesprächen eine beliebte Antwort. Wer über sich behauptet, ein ungeduldiger Zeitgenosse zu sein, will Macher- und Checkerqualitäten suggerieren und als endgeiler Mover and Shaker dastehen, der nur eine Richtung kennt: die nach oben. Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte, ist nicht angesagt in diesen Kreisen. Aber die gute Nachricht: Die Antwort bringt nicht mehr viel – erklärte mir zumindest mein Bekannter – weil sie derart inflationär verwendet wird, dass die Herren und Damen Job-Interviewer sich kopfschüttelnd heimlich ins Fäustchen lachen und still denken: »Was für eine einfältige Pfeife.« Früge man mich nach meiner größten Schwäche, antwortete ich wohl ehrlich: »Ich treibe meine Umwelt mit Witzelzwang und dämlichen Kalauern in den Wahnsinn. Fragen Sie mich jetzt bitte was anderes.« Wenn die Vorstellungsgesprächheinzis dann ihren Fragenkatalog durchgehen und z.B. Dinge wie »Was wollen Sie Ihrem Kind nicht vererben?« von mir wissen wollen, kann ich auftrumpfen: »Abstehende Ohren, Zwergwuchs, Sommersprossen, Senkfuß, Haarausfall.« Wenn man sich dann schon vor Lachen die feisten Bäuche hält und vielleicht wissen möchte: »Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?« schiebe ich nach: »Meistens den Kultur- und Medienteil. Oft aber lediglich nur die Coverstory … Ach, Sie meinen gar nicht das Nachrichtenmagazin? Sorry, mein Fehler, aber es war jetzt total ehrlich.« Man sieht, mit mir ist kein ernsthaftes Gespräch zu führen. Und ich bin sehr froh, dass ich noch niemals in meinem Leben ein Vorstellungsgespräch habe machen müssen. »Wie das?«, höre ich es
jetzt raunen. Ganz einfach, liebe Freunde. Verhaberung. Diese Kolumne etwa habe ich nur, weil ich seit Jahren ein heimliches Verhältnis mit den beiden Chefredakteuren habe. Offiziell tun wir immer so, als ob wir uns nicht leiden können, aber sobald der Moment ein unbeobachteter ist, raunen wir uns zärtlich Sauereien ins Ohr und zwicken uns heimlich in die Popschis. Und in ganz verwegenen Augenblicken, wenn Geilheit wie weiches Rindertalg aus unseren gelähmten Blicken tropft, auch schon einmal ins Zumpfi. Freilich habe ich auch noch andere Schwächen. Ich bin überheblich und verachte gerne mal leidenschaftlich die Natur. Schwarzweiße Tiere zum Beispiel. Zebras. Pfui! Albino-Tiger. Igitt! Ein schwarzweißes Holstein-Rind. Wäh! Und Pinguine sowieso. Ein Vogel, der nicht fliegen, aber schwimmen und tauchen kann und an Land aufrecht dahinwatschelt, ist ein persönlicher Angriff auf meine Gefühle. Als Krone der Schöpfung am Ende der Nahrungskette komme ich mir ein bisschen verarscht vor, wenn ich Vögeln beim Gehen zusehen muss. Der verspottet mich. Und dass bei manchen Pinguinarten die Männchen die Eier ausbrüten ... Tja, muss man noch mehr sagen? Und Pandabären erst. Von der Natur als Raubtier konstruiert, mit einem Raubtiergebiss, das auch funktionsfähig wäre, macht das dumme Tier keinen Gebrauch davon. Stattdessen muss der Panda unentwegt Bambus in sich hineinschieben, weil er sonst krepiert. Er ist ein veganes Raubtier sozusagen. Und ein warnendes Beispiel dafür, wozu Veganismus und einseitige Ernährung führen können. Denn was macht er schon groß, der liebe, putzige Panda? Nichts außer schlafen und fressen. Und einmal im Jahr pudern. Aber auch nicht richtig. Er will nicht, sie will nicht und sollte es wider Erwarten doch mit der Befruchtung klappen, kommt ein kleiner unscheinbarer Hautlappen raus, der auch nicht richtig will und oft schon
nach wenigen Tagen wieder schlapp macht. Pandabären sollte man aussterben lassen, die wollen das doch selbst. Aber weil der WWF und The Gap dann ein neues Logo brauchen und man es sich mit China nicht verderben will, werden diese unnötigen Mamlas in Zoos auf der ganzen Welt im Käfigkoma künstlich am Leben erhalten. Ekelhaft. Wobei, mit der offensichtlichen Faulheit der Pandabären kann ich schon etwas anfangen. Übertrieben aktiv bin ich jetzt nämlich auch nicht so. Das beginnt ja schon bei Kleinigkeiten. Ich schaffe es seit über zehn Jahren nicht, die Kurzwahlnummern am Handy neu zuzuordnen. Mutters Nummer ist noch immer auf der Eins. Was komisch ist, denn bei allen Dachschäden, die sich bei mir im Laufe der Zeit so gesammelt haben – eine Mummy-Issue gehört definitiv nicht dazu. Dafür kann ich nicht oft genug dankbar sein. Ich kenne nämlich durchaus Experten, die ihre Mütter in einer Mischung aus Überzeugung und Angst ganz oben auf ihrer Kurzwahlliste haben und merkwürdiges Verhalten an den Tag legen. Einer versteckt etwa sein Handy bevor er onaniert, aus Angst, sie könnte anrufen und er ist dann zu geil, um erstens abzuheben und noch schlimmer, in einem angemessenen, sehr kurzen Zeitraum sofort zurückzurufen. Wenn er es allerdings nicht hört, sollte Mutti durchbimmeln, wenn er gerade dabei ist, die Wurst zu wutzeln, ist es ihm egal. Ich verstehe es nicht, man kann mir dieses Verhalten auch nicht einleuchtend erklären und finde es eigentlich schon sehr belästigend, dass mir so etwas überhaupt erzählt wird; aber: Ich bin auch sehr froh, gut abgenabelt zu sein. Ich hab eh genug andere Probleme. Links und rechts auseinanderzuhalten.
Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly
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impulstanz Vienna International Dance Festival
Heute in der Bim.
Edi Steffi Edi Steffi Edi Steffi Edi Steffi Edi Steffi
Edi Steffi
I pack‘s net! Schon wieder so viele Performances. Voll das arge Programm. Wo sollst da anfangen? Also die Holzinger geht sicher total drüber. Und die Uhlich macht das Opening im MQ am 14. Juli. Na Bumm! Das geht. Boa, Stermann und FIVA moderieren die Prix Gala. Echt? Hoffentlich tanzen die auch. Glaubst, dass sich die FIVA auch auszieht? Weiß nicht. FM4 ist jedenfalls auch an Bord. Übrigens, der Drummer bei Mészáros haut rein, das hast noch nicht g‘sehn. Wie heißt der Typ nochmal? Áron Portleki, weißt eh!! Ah ja. Mach ma heuer einen Workshop? Pole Dance? ;-) Sicher nicht. Popping klingt aber geil. Geh Edi. Was? 250 verschiedene Workshops haben die? Vom Preis her geht‘s eigentlich. Eh. Was gibt‘s denn gratis? 32 Tage Party in der festival lounge im Burgtheater Vestibül. Like! Und wer spüt? LYLIT live, DJ-support by Kristian Davidek & Chester Rush feat. Sweet Heat special feat. Knowhow & A++ und B.Visible, FM4 DJ-support by Martin Pieper. Hast es checkt? Passt, bin dabei! Me too!
Uhlich & D an Festival O cers pening
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