15 Jahre Popfest
Kurator*innen Lisa Schneider und Markus Binder über Politik, Pop und die österreichische Szene
AUSGABE JUNI / JULI 2024 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 8000 GRAZ, P.B.B. | MZ 18Z041505 M N ° 205 € 0,—
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Editorial Yes, It’s Fucking Political
Während wir mit der Produktion dieser Ausgabe in die Zielgerade einbiegen, wird die heimische Innenpolitik von der Diskussion um charakterliche Schwächen der grünen Spitzenkandidatin dominiert. Es sind die letzten Wochen vor der Europawahl und die Debatte scheint sehr weit weg von dem zu sein, was einen Wahlkampf eigentlich ausmachen sollte: ein Wettbewerb der Ideen der wahlwerbenden Parteien, wie mit Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft gegenübersieht, umzugehen ist. Ob die einzelnen Vorwürfe nun gehaltvoll sind oder nicht – es ist so oder so eine unerfreuliche Situation, weil am Ende erst wieder die Parteien am rechten Rand davon profitieren dürften. File under: Politikverdrossenheit. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig zu zeigen, dass diese Parteien vor allem Ängste und Hass schüren, zu konstruktiven Lösungen aber wenig beizutragen haben.
Oje, jetzt sind diese einleitenden Worte erst wieder recht politisch geworden, aber in Zeiten wie diesen – hoffentlich können wir auf diese überstrapazierte Formulierung schon bald verzichten – geht es vielleicht auch gar nicht anders. Schließlich muss verteidigt werden, was (zumeist von anderen) mühsam erkämpft wurde. An sehr vielen Fronten.
An einer davon setzt sich die LGBTQIA* Community für gleiche Rechte und gegen Diskriminierung ein. Dass dieser Einsatz in aufgeklärten Gesellschaften Früchte trägt, gefällt nicht allen. Umso mehr muss darauf geachtet werden, dass die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte nicht infrage gestellt oder gar zurückgenommen werden. Im Special unserer vorliegenden Ausgabe versuchen wir deshalb, Bewusstsein zu schaffen, Notwendigkeiten aufzuzeigen und gesellschaftliche Mechanismen kritisch zu hinterfragen – von Safe Spaces, die queere Jugendarbeit und queere Frisiersalons bieten können, bis hin zum Phänomen Tokenismus, hinter dem nur eine vermeintliche Diversität steckt. Unsere aktuelle Coverstory wiederum gibt Einblick in die Arbeit der beiden diesjährigen PopfestKurator*innen Lisa Schneider (FM4) und Markus Binder (Attwenger), die im Interview nicht nur von der politischen Dimension ihres noch streng geheimen Line ups sprechen, sondern auch die eine oder andere Andeutung dazu fallen lassen. Spoileralarm!
Manuel Fronhofer Herausgeber • fronhofer@thegap.at
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Herausgeber
Manuel Fronhofer, Thomas Heher
Chefredaktion
Bernhard Frena
Leitender Redakteur
Manfred Gram
Gestaltung
Markus Raffetseder
Autor*innen dieser Ausgabe
Luise Aymar, Lara Cortellini, Victor Cos Ortega, Astrid Exner, Barbara Fohringer, Johanna T. Hellmich, Oliver Maus, Sandro Nicolussi, Dominik Oswald, Mira Schneidereit, Werner Schröttner, Jana Wachtmann, Sarah Wetzlmayr
Kolumnist*innen
Josef Jöchl, Christoph Prenner
Fotograf*innen dieser Ausgabe
Luca Celine, Patrick Münnich
Coverfoto
Patrick Münnich
Lektorat
Jana Wachtmann
Anzeigenverkauf
Herwig Bauer, Manuel Fronhofer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl
Distribution
Wolfgang Grob
Druck
Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien
Geschäftsführung
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Produktion & Medieninhaberin
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Die Redaktion von The Gap ist dem Ehrenkodex des Österreichischen Presserates verpflichtet.
Alexander Galler
Bernhard Frena Chefredakteur • frena@thegap.at
Leitartikel Pervers und stolz darauf!
Der Song Contest ist nicht das einzige Thema, das mich beschäftigt, versprochen! Aber als Andi Knoll während der Übertragung dieses Jahr mehrfach darauf hingewiesen hat, dass der Sieg von Conchita nun bereits zehn Jahre her ist – und sie dann auch noch zum großen Finale für ein Cover von »Waterloo« mit auf die Bühne in Malmö durfte – konnte ich nicht umhin, in Erinnerungen zu schwelgen. Denn auch wenn 2014 jetzt nicht sooo lange zurückzuliegen scheint – zumindest aus Sicht dieses Millennials –, die Welt und Österreich waren damals in vielerlei Hinsicht eine gänzlich andere. Eine markante Veränderung, die dabei direkt mit Conchita in Zusammenhang steht, ist die Sichtbarkeit von LGBTQIA*Menschen und Themen im Mainstream.
Vor einem Jahrzehnt gab es keine Ampelpärchen, keine Regenbogenzebrastreifen und auch keine gleichgeschlechtliche Ehe. Nicht einmal Mr. Song Contest war damals öffentlich out. Stattdessen gab es schräge Blicke, Unverständnis und Anfeindungen. Nicht, dass es all dies heute nicht auch gäbe, aber die Lage hat sich doch merklich verbessert. Von Neopronomen, trans Menschen und Dragqueens war damals in Österreich kaum die Rede. Ich erinnere mich noch gut, wie oft ich Freund*innen und Familie aus gegebenem Anlass erklären musste, was es eigentlich mit dieser bärtigen Gestalt in Frauenkleidern auf sich hat. Ist das jetzt ein Mann oder eine Frau? Sagt man da sie oder er?
Schluss mit Kopf im Sand Conchita ist sicher nicht hauptverantwortlich für alles, was die queere Szene erreicht hat. Das Lob muss den unzähligen Aktivist*innen und engagierten Menschen, die teilweise über Jahrzehnte gegen Windmühlen gekämpft haben, gelten. Aber der Einfluss von Conchita
auf den öffentlichen Diskurs sollte nicht unterschätzt werden. Alleine schon, dass plötzlich Fragen zu queeren Themen im Raum standen, dass am vielbeschworenen Wirtshaustisch über den Buchstabensalat diskutiert wurde, hat Denkprozesse angestoßen, hat es unmöglich gemacht, queere Menschen und ihre Forderungen weiter zu ignorieren.
Doch wie geht eine Gesellschaft mit Menschen um, die sie nicht ignorieren kann, die aber gleichzeitig – pun intended – quer zu ihr stehen? Die sich nicht nahtlos eingliedern lassen in ein System, das auf heterosexuelle Kernfamilien ausgelegt ist? Frei nach dem Motto »Was nicht passt, wird passend gemacht« lautet eine gängige Antwort: Homonormativität, also die Eingliederung von queeren Lebensformen in ebendiese Heterostrukturen. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist eines der prominentesten Beispiele dafür. Frei vom Zwang, ihre Beziehungen immer auf das Ziel monogame Dauerbeziehung mit zweiKommavier Kindern auszurichten hat sich eine Vielfalt an queeren Lebensentwürfen entwickelt, die fundamental infrage stellt, inwiefern es die Ehe als staatlich gestützte Idealform tatsächlich braucht. Mit der Forderung nach gleichgeschlechtlicher Ehe geht die Forderung einher, die Vorherrschaft dieser restriktiven Beziehungsform zu erhalten und auch für queere Menschen zum anzustrebenden Ziel zu erheben.
Homonormative Forderungen kommen dabei nicht selten aus der Szene selbst. Der Druck, nach etablierten gesellschaftlichen Normen zu leben, nicht anzuecken, sich einzuordnen – und die damit einhergehende Hoffnung, nicht mehr diskriminiert zu werden, keine Gewalt mehr zu erfahren, endlich auch »normal« zu sein – ist immens und nur allzu verständlich. Doch es ist eine trügerische Hoffnung, denn sie ist nicht da
rin begründet, dass Unterschiede bedingungslos anerkannt werden, dass Diversität an und für sich wertgeschätzt wird. Stattdessen ist der Grad an gesellschaftlicher Akzeptanz davon abhängig, wie passend die jeweilige Person und das jeweilige Leben gemacht werden können.
Sündenbock trans Community
Und was passiert mit Menschen, die sich partout nicht eingliedern lassen, deren Lebensrealitäten einen permanenten Affront gegen den grundkonservativen Status quo darstellen? Sie werden zu Zielscheiben, an ihnen entlädt sich die gesellschaftliche Spannung als Stellvertreter*innen für das Gros der queeren Community. Aktueller case in point: trans Menschen. Eine Bevölkerungsgruppe wird hier von rechten Agitateur*innen instrumentalisiert, um das in einer breiteren Bevölkerung schwelende Unbehagen gegen jene auszunutzen, deren Körper, Leben und schiere Existenz die eingefahrenen Denkmuster infrage stellt.
Deswegen braucht es mehr als Homonormativität, mehr als nur Akzeptanz. Es braucht eine grundlegende Änderung der Strukturen. Als queere Community dürfen wir uns nicht mit Krümeln abspeisen lassen, wir dürfen uns nicht zurückziehen auf faule biologistische Argumente. Es muss egal sein, ob wir schwul, lesbisch, bisexuell, trans, nichtbinär, asexuell oder anderweitig »abnormal« geboren werden. Die Normalität selbst ist das Problem, nicht, dass wir von ihr abweichen. Wir sollten mit Stolz queer sein, mit Stolz abnormal sein, mit Stolz pervers sein. Erstens, weil sonst jene unter uns leiden, die eigentlich den meisten Schutz benötigen. Und zweitens, weil wir es nur so schaffen können, tatsächlich eine Alternative zu einer Gesellschaftsform anzubieten, die uns letztendlich allen schadet – pervers oder nicht.
004
Alexander Galler
04.07.
Lena & Linus
Lotte
Marder4000
MilleniumKid
Milliarden
Nand
Nekrogoblikon
Nnella
Nnoa Of Horses And Men
Oh Alien
Ok.Danke. Tschüss
Orbit
Resi Reiner
Say Yes Dog
Sirens of Lesbos
Skofi
Sound@V
Stefanie Sargnagel
Sylosis
Tagebuchslam
Telquist The Warning
Timber Timbre
Uche Yara Wiegedood
Viele mehr!
04.07. - 11.08.2024 >> 04.07. Poolbar Festival >>>>Nischen bis Pop>>>> <<<<Altes Hallenbad & Reichenfeld>>>> <<<<Feldkirch, Vorarlberg>>>> >> I feel your Poolse, bring your sponge! BBNO$ Beth McCarthy Bombay Bicycle Club Calexico Cari Cari Dragonforce Fink Gayle Kaffkiez Klangkarussell Mine Molden&Seiler feat. das Frauenorchester Sampagne Testament
And I Tony Ann Waxahatchee … & viele mehr Anda Morts - - - - - - - - - - - -Anna St. Louis - - - - - - - - - -Baiba Betterov - - - - - - - - - - - - - -Bipolar Feminin - - - - - - - - -Brant Bjork Cousines Like Shit - - - - - - -DJ Krush - - - - - - - - - - - - - -DŸSE Earth Tongue - - - - - - - - - - -Fiio - - - - - - - - - - - - - - - - - -Fjørt Havok - - - - - - - - - - - - - - - -Heckspoiler - - - - - - - - - - - -Ja, Panik Jeanny - - - - - - - - - - - - - - -Julia Alexa - - - - - - - - - - - - -Leftovers - - - - - - - - - - - - - - -
Tones
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>>>> poolbar.at >> Delfine im Pool, Schmetterlinge im Bauch >>>> poolbar.at
und BMKOES.Kunst&Kultur. Stadt Hohenems (Poolbar Generator), AKM, SKE. Mit Unterstützung des Ressorts Kultur der Liechtensteinischen Regierung und der Kulturstiftung Liechtenstein, Stiftung Fürstlicher Kommerzienrat Guido Feger
Danke! Gefördert von Stadt Feldkirch, Land Vorarlberg
012 Ein zutrauliches Festival mit Herzeigeauftrag Das Kurator*innenduo des 15. Popfests im Interview
020 »Der Eisberg ist öffentlich«
Angewandte-Rektorin Schaper Rinkel im Interview
023 Welches Festival passt zu mir? Der große Persönlichkeitstest für den Sommer
026 Eine Zuflucht vor gängigen Genderrollen Queere Frisiersalons
030 Unterstützung für queere Jugendliche Drei Perspektiven von Wiener Jugendarbeiter*innen
034 Gefesselt frei sein Rope Jams als emotionale und körperliche Spielplätze
037 Was ist Tokenismus? Zwischen Repräsentation und Ausbeutung
006
Magazin
Josefien Hoekstra, Adobe Stock, Maria Ziegelböck
/ Die Angewandt e Nika P feifer, Barbara Hellmich, Niederhaid
026
Special
LGBTQIA* Über alles, was gegen den cisheteronormativen Strom schwimmt
Rubriken
003 Editorial / Impressum
004 Leitartikel
008 Comics aus Österreich: Franz Suess
011 Charts
018 Golden Frame
040 Wortwechsel
042 Workstation
044 Prosa: Jimmy Brainless
048 Gewinnen
049 Rezensionen
052 Termine
Simon Pfeifer
Dass Candy Licious beim Interviewtermin im Café Savoy von Personal und Gästen überschwänglich begrüßt wurde, hat unseren Redakteur Simon gleich an sein eigenes Stammcafé erinnert. Dort sitzt er nämlich gerne, sinniert über das Leben, seine fragwürdigen Frisurwünsche (semi-intentional Side-Mullet mit 17!) und schreibt Prosa – oder eben Artikel für uns. Angefangen hat’s mit Theaterkritiken, dann folgte eine Coverstory für die Diagonale-Ausgabe und nun widmet er sich queerer Jugendarbeit. Wir sind gespannt, was folgt!
Johanna T. Hellmich
»Warum gibt es Kink eigentlich, wenn es nicht um Sex geht?« Dass manche von der Thematik des Artikels verwirrt waren, fand Johanna während der Vorarbeiten dazu vor allem amüsant. Schließlich ist die Antwort eigentlich gar nicht so schwer zu verstehen, wie sich alle weiter hinten in diesem Heft selbst überzeugen können. Abseits einer Freude an Kontroversen treibt Johanna eine Liebe zum Theater um – ob bei diversen Produktionshospitanzen, bei Regie für Hobbytheatergruppen oder bei Theaterkritiken für uns.
060 Screen Lights: Christoph Prenner
066 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl
Comics aus Österreich
Franz Suess
Auf unserer Seite 8 zeigen Comickünstler*innen aus Österreich, was sie können. Diesmal zeichnet Franz Suess ein Bild der Wiener Gegebenheiten. ———— Comics werden gerne mit fantastischen Welten, schillernden Figuren und epischen Geschichten gleichgesetzt – und in der Tat zeichnen sich viele Lichtgestalten der Community nicht unbedingt durch Bodenhaftung aus. Umso mehr ist bewundernswert, wenn jemand es nicht nur versteht, den großen erzählerischen Wert im kleinen alltäglichen Geschehen zu finden, sondern gleichzeitig eine Szene derart detailgetreu wiederzugeben weiß, dass das Papier zu atmen scheint. Franz Suess gelingt beides wie wenigen anderen. Seine engen, meist quadratischen Raster muten an, als würden sie jeden Moment aus allen Nähten platzen – so übervoll sind sie mit Details, Atmosphäre und Ausdruck. Und deshalb können wir Leser*innen gar nicht anders als mit Suess’ Figuren mitzufühlen, die in der Enge ihrer Panels genauso eingezwängt sind wie in ihrem erzählten Leben. Der neueste Band von Franz Suess »Drei oder vier Bagatellen« ist kürzlich im Avant Verlag erschienen.
Die Rubrik »Comics aus Österreich« entsteht in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Comics. www.oegec.com
020 034
Kolumnen
007
+ 22.6. Stadt Land Fluss 2024
Kulturbezirk und Regierungsviertel St. Pölten
Am 21.6. Katharina Ernst, Bipolar Feminin, DJ Crum, Alicia Edelweiss u. v. m.
Am 22.6. Monobrother, Endless Wellness, 5/8erl in Ehr’n & Jazzorchester
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Enesi M. (AT) Suluka (AT) Leber (AT) Comfort (UK)
Laventure (FR)Unflirt (UK) Bluai (BE) Efeu (AT) oh alien (AT) David Arcos (CO) Skofi (AT)
Ravage Club (FR) Modular (DE) Eat-Girls (FR)
Low Life Rich Kids (AT) Spilif (AT) Lukas Oscar (AT)
Panik Deluxe (AT) Mina Richman (DE) Tusks (UK)
Elle Valenci (FR) Bad Hammer (DE) Ischia (AT)
Gardens (AT) Potato Beach (AT) Masaž (SI)
Quicche (DE) Portrait of Tao (AT) Nnoa (AT) Swim School (UK) The Komets (DE) Ay Wing (CH) I hate myself because (UA) Mont Baud (IT) Rasha Nahas (DE) … more to come soon!
WAVES
5.-7.9.2024
2024 VIENNA www.wavesvienna.com
Charts Sandra Kendl
TOP 10
DJs der ersten Stunde der Wiener Techno- und House-Szene
01 Glow
02 Tina 303
03 Pure
04 Patrick Pulsinger
05 Electric Indigo
06 Bugs
07 Geb.el
08 Erdem Tunakan
09 Fritz Plöckinger
10 Arthur
TOP 03
MA-48-Müllsprüche klopfen
01 »Ich bin für jeden Dreck zu haben.«
02 »Der tut nix! Der will nur Müll.«
03 »Sinnlose Anträge hier einbringen!«
Auch nicht schlecht:
Spätnachts bei tropischen Temperaturen im leeren ersten Bezirk Rad fahren
Sandra Kendl ist Unternehmerin, Eventmanagerin und Mentorin. 1996 hat sie mit dem Techno Cafe ein Wiener Sommerhighlight ins Leben gerufen. Es findet von April bis September jeden Dienstag im Volksgarten Pavillon statt.
Charts
Florian Widegger
TOP 10
Alltagstaugliche Dialogsätze aus der Fernsehserie »Dallas« (1978–1991)
01 »Das wird Ihnen noch leidtun!«
02 »Du brauchst nicht auf mich zu warten, es wird spät.«
03 »Hast du den Verstand verloren?«
04 »Ich bin es leid, von Frauen manipuliert zu werden.«
05 »Schaffen Sie den Kerl raus!«
06 »Es ist nicht so, wie du denkst.«
07 »Sie haben gespielt und verloren.«
08 »Du lebst doch in einer Fantasiewelt.«
09 »Ich liebe dich doch.«
10 »Der Teufel soll dich holen!«
TOP 03
Lieblingsstudioalben von Elvis Presley
01 »From Elvis in Memphis«
02 »He Touched Me«
03 »Today«
Auch nicht schlecht:
Der Filmblog eskalierende-traueme.de, Schremser Roggen Bio-Bier, das Nonstop-Kinoabo
Florian Widegger ist Programmleiter im Filmarchiv Austria beziehungsweise im Metro Kinokulturhaus. Zudem kuratiert er Kino Wie noch nie, das Open-Air-Kino am Augartenspitz, das dieses Jahr von 27. Juni bis 25. August stattfindet.
Liebe macht keinen Unterschied. Wir auch nicht.
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Ein zutrauliches Festival mit Herzeigeauftrag Das Kurator*innenduo des
15. Popfests im Interview
Das Popfest geht in die 15. Runde. Ende Juli zeigen die diesjährigen Kurator*innen Lisa Schneider und Markus Binder am Wiener Karlsplatz, was die Szene derzeit hergibt. Schon vor der Programmpräsentation geben der AttwengerSchlagzeuger und -Texter und die FM4-Journalistin im Interview einen Einblick in ihre Ausgabe. Spoiler Alert!
Was war bisher eure schönste PopfestErinnerung?
lisa schneider: Ein Highlight war Farce auf der Seebühne. Ihr Sixpence-None-theRicher-Cover war ein Wahnsinn. Mein anderer Lieblingsmoment war letztes Jahr mit Oskar Haag. Vor der TU, wo man nach den
Konzerten herumsteht, hat er zu mir gesagt: »Lisa, nächstes Jahr spiel ich auf der Seebühne!« Und ich hab zu ihm gesagt: »Nur, wenn du eine Band aufstellst!« The rest is history… markus binder: Spoiler! … Ein Highlight ist, um 21 Uhr auf der Seebühne zu spielen, was wir mit Attwenger gemacht haben. Das ist arg, weil du vor einem Meer von Köpfen stehst, und es ist irgendwie uferlos. Das Gelände hat kein Ende.
schneider: Spielst du lieber, wenn’s finster oder wenn’s hell ist? Oder bei Sonnenuntergang?
binder: Finster!
schneider: Das haben wir gelernt beim Zusammenstellen des Line-ups: Alle wollen
spielen, wenn’s finster ist. Ich verstehe es eh. Aber im Sommer am Nachmittag in der Sonne ist auch super.
Ohne zu viel Inhaltliches zu verraten, wie seid ihr an die Sache herangegangen? Was ist euch wichtig bei dieser Ausgabe?
schneider: Viele Kurator*innenteams vor uns hatten einen roten Faden. Unser roter Faden ist: Wir haben einfach die besten Bands, die es gerade gibt. Unser Programm ist im besten Sinne … was ist das Wort, das ich meine?
binder: Innovativ?
schneider: Zutraulich! Wir sind in einer Post-Guilty-Pleasure- und Post-Genre-Zeit. Man darf sich einfach gute Lieder wünschen,
Die Geschichte des Popfests beginnt im Museumsquartier. Gabriela Hegedüs und Christoph Möderndorfer veranstalten dort 2004 zum ersten Mal das Literaturfestival O-Töne. Der Karlsplatz galt zu dieser Zeit als berüchtigter Drogenhotspot.
Die Männerfußball-EM findet in Österreich und der Schweiz statt. Das kulturelle Begleitprogramm wird vom Verein karlsplatz.org rund um Hegedüs und Möderndorfer gestaltet. Hinter dem Titel »Kunstzone Karlsplatz« verbirgt sich ein PublicViewing-freies Refugium. Die Seebühne im Teich vor der Karlskirche feiert Premiere.
Mit Robert Rotifer in der Kuratorenrolle und Förderung der Stadt Wien stellen Hegedüs und Möderndorfer das erste Popfest auf die Beine. Clara Luzia, Garish, Dorian Concept und Der Nino aus Wien spielen vor 40.000 Menschen und werten nebenbei den Karlsplatz auf.
Patrick
Münnich
012
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
013
man darf sich die Hits wünschen, die großen Bands und die neuen Spitzenbands. Unterm Strich ist es ein viertägiges Gratisfestival. Es soll einfach gute Unterhaltung sein. Für mich persönlich muss es nicht verkopft sein.
binder: Hm. Mit »innovativ« meine ich, dass es dieses eine neue Ding ja nicht mehr in der Form gibt, wie es das bis vor 30 Jahren gegeben hat. Was ist das Interessante an den Dingen, wenn es keinen neuen Stil mehr gibt? Dass es alle möglichen Stile gibt! Und das, kommt mir vor, bilden wir ab.
schneider: Wenn man das Popfest mit dem Showcase-Festival Waves Vienna vergleicht, dann geht es beim Waves um die ganz neuen Acts. Beim Popfest können auch Bands spielen, die schon seit zehn Jahren spielen. Da geht es mir gar nicht so sehr um Ageism. Wenn die 2024 ein gutes Album machen, dann sind sie einfach die fucking Band. Das war schon eine Diskussion im Vorfeld. Wir haben viele neue Acts, aber wir haben auch welche, die man natürlich kennt und die man sich einfach gern anschaut.
Beim ersten Popfest 2010 war es groundbreaking, so etwas Pop zu nennen und nicht einer Nische zuzuordnen. Höre ich bei euch heraus, dass das jetzt selbstverständlich und weiterhin Programm ist?
schneider: Wir fischen in einem bestimmten Bereich. Ich arbeite schließlich bei FM4, natürlich spielen Bands, die man aus dem FM4-Kosmos kennt. Ein paar aber auch nicht.
binder: Tu ja nicht bei Ö3 fischen, gö!
schneider: Wir haben keine Rainhard Fendrichs gebucht. Es spielt kein Raf, es spielt keine Melissa Naschenweng. Das Popfest hat eine Farbe. Nicht, dass wir uns nicht getraut hätten, aber diese Acts sind halt für uns nicht das Popfest.
binder: Was wir heuer machen, definieren wir als Pop. Die Bands, die wir eingeladen haben, haben diesen Anspruch, Pop zu sein.
Mit dem »Soundpark« betreut Lisa Schneider ein zentrales Sammelbecken der österreichischen Musikszene.
Das Popfest wandert vom Termin im Mai in den Juli. Wie auch schon 2010 und 2011 kuratiert Robert Rotifer. Markus Binder tritt mit Attwenger auf.
Was wird heuer um die Konzerte herum passieren?
schneider: Es gibt gerade ein Momentum im österreichischen Film. Manche unserer Stars auf der Bühne haben auch in Filmen gespielt. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir das reinbringen.
binder: Musiker*innen als Schauspieler*innen, das hat sich gerade ein bisschen verdichtet. Das greifen wir auf.
Markus, du hast ja einen Filmmusikpreis für »Club Zero« bekommen. Wie ist es dazu gekommen und warum, glaubst du, hat das so gut funktioniert?
Ab sofort wird im Rotationsprinzip kuratiert. Patrick Pulsinger gibt seiner Popfest-Ausgabe eine elektronischere Note. Bilderbuch, die (wie übrigens auch Wanda) nie offiziell am Popfest spielen, stellen ihre neue Single »Plansch« guerillamäßig vor dem Gig von Francis International Airport im Brut vor. Die Karlskirche kommt als Sonntagslocation hinzu.
binder: Ja, ich wurde auch in die Filmszene reingezogen. Ich bin seit 18 Jahren mit Jessica Hausner zusammen. Für ihren Film »Little Joe« habe ich die Musik f ü r den Abspann gemacht. Und für »Club Zero«, der vor einem Jahr in Cannes Premiere hatte, den ganzen Original Score. Dafür habe ich den Europäischen Filmpreis bekommen. Weil der Film in so einem erkennbar westlichen Setting spielt, wollte ich einen Sound, dessen Herkunft sich nicht definier en lässt. Auf unseren Tourneen mit Attwenger habe ich immer wieder Trommeln, Saiteninstrumente und andere Instrumente mitgenommen. Damit habe
Im Jahr darauf folgen Electric Indigo und mit Trishes erstmals ein FM4-Moderator. Attwenger spielen zum zweiten Mal auf der Seebühne. Das Gespann Musiker*in und Journalist*in bewährt sich auch 2016 mit Ankathie Koi und Gerhard Stöger (Falter), 2017 mit Ana Threat und Eberhard Forcher (Ö3) und 2018 mit dem Nino aus Wien und Kathi Seidler (wieder FM4).
Ab sofort wird im Duo kuratiert. Violetta Parisini als erste Frau unter den Kurator*innen und Wolfgang Schlögl machen den Anfang.
014
Patrick Münnich
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
ich diese sehr speziellen, weirden Sounds eingespielt, aber so, wie man Techno spielt. Mit einem crossigen Zugang.
Du hast mit Attwenger auf der ganzen Welt gespielt. Jetzt bist du Kurator für ein hyperlokales Festival. Wie ergänzt sich das?
binder: Pop ist ein globales Phänomen. Auch, wenn es ein österreichisches Festival ist, haben die Leute die Welt in sich. Das Phänomen Pop ist andock-able für alle. Du kannst immer ein bisschen verorten, wo es herkommt, aber letztlich hat Pop den Anspruch, überall zu sein. Natürlich ist die Challenge beim Popfest, etwas aus dem engen, kleinen Österreich zu holen. Aber es ist irre, was da passiert. Die Szene ist extrem vivace, interessant und lustig und eben nicht regionalistisch versumpft oder eingeschränkt.
Ihr komplettiert einander gut, weil du mit Attwenger eine sehr internationale Perspektive mitbringst. Und du, Lisa, bist die Spezialistin für die österreichische Musikszene überhaupt.
schneider: Die »Soundpark«-Mama.
»Ein Festival zu kuratieren, ist im besten Sinne eine halbwegs egoistische Angelegenheit.« — Lisa Schneider
Wie ist dein Blick auf die Szene?
schneider: Bei FM4 befasse ich mich jeden Tag damit, was wir spielen und was sich in der österreichischen Bubble tut. Ein Festival zu kuratieren, ist im besten Sinne eine halbwegs egoistische Angelegenheit. Natürlich werden alle unsere Lieblingsbands spielen. Aber als Kuratorin muss ich einen Schritt zurück machen und daran denken, dass nicht alle, die zufällig an der Seebühne vorbeilaufen, wissen, wer da spielt. Diese Perspektive einzunehmen war spannend. Wenn du dir die Bands unter diesem Gesichtspunkt noch einmal anhörst, merkst du, wie super die sind, weil sich das auch ausgeht, wenn man sie nicht kennt. Das Popfest hat ja keinen Erziehungsauftrag, sondern einen Herzeigeauftrag.
Und wie läuft eure Zusammenarbeit als Kurator*innenteam?
schneider: Das war spitze, als ich erfahren habe, dass der Markus mein Mensch ist. Wir haben eine Hetz gehabt.
binder: Vice versa, kann ich nur sagen. Allerdings waren wir uns natürlich nicht immer ganz einig.
Kultur
© Kultursommer Wien: Futurelove Sibanda Foto: Niko Havranek Eintritt frei
bei dir ums Eck
27.6. –11.8.2024
schneider: Manchmal war Überzeugungsarbeit notwendig. Kompromisse wie in jeder guten Beziehung.
binder: Wir sind so:
Es gibt in Wien mittlerweile sehr viele kostenlose kulturelle Angebote für Stadtbewohner*innen. Diese Tatsache wird schon mehrere Jahre kontrovers diskutiert. Die Kritik lautet, dass sich das kannibalisiert. Was ist eure Meinung dazu?
schneider: Wir haben das mitbekommen. Es ist außerdem Festivalsaison und die Bands müssen schauen, ob sich alles ausgeht.
binder: Aus Musikerperspektive kann ich das nur begrüßen. Du spielst vor mehreren Tausend und am nächsten Tag vor 150 Leuten. So geht es aber allen Bands – that’s life.
schneider: Es kann gar nicht zu viele Gratiskonzerte geben. Wichtig ist, dass die Bands bezahlt werden, und das werden sie am Popfest. Das Popfest gibt es seit 15 Jahren und es
Das Popfest hat seine erste Kontroverse: Nachdem DJ Resista im Mai eine Debatte über die Sponsoringaktivitäten des Konzerns in der Musikszene losgetreten hat, wird die seit 2014 existierende Red-Bull-Bühne zum Politikum. Die Band Schapka tritt dort auf und spart nicht mit Kritik am Unternehmen und dessen Gründer.
Markus Binder hat kürzlich für den Score des Films »Club Zero« den Europäischen Filmpreis gewonnen.
unter, da mache ich mir keine Sorgen. Man müsste die Artists selbst fragen, wie viel es ihnen gebracht hat, bei einem Majorlabel zu sein. Die hätten es auch ohne geschafft.
binder: Ich bin ultra indie. Mit Majors habe ich nie etwas zu tun gehabt. Es klingt mehr nach konzerninternen Entscheidungen.
Zu Beginn habt ihr uns eure bisherigen Höhepunkte verraten. Worauf freut ihr euch heuer am meisten?
schneider: Auf den letzten Auftritt auf der Seebühne am letzten Abend.
binder: Das wird oag.
schneider: Eine Superstar-galore-Grandezza mit vielen Menschen auf der Bühne. Das wird one for the books.
ist mitten in der Stadt. Die Größe, die Lage, das Aufgebot und die Arbeit, die reingesteckt wird – das ist ein anderes Level. Die Donauinsel ist eine ganz andere Idee mit einem anderen Publikum.
binder: Der Andrang, am Popfest spielen zu wollen, ist irre. Es hat ein extrem gutes Standing. Beinahe zu gut, weil das auch mit der Erwartung verbunden ist, dass man hier Mördergagen bekommt. Aber das Budget ist vergleichsweise klein und es wird viel Arbeit investiert, damit dieses Festival stattfinden kann. Bands glauben vielleicht, dass sie reich und berühmt werden. Also berühmt schon, aber reich halt nicht.
Zwei der drei großen Majorlabels ziehen sich momentan immer mehr aus Österreich zurück. Gibt es in der Szene etwa nichts mehr zu holen?
schneider: FM4-Acts, die bei Universal oder Sony gesignt waren, kommen schon
Ausgelassene Großveranstaltungen spielt’s nicht. Esra Özmen und Fuzzman gestalten zuerst ein stark reduziertes Ausnahmeprogramm in der Karlskirche und 2021 eine erneut von CovidAuflagen geprägte Popfest-Ausgabe in der Arena. Dort spielen Attwenger zum dritten Mal.
Mira Lu Kovacs und Yasmo sind die Kuratorinnen der zehnten Popfest-Ausgabe. Sie steht unter dem Motto Vielfalt. Es gibt keine Red-Bull-Bühne mehr.
binder: Und dazwischen wird es interessant, aus einer theoretischen Situation in eine reale zu kommen. Wir überlegen und verhandeln jetzt schon monatelang. Das wird schön, wenn sich alle diese Überlegungen manifestieren in Musik, die gespielt wird.
schneider: Wir werden da herumwuseln! Ich freu mich auch auf unsere Eröffnungsrede und auf unseren ersten Act.
binder: Und natürlich hoffe ich angesichts der gerade schwierigen Zeiten, dass es friedlich abläuft.
Ist das Popfest eigentlich politisch?
binder: Naja, allein schon die Behauptung, dass wir hier Pop machen, obwohl das eigentlich viel Anti-Pop ist, hat schon eine politische Dimension. Und es spielen natürlich auch einige Bands, die politisch sehr explizit drauf sind.
schneider: Wir sind nicht die, die sich mit einer politischen Agenda hinstellen. Sondern wir suchen die Bands danach aus. Die Bands machen unsere Politik. Astrid Exner
Das 15. Popfest Wien findet vom 25. bis 28. Juli 2024 rund um den Karlsplatz statt.
Das Popfest kehrt zum Karlsplatz zurück. Mit Dalia Ahmed ist wieder FM4-Personal an der Programmierung beteiligt. Sie kuratiert gemeinsam mit Andreas Spechtl unter dem Motto »Repräsentation und Agitation«. Für 2023 wird das Kurator*innenduo Anna Mabo und Dorian Concept angekündigt, das Eigenständigkeit zum Auswahlkriterium macht.
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2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024
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018 Golden
Zeitgenössische Kunst im angemessenen Rahmen
Frame
Skizze für »Schieflage (Karl Lueger 3,5°)« von Klemens Whilidal
In Limbo Klemens Wihlidal »Schieflage (Karl Lueger 3,5°)«
Noch überzieht Farbe die Karl-Lueger-Statue am Stubentor. In den nächsten Monaten wird das Denkmal dann für einige Zeit verschwinden, bevor es in leicht veränderter Form wiederkommt. ———— Ein paar Menschen bleiben stehen, machen Fotos, betasten die Farbe. Als damals vor ein paar Jahren erst die »Schande«-Graffitis, dann die blaue und schwarze Farbe, mit der die Figur Karl Luegers überschüttet wurde, auftauchten, war das ein Aufreger und noch heute ist es ein Hingucker. Dass die Graffitis überhaupt noch da und nicht wegrestauriert worden sind, ist übrigens den Aktivist*innen zu verdanken, die im Sommer 2020 eine Woche lang eine Schandwache vor dem Monument abhielten und der Stadtregierung durch ihren Einsatz dieses Zugeständnis abrangen. Simon Nagy, einer der Verantwortlichen hinter der Schandwache-Aktion, beschreibt, was durch die Anbringung der Graffitis und die anschließende Aktion mit dem Denkmal passierte: Der Ort um das Denkmal herum, das Denkmal selbst, die Figur Karl Luegers und die mit ihm verbundene nationalistische und populistische Politik seien sichtbar gemacht worden, genauso wie – und das ist vielleicht der wichtigere Punkt – das Bestehen eines Konflikts, eines unabgeschlossenen und zu verhandelnden Prozesses.
Seitdem befindet sich das Denkmal im Aufarbeitungslimbus. Nachdem die Kritik an Lueger ins öffentliche Bewusstsein gerückt worden war, wurde eine Neugestaltung ausgeschrieben und 2023 schließlich ein Entwurf von Klemens Wihlidal dafür ausgewählt. Er sieht vor, den Sockel anzuschrägen, sodass das gesamte Monument um genau 3,5 Grad gekippt dasteht. Um den Schutz der hinter dem Denkmal stehenden Platane – gepflanzt zwei Jahre nach Errichtung des Denkmals 1926 und seit 1994 selbst (Natur-)Denkmal – zu gewährleisten, fanden in den letzten Monaten Untersuchungen statt, die nun abgeschlossen sind. Demnächst wird das Denkmal abgebaut, gereinigt und anschließend dem Entwurf Wihlidals entsprechend leicht (nach rechts) geneigt wieder aufgestellt.
Damit wird dem Denkmal ein Moment der Instabilität eingeschrieben, das über die Kritik an Karl Lueger und seiner bis heute nachwirkenden Politik hinaus manifest macht, dass Geschichte immer wieder neu verhandelt werden muss. Das ist wichtig, denn wie die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann sagt, sei das Erinnern durch Denkmäler »immer davon abhängig, was in der Gegenwart im Zentrum der Macht agiert und sich in die Erinnerung einschreiben möchte«. Wer also die Vergangenheit fortwährend neu verhandelt, verhandelt damit die Gegenwart und die darin agierenden Mächte.
Victor Cos Ortega
Die 3,5-Grad-Idee stammt eigentlich aus dem Jahr 2009, als die Universität für angewandte Kunst einen inoffiziellen Wettbewerb zur Neugestaltung des Platzes ausschrieb, den Klemens Wihlidal damals gewann. Wihlidal ist neben seinen Kunstprojekten auch als Musiker (Ginga, Mickey) aktiv.
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»Der Eisberg ist öffentlich« Angewandte-Rektorin Schaper Rinkel im Interview
Bislang beforschte Petra Schaper Rinkel die Zukunft, nun gestaltet sie jene der Angewandten.
Seit Oktober 2023 ist Petra Schaper Rinkel Rektorin an der Universität für angewandte Kunst Wien. Davor war sie Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung sowie Vizerektorin für Digitalisierung an der Universität Graz. Diese Expertise nimmt sie auch in ihr neues Metier mit. The Gap bat sie zum Gespräch über die gesellschaftliche Bedeutung der Universitäten, die Zugänglichkeit von Kunst und die zukünftige Rolle von künstlicher Intelligenz.
Sie sind jetzt seit knapp einem halben Jahr im Amt. Wie war das Ankommen an der Angewandten?
petra schaper rinkel: Die Angewandte macht ja aus, dass sich Neues immer mit den fantastischen Dingen verbindet, die es schon lange hier gibt. Das ist der Spirit, den ich auch nach einem halben Jahr jeden Tag genieße. Bei uns kann man wirklich um Mitternacht noch das intensive Tun spüren, jetzt zum Beispiel in der Modeklasse oder in der Architektur. Das macht die Angewandte ebenfalls aus: dass die Studierenden rund um die Uhr Zugang zu ihren Studios haben. So ergibt sich ein Ort der intensiven, lebendigen und sprühenden Auseinandersetzung – miteinander sowie mit Materialien, mit Konzepten und mit Ideen. Als Rektorin habe ich die wunderbare Möglichkeit, in ganz viele dieser unterschiedlichen Felder eingeladen zu werden und andererseits aber auch die ganzen unterschiedlichen Konzepte, Ideen und Themen innerhalb des Hauses nach außen weiterzutragen.
Worin sehen Sie denn die gesellschaftliche Aufgabe von Universitäten und spezifisch von Kunstuniversitäten?
Die Kunstuniversitäten haben Freiheiten, die den anderen Universitäten mittlerweile fehlen. Denn die zunehmende Verschulung und Standardisierung sind das Gegenteil von Universität. Jedes wissenschaftliche Wissen ist immer nur temporär der Stand des Wissens. In dem Moment, wo etwas als »das Neue« festgeschrieben wird, geht es ja schon wieder darum, dieses Neue zu befragen: Ist es wirklich neu? Und was geht darüber hinaus? Immer wieder über etwas hinaus zu gehen und damit natürlich immer wieder neue Zukunftshorizonte zu öffnen, macht Universitäten aus. Kunstuniversitäten haben das heutzutage in einem viel stärkeren Maß als andere Universitäten.
Sehen Sie auch bei Kunstuniversitäten die Gefahr, dass das verloren geht?
Nein, ich gehe davon aus, dass wir die Idee der Universität und das, was sie seit der Aufklärung zur Selbstermächtigung und Autonomie von Menschen beiträgt, erhalten wollen.
Dafür sind die Universitäten notwendig – in diesem idealistischen, emphatischen Sinn als Orte der tatsächlichen Freiheit, das Gegebene immer wieder zu befragen und damit neue Wege zu gehen. Daher brauchen wir Universitäten und wir brauchen wieder an allen Universitäten jene Freiheit, die Kunstuniversitäten noch haben. Wenn Kunstuniversitäten bedeutungslos oder eingeschränkt werden, ist das eines der wesentlichen Indizien dafür, dass Demokratie und das Politische an und für sich in Gefahr sind.
Bei allem gerechtfertigten Lob für Kunstuniversitäten gibt es ja durchaus auch Kritikpunkte, zum Beispiel, sie seien Blasen, die mit dem Rest der Gesellschaft wenig zu tun hätten. Wie würden Sie darauf antworten?
Die Quantenforschung ist beispielsweise ebenfalls eine Blase. Niemand stellt das infrage, alle haben Hochachtung davor, dass es bestimmte Theorien und Forschungen in der Quantenforschung gibt, die schwer zu-
Maria Ziegelböck / Die Angewandt e
020
gänglich sind. Wir finden es völlig selbstverständlich, dass es einer intensiven Auseinandersetzung bedarf, um sie zu verstehen. An einer Kunstuniversität ist das zwar anders, aber es geht auch um intensives Verstehen und Begreifen. Allein schon, weil Kunst selbst Auseinandersetzung ist mit dem, was aktuell da ist, aber auch mit der Kunst der Vergangenheit. Auch um Kunstwerke zu verstehen, um Künstler*innen zu verstehen, muss man sich auf einen bestimmten Diskurs ernsthaft einlassen und sich ernsthaft damit auseinandersetzen.
Generative KI ist momentan ein heißes Thema. Wo sehen Sie deren Rolle in der Kunst und an der Angewandten?
Machine Learning, was ja die präzisere Bezeichnung ist, wird auch für uns ein Handlungsfeld sein. Wir werden voraussichtlich, sofern wir das Geld vom Ministerium dafür bekommen, Professuren in dem Bereich aufbauen. Künste, Design und Wissenschaften können nur dann wirklich Neues erzeugen, wenn sie ihre eigenen Werkzeuge generieren. Das galt für die astronomischen Fernrohre von Galileo und Kepler und gilt auch für künstliche Intelligenz. Für Künstler*innen und Designer*innen geht es nicht um Anwendung von heutigen Systemen, sondern
Museen, Universitäten, aber auch private Initiativen die Bildwelten der Vergangenheit immer wieder von einem Medium in ein neues gerettet haben. Und weil wir Menschen heute Bildwelten erzeugen. Ein kollektives Gut der Menschheit wird hier von wenigen globalen Unternehmen valorisiert und kommerzialisiert. Auch die Grundlagen der Technologie wurden von den globalen Steuerzahler*innen über die weltweite Zusammenarbeit von Universitäten ermöglicht. Dieses kollektive Gut wird heute von einer winzigen privaten Spitze eines Eisbergs beherrscht. Und dieser Eisberg ist eigentlich öffentlich, der gehört der globalen Allgemeinheit und den müssen wir wieder einer globalen Allgemeinheit zugänglich machen.
Dieses kollektive Gut steht in einem gewissen Kontrast zu Copyright. Auch die KI-Systeme ignorieren häufig Urheber*innenrechte für ihre Massen an Trainingsdaten. Wie sehen sie dieses Spannungsverhältnis?
Aktuell ist wichtig, bestimmte Restriktionen für diese Datenmengen durchzusetzen. Aber in den Künsten und den Wissenschaften geht es grundsätzlich nicht um Restriktionen, um Einengung, sondern um Ermöglichen, um Gestalten und darum, Neues zu schöpfen.
»Alle Universitäten brauchen wieder jene Freiheit, die Kunstuniversitäten noch haben.«
— Petra Schaper Rinkel
darum, sie infrage zu stellen, zu experimentieren und die Grenzen bisheriger MachineLearning-Systeme zu sprengen. Wir möchten KI vom vorgefertigten Tool zu etwas machen, mit dem aktiv Handlungsmöglichkeiten erschlossen werden.
Möchten Sie an der Angewandten auch eigene Rechenzentren und Datenzentren aufbauen?
Nein, da gibt es bereits herausragende Infrastrukturen in Österreich und in Europa. Uns geht es um den Umgang mit Bildern, mit Artefakten, mit Daten. Machine-Learning-Systeme erzeugen ihre Bilder ja nicht aus sich heraus, sondern sie basieren im Endeffekt auf der gesamten Bildwelt der bisherigen Menschheit und aller, die heute leben und künstlerisch tätig sind. Und diese haben KI-Systeme nur zur Verfügung, weil Menschen über Institutionen,
Deshalb ist es unabdingbar, heute darüber nachzudenken, welche vollständig anderen Systeme der Anerkennung von künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen in Zukunft möglich wären. Das heißt ideelle Anerkennung, aber natürlich auch monetäre, damit Künstler*innen davon leben können. Meines Erachtens sind die jetzigen Systeme nicht reformierbar. Wir brauchen eine ganz andere globale Diskussion über neue Allgemeingüter und über Wertschöpfungsmechanismen, die öffentlichen, globalen Reichtum erzeugen und es darüber ermöglichen, dass in der Zukunft aus den Künsten und den Wissenschaften Allgemeingüter produziert werden können.
Bernhard Frena
Von 26. bis 29. Juni findet das Angewandte Festival statt, bei dem Abschlussarbeiten sowie Ausstellungen präsentiert werden.
COME AS YOU ARE
15/4—1/9 2024 Preis der kunst halle wien 2023 Željka Aleksić • Mila Balzhieva • Luisa Berghammer • Daniel Fonatti • Valentin Hämmerle • Jusun Lee • Michael Reindel • Marielena Stark • Anne Schmidt • Marc Truckenbrodt
Die größten Rocksongs aller Zeiten!
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Welches Festival passt zu mir? Der große Persönlichkeitstest für den Sommer
Der Festivalsommer steht vor der Tür und wie immer ist das Angebot unüberschaubar. Um euch die Auswahl etwas zu erleichtern, haben wir unseren bereits in Bezug auf Theaterbühnen bewährten Persönlichkeitseinstufungsalgorithmus (Trademark) nun auf musikalische Großevents umgepolt. Hier findet ihr wissenschaftlich exakt und völlig unvoreingenommen genau jene Massenbelustigung, die perfekt zu euch passt.
Auf welcher Social-Media-Plattform verbringst du den Großteil deiner Zeit?
A Tinder, Bumble, Grindr – wo auch immer es gerade abgeht.
B Auf Youtube schau ich täglich mindestens einen 50-minütigen Videoessay.
C Meine Fotos von Städtereisen poste ich immer auf Instagram.
D Ich mach gerade Digital Detox.
E Zum Einschlafen hör ich immer die neuesten Nightcore-Remixes auf Soundcloud.
F Derzeit finanziere ich über Indiegogo unseren nächsten Aktionstag.
Wo hörst du sonst meistens Musik?
A Spotify. Was der Algorithmus halt so vorschlägt.
B Spotify. Aber ich hör nur FM4-Musik.
C Spotify. Oder mit dem Plattenspieler meiner Eltern.
D Spotify. Aber meistens spiel ich selbst Gitarre.
E Spotify. Von dort zieh ich alles für meine DJ-Sets runter.
F Spotify. Da ist meine »Songs für den feministischen Kampftag«-Playlist.
Hast du viele Freund*innen?
A Alle, die ich treffe sind meine Freund*innen – vor allem am Campingplatz.
B Am besten versteh ich mich mit Xiberger*innen.
C Im Club häng ich immer mit meinen Klassenkolleg*innen von der Kunstuni rum.
D Erst neulich haben mir wieder drei Leute stundenlang auf der WG-Party beim Jammen zugehört.
E Ja! In der Grellen Forelle, der Pratersauna, im Flucc, im Volksgarten-Pavillon, …
F Ich habe viele Freundinnen.
Was ist deine Lieblingsdroge?
A Der Sangria-Kübel.
B Fohrenburger und dazu ein Joint.
C Egal, solang man es Vapen kann.
D Alles, was im Wald wächst.
E Ecstasy, Molly, Speed, GHB, LSD, …
F Club Mate und Ayahuasca.
023
Was war dein erstes Konzert?
A Das Frequency diesen Sommer wird mein erstes Konzert!
B Holstuonarmusigbigbandclub.
C Kennst du sicher nicht.
D Meine Schulband.
E Zählt ein Rave?
F Selbstorganisiert beim Pink Noise Camp.
Was stört dich an Festivals?
A Die Musik.
B Dass sie so schnell vorbei sind.
C Der Zeltplatz.
D Die Menschen.
E Die Rockbands.
F Die besoffenen Typen.
Wo war dein letzter Auslandsaufenthalt?
A Cluburlaub auf Kos als Maturareise.
B Wien fürs Studium.
C Portland – ich habe gehört, das ist jetzt voll angesagt.
D Wanderurlaub in Norwegen.
E Berghain in Berlin – bin aber nicht reingekommen.
F Freiwilliges soziales Jahr in Südamerika.
Was ist deine Lieblingssportart?
A Egal. Hauptsache Public Viewing.
B Slackline im Park – das ist verdammt schwer!
C Ich hab mein altes Rennrad zum Fixie-Bike umgebaut.
D Erst neulich hab ich einen neuen Trick beim Jonglieren gelernt …
E Tanzen ist auch ein Sport!
F Frauenfußball. Oder Roller Derby.
Auswertung
Welche Serie hast du zuletzt am Stück verschlungen?
A »Love Island«, da wäre ich auch gerne mal dabei.
B »Vorstadtweiber« find ich total exotisch!
C »Euphoria«, das ist so relatable.
D War Digital Detox nicht verständlich?
E Die Visuals vom House -Set neulich.
F Es geht nichts über »Fleabag«.
Betätigst du dich künstlerisch?
A Gilt Betrunkene bemalen?
B Käsemachen ist auch eine Kunst.
C Ich hab da gerade einen neuen Instagram-Filter entdeckt …
D Wir siebdrucken jetzt auch die T-Shirts für unser Bandmerch.
E Ich sehe Farben.
F Die Slogans für unsere nächste Solidemo hab ich gereimt.
Was hängt in deiner Wohnung an den Wänden?
A Im Studierendenheim häng ich dann alle meine Festivalbändchen auf – farblich sortiert.
B Der Zugfahrplan für die Strecke Bregenz–Wien.
C Ein Druck von Banksy, falls euch der was sagt.
D Ein gerahmtes Plattencover von Neil Young.
E Keine Ahnung. Ich war schon länger nicht mehr in meiner Wohnung.
F Für die Deko ist in der WG jede Woche wer anders zuständig.
Welches Lied soll auf deiner Beerdigung gespielt werden?
A Die Toten Hosen »An Tagen wie diesen«
B Frank Sinatra »My Way«
C Radiohead »No Surprises«
D Deathcab for Cutie »I’ll Follow You into the Dark«
E Daft Punk »One More Time«
F Kate Bush »Running up that Hill«
A Frequency Festival
Für dich ist die Musik nicht unbedingt der zentrale Grund dafür, auf ein Festival zu gehen. Es geht dir mehr um die Atmosphäre und Atmosphäre heißt Zelten, Bier und Feiern. Grundsätzlich ist dagegen ja nichts einzuwenden, aber vielleicht schaffst du es ja doch mal, vom Campingplatz zu den Bühnen rüberzustolpern und merkst dort, dass Musik auch nicht so schlecht ist – wenn auch vielleicht anderswo eine Spur besser.
14. bis 18. August St. Pölten, Green Park — Line-up: Ed Sheeran, Apache 207, The Offspring, RAF Camora, Peter Fox, …
B Poolbar
Ein Festival kann für dich gar nicht lange genug dauern! Da ist es auch nicht so schlimm, wenn es sich manchmal mehr wie eine Reihe von Einzelkonzerten anfühlt. Hauptsache die gebuchten Acts spielen deine Musik –also alles, wo sich Indie - davor schreiben lässt. Und wenn das Ganze dann noch in deinem Lieblingsbundesland diesseits des Arlbergs stattfindet, umso besser: »Du Ländle, meine teure Heimat!«
4. Juni bis 11. August Feldkirch, Reichenfeld und Altes Hallenbad — Line-up: Bombay Bicycle Club, Calexico, Fjørt, Kaffkiez, Bbno$, …
024
Thomas Ranner, Eva Sutter, Cherie Hansson, Bernhard Schindler, Aron Millok, Patrick Münnich
Auswertung
C Lido Sounds
Du fühlst dich immer eine Spur cooler als andere Menschen. Du hast einen ausgewählteren Geschmack, ziehst dich lässiger an und wohnst in der hipperen Gegend. Campingplatzbesäufnisse sind so gar nicht dein Stil – du gehst zum Trinken lieber spät abends noch in einen Club. Auch wenn du dich von deinen Kolleg*innen im Festivalsommer genau genommen kaum unterscheidest, fad wird es mit dir sicher nicht!
27. bis 30. Juni Linz, Urfahraner Markt — Line-up: Kings of Leon, Parov Stelar, Kraftklub, Sam Smith, Hozier, …
D Acoustic Lakeside
Was manche Leute an Festivals in Städten – oder nahe bei Städten –oder nahe bei irgendwas – finden, kannst du nicht so recht nachvollziehen. Am schönsten ist es doch weit weg von allem: nur du, deine Gitarre und das Meer … äh … der See. Wobei: Deine Gitarre brauchst du eigentlich eh nicht, weil musikalisch wird ohnehin genug geboten. Und auch alleine bist du nicht wirklich. Aber es ist ja der Gedanke, der zählt!
18. bis 20. Juli Sittersdorf, Sonnegger See — Line-up: Bombay Bicycle Club, My Ugly Clementine, Calexico, Waxahatchee, Resi Reiner, …
E Paradies Garten
Warum muss elektronische Musik eigentlich immer in finsteren Clubs stattfinden – Dresscode schwarz und depressiv? Warum nicht mal draußen an der frischen Luft? Warum nicht im Garten eines Schlosses? Zum Glück haben andere schon dieselben Fragen gestellt und deswegen kannst du dir unweit von Wien alle deine Festivalträume erfüllen. Pass halt ein bisschen mit der Lautstärke auf – dann klappt’s auch mit den Nachbar*innen.
2 . bis 8. August Bruck an der Leitha, Schloss Prugg — Line-up: Ben Klock, Dixon, Ellen Allien, DJ Boring, DJ Gigola, …
F Sisters Festival
Die ewiggleichen Männerbands als Festivalheadliner nerven dich. Auch die grottenschlechte Quote an FLINTA* hinter der Bühne findest du besch…eiden. Da du dich ungern nur beschwerst und lieber Taten sprechen lässt, schließt du dich halt mit Gleichgesinnten zusammen und änderst was an der Misere. Zwar ziert sich die Gesellschaft noch, in eine bessere Zukunft gezerrt zu werden, aber zumindest der Soundtrack bei der Arbeit stimmt.
12 . Juli Wien, Arena — Line-up: Baiba, Crush, Iris Gold, Alice Phoebe Lou
025
Eine Zuflucht vor gängigen Genderrollen Queere Frisiersalons
Für queere und insbesondere für trans Menschen kann eine neue Frisur zu einem Spießroutenlauf voller unerwarteter Hürden und (Mikro-)Aggressionen werden. Eine Handvoll queerer Frisiersalons schafft hier Abhilfe. ———— Ein gängiger Frisiersalon in Wien: Das Preisschild ist in Damen- und Herrenpreise unterteilt – wobei Erstere immer weitaus höher angesetzt sind. Schweift der Blick weiter, wird man im besten Fall von gephotoshoppten Porträts von Hollywood-Promis angelächelt, bei denen man sich sicher sein kann, dass sie dieses Gebäude noch nie betreten haben. In Ina Holubs Salon Soft & Cut im siebten Wiener Gemeindebezirk wird man von einem gänzlich anderen Anblick begrüßt. Keine weißen, dünnen Blockbuster-Sternchen mit langen, glatten Haaren und blauen Augen. Die gesamte Auslage ihres Etablissements ist stattdessen mit einem riesigen bunten Poster voller unterschiedlicher Menschen behängt – Ina selbst in deren Mitte. Laut ihr sei darauf ein Wien abgebildet, das sonst kaum sichtbar sei. Ein Wien voller trans Personen, People of Color, queerer und nichtbinärer Menschen. Inas Salon ist auf mehreren Ebenen barrierefrei gestaltet und heißt all jene Gruppen willkommen, die sich sonst nicht überall willkommen fühlen können.
Große Sessel ohne Lehnen, die auch für mehrgewichtige Personen bequem sind, stehen vor den Spiegeln, die an der zu-
ckerlrosa Wand ihres Salons hängen. Um Rollstuhlfahrer*innen Platz zu machen, sind sie nicht fest im Boden verankert, sondern leicht verschiebbar. Ein ebenfalls rosa Vorhang, der Kopftuchträger*innen vor unerwünschten Blicken bei der Haarwäsche schützt, verhängt die Auslage. Haar- und Make-up-Produkte für PoC stehen in den Regalen. Ina möchte alle inkludieren, die sonst außen vor gelassen werden. Bezahlt wird nach Fixpreisen, die auch nicht vom Geschlecht abhängig sind. Das begründet sie damit, dass etwa der Schnitt und das Waschen von curly und coily Haaren oft länger dauere, es aber unfair wäre, dafür
Friseurin Flora Essl legt Wert auf die individuelle Person –nicht auf Genderrollen.
mehr zu verrechnen. Denn die jeweiligen Personen können ja nichts für ihre Haarstruktur. Zeitaufwendigere Haarschnitte werden so von schnelleren gestützt: sozusagen ein Support-System. Und bezüglich Geschlechterkategorien: »Warum sollte für mich relevant sein, welches Geschlecht eine Person hat? Das ändert ja nichts daran, was auf dem Kopf passiert, oder?«, spitzt Ina die Frage zu.
Keine Genderstereotype
Genau wie Ina glaubt auch Flora Essl vom Salon Fina nicht an Preisunterschiede nach Geschlecht. Bei ihr wird der Preis am Zeitaufwand gemessen, das sei die fairste Variante, findet sie. Dass lange Haare meistens länger brauchen als kurze, sei dabei ein Mythos. Es komme auch auf die Dicke der Haare und den Schnitt an. Somit könnten kurze Haare mitunter sogar mehr Zeit in Anspruch nehmen als lange. Auf die Frage, was ihren Zugang von dem anderer Friseur*innen unterscheidet, antwortet Flora: »Mir ist die Individualität der Person sehr wichtig. Haare sind so ein zentrales Ausdrucksmittel. Man kann das nicht in stereotype Genderrollen einordnen und sagen: ›Das ist ein femininer und das ist ein maskuliner Haar-
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Special LGBTQIA*
Auch die Dekoration im Salon Fina entspricht nicht dem gängigen Bild eines Frisiersalons.
schnitt‹, sondern es ist immer ein individueller Haarschnitt für genau diese eine Person.«
Tatsächlich sind Haare für viele ein essenzieller Teil der eigenen Identität und Individualität. Sie sind auch eines der ersten äußerlichen Attribute, die man am Gegenüber wahrnimmt. Trotzdem sind Haare gesellschaftlich immer noch sehr an ein binäres Geschlechterdenken gekoppelt. Frauen haben lange Haare, Männer kurze. Wenn Frauen kurze Haare haben, dann nur im Damenschnitt. Damit begründet sich auch die traditionelle Aufteilung in Damen- und Herrenpreise. Die Norm bestätigt die Regel. Dass viele Personen allerdings nicht in diese Norm fallen, wird hierbei schlicht ignoriert.
Der Haarschnitt als Qual
Dadurch werden queeren Personen selbst bei etwas so scheinbar Simplem wie einem Haarschnitt Steine in den Weg gelegt. »Obwohl ich seit 16 Jahren Friseurin bin, bin ich selbst in keine Salons gegangen«, erzählt Ina Holub. »Das war nämlich beim geringsten Smalltalk immer in irgendeiner Weise mit einem Outing verbunden. Es ist super unangenehm, wenn du spürst, dass immer von einer
»Ich habe Kundschaften, die wegen komischer Kommentare wirklich Angst vor dem Haareschneiden haben.«
— Flora Essl
gewissen Norm ausgegangen wird.« Sobald sie sich in den Kund*innensessel setze und jemand einen Blick auf ihren Ehering erhasche, würde sie nach ihrem Mann gefragt. Dass tatsächlich ihre Frau zu Hause auf sie warte und kein Mann, komme dabei nur den wenigsten in den Sinn.
Tatsächlich fängt das Thema nicht erst im Friseur*innenstuhl an, sondern schon bei der Begrüßung: keine Sensibilisierung für gewünschte Pronomen mit folgendem Misgendern; ungefragte verletzende Kommentare zu Äußerlichkeiten; unerwünschte Beratung zum eigenen Selbstbild; trans Personen, denen die
Theresa Aggermann (2) 027
In ihrem Salon Soft & Cut versucht Ina Holub, möglichst viele Menschen zu inkludieren.
gewünschte Kurzhaarfrisur verweigert wird, weil das zu männlich aussehe. All das sind Situationen, die queere Personen immer wieder ertragen müssen. »Ich habe Kundschaften, die wegen komischer Kommentare wirklich Angst vor dem Haareschneiden haben«, berichtet Flora. »In Schönheitsdienstleistungsberufen passiert dieses Werten leider ganz oft.«
Das Patriarchatsproblem
Folglich schaffen queere Frisiersalons einen wichtigen Safe Space für queere Communitys, eine Zuflucht vor heteronormativen Denkmustern. Letztere existieren natürlich nicht nur im Salon, sondern sind gesellschaftlich verankert und schleichen sich überall in unseren Alltag ein. Flora bezeichnet es als das »Patriarchatsproblem«: Das binäre Schubladendenken, in dem alles in männlich und weiblich gedacht und eingeteilt wird, begegnet uns überall. Besonders präsent ist es aber eben in der Beauty-Industrie: Mode, Schmuck und Make-up-Produkte werden jeweils klar für nur ein Geschlecht vermarktet. Haare haben hier eine besondere Stellung.
»Gerade in westernisierten Ländern haben Haare leider eine superschlimme Kolonialgeschichte und eine sexistische Historie hinter sich«, erklärt Ina. »Das zeigt sich schon darin, dass Frauen lange Haare haben müssen, um für Männer vermeintlich attraktiv zu sein.«
Dabei gibt es viele Frauen, die gar nicht für
Männer attraktiv sein wollen. Genauso gibt es sicher viele Männer, die nicht nur lange Haare attraktiv finden. Auch die Kolonialisierungsgeschichte von Haaren wird allein durch das Branding und die Bewerbung von Haarpflegeprodukten sichtbar. Wir alle kennen die Shampoo-Werbung, in der eine weiße Frau ihre langen glatten Haare durch die Luft wirbelt – mit dem Claim »Seidenglattes, glänzendes Haar statt widerspenstiger Borsten«, oder so ähn-
»Das Geschlecht ändert ja nichts daran, was auf dem Kopf passiert, oder?« — Ina Holub
lich. Diese »widerspenstigen Borsten« werden hier oft mit dem Bild der Haare von PoC assoziiert. Allein Frisiersalons und Produkte für diesen Haartyp in Wien zu finden, stellt sich als Problem dar. Ina versucht dem entgegenzuwirken, indem sie explizit auch einen Service für PoC anbietet. Doch den Umgang mit
dieser Haarstruktur habe sie sich selbst erst beibringen müssen. In der Friseurmeister*innenAusbildung sei davon keine Rede.
Mehr Safe Space
Offensichtlich ist dort auch die Sensibilisierung hinsichtlich queerer Personengruppen kein Thema. Beigebracht wird stattdessen ein normatives zweigeschlechtliches Denken, eine Einteilung in männlich und weiblich, eine Kategorisierung in Damen- und Herrenpreise. Weil Haare in unserer Gesellschaft vermeintlich maßgebendes Geschlechtsmerkmal sind, wird dieses normative Bild auch in der Ausbildung weitergegeben. Dass die Welt in der Realität viel diverser und vielfältiger ist, wird nicht abgebildet.
Deshalb braucht es Menschen wie Ina und Flora, die einen Safe Space schaffen für all jene Personen, die oft zu schnell übersehen werden. Ein Raum, der Queerness versteht, zelebriert und sie zumindest in diesen Safe Spaces zur neuen Norm macht. Ein Raum, der einen Haarschnitt von einer unangenehmen Situation wieder zu einem positiven Erlebnis macht.
Mira Schneidereit
Der Salon Soft & Cut von Ina Holub befindet sich in der Kaiserstraße 67 im siebten Wiener Gemeindebezirk. In der Kirchengasse 27 im selben Bezirk kann man den Salon Fina von Flora Essl besuchen.
028 Special LGBTQIA*
Jana Madzigon
Nadya Tolokonnikova | Pussy Riot
21.06. –20.10.24
Nadya Tolokonnikova, ICONS, 2024
www.ooekultur.at ooekultur ok_linz ooeculture
Foto: Vitaly Khlebov
Unterstützung für queere Jugendliche Drei Perspektiven von Wiener Jugendarbeiter*innen
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Special LGBTQIA*
Candy Licious widmet sich der Jugendarbeit sowohl mit als auch ohne Drag.
Schulsozialarbeiterin
Vera Huber findet, das Umfeld der Jugendlichen sei entscheidend.
In Zeiten multipler Krisen, politischer Rückschritte und zunehmender Hassverbrechen gegen queere Menschen ist queere Jugendarbeit eine unverzichtbare Unterstützung. Wir haben mit Sexualpädagog*in Candy Licious, Schulsozialarbeiterin Vera Huber und der Leitung des Queeren Jugendzentrums Wien über ihre Arbeit, Wünsche, Herausforderungen und Erfolge gesprochen. ———— Wenn uns die Pandemie eines gelehrt hat – neben korrekter Handhygiene und Bananenbrotrezepten –, dann die Notwendigkeit eines verstärkten Fokus auf das (psychische) Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen. Queere Jugendliche sehen sich dabei oft im Vergleich zu ihren nicht queeren Kolleg*innen vor besondere Herausforderungen gestellt. Doch inwiefern braucht es hier ein gesondertes Unterstützungsangebot? Was unterscheidet queere Jugendarbeit von nicht queerer Jugendarbeit?
»Grundsätzlich nichts«, meint Luca Flunger, eine*r der Leiter*innen des Queeren Jugendzentrums Wien. In der Arbeit mit den Jugendlichen würden dieselben Grundprinzipien gelten: immer niederschwellig, immer freiwillig, immer anonym. Luca hat Soziale Arbeit an der FH Wien studiert und mit einer Bachelorarbeit zum Thema queere Jugendarbeit abgeschlossen: »Das war zu einer Zeit, als es quasi keine queere Jugendarbeit gab oder sie zumindest nicht als solche benannt wurde.«
Jugendarbeit ist also Jugendarbeit, egal ob queer oder nicht. Einige Unterschiede gebe es aber doch, erzählt Candy Licious, Dragqueen und Sexualpädagog*in: So spiele bei queerer Jugendarbeit Storytelling häufig eine größere Rolle. Neben aktivistischer Arbeit und Drag-Kinderbuch-Lesungen hält Candy auch Workshops an Schulen, einerseits für die Aids Hilfe als Sexualpädagog*in und andererseits für den Verein Queerfacts. »Bei den Workshops für Queerfacts gebe ich auch
meine Identität und Sexualität preis. Bei nicht queerer Jugendarbeit, wo die sexualpädagogische Jugendarbeit reinfällt, mache ich das nicht«, sagt Candy.
Bei den sexualpädagogischen Workshops stehe der Körper und was mit ihm passiert im Mittelpunkt – die Grundlagen von Sexualität auf materieller Ebene also. »Da ist es prinzipiell egal, welches Geschlecht ich habe, weil der Fokus auch nicht auf dem Thema Queerness liegt. Aber im Endeffekt müsste eigentlich beides zusammen gemacht werden.« Dafür
»Ein Großteil queerer Jugendlicher hat leider auch Diskriminierungserfahrungen gemacht.«
— Noah Damian Safranek
bräuchte man aber mehr Zeit, die bei den meisten regulären Workshops nicht gegeben sei. Allerdings gibt es seit Anfang April die Möglichkeit, über die Aids Hilfe einen dreistündigen Workshop mit Fokus auf Queerness, Antidiskriminierung und queere Jugendarbeit zu buchen.
Umfeld entscheidend
An einer spannenden Schnittstelle von queerer und nicht queerer Jugendarbeit sitzt Vera Huber. Für die Schulsozialarbeiterin sei der Weg in die queere Jugendarbeit vorgezeichnet gewesen: »Seit ich denken kann, hatte ich Jugendarbeit als Beruf in meinem Kopf.« Nach ihrem Studium der Erziehungswissenschaften in Südtirol arbeitete sie als Streetworke-
rin und in einem Jugendzentrum. Schließlich zog sie nach Wien, engagierte sich freiwillig bei der Queer Youth Vienna (QYVIE) und begann ihren Job als Schulsozialarbeiterin an einer eher traditionellen, konservativen Schule. In ihrem Job ist sie deshalb nicht explizit als queere Sozialarbeiterin angestellt, sondern eher, obwohl sie selbst queer ist: »Ich bin sehr selbstbewusst und habe zum Glück auch nie das Problem gehabt, mich selbst als queer zu outen und dann komische Reaktionen zu bekommen. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass die eigene Queerness ein Problem sein könnte – je nachdem, mit welchen Jugendlichen man in der Jugendarbeit zu tun hat.« Dabei spielen sowohl das Umfeld in der Schule als auch der Background über die Eltern eine zentrale Rolle. Vera erzählt von zwei queeren Kindern an ihrer Schule: einem mit unterstützenden Eltern und gutem sozialem Netzwerk in der Klassengemeinschaft und einem ohne Rückendeckung durch die Eltern, keinem guten Verhältnis zu Mitschüler*innen und einem Verbot, irgendetwas außerhalb der Schule zu unternehmen, wie zum Beispiel die queere Jugendgruppe QYVIE zu besuchen. Das zweite Kind wechsle deshalb wohl bald die Schule, meint Vera.
Auch Candy erzählt, dass es bei den Workshops Kinder gebe, die zum Beispiel den Raum verlassen, sobald es um queere Themen geht, oder die schon mit 14 eine festgefahrene negative Meinung zu Queerness haben: »Das ist natürlich schade, aber ich weiß auch, dass sie nichts dafür können. Erziehung spielt da die größte Rolle und umso mehr freut es mich dann, dass ich trotzdem dort war und vielleicht eine Person in der Klasse erreicht habe, die sagen kann: ›Okay, ich bin nicht allein.‹« Noah Damian Safranek, ebenfalls Teil des Leitungsteams des Queeren Jugendzentrums Wien, fasst es prägnant zusammen: »Queere Jugendliche sind – genau wie nicht
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queere Jugendliche – halt einfach Jugendliche.« Soll heißen, dass sie gleichermaßen mit der Vielzahl an Problemen und Entwicklungen des Erwachsenwerdens beschäftigt seien: Ablösungsprozesse von den Eltern, herausfinden, wo sie im Leben stehen, und entscheiden, was sie damit machen wollen. »Darüber hinaus hat ein Großteil queerer Jugendlicher leider auch Diskriminierungserfahrungen gemacht, die sie täglich bewältigen müssen. Das kann sehr anstrengend und belastend für die Jugendlichen werden und ist auch spürbar in der Arbeit mit ihnen.« Deswegen legt Noah Damian den Fokus gerne darauf, dass queere Jugendliche – wie alle anderen – Spaß und eine gute Zeit mit Freund*innen haben.
Großes Verbesserungspotenzial Wenn das Wohlbefinden Jugendlicher so sehr mit deren Umfeld steht und fällt, was können dann Schulen und andere Bildungseinrichtungen, in denen Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit verbringen, tun, um LGBTQIA*-Jugendlichen gerecht zu werden und ein inklusiveres Umfeld für sie zu schaffen? Schule konsequent inklusiv zu gestalten, sei eine Riesenaufgabe, meint Luca. An diesem Ort kämen einfach eine Vielzahl an unterschiedlichen Menschen mit diversen Bedürfnissen, Ängsten und Vorerfahrungen zusammen: »Das fängt schon damit an, dass Lehrer*innen bedingungslose Allys sein müssten, was allein schon kompliziert ist, weil Lehrer*innen keine homogene Gruppe sind.«
Außerdem hätten ja nicht nur LGBTQIA*Personen keinen Safe Space in Schulen, son-
dern marginalisierte Personen generell. Ein wichtiger Schritt, betont Luca, sei die Vernetzung mit Schulsozialarbeiter*innen und Schulpsycholog *innen, »damit Jugendliche Zugang zu uns finden«.
Ohne Einbindung der Schulleitungen könne halt wenig passieren: »So eine Veränderung muss immer von oben nach unten geschehen«, erklärt Candy. Idealerweise hieße es von Seiten der Direktion, sie würden eine Fahne aufhängen, Workshops buchen und Themenschwerpunkte setzen wollen – und das nicht nur einmalig, sondern Jahr für Jahr. An ganz oberster Stelle steht natürlich die Politik. Diese müsste mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, Themen entsprechend in den Lehrplänen verankern und etwa Schulbücher konsequent um ein drittes Geschlecht erweitern.
Trotzdem: »Man bewirkt bei Jugendlichen schon irrsinnig viel, wenn Sachen einfach irgendwo hängen, ohne dass man sie zwingt, etwas zu lesen. Wenn die Information einfach einmal im Gebäude ist«, legt Candy nach. Vera sieht das ähnlich: Gerade, wenn eine Vertrauensperson in der Schule selbst nicht queer sei, könnten Poster oder Infobroschüren im Büro den Unterschied machen und ein kleiner Schritt sein, um queeren Jugendlichen ein Gefühl von Sicherheit zu geben.
Ein Ort für queere Jugendliche
Doch selbst falls Schulen die Wende hin zu inklusiven Schutzräumen schaffen, sind sie nie gänzlich von der Außenwelt abgeschottet. Medien wie Tiktok können einen enormen Einfluss auf das Schulklima haben: »Je nach-
dem, was einem der Algorithmus vorschlägt, kann das entweder super cool sein und man bekommt informative, aufklärende Beiträge ausgespielt. Oder es rutscht in eine ganz andere Richtung, mit negativen, problematischen Inhalten und Hassvideos«, erzählt Vera. Das kann zu Fehlinformationen führen, die es richtigzustellen gilt.
Candy nennt hier zum Beispiel die rechtliche Situation von sexueller Mündigkeit, die sich von Land zu Land stark unterscheidet. Darum sei außerschulisches Angebot auch so wichtig, sagt Noah Damian – um den Umgang mit Medien zu lernen und zu üben, über Informationen, die die Jugendlichen aus dem Internet haben zu reflektieren, über Mythen und Trends zu reden und aufzuklären. Das sei auch Teil ihres Bildungsauftrags, fügt Luca hinzu. Aber auch für Unterstützung in schwierigen Situationen seien Jugendgruppen und -zentren wichtig, weil so etwas »ein zusätzlicher Ort ist, der Unterstützung bietet, wenn zum Beispiel Themen aufkommen, mit denen sich die Jugendlichen alleine fühlen«, so Noah Damian. Ein solcher Ort deckt zudem einen Bedarf an erwachsenen Bezugs- und Ansprechpersonen abseits von familiären und akademischen Abhängigkeiten ab. Denn Schule und Elternhaus sind häufig mit Leistungsdruck und gestellten Erwartungen verbunden –Schüler*innen werden von Lehrer*innen benotet, was unweigerlich ein Machtgefälle erzeugt, und Kinder sind materiell meist komplett auf ihre Eltern angewiesen. Außerdem sind Queerness und Queer Liberation intrinsisch politisch. Gerade im derzeitigen Klima werden queere Identitäten beständig missrepräsentiert, für Wahlkampfkampagnen zweckentfremdet und es werden Versuche gestartet, LGBTQIA*-Rechte einzuschränken. Deshalb ist es für queere – sowie für anderweitig marginalisierte – Jugendliche mit Diskriminierungserfahrung wichtig, einen Raum zu haben, in dem sie sich mit Peers, die gerade das Gleiche durchmachen wie sie, und mit Jugendarbeiter*innen, die früher auch ähnliche Erfahrungen gemacht haben, austauschen können. Um voneinander zu lernen, um ihre eigene Community zu finden, um sich möglicherweise politisch zu organisieren und zu engagieren, um einen konsumfreien Ort zu haben, an dem sie einfach sein können, und um einen Ausblick auf eine positive Zukunft für sich selbst zu bekommen, den sie sonst in dieser Form nicht hätten. Simon Pfeifer
Das Queere Jugendzentrum Wien eröffnet im Juli 2024. Näheres dazu unter www.q-wir.at. Die Jugendgruppe Queer Youth Vienna trifft sich jeden Donnerstag von 17:30 bis 22 Uhr im Gugg. Auf Instagram ist sie unter @queeryouthvienna zu finden. Informationen über Candy Licious und ihre kommenden Veranstaltungen unter www.candylicious.pink.
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Marlene Fröhlich
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Luca Flunger und Noah Damian Safranek sind Teil des Leitungsteams des Queeren Jugendzentrums Wien.
2024 11.8. 11.7. –
V ienna International Dance Festival
Performances, Workshops & Soçial
Art Direction, AI & Design: Cin Cin, Creative Studios; Photos: Doris Himmelbauer; 3D Background: Tobias Raschbacher; Performers: Karine LaBel, Nicola Schößler; Makeup & Hair: The Christoph, Christoph Haider
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Fesseln kann erotisch sein – muss es aber nicht. Letzlich geht es um das Spiel mit der Freiheit.
Gefesselt frei sein Rope Jams als emotionale und körperliche Spielplätze
Kink und BDSM werden gerne als Praktiken missverstanden, in denen sich alles um Sex und Dominanz dreht. Wer einen der queeren Rope Jams in Wien besucht, wird jedoch schnell feststellen, dass etwas ganz anderes im Zentrum steht: Consent und gelebte Identität. ———— Körper und Geist lasse ich fallen; eine tiefe innere Ruhe breitet sich aus; jede physische Sensation spüre ich intensiviert: So nehme ich meine ersten Erfahrungen mit Fesseln wahr. Schon davor habe ich neugierig zugehört, als mir von sogenannten Rope Jams erzählt wurde. Aber es selbst zu erleben, ist dann doch etwas ganz anderes. Bei Rope Jams kommen interessierte Menschen mehr oder weniger regelmäßig zusammen, um sich gegenseitig zu fesseln. Es sind Community-Treffen, bei denen man den Umgang mit Seilen lernt, bei denen aber oft auch gemeinsam gegessen und geplaudert wird.
Das steht im Kontrast zu MainstreamErzählungen von BDSM/Kink wie etwa in »50 Shades of Grey«. Auch wenn solche Darstellungen vonseiten der Kink-Community heftig kritisiert werden, prägen sie vermutlich die Vorstellung der meisten Menschen: »Es herrscht die Vorstellung, Kink mache man, um dann Sex zu haben«, stellt Johanna, selbst seit zwei Jahren Mitglied der Szene, fest. BDSM steht für bondage and discipline, dominance and submission, sadism and masochism. Kink umfasst hingegen zumeist auch Dinge wie Fetische, Role Play oder Pet Play und wird somit manchmal als größerer Überbegriff verwendet.
Es gibt aber auch andere Wahrnehmungen wie Elia, ebenfalls ein erfahrener Teil der Kink-Community, erklärt: »Kink ist für
mich feminisierter, eine queere, sex-positive Variante von BDSM, die mehr mit Spaß und Spielerei arbeitet.« Allerdings ist Kink auch ein etwas schwammigerer Begriff, der häufig einfach ident mit BDSM verwendet wird. Fest steht, dass Kink für viele Menschen Teil der eigenen Identität ist – genauso wie Gender oder Sexualität. Gewisse Kink-Com-
»Es herrscht die Vorstellung, Kink mache man, um dann Sex zu haben.«
— Johanna
munitys ermöglichen gar ein Spielen mit der eigenen Sexualität und dem eigenen Gender: Man kann sein, wie man ist; man kann sich selbst kennenlernen. Kink kann für jede Person etwas Unterschiedliches bedeuten.
Consent als Fundament
In der Variante von Kink, die ich kennengelernt habe, fußt alles letzten Endes auf Consent und einem individuell festgesetzten Rahmen, innerhalb dessen verschiedene Fantasien ausgelebt werden können. Anerkannte Frameworks für den konsensualen Ablauf sind unter anderem SSC (safe, sane, consensual) oder RACK (risk aware consensual kink)
Ein Ampelsystem – von Grün (»Es passt alles!«) über Gelb (»Achtung, da ist ein Limit!«) bis Rot (»Alles stopp!«) – kann dabei helfen, gewisse Grenzen zu kommunizieren. Solche Leitbegriffe passen nicht in das weit verbreitete Bild von Kink, das von starken Machtungleichheiten und gefährlichen sexuellen Begegnungen geprägt ist.
Dieser bewusste Umgang mit Consent ermöglicht zudem ein vielschichtiges Verständnis: Ein »Ja« ist nicht immer ein flächendeckendes Einverständnis, hingegen will ein »Nein« manchmal auch gebrochen werden. Consent muss im Vorhinein auf vielen Ebenen ausverhandelt werden, damit Fantasien in einem gegenseitig ausgemachten Rahmen ausgespielt werden können. Offene Gespräche über das momentane Befinden, eigene Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen sind zentral. So können beispielsweise vergangene Ereignisse, in denen eine Person keine Kontrolle gehabt hat, mit Safe Words in einem sichereren Kontext rekonstruiert werden. Ein Wiedererleben das ermächtigend wirken kann.
Begegnungsräume schaffen
All das hat bislang noch nicht zwangsläufig etwas mit Sex zu tun. Doch warum sind Kink und Sex im allgemeinen Bewusstsein so eng miteinander verbunden? Muss Kink automatisch immer zu Sex führen? Nein, denn Kink eröffnet ein viel breiteres Spektrum an lustvollen Erfahrungen, bei denen der Fokus abseits von Genitalien oder penetrativem Sex liegt. Sexualität kann Kink erweitern – oder auch umgekehrt. Aber das ist nicht notwendi-
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gerweise der Fall. Allerlei mögliche Sensationen und Fantasien können hier erlebt werden. Als Person, die sich selbst auf dem asexuellen Spektrum sieht, hat mich besonders entsexualisierter Kink interessiert. Bei den Rope Jams, die ich besucht habe, konnte ich Kink losgelöst von Sexualität begegnen.
Die Methoden des Fesselns, die dort praktiziert werden, stammen aus einer Fusion von Shibari / Kinbaku und Western Bondage. Shibari (bzw. das enger mit Erotik in Verbindung gebrachte Kinbaku) sind Bezeichnungen für eine japanische Fesselkunst, die unter anderem einst in den dortigen Vergnügungsvierteln praktiziert wurde und hierzulande leider häufig durch eine exotisierende Linse betrachtet wird. Bei den Rope Jams verbinden sich gewisse Techniken dieser Tradition mit Knoten aus dem Western Bondage und ermöglichen dabei unzählige unterschiedliche Arten, mit dem Seil zu arbeiten.
Die so entstehende Fesseltechnik hat eine kunstvolle Ästhetik. Die Vielzahl an Knoten will gut gelernt und geübt sein, insbesondere wenn es um Hängefesselungen geht, bei denen eine Person durch Seile an einen Balken oder Ring gebunden in der Luft schwebt. Hier ist Sicherheit enorm wichtig. Manche Rope Tops –fesselnde Personen – experimentieren ständig, welche neuen Reaktionen sie bei ihren Modellen bzw. Rope Bottoms – gefesselte Personen – hervorbringen können. Erfahrene Rope Tops können mit einer Fesselung eine vollständige Geschichte samt eigenem Spannungsbogen erzählen. Dabei entwickelt sich eine ganz spezielle Nähe: »Es geht um das emotionale Erleben mit der anderen Person«, so Elia.
Die Rope Tops übernehmen sehr viel Verantwortung, unter anderem für die Sicherheit ihrer Rope Bottoms. Die Kontrolle liegt aber zunächst bei der gefesselten Person, die die Fesselung jederzeit beenden kann – abgesehen von Situationen, in denen im Vorhinein abgemacht wurde, dass genau diese Kontrolle abgegeben wird. Die Gründe und Motivationen der beteiligten Menschen sind unterschiedlich und reichen von Ästhetik und Kreativität über Kontrolle und Neugierde bis hin zum Handwerklichen und Emotionalen: »In meinem Kopf ist da dieser Fight zwischen Effektivität, Sicherheit und dass es schön aussieht«, meint Elia. »Und oft widersprechen diese Kriterien einander.«
Den Kopf abstellen müssen Als Rope Bottom habe ich die Erfahrung gemacht, komplett die Verantwortung abgeben zu können – ja fast schon zu müssen. Eingeschränkt in meinen Bewegungen, konnte ich gar nicht anders, als mich nur auf mich selbst zu konzentrieren, meinen Körper zu spüren und mich fallen zu lassen. Für viele ist Bondage eine kathartische, emotionale
und physisch stimulierende Sensation. Die Seile können wehtun, in das eigene Fleisch einschneiden, aber auch sanft über die Haut gleiten. Es kann physischer Kontakt zwischen Rope Tops und Bottoms entstehen, der zu diesen körperlichen Eindrücken beiträgt. Gleichzeitig kann die Zeit in den Seilen eine sehr emotionale sein, bei der innerste Gefühle hochkommen. Dieses Sich-selbst-Spüren kann mitunter äußerst meditativ und in gewisser Weise therapeutisch wirken.
Queer-feministischer Kink
Von feministischer Seite gibt es immer wieder Kritik an der Kink-Szene, wie auch Johanna ausführt: »Es gibt Feminismen, die das sehr kritisieren, die sagen, das sei ja wieder nur ein weiteres Beispiel davon, wie sich das Patriarchat auf Sexualität auswirkt.« Diese Wahrnehmung ignoriert jedoch das gegenseitige Einvernehmen, das den konstruierten Situationen vorausgeht. Außerdem scheinen besonders in der queeren Kink-Szene normative Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität fast schon
mit Sex gleichgesetzt, wie es in manchen Communitys passiere. »Kink ist alles, was nicht Vanilla ist«, stellt Benji die Bandbreite dar. »Kink ist ein ›All-You-CanEat-Buffet‹, man kann hingehen mit seinem Teller, der Teller kann so groß sein, wie man möchte, und man kann sich bedienen, wie man möchte.« So gut wie alles könne Kink sein. Es gehe um einen bewussten Umgang mit eigenen Bedürfnissen, die anderen mitgeteilt werden können.
Neben den Rope Jams gibt es bei Crucible auch Themenpartys, Workshops zu Consent, und Neon-Code-Playpartys, bei denen über verschiedenfarbige Armbänder nonverbal kommuniziert werden kann, wonach Personen suchen. »Die Zugänge zu Kink und der dazugehörigen Community waren früher anders und nicht immer so niederschwellig. Consent wurde damals eher kleingeschrieben«, reflektiert Benji die Entwicklung der Szene. Die Rope Jams von Crucible oder etwa auch die Fesseltreffen vom Verein Querverbindungen
»Es geht um das emotionale Erleben mit der anderen Person.« — Elia
selbstverständlich subvertiert zu werden. Von Heteronormativität ist dort kaum etwas zu spüren. Doch obwohl meine Erfahrungen mit Rope Jams höchst queer geprägt waren, ist das nur eine Seite der Kink-Community in Wien. Nicht alle Kink- oder BDSM-Gruppen leben die gleiche Offenheit, den bewussten Fokus auf Consent und die Subversion festgefahrener Geschlechterrollen.
Um Einblicke hinter die Kulissen zu gewinnen, habe ich mich mit Astrid und Benji vom Verein Crucible zusammengesetzt. Laut Benji sei die Hauptmotivation für den Verein gewesen, »einen dezidiert kinkpositiven BDSM-Space mit einem sexpositiven Zugang und einem queer-feministischen Werteanspruch zu vereinen«. Für die beiden biete das Crucible nun seit ungefähr eineinhalb Jahren einen undogmatischen Safe(r) Space für authentische, zwischenmenschliche Begegnungen und Interaktionen. Dabei liege ihre Aufmerksamkeit auf den verschiedenen Schnittstellen, die Kink haben kann, unter anderem mit Traumata, Neurodivergenz und Queerness. Das Crucible ermögliche einen niederschwelligen Zugang zu Kink in verschiedenen Facetten. Kink werde nicht
bieten deshalb sogenannte Beginner’s Corners an, in denen die wichtigsten Sicherheitshinweise sowie erste Knoten beigebracht werden. So lädt die Community auch neue Leute ein, das Fesseln auszuprobieren, selbst wenn noch kein Vorwissen vorhanden ist.
Unter anderem solche Öffnungen machen die Kink-Community zunehmend sichtbarer und vielleicht verändern sich mit dieser Sichtbarkeit die bestehenden Vorurteile gegenüber Kink und Bondage. Denn wenn meine Erfahrungen mir eines gezeigt haben, dann, wie wenig das erste Bild, das bei den Begriffen Kink oder BDSM im Kopf entsteht, mit der in diesen Communitys praktizierten Realität gemein hat.
Johanna T. Hellmich
Der Verein Crucible veranstaltet neben Rope Jams auch Workshops, Ausstellungen und andere Events rund um die Kink-Szene. Auch der Verein Querverbindungen bietet neben den Fesseltreffen weitere Veranstaltungsformate. Die Autorin dankt Johanna, Elia, Benji, Astrid, Crucible und Querverbindungen, für die Möglichkeit eines ersten Einblicks in die Welt der Fesselungen.
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Was ist Tokenismus? Zwischen Repräsentation und Ausbeutung
Große Unternehmen schmücken sich mit der Pride-Flagge, Werbespots zeigen Menschen unterschiedlicher Herkunft, häufig deklariertes Ziel: »Diversität«. Und dennoch ist unsere Kultur- und Medienlandschaft alles andere als vielfältig. Wie kommt es dazu? Und was hat das mit Tokenismus zu tun? ———— Vielleicht erinnern sich ein paar Leser*innen an eine Szene aus der britischen Serie »Fleabag«: Ein Preis wird für die »Best Woman in Business« verliehen, Sektempfang und Lobesreden inklusive. Protagonistin Fleabag hat den ziemlich ausdruckslos designten Pokal verschusselt und muss schnell etwas anderes zur Belohnung überreichen. Doch das Einzige, was sie so spontan finden kann, ist die goldene Büste einer nackten Frau ohne Kopf. Wie peinlich … Belinda, die Gewinnerin dieser Ehrung, nimmt ihren Preis überraschend gefasst entgegen. Später erzählt sie wieso:
belinda: »God! Women’s Awards…« fleabag: »Congratulations!«
belinda: »Oh, it’s infantilizing… bollocks.« fleabag: »What? Don’t you think it’s good to…?«
belinda: »No! It’s ghettoizing. It’s a sub-section of success… Arse-fucking children’s table-awards.«
fleabag: »Why did you go?«
belinda: »Because I’d be an arsehole not to.«
Woran sich Belinda hier stört, könnte man mit dem Begriff Tokenismus beschreiben. Dieser bezeichnet die rein symbolische Geste, eine Einzelperson stellvertretend für die Diversität einer Gesellschaft oder eines Teams auszustellen, ohne sich wirklich für Inklusion und gegen Diskriminierung von Minderheiten einzusetzen – quasi als Alibi. Tokenismus ist der Grund, warum sich ein Preis für
die »Best Woman in Business« merkwürdig anfühlt. Und warum er etwas anderes symbolisiert als ein unkategorisierter Preis für wirtschaftliche Leistung.
It’s lonely (at the top)
Die US-amerikanische Soziologin Rosabeth Moss Kanter gilt als eine der ersten und prägenden Wissenschaftler*innen für den Tokenismus-Begriff. Sie hat in den 1970er-Jahren Unternehmensstrukturen auf die Anzahl der angestellten Frauen untersucht. Und sie hat dabei erkannt, dass Frauen überall so unterbesetzt waren, dass sie die Funktion eines »Tokens« einnahmen. Sie wären eher als Symbol behandelt worden, als Repräsentant*innen ihres Geschlechts, nicht als Individuen. Ähnliches lässt sich bei allen Menschen feststellen, die aufgrund ihrer Herkunft, Sexualität, Identität oder ihres Aussehens aus einer ansonsten
Repräsentation sieht Talita Simek als zweischneidiges Schwert.
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sehr homogenen Gruppe oder Gesellschaft herausstechen. Sie können sich schwer mit anderen solidarisch austauschen, weil sie als Token der Gruppe isoliert werden.
Azadê Peşmen schreibt über diese negative Rollenzuschreibung 2017 im Missy Magazine: »Diese erhöhte Sichtbarkeit wirkt sich nicht unbedingt positiv aus. Sobald ein Fehler gemacht wird, wird dieser nicht als individueller Fehler gelesen, der mal passiert, sondern er wird auf die gesamte imaginierte Gruppe übertragen. (…) Umgekehrt wird man, wenn man in der Rolle des Tokens steckt und gute Arbeit leistet, dafür nicht gelobt.« Das ließe sich zum Beispiel dann beobachten, wenn ein*e muslimische Schauspieler*in in eine Talkshow eingeladen wird und dort »den Islam« erklären soll, statt vom neuen Filmprojekt zu erzählen.
Auch die Autor*innen der Studie »Tokenism and Its Long-Term Consequences« beobachteten, dass beispielsweise Literaturauszeichnungen für nicht weiße Autor*innen dazu führten, dass Bücher anderer PoC-Autor*innen geringere Aufmerksamkeit erhielten. Jenen, die eigentlich von Diversitätskriterien profitieren sollten, wird also das Gefühl vermittelt, dass es nur eine*n geben dürfe, dass sie sich mit anderen Repräsentant*innen ihrer Gruppe im ständigen Wettbewerb befinden würden. Der Zwiespalt, der sich bei dieser Diskussion auftut: Wie fördern wir in Kultur und Medien eine Vielfalt in der Gesellschaft und verhindern andererseits, dass einzelne Personen als »Symbolfiguren« ausgenutzt werden?
Die angehende Literaturwissenschaftlerin Sophie E. Seidler fasst das Problem im Kulturmagazin Bohema prägnant zusammen: »Es gehört zu den großen Paradoxien der Gegenwart, dass die plumpe Identifikation mit Labels eigentlich abgeschafft gehört, aber da sie ja doch im Alltag und im Kulturbetrieb eine Rolle spielt, affirmativ hervorgehoben und aktiv gefördert werden muss, um den Personen, die sonst unter den Tisch fallen, zu ihrem Recht zu verhelfen.«
Wahrnehmung vs. Wirklichkeit
Talita Simek ist Kulturmanagerin und Schauspielerin in Wien. Sie sieht den Begriff des Tokens mit gemischten Gefühlen. Einerseits könne dieser als Abwertung für jene Künstler*innen verwendet werden, die sich in den Vordergrund stellen und für wichtige Repräsentation sorgen – wie etwa schwarze Schauspieler*innen in Hauptrollen. Andererseits sei ihr das Thema Tokenismus wichtig, weil sie selbst schon Erfahrungen gesammelt habe, in denen sie sich ausgenutzt gefühlt habe. Bei großen Kultur- oder Politikveranstaltungen sei sie oft die einzige Person of Color im Raum. Manchmal, erzählt sie, werde sie zu einer Veranstaltung eingeladen, nur um dann herauszufinden, dass um Diversität als Tagesthema gehe: »Wenn man bei diesen Veranstaltungen dann über Rassismus spricht, wird man komisch angeschaut. In Österreich werden genug Leute
ausgegrenzt – auch im künstlerischen Bereich. Und all diese Leute bindet man leider nicht ins Gespräch ein. Gerade bei Förderungen, die eigentlich Diversität in den Fokus stellen wollen, fühlt es sich an wie eine Art Zensur. Es wird sehr viel Kultur in Wien gefördert – das ist auch gut so. Aber als PoC oder Teil der LGBTQIA*Community soll man Stücke inszenieren, die ›dazupassen‹, die Diversitätskriterien erfüllen. Als Kulturschaffende möchte ich aber ein Stück machen können, bei dem es egal ist, ob meine Identität Thema ist oder nicht.«
Alex, Sänger und Komponist der queeren Band Pop:sch, hat zwar selbst bislang wenig Tokenismus erlebt, sieht die Thematik aber
ten 2022 nur sechs Prozent aller deutschen Chefredakteur*innen einen Migrationshintergrund –und selbst diese kamen alle aus angrenzenden Staaten. Diese Zahl stammt übrigens vom Mediendienst Integration in Deutschland, von einer der wenigen Quellen für aktuelle Daten zum Thema. Warum gibt es hier nicht mehr regelmäßige Studien?
Ein sich leider immer wieder einschleichender Vorwurf, wenn es um das Thema Tokenismus geht, ist auch die falsche Annahme der »umgekehrten Diskriminierung« oder die fehlgeleitete Kritik an Quoten oder
Laut der Band Pop:sch müssten Änderungen bei den eingefahrenen Machtpositionen beginnen.
ebenfalls gespalten: »Als Band betrifft uns das nicht allzu sehr, weil wir sowieso nur über queere Themen singen und unsere Lieder voll von unserer Lebensrealität sind. Wir haben aber sehr wohl gehört, dass wir Buchungen nur bekommen hätten, weil wir schwul oder lesbisch seien. Meistens von anderen Bands. Die sagen das dann mit so einem Augenzwinkern – und haben aber wahrscheinlich auch recht. Wir würden zum Beispiel nicht auf der Regenbogenparade spielen, wenn wir nicht die Texte hätten, die wir haben.«
Was man verändern könne, um Vielfalt mehr zu fördern? Das lasse sich oft nicht an einem konkreten Punkt festmachen. Dennoch setzt sich auch Alex dafür ein, dass es nicht reiche, wenn Diversität nur öffentlichkeitswirksam präsentiert werde: »Man könnte etwa im Radio die Musikauswahl ändern. Vielleicht sogar die Leute, die diese Musikauswahl treffen.« Denn, was nützt ein öffentlicher Auftritt mit diversen Künstler*innen, wenn hinter den Kulissen die Entscheidungsgewalt und die Finanzierungsmöglichkeiten weiterhin bei denen liegen, die vor 35 Jahren auch schon die Macht innehatten? So hat-
Quotenforderungen. Der Vorwurf: Wenn man gewisse Bevölkerungsgruppen extra fördere, diskriminiere man dann damit automatisch alle anderen, die nicht dazugehören. Also beispielsweise ein Stipendium für FLINTA*Nachwuchskünstler*innen sei unfair, weil andere Kunstschaffende sich dafür gar nicht erst bewerben könnten. Oder ein Preis für »Women in Business« sei diskriminierend, weil er die männlichen Kollegen ausschließe.
Umgekehrte Diskriminierung?
In ihrem TED Talk greift die australische Journalistin Antoinette Lattouf dieses manipulative Narrativ auf und erzählt, wie ihr ein Redakteur klagte, dass es wegen Tokenismus heutzutage unmöglich sei, als Mann befördert zu werden – während er gleichzeitig selbst eine hochrangige Position bekleidete. Aber: »Das reichte aus, damit er sich nun als Opfer fühlen konnte.« Denn wer an gewisse Privilegien gewohnt ist, für den fühlt sich Gleichberechtigung wie Diskriminierung an. Tokenismus ist also sicherlich keine Form von umgekehrter Diskriminierung – aber kann er ein wirksamer Weg zur Gleichberechtigung sein?
Pop:sch 038 Special LGBTQIA*
Beim Blick auf die langfristigen Auswirkungen von Tokenismus, fallen schnell die großen Nachteile auf, die Menschen durch diese vereinzelnde Aufmerksamkeit bekommen. Die Autor*innen von »Tokenism and Its Long-Term Consequences« schließen sogar darauf, dass die Inklusion von »tokenisierten Individuen« dazu benutzt werden kann, andere Menschen der repräsentierten Gruppe strukturell auszuschließen. Auch Antoinette Lattouf sieht dies ähnlich: »Wenn etwas tokenisiert ist, dann führt dies zu mehr Diskriminierungen und mehr Anfeindungen.«
Alibi für AfD
Ein Extrembeispiel ist AfD-Lieblingstoken und -Vorsitzende Alice Weidel. Zwar befindet sich diese in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung mit einer Frau aus Sri Lanka, möchte sich aber weder als queer bezeichnen noch lässt sie sich deswegen darin irritieren, rechtspopulistische Politik zu betreiben. Die Partei AfD wiederum nützt das, um Kritik an ihrem menschenfeindlichen und diskriminie-
MONA MATBOU RIAHI
DANIEL ERDMANNS “THÉRAPIE DE COUPLE”
AMIRTHA KIDAMBI’S ELDER ONES
OTHERMOTHER • KRIS DAVIS TRIO
RADIAN • ILOG3 • BLUEBLUT • THE END
MILLÀ / GUSTAFSSON / DIEB13
BRAINTEASER ORCHESTRA
OLI STEIDLE & THE KILLING POPES
THE MESSTHETICS & JAMES BRANDON LEWIS
THE TOTALLY MECHANIZED MIDI ORCHESTRA AND MANY MORE...
renden Parteiprogramm abzuwehren und ihre Positionen zu legitimieren. Denn wie könne diese Kritik stimmen, wenn die eigene Vorsitzende sich nicht davon diskriminiert fühle?
Schlussendlich tragen wir alle die Verantwortung, Tokenismus zu vermeiden, Diskriminierungen zu erkennen und uns für echte Inklusion einzusetzen. Representation matters – aber es darf nicht ausschließlich auf dieser Ebene bleiben. Denn es reicht eben nicht aus, Stellvertreter*innen für Diversität zu benennen, sondern es müssen Strukturen grundlegend so verändert werden, dass mehr und diversere Menschen darin Platz haben. Die einzigen, die tatsächlich von Tokenismus profitieren, sind jene, die von ihren meist unfair erreichten privilegierten Positionen nicht abrücken wollen.
»Als Kulturschaffende möchte ich ein Stück machen können, bei dem es egal ist, ob meine Identität Thema ist oder nicht.«
Lara Cortellini
Talita Simek hat zuletzt Produktionsleitung und Presse für das Stück »Der Kissenmann« gemacht, das noch bis 2. Juni im Off Theater in Wien zu sehen ist. Aktuelle Infos zur Band Pop:sch gibt’s auf Instagram und Facebook.
— Talita Simek
Concept/Design/Artwork/Print/Animationhh@hanneshawle.at 22. - 25. 08. 2024
Wortwechsel Wer zahlt für Gratiskonzerte?
Sommer, Sonne, Open Air – die wärmste Jahreszeit ist nicht nur die Saison für Festivaltickets im dreistelligen Euro-Bereich, sondern am anderen Ende des Kostenspektrums auch für diverse Konzertangebote bei freiem Eintritt. Mit Popfest, Wir sind Wien, Donauinselfest usw. lässt sich schon allein in der Bundeshauptstadt der Freizeitkalender für lau füllen. Doch wer übernimmt die Kosten, wenn es nicht die Besucher*innen tun? Wie können Venues gegen die Gratiskonkurrenz bestehen? Wer ist noch bereit, Geld für Musik zu zahlen, wenn alles umsonst ist? Und: Welchen Wert haben Gratiskonzerte? Inwiefern bereichern sie die Szene?
Monika Erb Geschäftsführerin Basiskultur Wien
Barrieren abbauen ———— Kunst und Kultur zu genießen, ist ein Privileg, das nicht allen gleichermaßen zugänglich ist. Erstens muss man sich den Eintritt leisten können und zweitens muss ein Konzertbesuch auch geplant werden. Das heißt, es braucht zeitliche Ressourcen, Wege müssen zurückgelegt und mögliche Betreuungspflichten ausgelagert, gegebenenfalls auch bezahlt werden. Dann stellen sich noch die Fragen, ob es einen Dresscode gibt und ob ich diesen erfüllen kann, welches Verhalten erwartet wird, ob ich mich ohnehin in einem Kreis von Kunstinteressierten bewege oder ob das Neuland für mich ist und somit mit Unsicherheit verbunden. Als Gesellschaft tragen wir die Verantwortung, Barrieren abzubauen und Kunst und Kultur allen Menschen zugänglich zu machen – unabhängig von ihrer sozialen Verortung. Dazu braucht es kostengünstige Veranstaltungen ebenso wie kostenfreie im öffentlichen Raum, außerdem Veranstaltun-
gen an dezentralen Orten und ohne Konsumzwang. Und genau hier setzen wir mit dem Wir sind Wien Festival an. Mit einem breiten Programm, in dem sich alle Bewohner*innen und Besucher*innen Wiens wiederfinden können, kommen wir direkt zu den Menschen, in ihren Park, ihre Nachbarschaft, ihr Grätzl. Wir verstehen Kunst und Kultur als verbindendes Element, das spielerisch dazu einlädt, sich auf Unbekanntes einzulassen, zum Austausch anregt und vor allem Spaß machen soll.
Dass Kulturveranstaltungen bei freiem Eintritt überhaupt stattfinden können, ist selbstverständlich nur durch Förderungen möglich bzw. auch mithilfe von Unterstützer*innen und Sponsor*innen.
Wir merken natürlich schon, dass manche Bands keine Gratiskonzerte mehr spielen, weil sie problemlos Konzertsäle ausverkaufen. Aber für viele, vor allem für junge Künstler*innen bietet das Wir sind Wien Festival die Möglichkeit, sich gegen Gage erstmals einem größeren Publikum zu präsentieren, neue Formate auszuprobieren und mit dem Publikum unmittelbar in Austausch zu treten. Und im besten Fall wecken wir bei unserem Publikum auch nachhaltig die Begeisterung für Kunst und Kultur.
Monika Erb ist Geschäftsführerin von Basiskultur Wien. Der Verein zeichnet neben dem Wir sind Wien Festival unter anderem auch für den Kultursommer Wien verantwortlich.
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Bernhard Frena Juergen Hoerl, Barracuda Music, Edvard Orell, Florian Wörgötter
Harry Jenner
Konzert- und Festivalveranstalter
Feste feiern, wie sie fallen ———— Dass Gratiskonzerte etwas Gutes sein müssen, scheint einerseits ja aufgelegt – weil: Wieso sollten sie es nicht sein? Andererseits zeigt schon die obige Fragestellung, dass es – wenn man es genau nimmt – eigentlich keine Gratiskonzerte gibt. Irgendwer zahlt schließlich immer und das meist auch nicht zu knapp. Für die Besucher*innen dürfte positiv sein, dass sie es nicht unmittelbar aus der eigenen Tasche zahlen müssen. Indirekt stimmt das allerdings schon nicht mehr hundertprozentig, weil alle hier aufgezählten Gratisveranstaltungen von der öffentlichen Hand und dadurch ja erst wieder von den Besucher*innen bezahlt werden. Somit stellt sich die Frage, inwiefern solche Konzerte überhaupt gratis sind. Richtiger wäre wohl, man nennt sie Veranstaltungen mit freiem Eintritt. Aber gut, diese Diskussion droht ins Philosophische abzudriften.
Zurück zum Thema: Im Allgemeinen sind die vermeintlichen Gratiskonzerte natürlich etwas Gutes, sie gehören konsumiert und gefeiert. Ich sehe sie eigentlich für alle Beteiligten als äußerst positiv. Selbst für die Venues, denn im Idealfall findet dann ja auch die Aftershowparty dort statt. Schlussendlich ist die Zahl dieser Art von Veranstaltung über das ganze Jahr ja stark begrenzt. Somit wirken sie höchstens belebend fürs Geschäft und für den gesamten Kosmos der Livemusik. Der positive Effekt weitet sich zudem noch auf sämtliche angrenzenden Bereiche wie Artists, Musiklabels, Gastro, Personal, Techniker*innen, Marketing etc. aus.
Als älteres Semester war ich noch live bei Falcos legendärem Auftritt auf der Donauinsel dabei und von dem erzähle ich bis heute. Natürlich war’s für lau und das Donauinselfest als damaliger HTL-Schüler ein fixer Bestandteil meiner »Fortgehkultur«. Aber ich kann auch genug Konzerte aufzählen, die ich damals ganz normal, mit bezahltem Ticket besucht habe. Unterm Strich war das Verhältnis hier sicher zwanzig zu eins für die bezahlten Shows. Also: Nicht zu viel über »Gratis oder nicht gratis? Gut oder schlecht? Wem könnte es was bringen oder nicht?« nachdenken. Lieber rausgehen und die Feste feiern, wie sie fallen. Wir sehen uns beim nächsten Konzert – mit oder ohne Eintritt!
Harry Jenner ist Miteigentümer von Barracuda Music, einer der größten Konzert- und Festivalagenturen in Österreich, und Mitveranstalter des Nova Rock und des Frequency Festivals.
Wolfgang Descho
Geschäftsführer Rockhouse Salzburg
Nicht zulasten der Ganzjahresversorger*innen ———— Die mittlerweile schon etwas inflationären Gratiskonzerte bringen nicht nur »Kultur für alle«, sondern zunehmend auch Probleme für die »normalen« Ko nzertveranstalter*innen. Beginnen wir mit den diversen Stadtfesten und -festivals, die sehr oft von der öffentlichen Hand mitgetragen bzw. teilweise von ihr organisiert werden. Als (zusätzliche) Einkommensquellen für Musiker*innen ist das natürlich gut – davon ausgehend, dass sie faire Gagen für ihren Auftritt bekommen. Auch die Belebung öffentlicher Orte kann man positiv bewerten. Problematisch wird es, wenn Bands, die sonst in Grassroots-Venues spielen würden, auf die Gratisbühnen gebucht werden. Denn warum sollen Konzertbesucher*innen für die Gruppe XY Geld bezahlen, wenn sie diese z. B. beim Stadtfest bei freiem Eintritt sehen können? Vor allem sind Gratiskonzerte also ein Problem, wenn dieselben Bands wenig später in Kulturbetrieben auftreten und Eintritt verlangt werden muss. Bessere Kommunikation und Einbindung sind hier natürlich die Zauberworte, die eine Lösung in Aussicht stellen könnten.
Prinzipiell können Gratiskonzerte in Zeiten steigender Ticketpreise ein gutes Zusatzangebot darstellen bzw. ein Kulturangebot auch für kleinere Geldtaschen bieten. Mit entsprechender Planung, Dosierung – das heißt wenige (!) und gut durchdachte Gratiskonzerte –, Kommunikation und Einbindung könnte die richtige Mischung gefunden werden. Denn in Zeiten von Teuerung, Energiekrise, Inflation etc. müssen die Kulturstätten, Clubs usw. ohnehin ums Überleben kämpfen. Sowohl die Musiker*innen als auch das Publikum schneiden sich ins eigene Fleisch, wenn Kulturstätten und Clubs schließen müssten, denn diese sind die kulturellen Ganzjahresversorger*innen.
Das Rockhouse Salzburg ist eine der zentralen Spielstätten für populäre Musik in Salzburg. Wolfgang Descho leitet die Venue seit seiner Eröffnung 1993.
Lukacz Custos Musiker
Nicht nehmen, ohne zu geben ———— Ein Konzertbesuch ist im besten Fall ein Ereignis, das einem lange in guter Erinnerung bleibt und manchmal sogar die Initialzündung für das eigene künstlerische Schaffen darstellt. In jedem Fall ist es etwas, das uns Menschen glücklich macht, zumindest für die Dauer des Konzertbesuchs. Ein Konzert ist für Musiker*innen und Bands aber nur die sogenannte Spitze des Eisbergs. Denn bis es überhaupt zu einem Auftritt kommen kann, ist vonseiten der Künstler*innen viel Zeit in Proben, Vorbereitung, An- und Abreise etc. zu stecken. Da sich durch die Digitalisierung auch der Musikmarkt verändert hat, sind Konzerte für viele Bands und Musiker*innen mittlerweile die einzig relevante Einnahmequelle. Für seine Arbeit bezahlt zu werden, heißt nicht nur Anerkennung und Lebensunterhalt, sondern ist auch notwendig, um diese überhaupt weiter ausführen zu können.
Vereinfacht gesagt bedeutet ein Gratiskonzert, dass man als Publikum auf die Darbietung der Auftretenden eingeladen wird. Außer sie wird durch Steuergelder finanziert, dann lädt man sich als Steuerzahler*in zumindest teilweise quasi selbst ein. Möglichst vielen Menschen einen kostenfreien Zugang zu Konzerten zu ermöglichen, ist an und für sich etwas Erstrebenswertes, aber nur, wenn all jene, die auf sowie hinter der Bühne beschäftigt sind, fair entlohnt werden können und dies für Subkultur sowie freie Szene keine strukturelle Benachteiligung bedeutet. Gratiskonzerte sollten eher die Ausnahme darstellen und unter Rücksichtnahme auf den umliegenden Kulturbetrieb gestaltet werden, weil sie sonst mehr Schaden als Nutzen bringen können. Besonders für kleinere Venues, die mittlerweile schon damit zu kämpfen haben, überhaupt Publikum zu erreichen, könnte dies nämlich sonst zum Nachteil werden. In jedem Fall muss einem bewusst sein, dass Gratiskonzerte genauso viel Arbeit bedeuten wie jene, für die an der Abendkasse Eintritt gezahlt wird. Aus wirtschaftlicher Sicht sind sie daher auf Dauer nicht tragfähig. Wahrscheinlich müssen wir uns auch hier die Frage stellen, ob es denn angemessen ist zu nehmen, ohne zu geben.
Lukacz Costa ist Gitarrist und Sänger in der Band Granada. Diese tritt dieses Jahr unter anderem am 15. Juni beim Nova Rock, am 29. Juni beim Stadtfest Hallein und am 17. Oktober im Rockhouse Salzburg auf.
Workstation Menschen am Arbeitsplatz
Luca Celine Manuel Fronhofer
Manuel Bornbaum
Pilzzüchter
Der Austernseitling sei nicht nur der Bestseller von Hut & Stiel, erzählt Manuel Bornbaum, sondern auch sein Lieblingspilz aus eigenem (Bio-)Anbau. Bislang, denn der Igelstachelbart werde diesen irgendwann ablösen, ist er überzeugt: »Den kennen noch nicht viele, aber er schmeckt extrem gut.« Seit Beginn des Jahres züchtet er diesen Pilz, der wegen seines Aussehens auch Pompom genannt wird, zusätzlich zu Austern- und Kräuterseitling sowie Shiitake hier, am zweiten Standort des Unternehmens in Klosterneuburg. Der ehemalige Weinkeller ist aufgrund der konstant kühlen Temperatur in seinem Inneren ideal dafür geeignet. »Wir wollen Pilze als Fleischersatz etablieren«, beschreibt Manuel die Mission von Hut & Stiel. Vor etwa zehn Jahren, noch während seines Boku-Studiums, begann er, sich gemeinsam mit Florian Hofer mit der Pilzzucht auf Kaffeesatz zu beschäftigen. Anfangs produzierten die beiden Freunde in einem kleinen Keller im 20. Bezirk, es folgte der aktuelle Hauptstandort in der Lobau. In Klosterneuburg könne man nun – mittlerweile ist das Team zu acht – in noch größerem Stil Pilze züchten. Von den Flächen her wäre eine Ernte von eineinhalb bis zwei Tonnen möglich. Pro Woche. Vorerst sei aber erst einmal eine Tonne das Ziel, so Manuel.
Sirkka Hammer
Misoproduzentin
Das Arbeiten mit Mikroorganismen sei schon immer ihr Thema gewesen, erzählt Sirkka Hammer von Wiener Miso: »Man kennt das in Europa von Brot oder Eingelegtem, aber die asiatische Version ist dann noch mal etwas ganz anderes, weil man da mit Schimmelpilz arbeitet.« In ihrer Manufaktur im zwölften Wiener Gemeindebezirk stellt sie mit zwei Mitarbeiter*innen Misopasten und Sojasaucen her. Als Basis dient dafür ein mit Fermentationskulturen beimpfter, »beschimmelter« Reis, den man mit gekochten Sojabohnen und Salz mehrere Monate lang in großen Ton-, Holz- oder Kunststoffgefäßen fermentieren lässt. Das Ergebnis ist jene Umami-Geschmacksexplosion, für die die asiatische, vor allem aber die japanische Küche so geschätzt wird. Die Leidenschaft für Miso packte Sirkka während ihrer Zeit in Hongkong, wo sie mehr als zehn Jahre lang ein Restaurant betrieb. In Wien eröffnete sie dann 2019 das Fermentationszentrum Wild & Wunder, ehe sie den Fokus mit ihrer aktuellen Unternehmung vor etwa zwei Jahren auf asiatische Fermente richtete. Und der Blick ins Wiener-Miso-Kühlregal zeigt, dass hier gerne experimentiert und – neben Bio – Wert auf Regionales gelegt wird: So kommt etwa statt Reis auch mal Rollgerste zum Einsatz, statt Sojabohnen Waldviertler Graumohn.
TIERWOHL
Mit »Im Schein der Pfütze« erschien im Mai das Romandebüt von Jimmy Brainless. Er bewegt sich darin zwischen zwei Kulturen und Welten. Dass der Autor und Musiker auch Kurzgeschichten kann, zeigt seine Story über einen weißen Hahn, der symbolträchtig für familiäre Spannungen sorgt.
DER HAHN
Auf jedem Rechnungsbeleg auf Formosa steht eine achtstellige Zahl. Alle zwei Monate gibt es im Rahmen der staatlichen Lotterie Ziehungen – die Gewinner*innen bekommen unterschiedlich hohe Geldpreise, je nachdem, wie viele Ziffern auf ihren Rechnungsbeleg mit der gezogenen Zahlenfolge übereins timmen. Unser Onkel Hán-Chún ist, wie viele andere, erpicht darauf, möglichst viele solcher Belege zu bekommen, um seine Gewinnchancen zu steigern. Dies führt unter anderem dazu, dass er mehrmals in Geschäfte geht, um Produkte einzeln zu kaufen, oder dass er bei Tankstellen nur um 100 Neue Taiwan-Dollar tankt. Was unverschämt wenig ist, drei Euro etwa.
Oft fährt er auch mit seinem Motorroller durch die Straßen, um verloren gegangene Kassenbelege zu suchen. Dabei ist vor ihm einmal ein Tiertransporter gefahren. Während er seinen Blick fest auf den Boden gerichtet gehalten hat, um ja keine Belege zu übersehen, hat es vor ihm geflattert und ein weißer Hahn hat sich durch die Gitterstäbe des Transporters gezwängt. Ist auf die Straße geplumpst, hat kurz verwirrt geschaut und ist dann querfeldein gelaufen.
Aus Sorge, dass der Hahn von Straßenhunden zerfleischt werden könnte, ist unser Onkel von seinem Motorroller gestiegen und hat sich daran gemacht, den Hahn mit bloßen Händen zu fangen. Wie er das geschafft und dann das zappelnde Tier am Motorroller nach Hause befördert hat, ist uns bis heute noch ein Rätsel.
Von da an ist es unserem Großvater oblegen, diesen Hahn zu ernähren. In einem improvisierten Gehege im Garten hat der Hahn hausen dürfen und er ist fürsorglich mit Essensresten aus unserer Küche gefüttert worden. Diese Fürsorge ist manchmal so weit gegangen, dass wir
Enkel ermahnt worden sind, nicht zu viel zu essen, damit auch für den Hahn etwas übrigbleibe.
Dementsprechend hat das Tier zugenommen. Unser Onkel Hán-Chún hat sich sehr darüber empört, dass man aus einem zierlichen Tier, welches sicherlich Jagd auf Kakerlaken und anderes Ungeziefer gemacht hätte, einen verwöhnten Wohlstandshahn herangezüchtet hat, der so überfüttert gewesen ist, dass Kakerlaken und anderes Ungeziefer angekrabbelt gekommen sind, um aus seinem Futternapf zu naschen.
Obwohl unser Großvater sich liebevoll um den Hahn gekümmert hat, hat er keine Gelegenheit verpasst, sich darüber zu beklagen. Aber weil wir das Nörgeln von ihm gewohnt sind, haben wir es lange Zeit nicht sonderlich ernst genommen. Durch Zufall habe ich schließlich eine Sängerin kennengelernt, die mir erzählt hat, dass ihre Großeltern einen Bauernhof besäßen – nicht weit von unserem Haus entfernt. Ob sie noch Platz für einen Hahn hätten? Klar, hat sie gemeint.
Motiviert bin ich tags drauf in den ersten Stock unseres Hauses gegangen und habe etwas gesucht, worin ich den Hahn transportieren könnte. In all dem Chaos von Gegenständen, die keiner braucht, aber auch keiner entsorgen will, habe ich die Verpackung eines Ventilators gefunden und ein Loch hineingeschnitten, damit der Hahn während des Transports auch hinaussehen kann.
Zu meiner Überraschung hat sich der Vogel innerhalb weniger Sekunden in die Box locken lassen. Das Fenster ist zwar ein wenig zu tief ausgeschnitten gewesen, zumindest hat man aber kontrollieren können, ob es dem Tier da drinnen noch halbwegs gut geht.
Unsere Cousine Yáo Yáo hat mich zum Bauernhof begleitet. Erst sind wir durch die Stadt, dann entlang von
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PROSA — JIMMY BRAINLESS
Reisfeldern spaziert und sind dabei draufgekommen, dass wir es all die Jahre verpasst haben, dem Hahn einen Namen zu geben. Nach einigem Hin und Her haben wir uns für zwei entschieden, einen englischen und einen chinesischen – für den Fall, dass es sich um einen bilingualen Bauernhof handelte.
Als wir am Hof angekommen sind, hat uns die Großmutter der Sängerin zum Teetrinken eingeladen. Sie hat so gewirkt, als würde sie sich sehr freuen, dass sie jemanden zum Plaudern hat. Kurz darauf ist der Onkel der Sängerin gekommen und ist mit uns in den Hühnerstall gegangen, wo zwischen zahlreichen braunen Hennen ein anderer weißer Hahn herumstolziert ist.
Der Onkel hat sich unseren Hahn angesehen, der etwas verdattert in der neuen Umgebung gesessen ist – seine Füße haben leicht verkrüppelt gewirkt, seine Haltung eingeschüchtert – und hat uns erklärt, dass so ein Hahn auf Formosa traditionell bei Hochzeiten oder in Todesfällen verschenkt werde. Der Hahn solle Glück bringen, deswegen sei es verboten, ihn zu essen. Weil aber vielen Menschen der Platz fehle, um den Hahn halten zu können, werde er oft in der Wildnis freigelassen. Vermutlich habe unser Onkel ihn so gefunden?
Uns ist es peinlich gewesen, die TiertransporterGeschichte unseres Onkels zu erzählen und wir haben bloß genickt: »Jaja, so ungefähr.«
Der ansässige Hahn ist auf unseren Hahn aufmerksam geworden, hat sich langsam auf ihn zubewegt und dann mit seinem Schnabel ausgeholt. Unser Hahn ist erstaunlich agil ausgewichen. Plötzlich sind seine Füße stramm gewesen, die Haltung aufrecht. Die beiden Hähne haben sich gegenseitig misstrauisch beobachtet und umkreist. Der Onkel der Sängerin hat gemeint, dass das
Zur Person
Jimmy Brainless ist Musiker und Autor mit taiwanischen Wurzeln. Als Musiker ist er Mitglied der Band Gurkenalarm und ein Teil von Michaela und Jimmy. Außerdem schreibt er Kinderlieder und -geschichten. Seine Texte wurden bis dato in diversen Literaturmagazinen und Anthologien publiziert, im Vorjahr belegte er beim Kurzgeschichtenwettbewerb Wortreich den zweiten Platz. Sein Debütroman »Im Schein der Pfütze« ist kürzlich bei Müry Salzmann erschienen – eine epochal angelegte Familiengeschichte zwischen Taiwan und Europa. Dieser erste Teil, nimmt ebenso behutsam wie humorvoll die Elterngeneration in den Fokus. Im zweiten Teil soll es im Stammbaum dann weiter zurück gehen.
ganz normal sei, die müssten erst mal rausfinden, wer der Stärkere sei. Während seiner Erklärung haben sich die beiden Hähne wieder aufeinander gestürzt. Mir ist bewusst geworden, dass ich zum ersten Mal bei einem Hahnenkampf dabei bin – ob jemand wetten wolle, habe ich aus Spaß gefragt.
Der Onkel hat geantwortet, dass es wohl besser wäre, wenn wir langsam wieder gehen würden.
Knapp ein Jahr später hat mich die Nachricht erreicht, dass der Hahn mit vielen anderen Hühnern an der Vogelgrippe verstorben sei. Anscheinend hat unser Hahn bis dahin neben dem anderen Hahn bestehen können – das hat mich irgendwie gefreut.
Aber noch ein anderer Gedanke hat mich beschäftigt: Haben wir an diesem Abend auf indirekte Weise erfahren, dass unser Onkel wieder geheiratet hat? Gestorben ist zu dieser Zeit nämlich niemand in unserer Familie.
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Jimmy Brainless
Österreichische
Die Österreichische Gesellschaft für Comics ist ein gemeinnütziger Verein von und für Comic-Künstler*innen, -Forscher*innen und -Vermittler*innen.
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1 Ucon Acrobatics × Bauhaus
Die Berliner Marke Ucon Acrobatics stellt Taschen aus recycelten und innovativen Materialien her – ganz nach dem Motto »minimales Design, minimale Emissionen«. Bei der neuesten Kollektion, die in Zusammenarbeit mit der Bauhaus-Stiftung entstanden ist, kommt mit blauer Farbe behandelter Kork zum Einsatz. Wir verlosen je ein Exemplar der beiden Rucksackmodelle Kito Mini und Hajo Mini.
2 Sigi Maron »Red’n kaun ma boid«
Im Mai hätte Sigi Maron seinen 80. Geburtstag gefeiert. Gemeinsam mit einem zeitgleich erschienenen Buch setzt diese Vinyl-Compilation (Untertitel: »Seine schönsten Lieder 1976–2014«) dem ebenso zornigen wie sanften Liedermacher – für manche war er der österreichische Protestsänger schlechthin – ein verdientes Denkmal. Wir verlosen drei Exemplare.
3 Michael Hunklinger »Pride« Warum es für die gesamte Gesellschaft wichtig ist, sich für die rechtliche Gleichstellung und gegen die Diskriminierung der LGBTQIA*Community einzusetzen, macht Michael Hunklinger, Experte für Queer Politics, in diesem Band aus der Essayreihe »Übermorgen« deutlich. So manches Vorurteil wird dabei mittels wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgehebelt. Wir verlosen drei Exemplare.
4 Kurt Prinz & Clemens Marschall »Hobby-Indianer« Ist es Blutsbrüderschaft oder Kulturvampirismus, wenn Menschen aus dem deutschen Sprachraum Leben und Rituale amerikanischer Ureinwohner*innen nachahmen? Fotograf Kurt Prinz und Autor Clemens Marschall (»Rokko’s Adventures«) über »ein kompliziertes Geflecht, das auf kolonialem Erbe beruht und zahlreiche Brüche und Überraschungen aufweist«. Wir verlosen drei Exemplare.
5 Conrad Seidl »Biermythen« »Bierpapst« Conrad Seidl ist Experte in Sachen Bierkultur und hat unzählige Bücher zum Thema verfasst. In seinem neuesten geht er den Mythen nach, die über Bier gerne verbreitet werden. Macht es wirklich dick? Oder müde? Wer hat es erfunden? Und was steckt hinter dem Reinheitsgebot? File under: unnützes Wissen fürs nächste Bier mit Freund*innen. Wir verlosen drei Exemplare.
1 2 3 4 5 2024 BESTE SCHAUSPIELERIN 2024 BESTER FILM 2024 AB 21. JUNI IM KINO
für Comics
Gesellschaft
Rezensionen Musik
Conny Frischauf
Kenne keine Töne — Bureau B
Dieser Tage lädt in der allumfassenden Realität wenig zu Leichtigkeit und Frohmut ein. Umso wichtiger, dass weiterhin Alben entstehen, die einen kurzen, lichten Moment erzwingen. Der zweite Langspieler von Conny Frischauf, betitelt »Kenne keine Töne« und verlegt von der Hamburger Krautschmiede Bureau B, schafft nicht nur einen erholsamen Ruhepol, sondern bringt auch zum Schmunzeln, Nachdenken und Stirnrunzeln.
Wer die Vorgängerin »Die Drift« genoss, wird sofort die minimalistische Leichtigkeit Frischaufs wiedererkennen. Auf 16 Stücken begegnet man hier luftig-krautigem Minimalismus – an vielen Stellen präsentiert er sich sogar noch reduzierter als auf dem ersten Album. Eine gute Portion reiner Instrumentalnummern attestiert intelligentes Songwriting ohne Effekthascherei.
»Kenne keine Töne« liegt gut in den Kopfhörern und entschleunigt Hörende so richtig in das präferierte Polstermöbel hinein. Dafür sorgen kleinteiliges, dreidimensionales Panning, stimmige Verstimmungen und etwa auch der langanhaltende Schluss von »Kreise«. Bei »M« darf mal laut gelacht werden und wer sich »Zwei Minuten« nicht mindestens zwei bis dreimal kopfkratzend runterlädt, muss wohl schmunzelnd eine Kerze für John Cage anzünden. Als wäre das noch nicht genug, eröffnet ebendiese Nummer auch noch die B-Seite der Platte. Grande!
Aber es ist nicht alles Zurücklehnen hier: Zum Tanz gebeten wird man auf »Kenne keine Töne« auch nicht zu knapp. Spätestens bei »Aller Wege (Zwölf)« wird getestet, ob der Laptop einen Füßen und Kabelverbindung geschuldeten Sturz vom bestapelten Coffee-Table aushält. Conny Frischauf stellt hiermit das Album des Sommers in die Regale. Es verschafft zwar keine Abkühlung, lässt sich aber locker mehrmals hören.
(VÖ: 28. Juni)
Live: 28. Juni, Wien, Flucc
Sandro Nicolussi
049
09 Anna Weisser
Rezensionen Musik
Desolat
Get Sick and Let Me Watch … — Reptilian
Das zweite Album des Wiener Noiserock-Trios Desolat erscheint nun also beim legendären US-Label Reptilian Records, das in seiner (über 30-jährigen) Geschichte schon Bands wie Buzzov*en, Pg. 99, Negative Approach, Electric Frankenstein, UXO, Mastodon oder Pig Destroyer veröffentlicht hat. Der »Deal« ist noch dazu auf die heutzutage unwahrscheinlichste Art und Weise zustande gekommen: Sänger/Gitarrist Alfred Wihalm hat – wie bei all seinen Bandprojekten in den letzten drei Jahrzehnten – die fertigen Aufnahmen an Labels geschickt, zu denen die Band seiner Meinung nach passen könnte. Und zum ersten Mal kam darauf von Reptilian Records eine positive Antwort.
Wenn man sich die acht Songs auf »Get Sick and Let Me Watch You Die« anhört, dann kann man die positive Rückmeldung des Labels sofort nachvollziehen. Im Gegensatz zum noch etwas roheren Sludge- / Death-Metal-versetzten Noiserock der ersten beiden EPs sowie des letzten Albums (»Elegance Is an Attitude … to Shit On«), ist das Trio nun bei einem Sound gelandet, der sich zwischen Unsane, Helmet, Jesus Lizard und früheren Sonic Youth bewegt. Das sind jetzt große Referenzen, aber Desolat können diesen auf »Get Sick and Let Me Watch You Die« durchaus gerecht werden. Um es in anderen Worten zu sagen: Das Album ist großartig geworden.
Das liegt aber auch daran, dass das Trio nicht bloß den Sound der späten 80er- bzw. der frühen 90er-Jahre kopiert, sondern einerseits nicht auf seine Roots im DIY-Hardcore-Punk vergisst (ein paar Neocrust-Einflüsse à la Tragedy sind den Songs noch immer anzuhören) und andererseits Produktionserfahrungen aus seinen anderen aktuellen Bandprojekten (u. a. Phal:Angst) einfließen lässt. So werden zum Beispiel Samples oder Saxofonpassagen (»Great White Northern Shitlicker«) nahtlos in die Songstrukturen integriert und fügen sich so in ein stimmiges Ganzes.
Desolat ist ein sehr reifes Album gelungen, das –mit dem bekannten US-Label im Rücken – hoffentlich die Hörer*innenzahl bekommt, die es sich verdient hat. (VÖ: 14. Juni) Werner Schröttner
Live: 20. Juni, Wien, EKH — 28. Juni, Bregenz, Between
Oxyjane
Addicted — Numavi
07
Eine melodiöse Mischung mit Suchtpotenzial, die beim Konsumieren direkt ins Blut geht: Mit »Addicted« veröffentlichen Oxyjane ihr zweites Album nach dem Debüt aus dem Jahr 2022 . Was diese Sucht verursacht? Grunge wie aus den 90ern, der auf mitreißenden kontemporären Pop trifft und so zu einer Soundästhetik verschmilzt, die uns einerseits in Nostalgie schwelgen lässt und andererseits vollkommen in der jetzigen Ära angekommen ist.
Trotz stellenweise harter Drums und brummender Gitarren behält das Album dabei durchgehend eine schwebende Leichtigkeit. Sicherlich nicht zuletzt dank Selina Galkas sanfter Stimme, die uns durch jeden der Songs trägt. Begleitet wird sie von Lukas Schneeberger und Robert Wiese. Bis auf eine Ausnahme hat das Trio aus Graz das Genre Grunge originalgetreu für die aktuelle Zeit adaptiert. Nur auf die damals allgegenwärtige Melancholie scheinen sie verzichtet zu haben. Selbst in langsameren Balladen behalten sie stets eine optimistische Stimmung bei. Liebe und Sucht werden hier mit einer musikalischen Mühelosigkeit vermittelt, die schlussendlich ein inneres Glücksgefühl hinterlässt. Das ist grungy Bedroom-Pop, der einen weniger dazu anregt, sich in der Bettdecke zu vergraben, als im Bett auf und ab zu hüpfen. »You take away all of this weight«, lautet der Hook auf dem fast gleichnamigen Track »All of This Weight« und beschreibt den Effekt des Albums recht genau. Ein Stimmungsheber mit Sehnsuchtsgefühlen, der ganz ohne den gängigen, bedrückenden Weltschmerz auskommt.
Einzig die zwar eingängige, aber teils auch eintönige Soundlandschaft sorgt für einen winzigen Makel im Gesamtbild. Dieser kann aber schnell verziehen werden, schließlich bedienen Oxyjane auch in dieser Hinsicht nur ihr Genre: »All the beauty lies in boredom«, singt Galka auf dem Track »Mirror« und umreißt damit die Schönheit der Simplizität, die sich darin eben auch widerspiegelt.
(VÖ: 28. Juni) Mira Schneidereit
Live: 26. Juni, Linz — 12. Oktober, Krems — 23. November, St. Pölten, Freiraum — 10. Januar, Feldbach, Glam
Alex
Aigner, Stefan Heider, Anjapo
Ttinger, Luis Engels
050
08
Rezensionen Musik
Topsy Turvy
Butt Sore — Siluh
08
»Butt Sore«, das Debütalbum des Trios Topsy Turvy, fühlt sich wie ein wilder Wellenritt an. Es ist nämlich keine glatte Woge, auf der man mit der Band surft, sondern eine, die sich kräuselt, hin und wieder bricht und dann wieder Fahrt aufnimmt. Eine, die ordentlich Wumms hat, um dann plötzlich in ein fröhliches, leichtfüßiges Plätschern überzugehen. Dagegen anpaddeln? Keine Chance. Am besten, man lässt sich einfach mitreißen und zugleich auf all die Dinge ein, die von der See hochgespült werden. Da wäre zum Beispiel das Thema der »Teenage Angst«, das auf »Butt Sore« stets unter der Oberfläche simmert, jedoch nichts Bedrohliches hat, sondern sich eher wie ein wilder Wirbel anfühlt, der zum Erwachsenwerden nun einmal dazugehört. Selbst der Depression begegnen Theresa Strohmer, Lena Pöttinger und Victoria Aron auf positive Weise kämpferisch und singen mehrstimmig dagegen an: »One more day and one more night and everything’s gonna be alright.«
Gitarren bestimmen den Sound von Topsy Turvy, der alles andere als aalglatt ist (um beim maritimen Thema zu bleiben). Es knackst und knarrt – es läuft nicht alles wie geschmiert, aber wann tut es das im Leben schon? Große Melodien wechseln sich mit brüchigen Momenten ab, die neue Facetten der Band an die Oberfläche treten lassen. Es ist vermutlich einfacher zu sagen, was Topsy Turvy nicht sind, als all die Einflüsse aufzuzählen, die »Butt Sore« zu dem Album machen, das es ist. Wir tun es trotzdem: Lo-Fi trifft Rock ’n‘ Roll trifft Surfrock trifft Punk trifft Indie trifft Country. Und damit ist garantiert noch nicht alles erwähnt. Gleichzeitig stellt die Band – ihrem Namen gemäß – jedes der einzelnen Genres ein bisschen auf den Kopf. Und jetzt? Am besten ein »Dextro Energy« einwerfen und sich von der Welle wegtragen lassen.
(VÖ: 14. Juni) Sarah Wetzlmayr
Live: 14. Juni, Wien, Rhiz
Wanda
Ende nie — Universal
Die größte Band der Welt hatte immer schon einen Hang zur Prophezeiung. Als 2014 ein kleines Album namens »Amore« gefühlt Milliarden Leben veränderte, hieß es dort an einer Stelle: »Wenn ich 20 bin, vielleicht noch nicht / Aber mit 30 steh’ ich allein da.« Und tatsächlich ist fast genau zehn Jahre später alles anders, alles viel einsamer bei Wanda. Spätestens mit dem tragischen Tod von Christian Hummer im September 2022, vier Tage vor Release des letzten Albums, ist die Gruppe eine andere. Aber die Trauer steht ihr gut. »Bei niemand anders« ist der erste neue Song, den Wanda schreiben, Ausdruck dieses Gefühls der Einsamkeit und des Festhaltens an dem, was noch da ist. Es ist die beste Nummer seit »Columbo«, seit sieben langen Jahren: Powerballaden forever! Es soll ja schon zu Umarmungen wildfremder Menschen auf Konzerten dieser Band gekommen sein, sie dürften jetzt ein wenig fester ausfallen. Geteiltes Leid ist halbes Leid, ist irgendwann kein Leid mehr. Auch wegen des Todes von Marco Wandas Vater und der Aufarbeitung desselben ist »Ende nie« ein therapeutisches Album geworden, ein Krisenalbum, eine Aufmunterung, ein »Das Leben geht weiter«, eben ein »Ende nie«. Oder wie es die Gruppe selbst im Closer »Niemandem was schuldig« formuliert: »Ich nehm dich gern bei der Hand und zeig dir / Dass es morgen zwar regnet / Aber sonnig sein kann.« Metaebenentechnisch kann man auch sagen: Wanda wechseln nun also von der Ekstase der Frühphase und der melancholischen Nostalgie der letzten Alben zur Trauerbegleitung, machen ihren kollektiven Verlust zum öffentlichen Vehikel, glauben fest daran, dass ein Song noch immer Leben retten kann, und vollenden sich damit als purer Pop im besten Sinne, als Universalgelehrte der menschlichen Emotion, als – nun ja, wie anfangs erwähnt – größte Band der Welt. Da ist es auch geschenkt, dass nicht alle Songs super sind. Aber sie lösen etwas aus. Und darum geht’s.
(VÖ: 7. Juni) Dominik Oswald
Live: 31. Mai, Gmunden, Rathausplatz — 19. Juli, Graz, Freiluftarena B — 20. Juli, Klam, Burg Clam — 2. August, Lustenau, Szene Openair — 30. August, Kufstein, Festung Kufstein — 21. Dezember, Wien, Stadthalle
07
051
OMEN
EINTRITT
Termine Musik
Lido Sounds
Nach seiner Premiere im Vorjahr legt das Stadtfestival am Linzer Donauufer heuer mit einem satten, viertägigen Programm nach. Mit von der Partie sind die Kings of Leon, The Kooks, Parov Stelar, Deichkind, Gossip (Bild), Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys, Kraftklub, K.I.Z, Nina Chuba, Bibiza, Sam Smith, The Libertines, Idles, The Streets, Soap & Skin und viele mehr. Im Anschluss an die Konzerte wird vis-à-vis im Brucknerhaus bei den Lido Nights weitergefeiert. 27. bis 30. Juni Linz, Urfahraner Markt
Poolbar Festival
Wieder ganz schön was los beim Poolbar Festival in Vorarlberg. Es gibt rotzfrechen Mittelfinger-Pop von Gayle, deutschsprachigen Post-Hardcore von Fjørt, Indie-Sound mit Köpfchen von Bombay Bicycle Club und Deutschrap der neuen Generation von Sampagne. Dazu alte Helden wie etwa Calexico oder DJ Krush — und natürlich das Beste aus der heimischen Musikszene: Cousines Like Shit, Cari Cari, Uche Yara (Bild), Bipolar Feminin und viele mehr. 4. Juli bis 11. August Feldkirch, Reichenfeld und Altes Hallenbad
EIN FILM VON BALOJI
c MAYA HAKVOORT 5/8ERL IN EHR'N GÄSTE: ORF RADIOKULTURHAUS Argentinierstraße 30a, 1040 Wien MO 10.06.24 AUSTROFREDS BARCELONA radiokulturhaus .ORF. at 1.–23.
AB 7. JUNI IM KINO
JUNI 2024
FREI! PROGRAMM UNTER: WIRSINDWIEN.COM 052
Termine Musik
The Smashing Pumpkins
Dass ihre aktuelle »The World Is a Vampire«-Tour nach einer Zeile aus »Bullet with Butterfly Wings« benannt ist, darf als Indiz verstanden werden: Auf ihre großen Hits aus den 90ern werden die Smashing Pumpkins da wohl besonderes Augenmerk legen. Support-Act: Interpol. Nicht schlecht. 24. Juni Wien, Stadthalle
Sterrrn Festival
Der Österreichische Skulpturenpark im Süden von Graz wird heuer zum dritten Mal vom Grrrls Kulturverein mit einem queerfeministischen Festival bespielt. Neben Workshops, Diskurs, Performance und Literatur gibt es vor allem sehr viel gute Musik – von A wie Aze bis Z wie Zinn (Bild). Eintritt gegen freiwillige Spende. 21. bis 23. Juni Premstätten, Österreichischer Skulpturenpark
Klangfestival
Innovationsdrang und Experimentierfreude, das stecke im aktuellen Leitmotiv »Unboxing Society«, so das Klangfestival. »Wir möchten die zahlreichen Schichten unserer Gesellschaft enthüllen, kritisch betrachten und künstlerisch reflektieren.« Zum (musikalischen) Diskurs tragen bei: Marta De Pascalis, Satin, Radian (Bild), Kenji Araki und viele mehr. 5. und 6. Juli Gallneukirchen, Altes Hallenbad
Pop am Dom
Als »Festival für Gegenwartskultur« hat die Tangente St. Pölten auch ein Ohr für spannende Pop-Entwürfe – und in deren Zeichen steht der zweite Tag der Open-Air-Konzerte am Domplatz. Mit Fever Ray (Bild) und Arlo Parks konnten dafür zwei internationale Kaliber gewonnen werden. Abgerundet wird die spannende Mischung von HVOB sowie Salamirecorder & The Hi-Fi Phonos. 7. Juli St. Pölten, Domplatz
Sisters Festival
»Von Frauen, mit Frauen – für alle!« Das Sisters Festival am Open-Air-Gelände der Arena Wien lässt sich als Gegenposition zur Männerdominanz in Festival-Crews und -Line-ups verstehen. Zu sehen sind Baiba, Crush (Bild), Iris Gold sowie Alice Phoebe Lou. Organisiert wird das Ganze von Sisters of Music, einem Netzwerk für in der Veranstaltungsbranche tätige Frauen. 12. Juli Wien, Arena
Air
Nach ihrer flugs ausverkauften Show im Konzerthaus kehren Air im Sommer nach Wien zurück, um ihr vor etwas mehr als 25 Jahren erschienenes Debütalbum »Moon Safari« ein weiteres Mal auf die Bühne zu bringen. Diesmal im stimmungsvollen Rahmen der Metastadt-Open-Airs. Im Vorprogramm mit dabei: der britische Produzent Berlioz, der Jazz und Downtempo verschränkt. 23. Juli Wien, Metastadt
Cat Power
Auf den Spuren von Bob Dylan und dessen legendärem Auftritt in der Manchester Free Trade Hall im Jahre 1966, bei dem er von einem Folkpuristen als »Judas« beschimpft wurde, weil er zur E-Gitarre griff: Chan Marshall aka Cat Power und ihre Songfür-Song-Interpretation des Konzerts. 4. Juli Wien, Konzerthaus
Khruangbin
Das dürfte ein smoother Abend werden: Khruangbin verfeinern ihre Melange aus Soul, Dub, Funk, Rock und Psychedelik mit Gewürzen aus aller Welt. Sehr speziell und gleichzeitig sehr bekömmlich. Um nichts weniger lässig: das Vorprogramm mit Parcels und Lukas Oscar. Open Air! 17. Juli Wien, Metastadt
Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann Cody Critcheloe, Marko Mestrovic, Apollonia Theresa Bitzan, Rania Moslam, Nina Andersson, Hanna Fasching, Arcadia Live
Termine Festivals
3 Fragen an Karl Regensburger
Intendant
Impulstanz Festival
Auf die Besucher*innen von Impulstanz warten 254 Workshops und Research-Projekte. Was ist der Wert einer solchen Breite – gerade auch in Bezug auf diverse Tanzstile?
Seit den Anfängen 1984 ist das Workshopprogramm bei Impulstanz immer offener geworden, was uns sehr wichtig ist. Die mittlerweile 17 Departments – von Improvisation, Jazz, Modern bis hin zu Hip-Hop und Club-Styles – sollen sicherstellen, dass alle Interessen angesprochen werden. Und wir wollen damit die Vielfalt dieser Kunstform erlebbar machen. Gerade der zeitgenössische Tanz ermöglicht eine unglaubliche Freiheit. Es geht in erster Linie darum, Dinge ausprobieren zu können.
Was macht Impulstanz im Vergleich zu anderen Tanz- und Performancefestivals so einzigartig?
Das liegt an der Stimmung. Hier sind die Performances teils stärker als anderswo, weil eine einzigartige Atmosphäre herrscht. Die Anwesenheit von Kolleg*innen, die als Zuschauer*innen im Publikum sitzen, erzeugt eine besondere Spannung. Die schauen interessiert zu, sind aber natürlich auch kritisch. Darüber hinaus bleiben die Künstler*innen länger in der Stadt, geben Workshops, nehmen daran teil und tauschen sich untereinander aus. Diese Dynamik gibt es so nur in Wien.
Was hat es mit der Schiene »Public Moves« auf sich? Welche Wirkung beabsichtigt Impulstanz mit Tanz im öffentlichen Raum?
Die kostenlosen Schnupperkurse im Freien sollen ganz zwanglos Lust auf Tanz machen. Mit dem besonderen Fokus auf Barrierefreiheit ermöglichen die Klassen, dass wirklich jede*r neue oder vertiefende Eindrücke gewinnen kann. Erstmals wird »Public Moves« heuer vor dem Festival auch nach Klagenfurt (30. Mai bis 9. Juni), Linz (13. bis 23. Juni) und Salzburg (27. Juni bis 7. Juli) touren. Wir sind natürlich besonders gespannt, wie das angenommen wird. In Wien starten wir am 8. Juni in der Seestadt und es folgen sechs weitere Orte.
Impulstanz 11. Juli bis 11. August Wien, diverse Locations — Eröffnungsabend Impulstanz soçial 11. Juli Wien, Festivallounge im Burgtheater
(Live: Enesi M., DJs: Skofi, Succubus; präsentiert von The Gap)
Sommerszene Salzburg
Die Sommerszene Salzburg fordert mit ihrem diesjährigen Motto »Change Views« einen Perspektivwechsel ein. Die 13 ausgewählten Produktionen versprechen mitreißende Tanzstücke, eindrucksvolle Theaterabende und eine unvergessliche Installation in der Kollegienkirche. Bei heimischen sowie internationalen Beiträgen können Schaulustige in tiefgründige Auseinandersetzungen mit politischen und sozialen Themen wie Heimat, Feminismus, soziale Ungleichheit oder Jugendkultur eintauchen. Die Vielfalt der behandelten Themen serviert eine gehörige Portion an ungewöhnlichen Blickwinkeln und wird im Rahmen avancierter Performances auf die Bühne gebracht. 4. bis 16. Juni Salzburg, diverse Locations
054
Termine Festivals
Kunstfestival Medienfrische
Neue Medien und experimentelle Kunst treffen auf abgeschiedenes Tiroler Dorfleben? Ganz genau! Beim Kunstfestival Medienfrische stehen für 30 Tage zeitgenössische Entwicklungen im Medienbereich und in der Kunstwelt im Fokus. Die kleine 90-Seelen-Gemeinde Pfafflar wird durch das gebotene Experimentierfeld für Künstler*innen aus aller Welt zur Trägerin neuer Perspektiven und durch den Austausch zwischen Kunst und Landschaft zum außergewöhnlichen Treffpunkt. Das ruhige Bschlabertal bietet so ein Spektrum zwischen Neuem und Traditionellem. 25. Mai bis 22. Juni Pfafflar, diverse Locations
Creative Days Vienna
Wie prägen digitale Technologien die Zukunft kultureller Erlebnisse und wie eröffnen sie dabei neue Möglichkeitsräume? Diesen Fragen gehen die von der Wirtschaftsagentur Wien veranstalteten Creative Days Vienna dieses Jahr in vielerlei Hinsicht nach. Führende (inter-)nationale Kreativschaffende sorgen für ein zweitägiges Programm aus spannenden Vorträgen, abwechslungsreichen Touren, kreativen Workshopinhalten und exklusiven Networkingsessions. All das lädt ein zum Sinnieren über neue Ideen für die zukünftige Zusammenarbeit von Kultur und digitalen Technologien. 5. bis 6. Juni Wien, diverse Locations
Laue Sommernächte über den Dächern Wiens und die höchstgelegene Leinwand der Stadt locken nun schon zum 21. Mal filmbegeisterte Besucher*innen zu Kino am Dach. Bei diesem abendlichen Kinoerlebnis lassen sich cineastische Highlights – von internationalen Spielfilmen über heimische Produktionen bis hin zu legendären Klassikern genießen. Natürlich mit frisch gemachtem Popcorn, Snacks und Getränken. 1. Juni bis 15. September Wien, Dachterrasse der Hauptbücherei.
Architekturtage
Unter dem Motto »Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch« gehen die Architekturtage dieses Jahr in die zwölfte Runde. Dabei setzt sich das Festival mit der Frage nach baukulturellen Zukunftsplänen auseinander und verbindet aktuelle Spannungsthemen wie Klimawandel und Ressourcenmangel mit architektonischer Ästhetik. Es wird also nicht nur an schönen Projekten, sondern auch an neuen Perspektiven gebaut. 7. und 8. Juni österreichweit
Cream Vienna / Dornbirn
Wem der Sinn gerade nach einer großen Prise Hedonismus steht, der*die bekommt hier die Chance, sich so richtig zu verwöhnen. Von außergewöhnlichen Köch*innen zubereitete Häppchen, Canapés und Petits Fours sorgen für ein genussvolle Erlebnis, das von ausgewählten Kunstwerken untermalt und durch handgefertigte Produkte ergänzt wird. Die perfekte Gelegenheit für dolce far niente! 15. und 16. Juni Wien, Reaktor — 29. und 30. Juni Dornbirn, Campus Väre
Kultursommer Wien
Wie jedes Jahr ist der Wiener Sommer wieder voll von Gratiskulturangeboten. Neben Popfest, Donauinselfest und Wir sind Wien Festival sorgt auch der Kultursommer dafür, dass man trotz Hitze nicht dauerhaft aus Wien fliehen möchte. Das Programm war zum Druckschluss zwar noch nicht bekannt, aber zwischen K wie Kabarett, M wie Musik und Z wie zeitgenössischer Zirkus wird sich sicher für jede*n Passendes finden. 27. Juni bis 11. August Wien, diverse Locations
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Luise Aymar Magdalena Blaszczuk, Oliver Killig, Medienfrische, Eugene Hyland / Marshmallow Laser F east
Angela Glajcar: Flashback
»Wir denken, Papier ist leicht, Papier ist flach«, so beschreibt die deutsche Künstlerin Angela Glajcar das typische Verhältnis zu diesem Material, mit dem wir jeden Tag, das ganze Leben lang hantieren und das uns eigentlich so bekannt ist. Und dann merkt man, dass das überhaupt nicht stimmt –oder, positiv ausgedrückt: wie plastisch Papier sein und was für eine Schwere es erzeugen kann. Das geht im Kleinen los, bei den Fasern, die das Papier bilden, seinen 450 Gramm je Quadratmeter, und endet bei den großen Skulpturen, die ein sichtbares Gewicht in den Raum bringen. Die endlosen Reihen an Papierbögen, die die Künstlerin von der Decke hängen lässt, schaffen Richtung und Rhythmus im Raum, balancieren Schwerpunkte und erzeugen Achsen, dirigieren Licht und Bewegung. 21. Juni bis 1. Dezember Dornbirn, Kunstraum
Termine Kunst
056
Termine Kunst
Nadja Tolokonnikowa: Rage
Von der aktivistischen Performancegruppe Pussy Riot und ihrer bekanntesten Aktion, »A Punk Prayer« in einer Moskauer Kirche, haben die meisten wahrscheinlich schon mal gehört. Dass das in einem autoritären Russland nicht ungestraft bleibt, dürfte klar sein, und so wurden Nadja Tolokonnikowa und ihre Mitstreiterinnen seitdem immer wieder verfolgt, verhaftet und angegriffen. Trotzdem kämpfen sie weiter gegen das russische Regime. Das OK Linz zeigt Werke der vergangenen Jahre und eine eigens für diese Ausstellung entwickelte Arbeit. bis 20. Oktober Linz, OK
The Name of a Book, …
… Composition, or Other Artistic Work« – dieser Titel liest sich wie ein Platzhalter. Er liest sich auch wie ein Angebot, den Platzhalter selbst für einen »Namen« einzutauschen. Für einen Namen? Wirklich? Nicht einen Titel? Was hier anklingt, setzt sich in der Ausstellung fort. Kleine Brüche, wie es scheint, sehr präzise von den Künstler*innen Ziva Drvaric und Juan Francisco Vera gesetzt. Vielleicht ein umgestürzter Bock, ein komisches Glas. Wie ein keckes Zublinzeln: Schau mal her! bis 30. Juni Eisenstadt, Kunstverein
The Myth of Normal
Die Gruppenausstellung mit dem Untertitel »Chronische Widersprüche« untersucht den Körper zwischen Schönheitsidealen, Krankheitsbegriffen, technologischen Erweiterungen und prekären Gesundheitssystemen. Durch unseren Körper nehmen wir wahr und anhand von ihm werden wir wahrgenommen. Die Welt um uns herum erfahren wir nur durch und an unserem Körper. Er ist der zentrale Bezugspunkt, doch ist er ein Nullpunkt, der sich von Körper zu Körper verschiebt. Eine ganz normale Kunstausstellung. bis 30. Juni Salzburg, Kunstverein
Treasure Hunt
Die Galerie 3, bisher in Klagenfurt ansässig, schlägt mit der Ausstellung »Treasure Hunt« sowie einem begleitenden Festival in der Bundeshauptstadt ein neues Kapitel ihrer Geschichte auf. Die Wiener Schleifmühlgasse 3 wird zum Dreh- und Angelpunkt einer Erkundung der neuen Umgebung, des Konzepts Ausstellungsraum, des Verhältnisses von Peripherie und Zentrum. Die Liste der teilnehmenden Künstler*innen ist lang und es ist von einer Schnitzeljagd die Rede. Nach welchem Schatz suchen wir? bis 20. Juli Wien, Schleifmühlgasse 3
Ever / Repair
Das Barock ist die Zeit der Schminke, der Perücken und des Parfüms, der Oper, der Gartenfeste und der Prachtbauten, kurz: der Inszenierung. Isabel Lewis und Dirk Bell verbinden ihr Interesse an Performance und Tanz mit dem an Malerei und Präsentationsbedingungen von Kunst. Dadurch gelangen sie zu Ausstellungskonzepten, die – ganz im barocken Sinne – die Erfahrung einer Inszenierung in den Mittepunkt stellen. Die Besucher*innen werden Teil der Szene, die Szenerie zum Mitspielenden. bis 1. September Graz, Halle für Kunst
Anna Jermolaewa: Assemblé
Wie schon vor zwei Jahren mit »Soft Machine« von Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl präsentiert Phileas auch heuer eine Ausstellung zum österreichischen Beitrag für die Biennale di Venezia. Nach der damals eher durchwachsenen Resonanz scheint die diesjährige Arbeit Anna Jermolaewas gut angekommen zu sein. Tschaikowskis »Schwanensee« jedenfalls hat durch die zentrale Arbeit »Rehearsal for Swan Lake« einen Beiklang bekommen, der so schnell nicht vergessen werden wird. bis 14. September Wien, Phileas
057 Victor Cos Ortega Angela Glajcar, Pussy Riot, Flavio Palasciano, Marianna Rodziewicz / Pola Magnet yczne Gallery, Edith Payer, Roxana Rios, Anna Jermolaewa
Termine Filme & Serien
3 Fragen an Brigitte Weich
Regisseurin
»… ned, tassot, yossot …«
»Hana, dul, sed ...« und der aktuelle Nachfolger »… ned, tassot, yossot …« handeln von Frauenfußball in Nordkorea. Was hat dich an dieser Thematik interessiert?
Als ich 2002 ein Filmfestival in Pjöngjang besuchte, stellte eine britische Crew dort »The Game of Their Lives« über Nordkoreas Männerteam von 1966 vor. Das war die erste Produktion, die Nordkorea kooperativ mit einem westlichen Filmteam realisiert hatte. Und so war viel von Fußball die Rede, auch von den nordkoreanischen Frauen, die damals erstmals Asienmeisterinnen geworden waren. Ich wollte unbedingt ein Spiel sehen, weil ich in dieser kulissenhaften Propagandastadt Pjöngjang einmal etwas Echtes sehen wollte: Frauen, die gut Fußball spielen, und andere, die sich das anschauen gehen.
Hat das nordkoreanische Regime versucht, auf die beiden Filme Einfluss zu nehmen?
Ja und nein. Zunächst mal kann man sich als ausländische Person in Nordkorea sowieso nicht frei bewegen. Da gibt es also bereits eine riesige Einflussnahme, was überhaupt gesehen, geschweige denn abgebildet werden darf. Weiters muss alles, was du filmst, einwandfrei aussehen. Das gedrehte Material eines jeden Tages wurde in der Nacht von irgendwelchen Zensurmenschen komplett durchgeschaut. Weggenommen haben sie uns allerdings nie etwas. Sie sagten, was ihnen nicht gefällt, aber sie ließen uns mit dem kompletten Material ausreisen. Was den finalen Film angeht: Für mich hatte immer oberste Priorität, dass ich niemanden gefährde. Bei der Sichtung hatten sie eine Menge zu kritisieren. Das, woran mein Herz nicht hing, habe ich geändert.
Was hast du dank der beiden Filme über die Macht der Bilder gelernt?
Wir hatten bei den Drehs in Pjöngjang nur sehr beschränkt Macht über die Bilder, alles war ziemlich strikt reglementiert. Das störte mich aber nicht besonders. Ich wollte ja nicht zeigen, wie ich Nordkorea sehe, ich wollte das Nordkorea sehen, das diese vier Frauen mir zeigen. Ich hatte dementsprechend gar kein Interesse, ihnen irgendetwas zu entlocken, das sie nicht preisgeben wollten.
»… ned, tassot, yossot …« Start: 24. Juni
Ivo
Regie: Eva Trobisch Der diesjährige Abschlussfilm des Festivals Crossing Europe rückt Ivo (Minna Wündrich) in den Fokus, die ihren Beruf als Palliativpflegerin mit Leidenschaft ausübt. Manche ihrer Patient*innen empfindet sie gar als Freund*innen, so etwa die an ALS erkrankte Solveigh (Pia Herzegger). Als sie jedoch mit Solveighs Mann Franz (Lukas Turtur) eine Affäre beginnt und diese schließlich einen eindringlichen Wunsch an sie richtet, gerät Ivos Leben aus den Fugen. Mit »Alles ist gut« lieferte die Regisseurin und Drehbuchautorin bereits ein viel beachtetes Debüt – ebenfalls mit sensiblem Inhalt. In ihrem zweiten Spielfilm beschreitet sie einen ähnlichen Weg, und das mit einem tollen, teils österreichischen Cast. Die Kritiken sind positiv, Variety nennt Eva Tropisch etwa eine »wichtige neue Stimme«. Start: 21. Juni
Disco Boy
Regie: Giacomo Abbruzzese Alex (Franz Rogowski) will vieles: Sich der Fremdenlegion anschließen, den französischen Pass erhalten und am besten auch ein neues Leben beginnen. Doch das Trauma seiner Vergangenheit in Belarus, vor der er flieht, lässt ihn nicht los. Er geht nach Paris, in die dortigen Clubs, wo er sich Nacht für Nacht betäubt. Der aktivistische Jomo (Morr Ndiaye) wiederum führt eine Guerillatruppe an, die im Nigerdelta gegen die Ausbeutung durch die französische Regierung kämpft. Bei einer Militäraktion treffen die beiden Männer aufeinander – und ihre Schicksale verschmelzen. Giacomo Abbruzzese liefert mit »Disco Boy« seinen ersten Langspielfilm ab – zuvor war er mit Kurz- und Dokumentarfilmen bekannt geworden. The Guardian bezeichnet das Debüt als »visuell atemberaubend«. Start: 21. Juni
Barbara Fohringer
Brigitte
/ Jour Premier / Disney Apple 058
Weich, Adrian Campean, Films Grand Huit, Spot On / Caroline Dub ois
Late Night with the Devil
Regie: Cameron Cairnes, Colin Cairnes ———— Wir schreiben die 1970er-Jahre: Um die sinkenden Quoten der Late-Night-Show »Night Owls with Jack Delroy« anzukurbeln, soll dessen Star Jack Delroy (David Dastmalchian) June Ross-Mitchell (Laura Gordon), eine Parapsychologin, und Lilly D’Abo (Ingrid Torelli), das frühere Mitglied einer satanischen Sekte, interviewen. Doch dieser Plan gerät bald in bester Horrorfilmmanier aus den Fugen. Start: 6. Juni
Omen
Regie: Baloji ———— Auch der Film »Omen« beschäftigt sich mit Geistern und Dämonen. Um das Einverständnis seiner Familie für die Ehe mit seiner Verlobten Alice (Lucie Debay) einzuholen, kehrt Koffi (Marc Zinga) nach Jahren zurück in seinen Heimatort im Kongo – an dem er aufgrund eines schlechten Omens seit seiner Geburt geächtet ist. Der selbst aus dem Kongo stammende Musiker und Allroundkünstler Baloji zeichnet für die Regie verantwortlich. Start: 7. Juni
Eureka
Regie: Lisandro Alonso ———— In »Eureka« wird in drei Kapiteln von der Kultur der indigenen Bevölkerung Amerikas erzählt: Der erste Teil handelt von einer gesetzlosen Gemeinde an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, im zweiten steht ein Reservat in South Dakota im Mittelpunkt und zuletzt wird noch ein Abenteurer vom Goldfieber heimgesucht. Die drei Episoden werden durch einen Jabiru verbunden, der als Seelenvogel der Figuren auftritt. Start: 14. Juni
Kinds of Kindness
Regie: Yorgos Lanthimos ———— Gerade war noch »Poor Things« in aller Munde, schon folgt die nächste Produktion von Yorgos Lanthimos – fast wie am Fließband. Abermals sind Emma Stone und Willem Dafoe mit von der Partie. Erzählt werden drei Geschichten: Ein ruheloser Mann ringt um Kontrolle, ein Polizist verändert sich, als seine verschollene Frau auftaucht, und eine andere Frau sucht nach einem spirituellen Führer. Start: 4. Juli
Deadpool & Wolverine
Regie: Shawn Levy ———— Ryan Renolds schlüpft abermals in sein Deadpool-Kostüm und holt sich den eigentlich im X-Men-Ruhestand befindlichen Hugh Jackman als Wolverine dazu. Für Fans ein lang erhofftes Team-up. Die Arbeiten am Film verzögerten sich durch die Streiks in Hollywood, die Vorfreude ist umso größer: Der Trailer hat mit 365 Millionen Views innerhalb der ersten 24 Stunden bereits einen Rekord gebrochen. Start: 24. Juli
Becoming Karl …
Idee: Isaure Pisani-Ferry, Jennifer Have, Raphaëlle Bacqué Nach seinem Tod 2019 widmet Disney+ dem legendären – wie auch umstrittenen – Karl Lagerfeld nun eine Serie. In »Becoming Karl Lagerfeld« wird das Leben des 1933 in Hamburg geborenen Designers in sechs Episoden erzählt. Daniel Brühl darf als Lagerfeld einmal mehr sein Biopic-Talent beweisen. Die Serie will die Perspektive des großen Modeschöpfers einnehmen und Porträt einer schillernden Zeit sein. ab 7. Juni Disney+
Presumed Innocent
Idee: David E. Kelley TV-Veteran David E. Kelley war schon für erfolgreiche Serienformate wie »Ally McBeal« und »Big Little Lies« verantwortlich. Jetzt bringt er den Roman »Presumed Innocent« auf die kleine Leinwand – über 30 Jahre nachdem dieser mit Harrison Ford über die große flimmerte. Diesmal gibt Jake Gyllenhaal den Rechtsanwalt Rusty Sabich, der des Mordes beschuldigt wird. Eine Geschichte über Sex, Besessenheit, Politik sowie Stärke und Grenzen der Liebe. ab 14. Juni Apple TV+
WER WIR EINMAL SEIN WOLLTEN EIN FILM VON ÖZGÜR ANIL SPARSCHWEIN EIN FILM VON CHRISTOPH SCHWARZ → WIEN → LINZ → INNSBRUCK → SALZBURG → KREMS → GRAZ PRESENTS NEWCOMER*INNEN IM KINO @NEWVOICES_FILMS INFOS UND TERMINE
Christoph Prenner
bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber
Screen Lights Reifenopern to Remember
Es ist kompliziert, mal wieder. Dabei könnte sie im Prinzip ja einfach sein, die Sache mit den Filmen und der höchstpersönlichen Einordnung derselben in die Erinnerung. An erster Stelle kommen da für gewöhnlich ein, zwei Handvoll unvergesslicher cineastischer Göttergaben, die im besten Fall einst dazu beigetragen haben, das eigene Leben mit ganz neuen Augen zu betrachten. Danach kommen fix ein paar Dutzend Prachtfilme, die sich aus diversen Gründen auf ewig ins Gedächtnis eingebrannt haben. Am anderen Ende des Spektrums gibt es naturgemäß eine Vielzahl von Produktionen, die irgendwann aus dem Fokus der Aufmerksamkeit gefallen oder mit unterschiedlichen Halbwertszeiten gleich komplett in Vergessenheit geraten sind. Und schließlich bleibt dann noch die Kategorie der richtig fiesen Werke, die man am liebsten überhaupt nie zu Gesicht bekommen hätte. Weil sie entweder so grottig sind, dass einem schon das Anschauen wehtut. Oder weil – und jetzt wird es eben kompliziert – sie es sogar hinbekommen haben, die Erinnerung an die eingangs beschworenen Lebens- und Lieblingsfilme nachträglich zu beflecken.
Übererklärende Prequels
Die Rede ist natürlich von den unzähligen, selten künstlerisch motivierten Prequels zu populären Filmen. Dies soll freilich keine Pauschalschelte gegen selbige werden – schließlich gibt es ja auch genügend gelungene nachgereichte Einführungen in existierende Filmwelten. Nein, es soll um und gegen diese ganz spezifische Spielart des filmischen Präludiums gehen, die eine vormals perfekt auf den Punkt gebrachte Erzählung gnadenlos mit neuen Informationen und Botschaften überfrachtet, obwohl es doch gerade das Ungewisse und die Leerstellen waren, die bisher den Reiz ausmachten. Am liebsten würde man sie für immer ungesehen machen, all die irreversiblen Mythenentzauberer der Schrottmarke »Terminator: Genisys« oder »Alien: Covenant«. Und doch weiß man nur zu gut, dass Lobotomie natürlich auch keine Lösung sein kann.
Anya Taylor-Joy hat für das Prequel »Furiosa: A Mad Max Saga« die Titelrolle von Charlize Theron übernommen.
Womit wir nach einigem Hin und Her (sorry!) endlich beim Anlass dieser Kolumne wären, bei »Furiosa: A Mad Max Saga«, einem weiteren an sich kaum befriedigend zu lösenden Fall eines nachgereichten Vorspiels zu einem Meisterwerk, nämlich »Mad Max: Fury Road«. Ja, klar, auch dieser Film war 2015 schon die Fortschreibung eines damals bereits jahrzehntealten Franchises – aber auch dessen elektrisierende Neuausrichtung: als wüstenstaubige, chromblitzende und ölspritzende Stunt- und Choreo-Extravaganza; als Meisterklasse in Sachen visuelles Storytelling; als lean and mean das atomar verstrahlte Nichts durchstoßende postapokalyptische Reifenoper, der zu Recht der Ruf anhaftet, die Gesetze des Actionkinos noch einmal besonders aufregend umgeschrieben zu haben.
Warum also der aufständischen WarlordAdjutantin Furiosa nachträglich eine bis ins kleinste Detail ausbuchstabierte Backstory in Form eines eigenen Films verpassen, wenn die spärlich eingestreuten faszinierenden Facetten ihrer Figur bislang für das große Leinwandglück völlig ausgereicht haben? Die Argumentation von »Mad Max«-Mastermind George Miller leuchtet ein: Das »Furiosa«-Skript sei bereits in der Vorbereitung auf »Fury Road« entstanden, es sei praktisch die Basis gewesen, auf der Charlize Theron dann ihre Rolle einer der ikonischsten Actionheldinnen der Gegenwart überhaupt erst ausarbeiten konnte.
So weit, so gut. Und noch besser, dass diese Prequel-Odyssee, die über 15 Jahre aus einem entführten Mädchen durch eine Reihe einschneidender Erlebnisse in der allgegenwärtigen Freakshow des Wastelands schließlich eine einarmige, stoppelhaarige No-Bullshit-Kriegerin macht, dann auch noch einen ganz anderen Antrieb sucht, als nur die maßlose Nonstop-Verfolgungsjagd des Vorgängers wiederholen zu wollen. Denn: Der bald 80-jährige Miller mag einer der begnadetsten Größenwahnsinnigen des Kinos sein, aber er ist nicht so größenwahnsinnig, dass er seine selbst gesetzten wahnwitzigen Superlative noch überbieten will. Statt sich auf eine Mission zu begeben, die zum Scheitern verurteilt ist, tritt
er in »Furiosa« nicht ständig aufs Gaspedal, son dern schaltet auch mal einen Gang zurück – zum großen Segen für das ganze Unterfangen.
Gehaltvollere Action
Die von hinten aufgerollte Vorgeschichte der He roine Furiosa, die von Alyla Browne (als Kind) und Anya Taylor-Joy (als junge Erwachsene) nun mit der gleichen wortkargen Intensität verkörpert wird wie einst von Theron, übernimmt gewisser maßen die Funktion einer emotionalen Rahmung für das, was wir in »Fury Road« bereits gesehen haben. Die Stuntchoreografien haben dabei er freulicherweise nichts von ihrer formalen Kühn heit eingebüßt – wie nicht nur, aber vor allem, eine orgiastische XXL-Plansequenz im Mittelteil beweist: Alles ist immer noch so unvergleichlich elektrisierend, dass man zuverlässig immer wie der mal kurz vor der Schnappatmung steht. Das einnehmende, empathische Eintauchen in die Gefühlswelt der Protagonistin inmitten der bewährt rauschhaften Symphonie der Zerstö rung erlaubt es nun aber, »Furiosa« zwar noch als Einleitung zu den Ereignissen von »Fury Road« zu lesen (der gute alte Mad Max selbst ist übrigens nur noch eine Randnotiz), im Umkehrschluss könnte »Fury Road« aber mit gleichem Recht auch als bloßer Epilog der nun hier erzählten, gehaltvolleren Geschichte interpretiert werden.
Auf dem nicht immer ruhmreichen Terrain der Prequels ist dies zwar keine singuläre, aber doch eine seltene Errungenschaft, die eine weitere Variante unseres filmischen Langzeit gedächtnisses bespielt: Sehr selten, aber eben manchmal doch, beschädigen Prequels die Erin nerung an Lebensfilme nicht nur nicht, sondern lassen sie retrospektiv in unbekannten Farben erstrahlen – in diesem Fall quasi in 50 neuen staubig-schönen Shades of Wüstensandbraun. Fast & Furiosa, bitte bald noch mehr davon!
Christoph Prenner plaudert mit Lillian Moschen im Podcast »Screen Lights« zwei mal monatlich über das aktuelle Film- und Seriengeschehen.
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Klare Sicht
auf den Inhalt
Termine Bühne
Angabe der Person
Im Programm der Wiener Festwochen ist »Angabe der Person« mit dem Label »mehrfach ausgezeichnet« versehen. Dieses Prädikat würde allein schon auf die Autorin Elfriede Jelinek zutreffen, die neuerdings auch ein Großes Goldenes Ehrenzeichen der Republik ihr Eigen nennen darf. Doch auch speziell diese Inszenierung wurde u. a. bereits mit dem Nestroy-Preis als »Beste Aufführung im deutschsprachigen Raum« prämiert. Das Stück beginnt mit einer Steuerfahndung. Das Verfahren wird später eingestellt – doch die persönliche Betroffenheit bleibt. Jelinek verbindet die Vorwürfe des Staates mit ihrer eigenen Lebensgeschichte und reflektiert über ihre jüdische Familie, Vertreibung, Ermordung sowie heutige Nazis. 5. bis 7. Juni Wien, Volkstheater
What If …
Das Tanzsolo von und mit Clarissa Omiecienski, das in enger Zusammenarbeit mit Emmanuelle Vinh entstanden ist, erforscht das Potenzial des weiblichen Körpers jenseits patriarchaler Strukturen vor dem Hintergrund der Femizide in Österreich. Die Performance thematisiert die Rolle männlicher Machtausübung sowie den Stand der Frauenbewegung. Es greift dabei zum einen auf Rebecca Solnits »Men Explain Things to Me«, eine Kritik männlicher Arroganz, und zum anderen auf Simone de Beauvoirs feministischen Klassiker »Das andere Geschlecht« zurück. Zusammengehalten wird das Material von Erzählungen aus der persönlichen Geschichte und aus den intimen Erlebniswelten der Tänzerin und Choreografin. 5. bis 7. Juli Innsbruck, Brux
Pride Rage! Sport in die Goschn!
Als Antwort auf immer wiederkehrende homophobe und sexistische Ausfälle mancher Sportfans, bringt dieses Event pünktlich zur Vienna Pride und zur UEFA Männer-EM in einem vielfältigen Performanceprogramm Wrestling, Drag, Comedy und Party rund um einen waschechten Wrestling-Ring im WUK zusammen. So sollen queere Sportarten und Sportler*innen jenseits des cis-männlichen Mainstreams zelebriert werden. Die hierfür geladene Drag-Wrestling-Crew stellt sich dabei vor allem eine Frage: »Kann Fankultur anders aussehen?«
8. Juni Wien, WUK
The Perfect Moment
»The Perfect Moment« widmet sich der Beziehung der großartigen Musikerin Patti Smith mit dem großartigen Fotografen Robert Mapplethorpe, die sich im Sommer 1967 in New York begegneten. Trotz ihrer Mittellosigkeit und unterschiedlichen Lebenswege fühlten sie sich durch ihre Hingabe zur Kunst verbunden. Das Stück wird von Patti Smiths Songs und anderer Musik aus dieser Zeit unterstützt und zeichnet die Verbindung der zwei Protagonist*innen nach – bis zu Mapplethorpes Tod an Aids im Jahr 1989. 15. bis 29. Juni Bregenz, Landestheater Vorarlberg
Versammlung der Schlaflosen
Als Musiktheater- und Konzertperformance wird der Bühnenraum bei »Versammlung der Schlaflosen« zum Verstärker für die Stimmen derer, denen das Einschlafen nicht gelingen will. Vertonte Interviewantworten von Menschen, die unter Schlaflosigkeit leiden, oszillieren hier zwischen privaten und politischen Anliegen. Insomnie wird als gesellschaftliches und strukturelles Symptom gezeichnet und der Begriff »Wokeness« wird dabei wörtlich genommen, um über notwendigen sozialen Wandel nachzudenken. 22. bis 29. Juni Wien, Theater am Werk
The Great Yes, The Great No
Der südafrikanische Künstler und Regisseur William Kentridge nutzt den Rahmen eines Narrenschiffs auf dem Weg von Europa nach Martinique, um in dieser österreichischen Erstaufführung, die als Teil des Impulstanz Festivals gezeigt wird, historische und fiktive Passagiere wie Anna Seghers, André Breton, Frida Kahlo und Stalin zusammenzubringen. Die surreal-realistische Kammeroper zwischen Wirklichkeit und Fiktion fokussiert die Krisen von heute durch die Linse historischer Fluchten und Begegnungen. 16. und 18. Juli Wien, Burgtheater
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Oliver Maus
Arno
Declair, Alena Klinger
Radio to go
J U K A T
Service Notizen
Glossar
Gewidmet all denjenigen, die beim Lesen auf die eine oder andere Wissenslücke gestoßen sind.
Ayahuasca ist ein psychoaktiver Pflanzensud, der von indigenen Bevölkerungsgruppen im Amazonasbecken traditionell sowohl medizinisch als auch in religiösen Zusammenhängen verwendet wird. Banksy ist ein britischer Street-Art-Künstler, der außerordentliche Bekanntheit erlangt hat, dessen Identität aber nach wie vor unbekannt ist. Mit (Cis-)Heteronormativität wird jenes System bezeichnet, in dem es die gesellschaftliche Norm darstellt, hetero und cis zu sein, und alle Abweichungen davon marginalisiert und sozial geahndet werden. Kurz gesagt also, das System, in dem wir derzeit leben. Formosa ist ein früherer Name für die Insel Taiwan. Er leitet sich vom portugiesischen Ilha Formosa (schöne Insel) ab. Koji nennt sich jene Schimmelpilzkultur, die für die Herstellung von Miso und traditioneller Sojasauce verwendet wird. Beim Machine Learning werden ungeheure Datenmengen an einen Algorithmus verfüttert, der dann nach und nach seinen Output automatisch selbst anpasst und so mehr und mehr die gewünschten Ergebnisse liefert. Diese Technik ist die Basis für Chat GPT und Co. Nightcore ist ein Genre, bei dem bestehende Tracks – häufig Popsongs – in erhöhter Geschwindigkeit abgespielt und so zu Dance-Tracks umfunktioniert werden. PoC ist die Abkürzung für Person of Color wie auch für People of Color und ist eine Sammelbezeichnung für alle nicht weißen Menschen. Bis vor etwa 2.000 Jahren war der Sündenbock ein tatsächlicher Ziegenbock, welcher einmal im Jahr stellvertretend mit den Sünden der israelischen Bevölkerung aufgeladen und in die Wüste verbannt wurde. Die Begriffe Top und Bottom sind Begriffe, die aus der schwulen Lederszene der 1950er und der BDSM-Szene der 1960er stammen. Ein Top ist der penetrierende/aktive/dominante Part ein Bottom der empfangende/passive/ unterwürfige Part. Heutzutage ist diese strikte Trennung gerade in der queeren Szene nicht unumstritten. »Yes It’s Fucking Political« ist ein Track der britischen Alternative-Band Skunk Anansie, deren Texte nie eine Chance ausgelassen haben, politische Missstände anzuprangern.
The Gap 053 April / Mai 2004
Lieder für die Erschöpften und Breakdance in Österreich. ———— Am Karlsplatz befindet sich nicht nur die Karlskirche, die im Hintergrund unseres aktuellen Coverfotos zu sehen ist, sondern auch die Bronzeskulptur »Hill Arches« von Henry Moore. Wenn das Wasserbecken, in dem während des Popfests auch die Seebühne steht, leer ist, lässt es sich – ganz ohne nasse Schuhe zu bekommen – gut darauf herumklettern und posieren. Wie es Naked Lunch für die Fotos von Lukas Beck taten, die dieser vor 20 Jahren für unsere Coverstory schoss. Der Anlass: dass die Band »aus den Scherben ihres einstigen Scheiterns (…) wunderschöne Lieder für die Erschöpften geschaffen« hat; gemeint war ihr großartiges viertes Album »Songs for the Exhausted«. Außerdem im Heft: neben den damals üblichen Unmengen an Rezensionen – in Summe 128! – etwa ein Text von Doris Mitterbacher aka Mieze Medusa über Breakdance in Österreich und die beliebte T ShirtFotostrecke, diesmal von Bernd Preiml. »Megaaffentittengeil«, wie es in der Tagline am Cover in Anspielung auf die Aussage einer Politikerin hieß.
Kulturbezirk 2, 3100 St. Pölten Wo gibt’s The Gap?
Festspielhaus St. Pölten
Wer den bösen Vorurteilen über St. Pölten auf den Leim gegangen ist, wird sowohl wegen Architektur als auch wegen Programm des dortigen Festspielhauses verblüfft sein. Das Gebäude ist eine Ansage und auch die Veranstaltungen sparen nicht mit Anspruch. Dieses Jahr wird das Haus ausgiebig im Rahmen der Tangente genutzt, aber auch sonst legen seine Veranstaltungen regelmäßig einen Besuch in der niederösterreichischen Landeshauptstadt nahe. Es empfiehlt sich öfter mal einen Blick auf Webseite und Co. zu werfen, um im Auge zu behalten, was im gar nicht so stillen St. Pölten demnächst wieder auf dem Plan steht.
Cafe Clash Wien
Das kleine Café im neunten Bezirk bietet Wohnzimmeratmosphäre – und das bis spät in die Nacht hinein. Wer nach einem home away from home sucht, wird hier fündig. Fluchtgasse 9, 1090 Wien
Hotel Daniel Wien »Smart Luxury« klingt wie ein Buzzword, beschreibt das Konzept dieses Hotels aber gar nicht schlecht: abgestimmte Details statt altbackenen Überschwangs. Landstraßer Gürtel 5, 1030 Wien
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Florian Schulte
Josef Jöchl
artikuliert hier ziemlich viele Feels
Sex and the Lugner City Und
davon kann man leben?
Eine Freundin fragte mich vor Kurzem, ob ich mich auch bei Chat GPT bedanke. »Bedanken?«, antwortete ich verwundert, »ich bedanke mich doch bei keiner Maschine!« Zumindest bei keiner ohne Plastikgehäuse. Für einen Tintenstrahldrucker habe ich nach einem soliden Inkjob schon mal ein paar aufmunternde Worte. Doch der Diskurs über künstliche Intelligenz geht mir als Contentmaus gelinde gesagt auf die Nerven. Wenn du deinen Lebensunterhalt damit verdienst, Inhalte für ein undankbares Internet zu produzieren, empfindest du Chat GPT wie ein neues Familienmitglied, das alle plötzlich viel lieber haben als dich. Jedes Mal fühlte ich die nur dürftig verhohlene Verzweiflung von Kreativen, wenn sie sich auf sozialen Medien darüber lustig machten, dass die Auswürfe von Large Language Models gar nicht so menschlich klingen wie sie selber.
In unserer Jugend hatte man uns weisgemacht, dass unbedingte Selbstverwirklichung zu einem guten Leben dazugehöre, und nun haben wir den Salat. Wofür sollte ich mich also bedanken? Viel eher würde ich Chat GPT einen gemeinen Spitznamen wie Stink GPT geben und es so von innen zerstören. Auch so ein Gedanke, an dem sich mein stark limitiertes Skillset ablesen lässt. Doch was ist die Alternative für Kreative mit guter Deutschmatura? Wovon sollen wir in Zukunft leben?
Eine Zukunft in der Daseinsvorsorge
Für Menschen mit betuchten Eltern stellt sich diese Frage natürlich nicht. Ärzt*innen- und Professor*innenkinder hatten seit jeher mehr Beinfreiheit in der Kulturarena. Besagte Freundin war hingegen nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Für die Theaterwissenschaftlerin war die Arbeit in der freien Szene mehr Luxus als (Öfferl-)Broterwerb, weshalb
sie schließlich beim AMS anheuerte. »Was willst du denn beim AMS? Solltest du nicht eigentlich über Performanz in der zeitgenössischen Dramatik dissertieren?«, fragte ich sie besorgt. »Hoffnung ist doch auch nur ein Mangel an Information, Heiner Müller«, antwortete sie abgeklärt, während sie ihre Zigaretten für die Mittagspause vorrollte.
Sie war längst nicht die Einzige in meinem Umfeld, die sich beruflich auf einen Job im öffentlichen Bereich verlegte. Ein befreundeter Schauspieler wurde Volksschullehrer, aus einem Künstler wurde ein Straßenbahnchauffeur, eine Webdesignerin interessierte sich plötzlich für die Fahrdienstleitung bei der ÖBB. Sie alle stellten die Realisation ihrer lange gehegten Sehnsüchte hintan, um in der Daseinsvorsorge ein wenig Sicherheit zu finden. Was mich am meisten irritierte: Während ich mich täglich vom blinkenden Textcursor in MS Word hypnotisieren ließ, schienen ihnen ihre neuen Berufe sogar Spaß zu machen.
Was die Leute wirklich wollen
Der ehemals kulturarbeitende Lehrer freute sich über dankbares Publikum, das die Interaktion nicht scheute und dafür nicht mehr wollte als einen glitzernden Sticker im Hausübungsheft. Die Webdesignerin-cum-Fahrdienstleiterin meinte, das Zugnetz wäre letztlich auch nur wie das Stylesheet einer sehr gebirgigen Website. Vor allem der Bimfahrer, der sich jahrelang an den Hürden des Kunstbetriebs abgearbeitet hatte, war begeistert: »Auf den meisten Openings stehen die Leute auch nur herum wie im 49er. Nur dass sie dort erst abhauen, wenn der billige Weißwein ausgesoffen ist.«
Der Tenor ihrer Berichte war einhellig: »Weißt du, Josef, es fühlt sich einfach gut an, etwas zu machen, was die Leute wirklich wollen.« Das brachte auch mich ins Grübeln.
Welcher Karriereweg könnte sich mir in Bund, Ländern und Gemeinden öffnen? Welche meiner Skills ist dem allgemeinen Interesse zuträglich? Was Soziales kam nicht in Frage. Ich hatte schon genug Zeit mit Leuten verbracht, die nicht über meine Witze lachten.
Euch hol ich locker ein!
»Ich könnte Müllmann werden. Müllmänner verdienen gut!«, erzählte ich einer frischgebackenen Polizistin, die zuvor Soziologie studiert hatte. Soziologinnen sind nämlich bei Kreativen mitgemeint. »Josef, du schaffst es ja nicht mal, deine eigene Wohnung aufzuräumen. Wie soll dir das für einen gesamten Stadtteil gelingen?«, erwiderte sie, »außerdem hat dein Fahrrad kein Licht und du hattest heute bestimmt mehr als zwei Bier. Das macht dann 70 Euro.« Auf dem Heimweg zermarterte ich mir das Hirn. Die ewige Frage, ob ich davon leben könne, hatte mich mürbe gemacht. Könnte der Fachkräftemangel nicht auch für mich eine Chance sein? Würde ein pensioniertes Boomerchen nicht auch eine Lücke lassen, in die ich passte? Vielleicht holte ich die anderen ja auch locker ein und machte meinen Prompt Engineer! Zu Hause klammerte ich mich an den letzten Strohhalm. Ich fragte Chat GPT nach Berufen für mäßig erfolgreiche Komiker im öffentlichen Bereich. Die Antworten ließen zu wünschen übrig: »Comedy-Workshopleiter, Social-MediaInfluencer, Podcast-Host« und noch ein paar weitere Grausamkeiten. Danke für nichts, Chat GPT! Danach schlief ich zufrieden ein. Vermutlich ist diese künstliche Intelligenz doch noch nicht so weit, wie alle sagen.
joechl@thegap.at • @knosef4lyfe
Josef Jöchl ist Comedian. Sein aktuelles Programm heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Termine und mehr unter www.knosef.at.
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Ari Y.
Richter
ANKATHIE KOI HVOB SALAMIRECORDER & THE HI-FI PHONOS ARLO PARKS FEVER RAY DOMPLATZ OPEN-AIR 07 JULI 2024
Am Campus 2
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Ö nungszeiten:
Di – So, 10 –17 Uhr museumgugging.at
Leopold Strobl bei der Biennale Arte 2024
Werke des Künstlers Leopold Strobl sind bei der 60. Internationalen Kunstausstellung La Biennale di Venezia mit dem Titel „Stranieri Ovunque –Foreigners Everywhere“ kuratiert von Adriano Pedrosa ausgestellt. Das museum gugging präsentiert Leopold Strobls Werke in den Ausstellungen: gugging.! classic & contemporary UPDATE seit 3.2.2024 fantastische orte.! walla I strobl I vondal I fink 12.9.2024 bis 16.3.2025 Das museum gugging gehört international zu den wichtigsten Ausstellungshäusern für Art Brut.
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12.4. —18.8. 2024
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