The Gap 119

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Wiener clubkultur – Morgenluft für Nachtschwärmer Whores’ glory / /slash / Zola Jesus 119 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 119, SEPTEMBER 2011

Girls. schoßgebete. Affine. Deus Ex human Revolution. startUp Week. vienna Design Week. theophilus london. st.vincent. Killed By 9v Batteries. coded cultures. cant. Im Wortwechsel: Kann Wien eine europäische clubmetropole werden?

€ 0,-


Ganz Wien … … auf einem Cover. Oder worauf wir uns nach langen Stunden einigen konnten. Dabei mussten wir zwischen Vergangenheit und Zukunft abwägen, mussten einzelne Personen stellvertretend für ganze Kollektive, Szenen oder gar Subkulturen zusammen collagieren, mussten uns bemühen in einer immer noch von Männern dominierten Szene die unermüdlich rackernden, engagierten Frauen herauszustreichen oder nicht nur den eigenen Tellerrand abzubilden. Das heißt dann auch Blut-und-Ballermann-Tussi HC. Genau. Die Vorlage für unser Cover stammt übrigens wiederum vom Cover des Beatles-Albums »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band«. Hier ist also unser definitives, unfehlbares Sammelalbum der Clubkultur von ganz Wien.

01 Pita / Peter Rehberg (Musiker / Editions Mego) 02 Rainer Klang / Rainer Praschak (DJ / Plattensammler / Mica) 03 DJ Elk / Manfred Breiner (DJ-Urgestein) 04 Ella / Eleonora Brandis (The Loud Minority) 05 Sarah Fritz (Das Techno Café) 06 Wolfram / Wolfram Egger (Musiker / Marflow / Diskokaine) 07 Matthias Angerer (Ost Klub) 08 Manuva / Clemens Fantur (Total Chaos / Run Vie / FM4 Soundpark) 09 Irradiation / Patricia Enigl (DJ / Temp Records) 10 Aleks Gavric (Technoboard.at / Club Pompadour) 11 Camo & Krooked / Reinhard Rietsch & Markus Wagner (Musiker / Mainframe) 12 Heinz Tronninger (Super-Fly / Sunshine) 13 Christian Lakatos (Urban Art Forms) 14 Miss Candy / Holger Thor (Heaven) 15 Ziggy / Sigismund Kremser (Soul Sugar / Ex-Club Planetarium) 16 Fritz Fitzke (Visual Artist) 17 Demon Flowers / Werner Geier (DJ / FM4 Mit-Initiator; R.I.P.)

18 Joyce Muniz (Musikerin) 19 Alexander Knechtsberger (Doc LX) 20 Gerry Keszler (Life Ball) 21 Felix The Houserat / Felix Fuchs (DJ / Electro Nix Gang Bang / Red Bull) 22 Wolfgang Schlögl (Musiker / Sofa Surfers / I-Wolf / Produzent) 23 Bernhard Tobola (DJ / Tingel Tangel) 24 Crazy Sonic / Rudi Wrany (DJ / Crazy) 25 Electric Indigo / Susanne Kirchmayr (DJ / Female Pressure) 26 Flex Opi / Gerald Jaksch (Clubdauergast; M.I.A.) 27 Roman Raffreider (Party Celebrity) 28 Hennes Weiss (Pratersauna) 29 Eva Bischof-Herlbauer (Visual Artist / 4youreye / Media Opera) 30 Roswell 47 / Dirk Rossiwall (DJ / Bounce) 31 Peko Baxant (Jugenkoordinator SPÖ Wien bis 2011 / Wiener Gemeinderat) 32 HC Strache (Party Queen) 33 Clemens Neufeld (DJ / Produzent / Space Jungle) 34 Zanshin / Gregor Ladenhauf (Musiker / Ogris Debris / Max Brandt Synth-Flüsterer) 35 Conny de Beauclair (Türsteher U4 / Fotograf)

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36 Bnckd / Felix Bergleiter (Waxolutionists / Run Vie / Praterei / Prater Unser) 37 DJ DSL / Stefan Biedermann (DJ / Musiker) 38 Supermax / Kurt Hauenstein (Supermax) 39 Georg Hitzenberger (Play.fm) 40 Michael Häupl (Wiener Bürgermeister) 41 Michael Böhm (Volksgarten) 42 Christina Nemec (Musikerin / Comfortzone Records) 43 Dorian Concept (Musiker) 44 Pinie Wang (DJ / Myyy Bitch Club) 45 Herbie Molin (Blue Box / Rhiz) 46 DJ Felipe / Philipp Straub (DJ / Titan Booking) 47 Eva Fischer (Sound:frame) 48 Tamara Mascara (DJ / Homo) 49 Andreas Reiter (Rhinoplasty) 50 Makossa / Markus Wagner (Makossa & Megablast / FM4 Musikchef) 51 Jonny Nemetz (DJ / Deephousemafia)

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52 Clara Moto / Clara Prettenhofer (Musikerin / DJ) 53 Peter Schachinger (Flex) 54 Hannes Jagerhofer (Sofiensäale Clubbings / Acts Group) 55 Antonia-Alexja Georgiew (Russkaja / Party Celebrity) 56 Patrick Pulsinger (Produzent / Musiker) 57 Fennesz / Christian Fennesz (Musiker) 58 Richard Dorfmeister (Kruder & Dorfmeister / Tosca) 59 Falco 60 Peter Kruder (Kruder & Dorfmeister / Peace Orchestra) 61 Andreas Götl (Paradise Festival) 62 Christopher Just (Musiker / DJ) 63 Luna Luce / Natalie Brunner (FM4) 64 Fritz Plöckinger (DJ / Ex-Black Market / Market Record Store) 65 Florian Meindl (DJ / Produzent / Flash Recordings) 66 Sugar B / Martin Forster (Moreaus/ Dub Club / Silly Solid Swound System / FM4) 67 Johann Strauss II. (Party Daddy)


„SO VIEL KULTUR HIER IN WIEN, ICH KOMME GAR NICHT AUS DEM STAUNEN UND ANSCHAUEN HERAUS.“ CÉLINE DOMENEC, 32 FRANZÖSIN

WIEN IST ALLES. WAS DU WILLST: Von der Straßenausstellung über erstklassige Hochkultur, vom Grätzelfest bis hin zur Avantgarde. Wien ist lebens- und liebenswert, unter anderem dank eines leistbaren und vielfältigen Kulturangebots. Das breite Angebot

wissen unsere Gäste zu schätzen, wie Céline Domenec, unser Gast aus Frankreich. Im Juni zählte Wien erstmals über eine Million Besucherinnen und Besucher. Das freut die Wiener Wirtschaft und bestärkt den Wiener Weg der Internationalität und Weltoffenheit.

ALLES ZU WIEN:

www.wien.at


Apparatjik

www.apparatjik.com / Foto: Martin Joppen

Konzert und Multimediainstallation Sa 15/10, 22.30 | Orpheum

Weiters: What, How & for Whom / WHW, Gunilla Heilborn, Lotte van den Berg, Yael Bartana, Maruša Sagadin, Barbara Duden, Voina group, Carl Michael von Hausswolff, Michikazu Matsune, Markus Schinwald, Heine Røsdal Avdal, Werner Dafeldecker, Eszter Salamon, Theater im Bahnhof, Daniel Knorr, Miguel Gutierrez, Klangforum Wien, Artur Żmijewski, Rodrigo García, Danica Dakić, Peter Weibel, Ann Liv Young, Marino Formenti, Maha Maamoun, Orthographe, Ai Weiwei, Gerhild Steinbuch, Apichatpong Weerasethakul, Sin Fang, Christian Fennesz, Erzen Shkololli, Jan Ritsema, Antje Majewski, Johannes Schrettle, Katrin Plavcak, Jörg Albrecht, CREW, Hans Rosenström, Public Movement, Cupola Bobber u. a.


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► l e i ta rt i k e l ►Von Thomas Weber

drecksarbeit im park Schwarzarbeit am Frequency Festival: Darf sich der Veranstalter aus der Verantwortung stehlen, wenn nicht er selbst, sondern bloß eine Zulieferfirma Obdachlose aus Wiener Parks zum Zusammenräumen auf das Festivalgelände nach Sankt Pölten gekarrt hat? ie Argumentation klingt altbekannt. Wir hören sie von Nike, Nokia oder Apple, wenn einer der großen Konzerne sich wieder einmal für Kinderarbeit, Ausbeutung und untragbare soziale Bedingungen an den Produktionsstätten seiner Gummischuhe oder Mikrochips rechtfertigen muss. Wir doch nicht!, lautet sie sinngemäß, halb empört und selbst betroffen: Das sind bloß unsere Zulieferbetriebe. Irgendwelche Fabriken am anderen Ende der Welt, die wir aus unserer Zentrale gar nicht im Griff haben können. Dafür sind wir nicht verantwortlich. Aber weil wir nicht so sind, kümmern wir uns jetzt mal um diesen Ein-zel-fall. Damit lassen wir uns meist abspeisen. Wir haben uns schließlich alle mit den Verhältnissen arrangiert. Zwar bleibt ein ungutes Gefühl, doch fast allen ist klar, dass die Drecksarbeit für die Leistbarkeit unseres Lebensstils ja auch irgendwer machen muss, irgendwo da draußen, am Ende der Welt.

BILD MICHAEL WINKELMANN

Into The Wild

Und dann plötzlich St. Pölten. Während Deichkind, Seeed und die Dropkick Murphys die Gegend beschallen, tut Mitte August auch die Finanzpolizei ihre Arbeit auf dem FM4-Frequency Festival. 70 Schwarzarbeiter werden bei der Razzia registriert, die eine Hälfte davon in der Gastronomie, die andere bei der Müllentsorgung. Den Veranstalter direkt treffe keine Schuld, so Harald Waiglein, der Sprecher des zuständigen Ministeriums. Vielmehr hätte eine Zulieferfirma selbst wieder Zulieferfirmen beauftragt. Gegen diese wird nun ermittelt, weil sie »Bulgaren, Rumänen und Serben ohne Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, sowie Unterstandslose aus Wiener Parks zur Arbeit nach St. Pölten gebracht hat.« Den Veranstalter des Musikfestivals mag keine direkte Schuld treffen. »Alle unsere Auftragnehmer haben sich selbstverständlich an geltende österreichische Gesetze zu halten. Um Schwarzarbeit auf dem Festivalgelände komplett auszuschließen, müsste ich in alle meiner 100 oder 300 Zulieferfirmen Spione einschleusen«, scherzt Frequency-Veranstalter Harry Jenner. »Das ist nicht machbar.« Und dennoch: Ausbeutung, Abhängigkeitsverhältnisse und ein System der Rechtlosigkeit, wie wir es aus den Fabriken des 19. Jahrhunderts kennen, mitten in Sankt Pölten. Das darf weder uns als Konzertkonsumenten egal sein. Noch darf das ein Festivalveranstalter auf sich sitzen lassen, der

sein »Green Stage«-Konzept samt Maßnahmen zur »ökologischen und sozialen Sinnhaftigkeit« als mehr erachtet als bloß eine nett vermarktbare Möglichkeit, um an öffentliche Fördergelder zu gelangen. Bierdosen einzusammeln ist nicht nachhaltig, wenn diese Arbeit von Entrechteten verrichtet wird. Ebensowenig, wie jene Freiland-Preiselbeeren nachhaltig »produziert« werden, die rumänische und bulgarische Tagelöhner gerade in schwedischen Wäldern pflücken und die für Unterkunft und Verpflegung während der Erntearbeit mehr bezahlen, als sie unterm Strich verdienen. Auch in Schweden sind es naturgemäß »Zulieferfirmen«, die den Erntehelfern sicherheitshalber die Pässe abgenommen haben, bevor man sie in die Wälder geschickt hat. Das alles mag in der Branche schon länger so praktiziert worden sein. Erntehelfer sind in vielen Teilen der Welt entrechtet, die Gastronomie bekanntermaßen anfällig für Geschäfte im Abseits. Eines bleibt all das nichtsdestotrotz: inakzeptabel.

A Decent Festival

Für einen Global Player ist es vermutlich wirklich ein schweres Unterfangen, soziale Standards in Fabriken im asiatischen Hinterland zu überschauen, wenn dort das kulturelle Bewusstsein dafür fehlt. Glaubhaft und durchaus unterhaltsam gezeigt hat das die Filmdoku »A Decent Factory« (2004), die Nokia auf Konsumentendruck in Auftrag gegeben hatte, um Arbeitsbedingungen in seinen Zulieferfirmen zu erkunden – und selbst guten Willen zu zeigen. Doch anders als in den entlegenen Winkeln des Fernen Ostens sollten sich fundamentale Verfehlungen im nahen Niederösterreich aber sehr wohl aus der Welt schaffen lassen. Es braucht dazu vor allem eines: guten Willen und ein Vorgehen, das ähnlich durchdacht ist wie eine Systematik, die es letztlich allen Beteiligten erlaubt, sich abzuputzen und alles auf den »Einzelfall« zu schieben. Dies ist deshalb als wohlwollende Aufforderung zu verstehen, die Konsequenzen aus dem Jahr 2011 zu ziehen und die Angelegenheit für den Festivalsommer 2012 zu regeln. Möglichst nachhaltig. ¶

Thomas Weber, Herausgeber weber@thegap.at

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VIENNA DES IGN W EEK

Bereits zum zweiten Mal feiert das Slash-Filmfestival in Wien mehrere Tage lang internationale Genrefilm-Highlights. Nicht wenige davon als Premieren. Neben Horrorfilmen oder asiatischem Trash-Kino sind heuer auch einige Filme dabei, in denen sich Normalos leicht neben der Spur die SuperheldenAnzüge überziehen. Humor, Tragik und ungewöhnlich hohes Identifikationspotenzial machen den Unterschied. .

Jede Branche braucht ihre Festivals. Die Vienna Design Week hat sich dabei in nur fünf Jahren als Königin der nationalen Design-Festivals etabliert. Doch um international zu bestehen, braucht es mehr: Design-Nachwuchs, öffentliche Finanzierung und die Vielfalt von Design-Ansätzen. All das ist Mangelware. Grund genug, um sich kritisch mit dem Festival zusammen- und auseinanderzusetzen.

Magazin 020 Wiener Clubkultur Die Wiener Nachtschattenge-

wächse wittern Morgenluft. Nachdem die U-Bahn am Wochenende durchfährt und die Sperrstunde verlängert wurde, ist eine Boomphase angebrochen. Äh, meint wer noch schnell? 025 Clubkultur: Wiener Club-Statements Was macht die Wiener Clubkultur besonders? Was braucht es? Wir haben Volksgarten, Pratersauna, Morisson und Flex befragt. 028 C lubkultur: Zürich – Wien Zürich hat die höchste Clubdichte Europas, regelmäßig kommen hochwertige Produktionen aus der Hauptstadt der Schweiz. 030 Clubkultur: Affine Mit Dorian Concept, Ogris Debris, The Clonius oder Zanshin gibt es seit Jahren wieder ein höchst eigenwilliges Elektronik-Label aus Wien. Ein Porträt. 032 golden frame: know hope gastiert heuer wieder beim Wiener Street Art-Festival »Blk River«. Letztes Jahr hat er gegenüber vom Badeschiff eines seiner Pieces hinterlassen. 034 Zol a Jesus Natur und Technik, Fortschritt und Verzweiflung. Das sind Themen der Ausnahmekünstlerin Zola Jesus. 036 Killed By 9V Batteries Zwischen Noise, Krautrock und 80er-Gitarrensoli hat sich auf dem neuen, dritten Album »The Crux« eine gehörige Menge Popaffinität beim steirischen Quartett KB9VB eingeschlichen.

www.raiffeisenclub.at/mtvemas

038 C oded Cultures 5uper.net untersucht wieder die

Schnittstelle von Technologie, Medienkunst und Gesellschaft. Eine Einladung, die City als Interface zu nutzen. 039 Vienna StartUp Week Die StartUp Week richtet sich an die Akteure der Szenen und will die Besten mit internationalen Investoren, aber auch Interessierten zusammenbringen. 040 Stag Conference Am 27. September widmet sich die Konferenz im Naturhistorischen Museum einen Tag lang interaktivem Storytelling in Computerspielen. Unter den Speakern sind viele erfahrene, internationale Game-Entwickler. 042 /Sl ash Das Genrefilm-Festival feiert Ende September nicht nur Horror-Movies oder Trash-Kino, sondern auch Normalos im Superhelden-Anzug. 044 Whores’ Glory Glawogger muss uns nach »Megacities« und »Workingman’s Death« wieder die Stimmung vermiesen. »Whore’s Glory« ist ein gra nicht so glamouröser Hurenfilm. 050 Vienna Design Week Kommentar Im fünften Jahr muss die Vienna Design Week weiterhin um Finanzierung, ambitionierten Nachwuchs und gegen Vorwürfe kämpfen. 052 Clubkultur: Clubdesign Techno und Rave ist Bunkersound. Doch hinter dem Aussehen steckt häufig ein Plan. Peter Stuiber hat quer durch Europa nachgefragt.

Basislogo-Anwendun

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Editorial b i l d d e r aus ga b e Am 10. August stürmten alte und junge Hasen erstmals die Terrasse der Albertina für unsere Reihe »Albert & Tina«. Mit einer ziemlich unschlagbaren Aussicht von der Oper über Burgarten, Kunsthistorisches Museum, Palmenhaus und Hofburg konnte man die Ankäufe zeitgenössischer Kunst im Bauch der Albertina reflektieren; oder sich vom Event und all dem schönen Trubel berauschen lassen. Ja, ihr Bauern, wir sind jetzt Establishment.

Rubriken 005 Leitarti k e l 007 Editoria l 008 Porträts  / I m p r ess u m 011 Fondue 012 Fabul a R a sa 013 Unbe zah lt e r A n ze i g e r 014 Charts / S p l i t t e r 054 W ort wech se l : Ka n n W i e n e i n e

Im Herbst 2007 (Ausgabe 081) machten wir die Musikstadt Wien zum Covergirl. Damals waren sich viele Protagonisten einig, dass Wien ein Festival für elektronische Musik fehlt. Die meisten davon sind heute – aktiver denn je – Vertreter der Wiener Clubkultur; und mitverantwortlich dafür, dass Wien 2011 mit Prater Unser, Waves Vienna und den Hybriden Sound:Frame und Run Vie mindestens drei moderne Pop-(Musik-)Festivals hat. Noch sind das Spring oder auch das Elevate in Graz sicher größer und teilweise relevanter, aber das ist möglicherweise nur eine Frage der Zeit. In den letzten vier Jahren hat sich auch sonst einiges in der Wiener Clublandschaft getan, die wir in einem breiten Special (ab Seite 020) in dieser Ausgabe ausgiebig würdigen. Weiteres zum Thema: Clubdesign (Seite 052f) oder der Wortwechsel (Seite 054f). Auch sonst ist Wien in den letzten Jahren zu einer Stadt geworden, in der man jeden Abend etwas versäumt – weil man zu einem anderen Event geht, sich um die Familie kümmert, arbeitet oder schläft. Ein Ausdruck dessen ist die weiterhin wachsende Zahl an Festivals, Konferenzen und anderer Veranstaltungen. Wir könnten zwei Hefte pro Monat damit füllen. Und während wir von Blk River zu Run Vie, Sneakerness und Moozak stolpern, sind wir im Kopf schon bei Coded Cultures (Seite 038), auf der Vienna StartUp Week (Seite 039) oder der Stag Conference zum Thema Interactive Storytelling (Seite 040). Wir werden uns jedenfalls in den nächsten Wochen oft begegnen und schlafen können wir dann alle nach der Viennale. ¶

ngen (Abfallend+Satzspiegel) europäi sch e C lu b m e t r o p o l e w e r d e n ?

056 Pro sa: C h r i sto p h W. Bau e r 060 Bild strec k e Wo r kstat i o n : V e r o n i q u e Gi r o u d 068 Gründer se r i e Ga r mz: Aus Ga r mz w i r d Lo o k k 071 Re vie ws 088 Termine

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Kolumnen 019 Zahlen Bi t t e 098 K now Not h i n g

Martin Mühl, Chefredaktion muehl@thegap.at


street Art und Rechtsmedizin Während die meisten Redaktionsmitglieder zum Thema Straßenkunst nur sagen können, dass Banksy mittlerweile »viel zu kommerziell« ist, hat Anna wirklich Ahnung von Street Art. Das finden wir alle sehr beeindruckend. Normalerweise studiert die überzeugte Katzenallergikerin Journalismus, das Leben und alles, was irgendwie retro ist. Die letzten Monate hat sie in Wien ein Praktikum bei The Gap absolviert und dabei die »viele Kultur, die hohe Lebensqualität und die Architektur« genossen. Das meint sie ernst. Vielleicht liegt es daran, dass sie die meiste Zeit ihres Studiums auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Hannover fristen muss. Anna wuchs in einem kleinen Ort in BadenWürttemberg auf und vermisst ein wenig die Natur, ihre Spielkameraden und die 90er. Ihr Vater war beruflich viel unterwegs, trotzdem hatten beide eine gemeinsame Leidenschaft: Western mit James Stewart schauen. Seitdem träumt die passionierte Liebhaberin von Fifties-Streifen à la Hitchcock, von einer Hochzeit mit Cary Grant und schläft bewaffnet auf einem Autogramm von Doris Day. Sie reist gerne, mag die französische Lebensart und Rechtsmedizin. Sie hört zum Tanzen am liebsten Trance, entschuldigt sich aber wenigstens dafür. Mit 28 weiß Anna jetzt, wie die österreichischen Medien funktionieren und dass man Pizza nicht in der Mikrowelle macht. ¶ TEXT JONAS VOGT

ERRAtUM:

Richtigstellung zu The Gap 118, Golden Frame: »Die Teppiche der gestürzten Herrscher«. Wir stellen hiermit richtig, dass die »Flying Carpet Show« von Stephan Schwarz und Atzgerei und nicht von Stirn Prumzer stammt sowie bereits 2007 startete. Das Bild stammt zudem nicht von Kurt Prinz, sondern Stefan Kreuzer. ► 0 0 6 / AUSGABE 119

KAthARInA sEIDlER Dampf in allen Gassen Im Sumpf von FM4, Skug, Falter und natürlich The Gap. Das alles quasi ständig – mit einer wöchentlichen Ausgeh-Kolumne, mit einer »Im Sumpf«-Kolumne jeden zweiten Sonntag und viermal pro Jahr wird ausführlich »Aus dem Elektronähkästchen« geplaudert. Mit solchen kurzen und regelmäßigen Deadlines umzugehen, wäre für sich alleine schon genug Arbeit. Katharina Seidler schreibt aber auch noch an ihrer Diplomarbeit für ihr Germanistikstudium. Und DJing geht sich außerdem aus. Oder zwischendurch eine Coverstory über die Wiener Clubkultur für The Gap. In all der Schreiberei ist Katharina zunehmend auf Elektronisches und Techno-Klassik-Hybride abonniert, obwohl sie eigentlich eine ausgeprägte Schwäche für intelligenten Pop sowie Klaviersonaten von Beethoven und Schubert hat. Letzteres könnte auch mit der angebrochenen Laufbahn als Querflötistin zu tun haben, die erst nach der Matura eingestellt wurde. Dabei ist die geborene Wienerin so dauernd gut gelaunt und strahlt das auch in ihre Umgebung ab, dass man eigentlich gar nicht glauben mag, dass sie irgendjemand jemals drohen müsste, sich Unfreundlichkeiten nicht gefallen lassen zu wollen. Hat sie gar nicht nötig. Bei all dem Dampf fehlt eigentlich nur noch die Abschlussparty zum Studium, die bereits vollständig mitsamt Einladung, Club, DJs und Band geplant wäre, aber derzeit immer wieder um einige Monate verschoben werden muss. Wenn es dann soweit ist, wird es nicht nur eine exquisite Musikauswahl spielen, sondern die außergewöhnliche Pop-Expertise von Katharina halt eben endlich offiziell sein. ¶ TEXT STEFAN NIEDERWIESER

Stephan Bruckner, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Daniel Garcia, Lisa Gotthard, Manfred Gram, Dominique Gromes, Benedikt Guschlbauer, Jan Hestmann, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Iris Kern, Markus Keuschnigg, Hubert Kickinger, Michael Kirchdorfer, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Gunnar Landsgesell, Artemis Linhart, Johannes Luxner, Julia Melcher, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Florian Obkicher, Michael Ortner, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Karoline Podolecka, Christian Prenger, Teresa Reiter, Werner Reiter, Georg Russegger, Joachim Schätz, Barbara Schellner, Lukas Schmid, Bernhard Schmidt, Johann Scholz, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Cornelia Stastny, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Asha Taruvinga, Martin Tschiderer, Hanna Thiele, Horst Thiele, Raphaela Valentini, Jonas Vogt, Ursula Winterauer, Imre Withalm, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PrAktIkum Philippa Grob, Anna Moldenhauer, Volker Müller, Jonas Vogt tErmINE Stefan Niederwieser AutOrEN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Stefan Tasch, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko FOtOgrAFIE Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Karin Wasner, Michael Winkelmann IllbIllY-IlluStrAtION Jakob Kirchmayr cOVErbIlD Super-Fi WOrkStAtION-FOtOStrEckE Veronique Giroud DESIgN Monopol, Super-Fi lEktOrAt Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer WEb Super-Fi, Codeon, m-otion ANZEIgEN Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Christoph Ullmann, Thomas Weber (Leitung) DIStrIbutION Martin Mühl Druck Manz Crossmedia GmbH & Co KG, Stolberggasse 26, A-1051 Wien gESchäFtSFÜhruNg Bernhard Schmidt PrODuktION & mEDIENINhAbErIN Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien kONtAkt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bANkVErbINDuNg Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 AbONNEmENt 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; hEFtPrEIS EUR 2.00 ErSchEINuNgSWEISE 10 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

AnnA MolDEnhAUER

IMPREssUM hErAuSgEbEr Thomas Weber chEFrEDAktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser rEDAktION Katharina Abpurg, Gregor Almassy, Michael Aniser, Matthias Balgavy, Claire Benedikt, Josef Berner, Sandra Bernhofer, David Bogner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ivo Brodnik,

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Kontributoren


Wir präsentieren die Siegerin des

Opel Corsa Design Contest

Christine Gruber konnte nicht nur mehr als 800 Stimmen für ihr Design auf unserer Facebook-Page sammeln, sondern auch die Jury des Contests mit ihrer Einreichung Opel Corsa Springwave überzeugen. Wir gratulieren der NeoAuto-Designerin recht herzlich zum Gewinn von 1.000 Euro, einem Apple iPad 2 und einem Monitor von Eizo. Das Design wird am 30. September auf der Opel Corsa Stage im Wiener Prater beim Waves Vienna präsentiert! Fotos vom Event gibts natürlich wieder auf: www.facebook.com / OpelTeamOesterreich


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THEGAp.AT

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hast auch du einen Blick für das Bemerkenswerte da draußen? Dann halte deine handycam stets im Anschlag, fang die stilblüten und optischen Querschläger ein, und schick sie uns per MMs oder E-Mail an fondue@thegap.at BILD JOHANNES EVERKE, MANUELA FRöHLICH, ANDREAS KEPPLINGER, MICHAEL KIRCHDORFER, THOMAS WEBER, JüRGEN WUTZELHOFER

Endlich ist’s wieder erlaubt, im Kaminstüberl zu rauchen! Wäre es nicht leider geschlossen. Aber dafür ist’s fairerweise auch gratis.

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BUNDESDENKMALAMT


FAbUlA RAsA

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KOLuMnE GEORG CR ACKED

Trotz Umbaus gestörter Verkauf. Ich hab jetzt ein Bauchsparbuch beim örtlichen Sparflammenverein eröffnet. Ich weiß, die Krise ist nicht lustig, das verträgt keine blöden Sterze. All die Kulturindustrie-KleinEgo-Aktionäre machen sich Sorgen um ihre monatlichen Starbucks-Kosten und wie sie nächste Woche noch über die Hunde kommen sollen. Wenn das Portfolio plötzlich fünfzehn Prozent weniger wert ist, macht auch das CabrioFahren nicht mehr so viel Spaß, dabei wären im Sommer die Fußgängerinnen genau richtig dafür. Und dann muss man überlegen, iPad-2 oder doch was in den Kühlschrank vollmachen? Und da ist es völlig klar, dass mal einer schreit: Es reicht! Meine Herren, sie sind wohl wes Geistes Kind krank? Jetzt ist aber mal Schulterschluss mit dem ganzen Unsinn! Immerhin bin ich noch Herr meiner sieben Sinne. Und das soll auch so bleiben. Neun Jahre Publizistik-Studium müssen sich ja irgendwie auszählen lassen. Weil das einzige, das man da gelernt hat ist, dass wenn kein Sinn mehr erkennbar ist, es auch nicht mehr notwendig ist, welchen reinzutun. Und das ist dann die absolute Entfremdung und die Erklärung für so vieles, was läuft und läuft. Auch für mein Fitnessproblem und das meines Kontos. Aber das fährt zu weit. Am Grunde geht es doch nur um das Eine oder Andere, nämlich: Wenn man heutzutage versucht, alles richtig zu machen, hat man so viele Optionen, dass es unweigerlich in die Erstarrung führt. Ja, ich könnte helfen, die Meeres-Engen zu retten oder die Kindesmiss-Handlungen der katholischen Kirche aufzudecken oder für alte Menschen junge Produkte einkaufen zu gehen oder mehr auf meinen Körper zu achten und weniger auf andere oder nicht illegal downzuloaden oder herauszufinden, was wichtiger ist: Transfaire Importe oder der CO2-Abdruck? (Und einen Wikipedia-Eintrag für das Inflektiv »downzuladen« machen, damit es endlich ein wirklich existierendes Wort ist.) All das könnte ich machen. Mag ich aber nicht; aus reinem Protz gegen die gutmeinende Zeigefinger-Opposition (gestreckt). Aber im Geheimen mache ich es dann doch, ich will nur nicht, dass es Leute mitkriegen, die ich nicht mögen kann, und die dann was Doofes dazu sagen und ich wieder grundsätzlich dagegen sein muss. ¶ cracked69@hotmail.com ► 0 1 2 / AU S GA B E 1 1 9


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Unbezahlter Anzeiger

Alle Waren und Dienstleistungen dieser Welt sind gleich gut. Die scheinbaren Unterschiede werden nur im Kopf der Konsumentinnen erzeugt, u.a. bzw. v.a. mit Werbung, d.h. z.B. mit bezahlten Anzeigen. Auch in diesem Heft gibt es davon welche, und nur die bewusste Verknappung vermag dem Impact noch ein zusätzliches Momentum zu verleihen. Um einer drohenden Branchenmonopolisierung eine angemessene Blockade entgegenzustellen, finden sich an dieser Stelle einige unbezahlte Anzeigen – Segnungen des Konsumiversuns.

SEALANDER

Aufgepasst, wer als Kind gerne in Fernsehkartons Raumschiff oder U-Boot gespielt hat. Mit dem Sealander-Amphibienwohnwagen kann man zwar weder in die Lüfte abheben noch im Wasser untergehen. Ansonsten ist’s aber proportional gesehen genau dasselbe, und auch gut so. Da kann man getrost den Wohnwagen zum Baden ausschütten. Rein optisch ist der Sealander mit einem Weltraumsarg per du, aber der Platz wird auch bis auf jeden Kubikmilimeter schlau genutzt. Zum stylischen Campen und Schiffen braucht man übrigens angeblich weder Kapitänspatent noch Anhänger-Führerschein. www.sealander.de ▪▪

SMART METERS

… verdienen sich wie Airport-Nackt-Scanner eine Medaille. Für halblustige Dinge, welche viel kosten, Mensch Meier überraschend wenig bringen und im Endeffekt somit SOA (Sperrmüll On Arrival) sind. Die intelligenten Strommess­geräte mögen indes funktionieren, die Vorteile für Konsumenten sind aber dürftig. Dafür sparen sie nicht mit Nachteilen, wie u.a. hohe Kosten für die Anschaffung und Infrastruktur, zusätzlicher Energieverbrauch selbiger Infrastruktur, Übermittlung von Daten aus der Privatsphäre, und nicht zuletzt finden Hacker anhand der erforderlichen Vernetzung eine ganz neue Spielwiese vor. Und Parksünder werden, wenn alles gut geht, nur mehr im Finstern kalt duschen. ▪▪

Wir wollen fördern – auch Sie. Bank Austria Kunstpreis 2011. Die Bank Austria, einer der führenden Kultursponsoren in Österreich, vergibt 2011 zum zweiten Mal den Bank Austria Kunstpreis in vier Kategorien. Der Preis zeichnet innovative Projekte im Kulturbereich sowie herausragende Leistungen im Kulturjournalismus aus.

MOBILE BOOSTER PANZER

4000W Soundanlage? Nicht schlecht. Hydraulisch hebbare Boxenwand? Sehr lässig. Raupenantrieb? Leck du mich am Tieftöner! Nik Nowak hat schon eine ganze Serie von mobilem Audio-Equipment gebaut, mit dem Panzer hat er wohl sein bisheriges Meisterstück abgeliefert. Mit seiner Serie richtet sich Nowak gegen die »Anonymisierung des Lebens im virtuellen Raum«, und das eher lautstark. PS brummen, dBs wummern. Love Parade meets BundesheerLeistungsschau. www.niknowak.de ▪▪

Die Ausschreibungsfrist läuft noch bis 30. September 2011. Die Ausschreibungsrichtlinien sind auf der Kultursponsoring-Homepage der Bank Austria abrufbar: kunstpreis2011.bankaustria.at. Die Fachjury zur Ermittlung der Preisträgerinnen bzw. Preisträger tritt im November zusammen. Bank Austria Kunstpreis 2011 – Regional – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis richtet sich an heimische Kulturinitiativen, die lokale Projekte realisieren. Ziel ist die Förderung und Stärkung des Kulturlebens und einer entsprechenden Infrastruktur auf regionaler Ebene. Bank Austria Kunstpreis 2011 – International – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis zeichnet heimische Kulturprojekte aus, die international einen wichtigen Beitrag zur Positionierung von Österreichs Kunstszene leisten. Damit soll die Position Österreichs als kreative Kulturnation international gestärkt werden. Bank Austria Kunstpreis 2011 – Kunstvermittlung – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis richtet sich an heimische Kulturprojekte, die eine aktive Auseinandersetzung mit Kulturthemen in der Öffentlichkeit fördern. Ziel ist es, Barrieren abzubauen, möglichst viele Menschen an Kunst heranzuführen sowie Kunst und soziale Anliegen zu verbinden. Bank Austria Kunstpreis 2011 – Kulturjournalismus – dotiert mit EUR 8.000,–. Mit diesem Preis werden Kulturjournalisten ausgezeichnet, denen es gelingt, mit herausragenden Beiträgen kulturelle Inhalte einem möglichst breiten Publikum niveauvoll nahezubringen.


Electric Indigo (Musikerin und DJ)

TOP 10

LIEBLINGS-LONGPLAYER Robert Henke – Atom / Document Dmitri Shostakovich – Cellokonzerte Nr.1 & 2 Rhythm & Sound – w/ the artists Dizzy Gillespie – Bahiana Ø – Metri Suicide – The Second Album Missy Elliott – Under Construction Henry Purcell – Dido and Aeneas Kraftwerk – Computerwelt Eric Satie – Trois Sarabandes et Six Gnossiennes

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TOP 05

KOlONEl PRINTINgER

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Retro, aber schön zeitgemäß: Neue Satz Wien will die alte Letter Press-Drucktechnik wiederbeleben. Gemeinsam mit den Typejockeys werden unter der gemeinsamen Marke »Kolonel Printinger« individuelle Prägedrucke in feinem Design angeboten.

LIEBLINGS-MAxFORLIVE-DEVICES Granulator (by Monolake) LFO Zero (by Monolake) Granulator Slave (by Monolake) Circular Doppler Effect (by Monolake) Distance Simulation Version 2 (by Monolake)

AUCH NICHT SCHLECHT:

Stamm3000 – mein erster selbstgebauter Softwaresynthie :)

Wolfram (DJ, Musiker)

TOP 10

FAVOURITE PLACES IN AUSTRIA

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Favouriten (Wiener Bezirk) Arschlochwinkel (Gebiet im Dachstein) Amerika (Ortschaft im Innviertel) Kotzgraben (Bezirk Bruck an der Mur) Poppendorf (Steiermark) Sankt Blasen (Bezirk Murau) Chikago (Ortsteil von Kittsee/ Burgenland) Gailtal (Kärnten) Scharsdorf (Steiermark) Sausack

TOP 05

LIEBLINGSöRTCHEN UM öSTERREICH 01 02 03 04 05

Nacktarsch bei Kröv im Möseltal Fotzenkarstange Grosser Möseler Hohe Geilstange (2723m hoch) Puderberg

AUCH NICHT SCHLECHT: Ortsnamen der Schweiz

► 0 1 4 / AUSGABE 119

Es ist der schlüssige Schulterschluss von alter Technik und neuem Design, und ein sinnvolles Joint Venture in einer kreativen Nische, das Neue Satz Wien und Typejockeys kürzlich auf dem Symposium der Typographischen Gesellschaft im Waldviertler Schloss Raabs präsentierten. Unter der Trademark »Kolonel Printinger« machen die jüngst gegründete Satzwerkstatt und die Typographie-Agentur künftig gemeinsame Sache. Angeboten werden haptische, in Handarbeit hergestellte Prägedrucke und das verspielte, typolastige Design der Typejockeys. Letztere sorgten von Wien aus in der Branche bereits weltweit für Aufsehen (zu ihren Kunden zählen neben Lenzing Papier etwa auch das Jugendkulturradio FM4, für das die Typejockeys die aktuellen Werbesujets zur Greatest Radio Show on Earth mitentwickelten). Ersteres – aufwendige Prägedrucke – sind hierzulande nahezu in Vergessenheit geraten, feiern aber unter der Bezeichnung »Letter Press Printing« gerade weltweit eine kleine Renaissance. Während es früher als Nachteil angesehen wurde, wenn nach dem analogen Druckverfahren das Letter-Relief beim Darüberstreichen zu spüren blieb und es als große Kunst galt, das Relief so weit wie möglich zu vermeiden, wird diese Haptik heute als Erlebnis empfunden. Zum Einsatz kommt sie bei besonderen Anlässen und limitierten Stückzahlen. »Sinnvoll ist das aufwendige Verfahren bei Druckauflagen bis 5.000 Stück«, sagt Sarah Bogner. Die gebürtige Deutsche übernimmt in Wien-Fünfhaus gerade erst eine alte Satzwerkstatt und hat sich bei Friedrich Brandstetter, einem pensionierten Meister seines Fachs, in die Lehre begeben. Dessen Maschinenpark wäre früher oder später verschrottet worden. Nun wird ein altes Handwerk samt wertvollem Wissen weitergegeben – und beides von der Neuen Satz Wien angeboten. Zielgruppe sind Klein- und Kleinstverlage, die Qualität und edle Verarbeitung schätzen, aber auch Private, Agenturen und Kreative, die sich für besondere Anlässe auch Besonderes gönnen wollen – am besten alles aus einer Hand. Und das bietet, gleich inklusive Design von den Typejockeys, ab sofort »Kolonel Printinger«. Was der Spaß kostet? »Es ist leistbar, aber halt aufwendig«, meint Anna Fahrmaier von den Typejockeys. Auch wenn ihre Klientel das Individuelle schätze und sich Kosten nur auf konkrete Anfrage hin errechnen lassen. An einer groben Preisliste kommt das Kreativkonsortium nicht vorbei. Abhängig von Papierwahl, Farbanzahl, Auflage und Aufwand werden etwa 100 Visitenkarten (Gestaltung samt Druck) ab 400 Euro angeboten. Das sogenannte »Kleine Hochzeitspaket« mit 30 Einladungen und Kuverts beläuft sich – wieder mit Gestaltung und Druck – auf mindestens 700 Euro. Wer einmal eine solche Einladung oder Visitenkarte in der Hand gehalten hat, wird aber bestätigen, dass sich das Investment auszahlt. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, solch ein Kunstwerk wegzuwerfen. ¶ wwww.kolonelprintinger.at

BILD TYPEJOCKEYS

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NERVES.CH

PRESENTS

bild Messidor: Alain Tanner / Professione Reporter: Michealangelo Antonioni, KadervergröSSerung Georg Wasner

EXHIBIT. BUY. SELL.

AUTOKINO

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Reisende Krieger, Raser und Drifter: Roadmovies im Filmmuseum »Autokino« hieß die Schau, in der das Österreichische Filmmuseum vor einem Jahr das Zwiegespann Individualverkehr und Kino untersuchte. Mitte der 70er, wo diese Schau endete, macht nun das Programm »Drifter« weiter und kommt bis 2007. Den historischen Kern der Retrospektive bildet die Auto-Obsession des europäischen Autorenkinos um 1980 herum: Die Lust am Unterwegssein und Umherstreifen bei Wim Wenders, Aki Kaurismäki oder Michelangelo Antonioni, aber auch im Schaffen weniger berühmter Kino-Vagabunden wie Adolf Winkelmann oder Christian Schocher. Dessen monumental dahintreibende Odyssee eines Kosmetikhandelsreisenden durch die Schweiz heißt „»Reisender Krieger«, und das schon ein Jahr bevor George Millers Actionrausch »Mad Max 2« (1982) den Untertitel »The Road Warrior« trägt. Dieses ungleiche Double-Feature ist exemplarisch für die Spannbreite der Schau zwischen Raserei und wehmütigem Driften (der längste Film, Robert Kramers »Route One / USA«, braucht für seine Strecke mehr als vier Stunden). Die Filmauswahl ist, gerade zur Gegenwart hin, eklektisch – kein einziger »The Fast & The Furious«-Teil? – und mitunter überraschend: Darauf, die beiden quintessentiellen 80er-Jahre-Werke »Near Dark« (VampirWestern von Kathryn Bigelow) und »Something Wild« (zuckerlbunte Psychothriller-Komödie von Jonathan Demme) unter der Rubrik Roadmovie zusammenzufassen, musste auch erst einmal wer kommen. ¶ »Drifter – Road | Movie: 1974 bis 2007« läuft bis 5. Oktober im Filmmuseum.

SA 10.09.11

OTTAKRINGER BRAUEREI 1160 WIEN OPEN 12.00–19.00 / TIcKETS EUR 5.– / NO PRESALE WWW.SNEAKERNESS.cOm

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Wolfram Leitner (M185)

TOP 10

STRASSENNAMEN IN WIEN

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Panikengasse Troststraße Nauseagasse Seidlgasse Soßenstraße Packesgasse Seeschlacht Fluchtgasse Baldassgasse Kinkplatz

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KRISENVOKABULAR 01 02 03 04 05

Klamme Staaten Flash Crash Nackte Leerverkäufe Managed Futures Sentiments

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AUCH NICHT SCHLECHT:

Gelateria Arnoldo, Hernalser Hauptstraße 145

www.thegap.at / gewinnen

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AUDIo-tEchnIcA EARPhonEs 01

Tamara Mascara (DJ / Homo)

TOP 10

UNGEWöHNLICHE SCHMINKHILFEN

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Putzschwamm Kreppband Uhu Stick Rasiererreinigungsbürstchen Hämorrhoidensalbe Heilerdemaske Konfetti Spitzen Zucker Strumpfhosen

TOP 05 STILIKONEN 01 02 03 04 05

Marie Antoinette d’Autriche Marilyn Monroe Dita von Teese Anna Piaggi Audrey Hepburn

AUCH NICHT SCHLECHT: Kaffee trinken gehen mit einem Buch

► 0 1 6 / AUSGABE 119

Wer sich unterwegs gerne aller Außengeräusche entledigt und gepflegten Sound zu schätzen weiß, dürfte sich sehr über diese Ohrkanalhörer von Audio-Technica freuen. Die sehen auch noch gut aus, soferne sie nicht zur Gänze im Ohr verschwinden. betreff: 119 beats per Minute

DIE hEnnE UnD DAs EI. AUF DER sUchE nAch DEM URsPRUnG DEs lEBEns 02

Biochemikerin Renée Schröder widmet sich in ihrem Buch »Die Henne und das Ei. Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens« naheliegend so manch grundlegender Frage und beantwortet diese lieber mit Wissen als mit Glauben. Wir verlosen 3 Exemplare. betreff: Zumindest fast 119 Welterklärungen.

127 hoURs 03

Danny Boyle schickt James Franco in die Wüste. Die wahre Geschichte des Abenteurers Aron Ralston lebt in ihrer Verfilmung vom Hauptdarsteller und von der Lust am Boyleschen Bild- und Musiksturm. Wir verlosen 3 Pakete bestehend aus Blu-Ray und Soundtrack. betreff: 119 lust- wie angstvolle Rückblicke

GlEE sEAson 1.2 04

Auch in den letzten neun Folgen der ersten Staffel ist der Glee Club mit den Vorbereitungen zu den Regionals-Wettkämpfen und allerlei privaten Problemen beschäftigt. Fans bekommen hier wieder die volle Packung Seifenoper und ein US-Pop-Verständnis, auf das Europäer weiterhin nur neidig schielen können. betreff: 119 Musical-Einlagen

tEREncE hIll & BUD sPEncER collEctIon 1 05

Teil 1 der Collection umfasst mit den Filmen »Auch die Engel essen Bohnen», »Mr. Billion« und »Verdammt und Halleluja« nur bedingt die Highlights ihres Schaffens, dafür aber Filme, die in so mancher Sammlung noch fehlen dürften. betreff: 119 schläge treffen die Richtigen ¶


MAK NITE

Foto © Apparatus 22

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Dienstag / 20.9.2011 / 21.00 Uhr

Fashion Performance / Premiere

APPARATUS 22

Bukarest (RO)

Patterns of Aura (15°Synaesthesia) Special Guest / Live-Mix >>> Sillyconductor MAK-Säulenhalle, Stubenring 5, Wien 1 Di MAK NITE © 10.00 – 24.00 Uhr Mi – So 10.00 – 18.00 Uhr Jeden Samstag © Eintritt frei.

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►KOLU M NE / Z a h l en , b i t t e ! ►Von Thomas Edlinger

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24 Bände, die für manche klingen wie Shakespeare. Andere sagen Tim & Struppi dazu. Über das Suhlen im Unseriösen, den Ritterschlag des Seriösen und das Gegenteil von beidem.

Die falsch verstandene Comic-»Kunst«

Spiegelman gilt, mehr noch als andere Heroen der ambitionierten Graphic Novel wie der mystizistische Brite Alan Moore, als wahrhafter Comic-Auteur, als innovativer Geist, der das Genre des Comics endgültig vom Geruch des Trivialen, Regressiven und Reduktionistischen befreit hat. Dafür brauchte Spiegelman nur ein einziges, vieldiskutiertes und vielgelobtes Werk: »Maus. Die Geschichte eines Überlebenden« ist ein zweibändiger Comic, der sowohl den Leidensweg seiner Eltern in Auschwitz als auch den Akt der Erinnerung als schmerzhafte Konfrontation des Vaters mit seinen Eltern schildert. Berühmt wurde das Comic aber vor allem wegen der Entscheidung, alle Juden als Mäuse und die Nazis als Katzen zu zeichnen. 1992 bekam »Maus« als erster und bislang einziger Comic sogar den begehrten Pulitzer-Preis. Haben es Comics als neunte Kunst also endlich geschafft? Schließlich schien es ja auch der (Kunst-)Markt ähnlich zu sehen: Für die Erstausgabe des »Superman«-Comics wurde 2010 eine Million Dollar bezahlt. Das klingt ja fast schon ein wenig nach Damien Hirst. Muss man bei soviel Umarmungsgefahr das Undergroundcomic also bald wie die Undergroundmusik unter Artenschutz stellen? Für den deutschen Kulturwissenschaftler Thomas Becker stellt sich die Geschichte der Anerkennung der intermedialen Originalität Spiegelmans allerdings viel verzwickter dar. Denn trotz aller behaupteten Anerkennung durch die seriöse Kultur sind etwa Comics nach wie vor nicht auf die gleiche Weise anerkannt wie High Art, Film oder Literatur. Auch und gerade wenn sich diese institutionell und wissenschaftlich abgesicherten Formen an den »unseriösen« Comics wie in einer Frischzellenkur bedienen und zum Beispiel Roy Lichtenstein Donald Duck als Zitat gewinnbringend in Pop-Art umwandelt. Woher aber kommt diese »Lust am Unseriösen« - wie Becker schreibt? Die »legitimen« Künste, allen voran die Königsdisziplin der Literatur (in deren Register letztlich alle anderen »niederen« Formen wie eben Comics, Graffiti oder Rap konvertierbar sein müssen, um als »Text« intellektuell überhaupt nobilitiert werden zu können), drängen nach Entgrenzung und reiben sich an hohlen, erstarrten Akademismen. Die dadurch ► 0 1 8 / AUSGABE 119

ermutigte Anerkennung des Unseriösen ist aber, wie Becker meint, eher eine Verkennung, weil sie die innere Ausdifferenzierung, den historischen Binnenbezug und die formale Referenzialität von Subkulturen und diversen hybrid-neuartigen, aber noch nicht zum Genre verfestigten, »dissidenten« Praktiken zwischen Fotoromanen, Street Dance und Gamer Culture notorisch negiert und so tut, als könnte man über diese naiv, gleichsam als Zeichenspender unter anderen Zeichenspendern verfügen. In dieser abwertenden Anerkennung erscheinen Computerspiele, Pornografie oder Horrorfilme usw. als codeloses, triviales und gerade deshalb so verführerisches Rauschen, obwohl hier natürlich, wie jedes Fanzine und jedes Spezialforum beweisen kann, hochgradig codierte und traditionsschaffende Formgebungen am Werk sind. Der vorgebliche Rohstoff aus den Niederungen des Unseriösen wird aber gern für jene intellektuelle Tiefenbetrachtung nutzbar gemacht, deren Gewinn sich im Distinktionsverhältnis zum unverständigen, durch Affekt und bloße soziale Integration etwa beim Moshpit genießenden »Nichtleser« dieses Rauschens herstellt. Lady Gaga zum Mitgrölen ist etwas für die Elfjährigen, aber Lady Gaga zum Dechiffrieren als postfeministische Ikone hochsexualisierter sexueller Unverfügbarkeit ist etwas für die Cultural Studies. Stilanalysen von Splatterfilmen werten nicht nur das Abjekte auf, sondern dienen wiederum den ebenfalls nach Entgrenzung strebenden Geistes- und Kunstwissenschaften als neues Kanonenfutter, mit dem dann ironischerweise verbrauchte Methoden wie die Stilanalyse unter Hipnesszufuhr reanimiert werden sollen.

Die Lust am Seriösen im Trivialen

»Die Lust am Unseriösen«, die Becker als Produktivkraft kultureller Innovation seit dem 20. Jahrhundert nachzuzeichnen versucht, verläuft aber auch in die andere Richtung – von den »illegitimen« Künsten in Richtung der »legitimen«. Das ist tatsächlich eine bislang eher unterbelichtete Form des kulturellen Vampirismus. Bevor Walt Disney von Roy Lichtenstein verkunstet wurde, hatte Disney selbst die Ästhetik des 19. Jahrhunderts »trivialisiert«. Der Rückgriff auf das Populäre verfehlt also schon, dass es dieses Populäre als uncodiertes Gegenstück zum streng codierten Hochkulturellen gar nicht gibt. Andererseits verkennt auch die populärkulturelle »Lust am Seriösen« die Selbstreflektivität des »Seriösen«. Während im avancierten kulturellen Diskurs zum Beispiel der Autor schon einige Tode gestorben ist, geht ausgerechnet von der einst die Anonymisierung feiernden Technokultur die Neuverkultung des Autors aus – und wir sollen wieder Mal an next things wie Autorendubstep und den faulen Working Class-Zauber der Maskenmontur à la Zomby glauben. Wir müssen nur wollen. ¶

Die Qual der Zahl – 9 wie »Revolution Nr. 9« oder 99 wie in »99 Luftballons«? Schreibt uns eure Vorschläge, um welche Zahl zwischen 0 und unendlich es nächstes Mal gehen soll. zahlenbitte@thegap.at

bild Ingo Pertramer

ersteckt im Gedenk- und Erinnerungswulst von 9/11 erschien dieser Tage auch das 2002 publizierte Comic »Im Schatten keiner Türme« von Art Spiegelman erstmals in Buchform. Der selbst in Soho in Manhattan vom Anschlag kalt erwischte Spiegelman versucht darin, die Fratze des Terrors und die manichäische Kreuzzugstimmung unmittelbar danach in kühnen Mehrfachcodierungen und Überlagerungen zu fassen. »Wilhelm Busch auf Speed« schrieb Die Welt begeistert und sah in dem zehnseitigen Werk mehr Bleibendes als in vielen hunderten Stunden TV-Doku-Footage, die uns den Epochenbruch durch den Einsturz der Zwillingstürme vor zehn Jahren verständlich machen wollten.


oe1.orf.at/kulturpicknick Cornelius Meister/ RSO Wien

Miss Moravia

Alp Bora

Christian Muthspiel / Franck Tortiller

Federspiel

E in t r it t f r e i!

Das Ö1 KulturPicknick 18. September 2011, ab 12.00 Uhr im Schlosspark Grafenegg Konzert des RSO Wien, Ö1 Bühne mit Musik aus allen Richtungen, Literatur- und Familienprogramm, Programm bei Schlechtwetter indoor oe1.ORF.at/kulturpicknick

Wir danken unseren Ö1 Kulturpartnern:

www.glattundverkehrt.at

Fotos: Rosa Frank (Cornelius Meister), Anna Stöcher (Moravia), Magdalena Blaszczuk (Alp Bora), João Messias/Casa da Música (Muthspiel, Tortiller), Jessica R. Hauser (Federspiel)


Time Warp Vienna 1940

1977

1977

1978

1979

Der Wiener Max Brand emigriert in die USA, lernt dort in den 50ern Robert Moog kennen und baut mit ihm einen der allerersten Synthesizer. Erst 1975 kehrt er nach Wien zurück, wo er beinahe unbekannt 1980 stirbt.

Kurt Hauenstein alias Supermax verkauft über 500.000 Stück des Albums »World Of Today«. Der Song »Love Machine« wird zum Klassiker und erreicht in den USA Platz 96 der Charts.

Die Wiener Wochenzeitung Der Falter wird gegründet. Vor allem der Anspruch, einen möglichst vollständigen Veranstaltungskalender für die Stadt zu bieten und ein Fokus auf lokale Musik macht die Zeitung schon früh und konstant zu einem wichtigen Katalysator von Clubkultur.

Ganymed bringen Italo Disco nach Österreich, in die höheren Regionen der Charts, tragen alberne Kostüme und singen »Music Takes Me Higher«.

Bei der allerersten Ars Electronica wird der englische Fairlight-Synthesizer erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und dominiert schon bald die gesamte Popmusik der 80er Jahre.

TIMELINE stefan niederwieser


► W i en e r Clu b ku lt ur ► Vom Boom einer Partyszene

TEXT katharina seidler

Seit 1. September feiert man in Wien legal bis sechs Uhr früh, die Partykultur in der Hauptstadt lebt und bebt. Was dem Publikum gefällt, bereitet den Fädenziehern aber auch Kopfweh. Wien bei Nacht, nüchtern betrachtet. rsula stresst nicht mehr. Es war Mitte Februar, als auf Online-Plattformen, in sozialen Netzwerken und Medien ein Video auftauchte, das binnen kürzester Zeit tausende Klicks verbuchen konnte und auch außerhalb der Wiener Partyszene für Gesprächsstoff sorgte. »Ursula Stressned« war eine originalgetreue Kopie des Hits »Barbra Streisand« der New Yorker Duck Sauce. Szene für Szene wurde der Videoclip akribisch nachgestellt, nur seine Protagonisten waren andere, und einen neuen Text gab es auch, zwei Worte: »Ursula Stenzel«. Die streitbare, konservative Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt war zwar niemals für die Sperrstundenregelung zuständig, sah sich aber nicht ungern in der Rolle der Heiligen Johanna der Innenstadthöfe. Ihr Credo: Über allen Dächern Ruh’. Und damit forderte sie Protest geradezu heraus. Zu erkennen gaben sich die Macher des Videos, das Kollektiv copy_paste, nicht, aber so manches Gesicht daraus traf man beim Ausgehen an – hinter dem DJ-Pult, auf der Bühne oder im Fernsehen. Sie alle jubeln heute über die gewonnenen zwei Stunden Partyzeit, die ihnen ungleich mehr Stimmung, Umsatz, Reputation oder Gäste bringen, je nachdem. Der Club-David hat den Magistrats-Goliath besiegt, die Initiative einer Bewegung im Untergrund gab den Anstoß für eine Gesetzesänderung, ein Teil der Wiener Lokale darf seit Ende August länger offenhalten. Genau drei Jahre hat der Streit zwischen Clubs, Magistrat und Stadtverwaltung gedauert. Seit sich im Sommer 2008 die Drogenszene vom Schwedenplatz hin zur Augartenbrücke verlagerte und die Polizei rund um das dort angesiedelte Flex präsenter war, seit die Behörden wieder auf die gesetzlich festgesetzte Sperrstunde um vier Uhr beharrten, wurde härter durchgegriffen: penibel pünktliche Kontrollen und nur sehr vereinzelte Sperrstundenverlängerungen bescherten nicht nur dem Flex, sondern auch vielen anderen Lokalen so manchen nervigen Wickel, vor allem in der Innenstadt. So sehr sich auch manche Anrainer über lärmende Lokalgäste ärgern mögen – für die Wiener Partyszene bedeutet die neue Verordnung einen wichtigen Schritt. Auf Drängen von Willy Turecek, dem Obmann der Gastro-Sparte in der Wiener Wirtschaftskammer, können sich Clubs seit diesem Sommer als »Diskothek – Clubbinglounge« anmelden und müssen damit nicht mehr für jeden Abend extra um eine Sperrstundenverlängerung ansuchen. Dass dafür bestimmte Lärmschutzparameter erfüllt werden müssen, ist klar.

Bunker und Lounges

Geändert hat sich in der Clublandschaft sowieso einiges, sowohl international als auch hierzulande. Die Zeiten der großen, meist illegalen Techno-Raves in leerstehenden Fabrikshallen oder unter freiem Himmel sind schon länger vorbei. Die Wiener Gasometer, früher legendärer Rave-Tempel, wurden zur Wohn- und Shoppinglandschaft umgebaut. Ein Ort wie das Flex, das aus einer Hausbesetzerszene heraus entstanden ist und über Jahrzehnte für urbane Freiräume gekämpft hat, verfügt heute über eine schick verglaste Café-Front und mit den knallbunten Lollipop-Wänden in den Toiletten über ein beliebtes Fotomotiv für Touristen. Bewahrt hat es sich seinen spröden Charme trotzdem, die kühle Atmosphäre des Betonschlauchs funktioniert noch immer. Eine solche ist es auch, die der Fluc Wanne, einer ehemaligen Unterführung, bis heute ihren Reiz verleiht; auch wenn hier mit Terrassen und Glasfronten ebenso bereits am Lifting-Programm gearbeitet wird. Die Veränderungen sind dabei keineswegs negativ zu beurteilen. Techno ist längst nicht mehr Underground, die Veranstalter haben gelernt wie Geschäftsmänner zu kalkulieren und setzen auf große Namen und knallige Flyer. Die Annehmlichkeiten von lauschigen Lounges, gepflegten WC-Anlagen und einer Abkühlung im Freiluft-Pool der Pratersauna wollen nur wenige missen. Ist Clubmusik überhaupt noch Gegenkultur? Allein diese Frage scheint wehmütig und naiv. Das U4 war in den frühen 80ern der einzige Umschlagplatz jugendgefährdender Moden und Strömungen in Wien. Heute ist es eine Hochburg von Studentenfesten und Firmenfeiern. Die queere Clubinstitution Heaven hatte einst das Image des U4 ins neue Jahrtausend gerettet – inzwischen hat sie in der Camera ein neues Zuhause gefunden. Noch so ein legendäres Szene-Lokal, das zwar eine Umdeutung erfahren hat, sich in der Partylandschaft aber wieder behaupten kann.

Chicago, Kingston, Paris, Rio, Goa

Der queeren Szene in Wien scheint es derzeit sowieso recht gut zu gehen. Neben fixen Veranstaltungsräumen wie der Rosa Lila Villa oder dem Marea Alta gehört es bei Clubs mittlerweile praktisch zum guten Ton, bei Veranstaltungen auch regelmäßig die Regenbogenfahne zu hissen. Pratersauna, Camera Club, Badeschiff, Elektro Gönner, Fluc, B72, Club U, sie alle verfügen heute über eine amtliche Gay Night, was der Offenheit der queeren Szene und der höheren Toleranz von außen wohl ebenso geschuldet ist wie dem ökonomischen Potenzial der hofierten

1980

1982

1984

1985

1985

Das U4 eröffnet und wird zur ersten Club-Institution in Wien. Mit legendären Konzerten von Prince, Johnny Depp und Nirvana über illustre Gäste wie Grace Jones, Marylin Manson und natürlich Falco gilt das U4 anfangs als jugendgefährdend und später auch noch als jugendgefährdend; aber diesmal im Positiven.

»Ganz Wien«. Falco.

Die Blue Box eröffnet, ist DrehLocation für den Film »Müllers Büro« und wird einer der ersten zentralen Anlaufpunkte für so etwas wie Subkultur in Wien. In der Laudatio von Doris Knecht für die Verleihung des silbernen Ehrenzeichens der Stadt Wien an den Blue Box-Gründer Herb Molin bezeichnet sie die Stadt vor der Blue Box als jugendkulturelles Sperrgebiet.

Das Donau Techno eröffnet in einer ehemaligen Synagoge hinter den Hofstallungen (heute Museumsquartier). Es gibt keine Fotos, keine Infos, keine PR, kaum Licht, nur ein exzellentes DJ-Line-up und wechselnde, visuelle Installationen von Lichttapete.

»Rock Me Amadeus«. Falco.


bis Ende August schon wieder verordnete Sperrstunde. »Warum überhaupt noch Sperrstunde?« ist aber angesichts eines Metropolenvergleichs eine berechtigte Frage. Nicht zufällig ist Berlin – ein Ort ohne Sperrstunden – die europäische Hauptstadt der Nachtschwärmer. Die Stadt der Sonntagnachmittags-Sausen, die Königin der Afterhours. Zürich oder Hamburg kommen ebenfalls ohne Feier-Beschränkungen aus.

Wien – bald reich und sexy?

»Wir wagen die vorsichtige These, dass Wien im nächsten Jahrtausend das neue Berlin werden könnte« – ein großes Wort sprach De:Bug da aus. Nach Durchsicht der Club-Jahrespolls, in denen die Pratersauna hinter dem Berghain einen aufsehen­ erregenden Platz 2 belegte, prophezeite die deutsche TechnoBibel der österreichischen Hauptstadt – wenn auch zurückhaltend – eine glamouröse Zukunft. Die Wogen in den sozialen Netzwerken gingen hoch, die Aufregung war groß – Wien, Partymetropole, Wien, reich und sexy, Jetset-Hotspot, ClubbingParadies? Bleiben wir am Boden: Der Flughafen Schwechat wird keineswegs von Partytouristen überrannt. Vor den Wiener Clubs warten keine langen Schlangen, man hört kein vielsprachiges Gewusel wie etwa vor dem Berliner Technotempel Berghain und spürt keine erwartungsvolle Spannung, wie hoch man am heutigen Abend wohl in der Gunst der Türsteher eingeschätzt wird. Darauf kann man allerdings auch gerne verzichten. Etwas bemüht wirken die Versuche der Pratersauna, die strengste Tür der Welt in Wien zu inszenieren. Die aufgesetzte Arroganz der Securities hat der Club gar nicht nötig – er ist auch so der aktuell am hellsten strahlende Stern am nationalen Technohimmel. Eines ist dennoch sicher: Davon, Berlin als europäische Partyhauptstadt abzulösen, ist Wien wohl noch das von De:Bug prognostizierte Jahrtausend entfernt.

Klientel. Aber auch Goa, Drum’n’Bass, Reggae, Rock oder Bailefunk, sie alle nutzen heute oft dieselbe Infrastruktur wie Techno- oder House-Partys, und auch das Publikum vermischt sich stärker. Musik stiftet immer noch Identitäten, prägt Lebensanschauungen und trägt diese gern zur Schau: Die Goa-Kultur trägt hippieske Züge, Indierocker kleiden sich immer noch vorzugsweise schwarz und räudig. Dass dazwischen Graubereiche von Indie bis Electro, Dance, Dubstep und Pop in Neonfarben Wenn der Abend kommt oder Faltenröckchen daherkommen, ist aber selbstverständlich. Nichtsdestotrotz: Bunter und vielfältiger als heute war das Selbst der gutbürgerliche Volksgarten öffnet neuerdings einen hauptstädtische Nachtleben noch nie. Wollte man nicht in den Teil seiner wunderschönen und frisch renovierten Tore für alter- Volksgarten, die Nachtschicht oder das Bermuda-Dreieck gehen, nativere Veranstaltungen. gab es vor einigen Jahren lediglich die Alternativen Flex oder Fluc. Heute hat man mit Pratersauna, Market, Morisson Club oder der Säulenhalle (ehemals Volksgarten Banane) ungleich Rock around the clock Und noch eine Änderung verordnete dem Wiener Nachtleben mehr Auswahl. Das Roxy, das umgebaute Loft und das wiederzuletzt Bewegung. Seit genau einem Jahr hat die Wiener U-Bahn eröffnete Werk bedienen unter anderem die HipHop-, DancehallFreitagabend auf einmal keinen Feierabend mehr, sondern macht und Electro-Meute, während sich viele Veranstalter in Camera, bis Sonntag durch. Es war ein Vorschlag der städtischen ÖVP, Auslage oder Sass auf einen breit gefächerten Elektronik-Sound eine Volksabstimmung der herrschenden SPÖ und das zäh- konzentrieren. Freiluftpartys wie »Tanz durch den Tag« unter neknirschende Einlösen eines Versprechens. Für den Komfort den Donaubrücken oder auf der Baustelle der Seestadt Aspern, und das Geldbörsel der 24-Hour-Party-People war die Dauer- »Eastern Conference« im Bruno-Kreisky-Park, Flohmärkte mit U-Bahn eine Wohltat. Für die Taxiinnung selbstredend weniger dem »Tingel Tangel«-Mobil, Techno beim Heurigen – auch und interessanterweise auch nicht unbedingt ein Segen für die abseits der Clubs hat man, zumindest an einem regenfreien Clubbetreiber. Durch die gestiegene Mobilität geht man näm- Sommertag, die Qual der Wahl. In gigantischen Locations wie lich tendenziell einfach später aus. Kein Stress mehr, die letzte der Ottakringer Brauerei, der Ankerbrotfabrik oder den RinderU-Bahn zu erwischen, bedeutet mehr Zeit, zuhause Stimmung hallen Neu Marx finden einzelne Großevents statt. Die in den zu machen und vorzuglühen. In den Club kommt man entspannt Rinderhallen angesiedelte Media Opera nimmt sich mit viel um halb zwei, erwischt den Hauptact und hat den Rausch Technik auch ausgefallenen Visual-Happenings an; und das bereits in der Tasche bzw. im Blut. Mancherorts sollen bereits Visual-Spezialisten-Festival Sound:frame ist im fünften Jahr die Einnahmen an der Bar darunter leiden. Schon seit Längerem ohnehin bereits eine Institution, deren Bedeutung für die natiosuchen Veranstalter nach Taktiken, die Bars und Tanzflächen nale und internationale Visualisten-Kultur und die Leuchtkraft auch vor oder zumindest um Mitternacht herum voll zu bekom- Wiens nicht oft genug herausgestrichen werden kann. men, man lockt mit frühen Beginnzeiten, Happy Hours oder stark verbilligtem Eintritt. Der Erfolg war bisher mau, vor zwei It’s the economy, stupid Uhr kann man publikumstechnisch im Club immer noch kaum Langsam dämmert es auch verkorksten Bezirkspolitikern, beurteilen, ob der Abend noch rauschend wird. Und um vier war dass ein florierendes Nachleben nicht nur Probleme, sondern

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Die Koffeinbrause von Red Bull kommt auf den Markt und versorgt Partygänger seither mit aufgerissenen Augen und Überdrehtheit für jene Phasen, in denen die Drogen noch nicht oder schon wieder nicht mehr wirken. Die Marke tritt aber auch früh als Sponsor von elektronischer Musik auf.

Gilles Peterson kommt zum einjährigen Jubiläum der Partyreihe Soul Seduction im Volksgarten erstmals nach Wien und pflanzt mit Acid Jazz auch den Downtempo-Keim in der Stadt ein.

Das Heaven ist essenziell für die schwule und queere Szene Wiens. Es gilt als erstes und am längsten laufendes Clubbing Österreichs. Das Heaven ist zudem Veranstalter der einzig wahren Opernball-Alternative, dem Rosenball.

Die Bingoboys erreichen mit »Show Me How To Dance« Platz 1 der US-Dance Charts. Der Song ist eine fast schon klassische Mixtur aus House-Pianos, Salt’n’Pepa-artigen Vocals und ironischen Tanz-Instruktionen eines übersteifen Tanzlehrers.

Bis 1999 finden in den alten Gasometer-Gasbehältern in Wien Erdberg regelmäßig Raves statt. Durch den speziellen Sound in den hohen Hallen wird der Name über die Grenzen Österreichs bekannt. Techno kommt nach Wien. Ab 1999 werden die Tonnen zu einem halb gelungenen ArchitekturPrestige-Projekt umgebaut.


auch Steuereinnahmen, gute internationale Reputation und Touristen bringt. Spaß und Kultur mitunter auch. Förderungen wie die der Wiener Kreativagentur Departure oder der Kulturabteilung Wien machen die Initiativen der Partyvisionäre zumindest möglich. Es waren aber in Wien nicht zufällig die Wirtschaftsflügel der jeweiligen Parteien, die sich massiv für eine Verlängerung der Sperrstunde aussprachen. Weil: Der Eventsektor wächst seit Jahren stark, hat Innovationspotenzial und eröffnet Chancen und Möglichkeiten für den Wirtschaftsstandort Wien und seine außergewöhnliche Position als Tor zu Osteuropa. Das ist jene Sprache, die Arbeitsplätze und damit Wählerstimmen verspricht. Dieser Marktlogik folgend wäre nur konsequent, das vollständige Kippen der Sperrstunde als Liberalisierung des Eventsektors zu fordern. Die Berlin Tourismus Marketing GmbH geht nicht zuletzt davon aus, dass 2008 mehr als die Hälfte der acht Millionen Hauptstadt-Besucher wegen des Nachtlebens anreisten. Ballermann-Alarm? Für die Stadtkassen allemal kein Schaden. Doch allzu leicht wird es Partyveranstaltern in Wien immer noch nicht gemacht. Bereits das »Halten von Spielapparaten und Musikautomaten« in einem Lokal wird mit einer Vergnügungssteuer belegt; eine Abgabe, die beispielsweise in Berlin oder Zürich nicht verlangt wird. Hohe Gebühren geben die Clubs an externe Veranstalter weiter. Die Lust am Veranstalten überwiegt derzeit aber dennoch und siegt über die teils widrigen Bedingungen. Interessant ist, dass in Wien mit Substance, Rave Up, Market, Tongues oder Teuchtler überdurchschnittlich viele Plattenläden auf dem Stadtplan verzeichnet sind, wie internationale DJ-Gäste immer wieder bemerken. Mit Superfly gibt es ein Privatradio, das motivierten Sendungsmachern eine Plattform für eigene Musikprogramme bietet, zudem fassen neben Play.FM auch Webstreaming-Radios wie Rts.fm und Bebop Rodeo gerade Fuß – die Musik kommt aus dem Club direkt ins Wohnzimmer. Der großen Tante FM4 wird zwar immer wieder Verknöcherung vorgeworfen, so richtig mag man ihr die Bedeutung von Spezialsendungen wie etwa »La Boum Deluxe« oder »Tribe Vibes« für die heimische Clubszene aber nicht absprechen.

europäischen Clubs. Wien ist anders? In vielen Fällen ist dies ein wahres Glück. Mit Prater Unser, Run Vie und – ganz neu – dem Waves Vienna (veranstaltet von Monopol, dem Medienhaus, in dem auch The Gap erscheint, Anm.) verfügt Wien, das vor ein paar Jahren hinter Graz mit Spring und Elevate noch reichlich nachzüglerisch dastand, nun auch über drei ambitionierte Clubfestivals, die Musikbereiche zwischen Pop, HipHop und Elektronik abdecken. Täglich steigt die Flut an Einladungen in elektronischen Netzwerken. Junge Veranstalter werfen das Partyhütchen in den Ring, planen liebevoll Veranstaltungen und verschicken Pressetexte. Die Veranstalter-Szene blüht und gedeiht. Sound And The City Dagegen halten könnte man nun, dass übergroßes Angebot Zauberflöte, Walzer, Schönberg, Falco, Kruder & Dorfmeis- auch die Publikumskapazitäten einer Stadt strapaziert. Und so ter: Die inoffizielle Liste der Wiener Originale ist in mittelhar- selten passiert es gar nicht, dass die Tanzfläche halbleer bleibt ten Stein gemeißelt. Der Verlockung, einen neuen Wien-Sound – auch wenn Organisatoren und Venue alles richtig gemacht auszurufen, muss aber widerstanden werden. Einige Hoffnung haben. Mit den Veränderungen im Nachtleben müssen die Stadt wird zwar in das Kollektiv rund um Affine Records gesetzt, das und ihre Bewohner erst einmal klarkommen. Mehr erscheint könnte aber auch daran liegen, dass derzeit schlicht kein anderes manchmal zu viel, aber es ist dem weniger 100-mal vorzuziehen. Wiener Elektronik-Label von sich Reden macht. Die stilistische Und sehen wir die Sache positiv: Ursula Stenzel stresst nicht Melange von Dorian Concept und seine Band- und Labelkolle- mehr und die Bürger der Stadt kommen trotzdem noch zur Ruhe. gen The Clonius, Cid Rim, Sixtus Preiss (ein wabbeliger Mix aus Quer über die Stadt wird organisiert und geschraubt, Musik wonky Broken Beat-, Jazz- und Electronica-Verschwurbelungen) gemacht, aufgelegt und getanzt. Die unzähligen Nachtschatten¶ und der poppige, um die Ecke denkende House von Ogris Debris gewächse wittern Morgenluft. werden nicht nur von prominenten internationalen Auskennern — Die Wiener Clubkultur im Interview mit Flex, Market, wie Radiolegende Gilles Peterson bereits mit Wien verbunden. Fluc, Susi Klub, Morisson, Pratersauna und Volksgarten: Noch dazu gibt es gewisse Sound und Groove-Parallelen mit dem www.thegap.at/wienerclubkultur Downtempo-Label G-Stone, das von der Wiener Grundsteingas— Techno Nation Austria mit Reviews se aus für einige Jahre den Vienna Sound in alle Welt hinausaktueller Single-Releases aus Österreich: trug. Aber selbst wenn auf Labelseite gerade kein Hochbetrieb www.thegap.at/rubriken/stories/artikel/techno-nationherrscht, drängen diverse Künstler an die Spitze. Club-Urgestein austria Patrick Pulsinger reüssiert wie eh und je mit Releases und als —D ie Wiener Clubs auf Foursquare: mono.at/wrclubkultur4sq Produzent, Makossa und Megablast überrollen mit ihrer Maxi —D as Run Vie Festival findet von 3. bis 10. September statt. »Soy Como Soy« Ibiza und holen sich am Weg mal eben einen www.runvie.at DJ Koze und Luciano-Remix ab, und Joyce Muniz setzt via Beat—D as Waves Vienna findet von 28. September bis 2. Oktober port-Charts zum großen Sprung an. Inzwischen jamt sich die in diversen Wiener Locations statt. www.wavesvienna.com ziemlich einzigartige Techno-Tanzband Elektro Guzzi durch die

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Erster Lifeball. Die Charity-Veranstaltung für den Kampf gegen AIDS entwickelt sich von einer skandalös unangepassten Orgie zu einem straff organisierten Vorzeige-Event, der mittlerweile auch im Burgtheater mit jährlichen Leitmotiven schrill sein darf.

Das Happy findet erstmals in der Blue Box statt. Der queere Club übersiedelt 1995 ins WUK und tritt dort an, House nicht nur den Schnöseln zu überlassen. Und das macht er nach Gastspielen quer durch die Stadt auch heute wieder erfolgreich im WUK.

Der erste Phonotaktik-Event findet im Kellergeschoß eines Wiener Möbelhauses statt. Vier Jahre später wird das Festival zu einer kurzlebigen Institution avancierter, elektronischer Musik.

Das Flex übersiedelt an den Donaukanal und wird dort rasch erster Anlaufpunkt für verschiedenste Clubsubkulturen und Freaks, später für Touristen und Erstsemestrige. 2005 übersteht es den U2-Ausbau, ab 2008 die rigide kontrollierte Sperrstunde und generell Ursula Stenzel.

FM4 geht auf Sendung. Mit Sendungen wie Swound Sound, La Boum Deluxe, Tribe Vibes, High Spirits und Texten auf fm4.orf.at ist der Sender seither essenzieller Aufmerksamkeitsmultiplikator.


Spielzeit-Eröffnung KAT VÁLASTUR / adLibdances (GR/D), TAOUFIQ IZEDDIOU (MAR), GIUSEPPE CHICO (I) / BARBARA MATIJEVIC´ (HR), DRAGANA BULUT (RO)/ EDUARD GABIA (RO) / MARIA BARONCEA (RS) (Österreichische Erstaufführungen) SA 1. OKT. ab 19.30 h in TQW / Halle G und TQW /Studios — ALEXANDER GOTTFARB (S/A) Moved by Faith (Uraufführung) FR 7. OKT. + SA 8. OKT. 20.30 h in TQW / Halle G — MEG STUART / DAMAGED GOODS (USA/B) Violet (Österreichische Erstaufführung) FR 14. OKT. + SA 15. OKT. 20.30 h in TQW / Halle G — DV8 PHYSICAL THEATRE (UK) Can We Talk About This? (Österreichische Erstaufführung) FR 21. OKT. + SA 22. OKT. 20.30 h in TQW / Halle E — PHILIPP GEHMACHER (A) in their name FR 28. OKT. + SA 29. OKT. 20.30 h in TQW / Halle G —

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t o b e Saison 2011/12 — www.tqw.at —

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► C lU b - stat e M e N ts ► Wiener Clubs über die Wiener Clubkultur

DOKUMENTATION MAxIMILIAN ZELLER

»Es KAnn nIcht ÜBERAll EIn BERGhAIn GEBEn« »Wien ist anders« sagt der volksmund. trifft das auch auf Wiens clubs zu? Was unterscheidet die clubs der österreichischen hauptstadt von tanztempeln in anderen Metropolen? Welchen Einfluss haben sie auf die heimische clubkultur? Wir haben vier ausgewählte club-betreiber zu Wort kommen lassen.

PEtER schAchInGER — FlEX

hEnnEs WEIss UnD stEFAn hIEss — PRATERsAUNA

Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Wiener Clubs sind nicht ganz so High-Tech ausgestattet wie beispielsweise Londoner Clubs, sie sind kleiner, überschaubarer und undergroundiger. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Soundmäßig sind wir in Wien auf gutem Niveau, die Visuals und die Gastronomie hinken etwas hinterher. Aufholbedarf gibt es keinen großen – es kann nicht überall ein Berghain geben. In Wien scheitert es oft auch an den Möglichkeiten. Gibt es ein Wien-spezifisches Merkmal, das sich durch die Clublandschaft zieht wie zum Beispiel Techno und Afterhour in Berlin? Wien hat noch erstaunlich viel Drum’n’Bass zu bieten. Im Four-to-thefloor-Bereich hat sich ein eindeutiger Hang zu mehr Deepness entwickelt, der leider manchmal etwas affektiert wirkt und nicht ganz mit dem Geschmack der Klientel mithalten kann. Was hat sich in der Wiener Clublandschaft in den letzten fünf Jahren verändert? Im Guten wie im Schlechten? Man merkt einen gewaltigen Zuwachs an Clubs, Crews, Veranstaltern und Locations. Das ist durchaus gut, führte aber leider auch zu unkoordiniertem Wildwuchs und »Wettbuchen« balearischen Musters. Ein Hauptproblem ist, dass man permanent internationale Acts bringen muss, um im Geschäft zu bleiben. Auf welchem Platz würdet ihr die Wiener Clubszene in internationalen Clubcharts vermuten? Sicher weiter vorne – Berlin, Barcelona, London und Amsterdam liegen wohl noch weiter vorne. Dann kommt aber schon Wien. In Zürich nervt die Soundlimitierung und in Paris oder Rom geht beispielsweise kaum etwas.

Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Clubkultur ist immer ein Zusammenspiel vieler lokaler Faktoren. Die Wien-spezifische und nach wie vor viel zu konservative Sperrstunde, der Mangel an coolen Off-Locations, die viel zu strengen behördlichen Auflagen der MA 36, sowie die doppelte Steuerbelastung durch Vergnügungssteuer und die sogenannte Ausländersteuer (Vorzugssteuer auf internationale DJs) ersticken ein großes Potenzial, am internationalen Tanz-Parkett weit vorne mitzuspielen, sofort im Keim. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Die relativ geringe Dichte an Clubs mit regelmäßig anspruchsvollen Bookings ist schon spezifisch. Wien ist als Studentenstadt ja auch mit einer starken Kreativszene gesegnet. Vergleiche mit anderen Metropolen wie etwa Berlin haben sowieso keine Aussagekraft. Der musikalische Output spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Während die letzten Jahre im elektronischen Bereich bis auf einige Ausnahmen etwas verschlafen wurden, befindet sich die Wiener DJ- und Produzentenszene endlich wieder auf der überholspur. Eine überdurchschnittliche Dichte an guten elektronischen Festivals in Österreich im Vergleich zur Einwohnerzahl kommt auch nicht von irgendwoher. Würdet ihr sagen, in Wien gibt es viele Club-Institutionen oder ist das Angebot eher dürftig? Bezogen auf die Größe der Stadt hat Wien kein schlechtes Angebot. Auch wenn die Art der Clubs und Veranstaltungen noch etwas breiter gefächert sein könnte. Auf welchem Platz würdet ihr die Wiener Clubszene in internationalen Clubcharts vermuten? Bei elektronischer Tanzmusik sind wir vorne mit dabei.

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Das Techno-Cafe hat eine simple und brillante Idee. Man nehme eine großartige Location, solide DJs und eine alzheimerfeste Regelmäßigkeit und schon kommen jeden Dienstag im Sommer Hundertschaften Kreativer und Leute aus dem mittleren Management, um zu feinen Beats auf After Work rumzuhängen.

Das britische Leitblatt für AvantgardeElektronik Wire covert mit der Wiener Szene.

The Message erscheint erstmals in Schwarz-Weiß. Ursprünglich strikt auf HipHop abonniert, cuttet das Magazin später auch Soul, Funk, Jazz und Reggae in seinen Mix.

Die »K & D Sessions« von Kruder & Dorfmeister werden veröffentlicht, ein bleibendes Statement, das den Sound Wiens auf Jahre hinaus international definiert.

Female Pressure gründet sich und will als Internet-Datenbank die Sichtbarkeit von Frauen in der elektronischen Musik erhöhen. 2008 ist die Plattform Coverstory in The Gap und listet 990 Künstlerinnen aus 52 Ländern.


26 Peter Schachinger, Hennes Weiss und Stefan Hiess, Javier Mancilla, Kaveh Ahi (von links).

Javier Mancilla — Morisson

Kaveh Ahi — Volksgarten

Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Wien ist nicht Berlin oder London. Allein aufgrund der Einwohnerzahl ist Wien auf eine kleinere Szene limitiert, deshalb sind Wiener Clubs ein wenig trashiger und schnelllebiger. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Aufholbedarf würde bestehen, wenn wir krampfhaft versuchen würden, aus jedem Club einen Großkonzern zu machen und damit die Entwicklung zu stoppen, in der sich Wien gerade befindet. Natürlich kann man mit viel Geld jede Venue High-Tech ausstatten, um den Clubstandard zu erhöhen, aber es ist wichtig, dass dieser spezielle Wiener Charme erhalten bleibt. Gibt es ein Wien-spezifisches Merkmal, das sich durch die Clublandschaft zieht wie zum Beispiel Techno und Afterhour in Berlin? Zurzeit zeigen die Jungs von Affine Records am meisten Eigenständigkeit und Potenzial. Es tut sich was. Was hat sich in der Wiener Clublandschaft in den letzten fünf Jahren verändert? Im Guten wie im Schlechten? Positiv ist, dass sich viele neue und vor allem kleinere Locations im stärker werdenden Konkurrenzkampf durchsetzen konnten. Negativ ist, dass es mittlerweile mehr Promoter als Hausmeister in Wien gibt und jedes zweite Beisl seinen Keller für Partys anbietet. Auf welchem Platz würdet ihr die Wiener Clubszene in internationalen Clubcharts vermuten? So wie die Clubs entwickelt auch ein Teil des Publikums den Anspruch auf mehr Qualität, was Musik und Service betrifft. Unserer Erfahrung nach ist man auch immer mehr zu Exzessen bereit.

Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Nicht in den Clubs ist der Unterschied zu suchen, sondern im Wiener Publikum. Es macht Spaß, ein spezieller Wiener Club für das spezielle Wiener Publikum zu sein. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Der Anspruch in Wien ist viel höher. In Wien gibt es viele verschieden aufgestellte Clubs, das ist zugleich ihre Stärke. Aufholbedarf gibt es nicht. Wien ist individuell. Was hat sich in der Wiener Clublandschaft in den letzten fünf Jahren verändert? Im Guten wie im Schlechten? Schlecht: Der Markt wurde durch zu viele Veranstalter kaputt gemacht. Positiv: Das Publikum hat ein gutes Angebot zu vernünftigen Preisen und langsam tritt eine Konsolidierung unter den Veranstaltern und Clubbetreibern ein. Auf welchem Platz würdet ihr die Wiener Clubszene in internationalen Clubcharts vermuten? Es ist falsch, sich mit so großen Städten und Party-Orten wie Ibiza zu vergleichen. Wien leistet eine saubere Arbeit und braucht sich nicht vergleichen.

Flex und Pratersauna sind von 28. September bis 2. Oktober Locations beim Clubfestival Waves Vienna. Weitere Fragen und ausführlichere Antworten auf www.thegap.at/wienerclubkultur

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Loveparade. Techno für die Massen gastiert auch sechs Jahre lang in Wien und verbreitet Love, Peace und Dauerzucken zwischen UNO City und Praterstern. Das subkulturelle Gegenstück dazu heißt Free Republic und zieht deutlich überschaubarer in klapprigen Wagen um den Ring.

Die Sophiensäle brennen ab. 1838 wurden sie errichtet und waren zentraler Aufführungsort für Johann Strauss II. 1926 wurde dort die österreichische NSDAP gegründet, später die Wiener Philharmoniker aufgenommen, Bälle und die berühmten Sophiensäle-Clubbings veranstaltet. Bis es brannte.

Das Crazy etabliert sich zur zentralen Anlaufstelle für Feieranten Dienstag nachts und zum Experimentierfeld für Leute wie Ken Hayakawa, Catekk, Electric Indigo, Johannes Lehner oder Smacs & Kong.

Die Techo-Community entdeckt das Internet. Das Technoboard schart die Freunde gerader Bassdrums um sich. Heute ist das Forum technisch total veraltet, aber dennoch immer noch erstaunlich beliebt.

Das Icke Micke wird quasi über Nacht zur Party-Institution. Die zentrale Lage, geschmackssichere Bookings und das improvisierte Ambiente bringen ein Stück des damals so gehypten Berlins nach Wien. 2011 fällt der Vorhang.


Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.

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► Aff in e Reco r d s ► Porträt eines Wiener Labels

Links unten: JSBL in voller Montur. Rechts oben: Ogris Debris mit Augenring.

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leiwandheit

ffine setzte gleich zu Beginn ein Statement. 2008 erleuchteten zwei Releases von Dorian Concept und JSBL eine verödete Wiener Elektronik-Label-Landschaft – gerade als die letzten Erbschaften der DowntempoSzene vor die Hunde gingen: um G-Stone Recordings war es ruhig geworden, Cheap schon länger tot, Klein Records versickerte, Couch hatte die Arbeit mit einer gewichtigen Ausnahme eingestellt, der Vinyl-Dealer Black Market musste schließen, der Vertrieb Soul Seduction Konkurs anmelden. Nur bei Editions Mego brummte, ratterte und polterte es – am Label und auf den Tracks. Die Jahre davor waren einige vergebliche Versuche unternommen worden, Nu Rave und Minimal in Wien zu verwurzeln. Ja, 2008 war es Zeit für etwas Neues. Den kosmisch-verstotterten Funk von JSBL und Dorian Concept zum Beispiel. Jamal Hachem, 30 und aus Wien, hatte die beiden Releases pressen lassen und in die Welt verschickt; aus einer Lust, mit fähigen Leuten zu arbeiten und sich selbst die Strukturen dafür zu schaffen. Vier Jahre zuvor, 2004, hatte er bereits das überhaupt erste Stück Musik von Dorian Concept auf Vitamine Source, einem kurzlebigen Wiener Kollektiv Gleichgesinnter und Keimzelle für das Label, veröffentlicht. Sie hatten sich auf Partys kennengelernt, wie der Rest der Affine-Posse, und er war vom ersten Moment an von Concepts verhackten Beats und offensichtlicher Tastenbeherrschung begeistert. Auf Dorian Concept konzentriert sich auch heute bei Affine die meiste Aufmerksamkeit, doch spätestens die Werkschau »What A Fine Mess We Made« im Frühjahr 2011 verdeutlichte die Bandbreite dieses vielschichtigen Label-Kollektivs, das auch als exquisite Big Band bei der Release Party ihrer Compilation mit exklusiven Tracks die Weichteile massierte.

Indie und Techno gibt es wie Sand am Meer. Affine gibt es nur einmal. Das Wiener Label modelliert seit 2008 den Sound der Stadt.

Downtempo verpflichtet

Affine, das bedeutet eigentlich Leiwandheit ohne Grant, coole Virtuosität, ja, Kaffeehaus und Club. Klingt bekannt? Nicht zufällig spielte Gilles Peterson schon sehr früh Dorian Concept in seinen Radiosendungen und verglich diesen mit Joe Zawinul. Der Erfinder von Acid Jazz hatte ja bereits fünfzehn Jahre vorher Kruder & Dorfmeister viele Türen in London geöffnet. Die Fußspuren für Affine waren also vorgezeichnet. Statt sich allerdings wie alle Downtempler sanft in die Zeit hineinzudehnen und vernebelte Grooves zusammenzurollen, bleiben Affine-Tracks scharf, bissig und stehen stolz hinter ihrer elektronisch-körnigen Soundästhetik. Dabei hat jeder einzelne Artist im Affine-Roster ein Instrument gelernt. Bei ihren Performances werden analoge und digitale Welten zu hybriden, zappeligen Performances kurzgeschlossen. Massig Kopfnickerei inklusive. Jamal Hachem organisiert Affine dabei großteils allein und das nicht einmal Vollzeit. Er geht überhaupt etwas unorthodox an das Label heran: er wählt sein Worte überlegt, scheut Phrasen, raunzt nicht, verlässt sich auf sein Gespür, wirkt überaus fokussiert, investiert lieber in Artwork statt in Werbung und hat weder einen Business- noch einen Fünf-Jahres-Plan. Und das, obwohl er einmal Anzeigenverkäufer war. Wahrscheinlich der schlechteste, den der Falter jemals drei Jahre lang hatte. Aber er hat in kurzer Zeit einen Labelsound herausgeschält, der definiert, einzigartig und zudem höchst international ist. Tatsächlich: etwas Neues. Und wer kann das schon von sich behaupten? ¶ Auf Affine veröffentlichen Artists wie Dorian Concept, Ogris Debris, JSBL, The Clonius, Cid Rim und Sixtus Preiss. Ende Oktober veröffentlicht Zanshin (eine Hälfte von Ogris Debris) sein SoloAlbum-Debüt. Ein ausführliches Interview mit Jamal Hachem findet sich unter: www.thegap.at/wienerclubkultur

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DYNAMOWIEN

FM4 UNLIMITED EINE NACHT DER OSTERREICHISCHEN CLUBKULTUR IM WIENER RATHAUS FR, 4.11.2011 / EINLASS: 22:00 UHR

BASSRUNNER MONKEYBREAKS FUNCTIONIST PHYSICALLY F!T PATRICK PULSINGER BEWARE TYROLEAN DYNAMITE JOE-JOE ELECTRO-NIX BEBOP RODEO KRISTIAN DAVIDEK

CRAZY PRATEREI KLUB SIR3NE JOYCE MUNIZ DISKO404 THE LOUD MINORITY MAKOSSA & SUGAR B AFFINE/FLUXUSKOMPENSATOR ADDICTION BOUNCE

TICKETS GIBT’S AB 15.9. BEI WIENXTRA – JUGENDINFO (BABENBERGERSTR.), IN JEDER ERSTE FILIALE MIT SPARK7-ERMASSIGUNG UND UBER WWW.OETICKET.COM ODER UNTER +43 1 96 0 96. VVK EURO 12,- / AK EURO 14,-.

VISUAL CONCEPT BY

FM4.ORF.AT


Diese Arbeit von Know Hope ist 2010 im Rahmen des Blk River Festival gegen端ber des Wiener Badeschiffs entstanden. 2011 wird er abermals Gast des Street Art Festivals sein.


► Golde n Fra me ► Know Hope auf dem BLK River TE X T Anna Moldenhauer BILD Blk River

Hoffnung auf Herz Know Hope ist ein junger Typ mit Basecap und Turnschuhen, der etwas schüchtern in die Kamera lächelt. Seine fragilen Kapuzenfiguren tragen ihre Seele als Flicken auf dem Oberarm. Am eigentlichen Platz klafft ein Loch, durch das hin und wieder ein Vogelschwarm segelt. Know Hope besucht die österreichische Hauptstadt nicht zum ersten Mal. Ein riesiges Wandbild am Donaukanal zeugt noch von seinem Aufenthalt im letzten Jahr beim Blk River Festival. Dürre Figuren, die melancholisch Sanduhren betrachten, sich schmerzhaft ineinander verstricken und oft von einer Gruppe kleiner Vögel begleitet werden, spiegeln die zentralen Themen des jungen Künstlers aus Tel Aviv. Zerrissenheit, Vergänglichkeit, Sehnsucht nach Beständigkeit und Liebe: Es sind unsere tiefsten Emotionen in einer untröstlichen Welt, die Know Hope auf die Oberfläche malt. Die poetische Wirkung seiner Zeichnungen basiert auf assoziativen Texten, in die er anfangs die meiste Zeit investierte. Inspiriert durch Karikaturen von Shel Silverstein und Raymond Pettibon wuchs die Bedeutung der anfangs nur ergänzenden Bilder aber schnell. Als Verbindung zwischen inneren und äußerer Gefühlswelt hinterfragen sie unsere Wahrnehmung der Realität.

Kunstvolle Unbeständigkeit

Mittlerweile hat Know Hope weltweit Wände mit seinen Werken gestaltet sowie in Galerien und auf Festivals ausgestellt. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf das Bemalen und Besprühen von Wandflächen, sondern fertigt auch kunstvolle Lampions und Figuren aus Pappe an. Dass diese oft nur wenige Stunden nach der Platzierung im öffentlichen Raum von Passanten entfernt werden, sieht er mit gemischten Gefühlen. Zum Bedauern über die geraubte Perspektive gesellt sich die Erleichterung, durch die Kurzlebigkeit der Arbeiten nicht von diesen verfolgt zu werden. Die Sammelleidenschaft seiner Anhänger kann dennoch mitunter zu skurrilen Situationen führen, wie er in einem Interview mit der Bloggerin Meighan O’Toole erzählt. Ein Objekt, welches er zuvor auf der Straße aufgestellt hatte, begegnete ihm bei der Wohnungssuche überraschend in einem fremden Wohnzimmer wieder.

»Love« ist das Motto des diesjährigen BLK River. Vom 15. bis zum 21. September 2011 übernehmen internationale Street-Art Größen wie JR, OX oder Brad Downey in Wien das Kommando. AU S GA B E 1 1 9 / 0 3 1 ◄


► Zol a J esu s ► Gespenstischer Ausnahmepop

immer weiter zurück Für eine junge Musikerin ist Nika Roza Danilova ziemlich altmodisch. Gerade einmal 22 geworden, veröffentlich sie im September ihr drittes Album »Conatus« und verbiegt sich anmutig zwischen Anspruch und Pop-Appeal und irgendwie hat das auch mit Zecken zu tun. as Album startet mit einer einminütigen Me- professionellen Opern-Karriere Musik zu machen, lange in ihr. ditation mit dem Titel »Swords«. In diesem Erste Veröffentlichungen wurden durch die Blogs gereicht. PitchIntro wird schon viel vorweggenommen. Futuri- fork griff das ziemlich schnell auf und damit ging dann alles los. stisches Geklicker und Sci-Fi-Gefauche treffen Aufgewachsen ist sie mehr oder weniger im Wald, isoliert von so auf Nikas hintergründiges, sphärisches Jam- ziemlich allem. Keinerlei Häuser weit und breit, keine wirklichen mern. Natur und Technik, Fortschritt und Ver- Spielkameraden, irgendwie öde. zweiflung. Conatus eben. Das ist lateinisch und bedeutet überFindet sie gar nicht: »Ich bin wirklich dankbar dafür, denn ich setzt in etwa: Bemühen oder nach vorne Streben. Und in dieser bin nicht wirklich von anderen Menschen abhängig. Ich glaube, linguistischen, etwas ironischen Spielerei, in der das Weiter- dass das sehr wichtig ist, denn diese anderen Leute werden nicht machen mit dem Begriff einer toten, alten Sprache thematisiert immer für einen da sein. Es ist sehr wichtig zu lernen, alleine wird, liegt der Knackpunkt im Schaffen von Zola Jesus. zu sein.« Dieses Alleinsein thematisiert sie auf ihrem neuen Album im Track »Hikikomori«, das steht für eine japanische Gesellschaftsentwicklung und bezeichnet Menschen, die sich Diskurspop Zola Jesus, das waren zuerst Drones, noisige Lo-Fi-Sounds konsequent abschotten und oft auch jahrelang nicht ihr Zimmer und Schlafzimmerproduktionen einer High-School-Schülerin, verlassen. Nika sieht das positiv. »Ich schätze die Zeit, in der die sie einfach mal online gestellt hatte, ohne groß mit Erfolg zu ich alleine oder mit meinem Ehemann sein kann und ich glaube, rechnen. Zu experimentell schien das, zu schlau auch teilwei- viele Leute wünschen sich, dass sie mit sich alleine sein können se. Doch es musste raus. Bereits als Kind hat sie eine Gesangs- und es ihnen damit gut geht, aber es kostet viel mehr Energie ausbildung genossen, diese dann aber doch nicht abgeschlossen alleine zu sein als mit anderen Leuten.« Im Interview erweist sie und irgendwie schlummerte ein Verlangen, auch jenseits einer sich dann aber trotzdem als recht umgängliche Person. ¶


Pop als Mittel zum Zeck: Zola Jesus gastiert am 30. September im Rahmen des Festivals Waves Vienna im Flex.

TEXT MICHAEL ANISER

in Track auf deinem Album heißt »Ixodes«, geht es darin wirklich um Zecken oder ist das methaphorisch gemeint? Ich bin in Wisconsin aufgewachsen und wenn ich in den Wald gegangen bin, hatte ich immer Zecken. Viele Leute um micht herum haben dann auch Lyme-Borelliose oder andere Krankheiten bekommen. Das war immer so eine Art Barriere zwischen Mensch und Natur für mich, wenn du in den Wald gehst, bekommst du Zecken. Das hat den Song ein wenig inspiriert, die Idee, vollständig von Zecken übersät zu sein. Ich hasse sie einfach so sehr, elende Blutsauger! In der Stadt scheinen wir diese Barriere überwunden zu haben ... Ja, das finde ich das Interessante am Landleben, man fühlt sich immer irgendwie als Teil der Natur. Aber dann lebt man mitten im Wald und man realisiert, dass man selbst die Lebewesen dort eher stört. Es ist interessant, wie wir uns komplett entfremdet haben von unseren Brüdern und Schwestern den Tieren. Bist du Vegetarierin? Nein keinesfalls, wir Menschen sind Fleischfresser, Allesfresser um genau zu sein, wir können uns nicht dagegen wehren. Man kann sich einfach nicht gegen seine Natur wehren. Hat es lange gedauert, das Album aufzunehmen? Ungefähr sechs Monate. Am Song »Lick The Palm Of The Burning Handshake« musste ich monatelang rumfeilen und alles immer wieder neu schreiben. Du erwähnst auch immer wieder Philosophie als großen Einfluss. Meine Musik ist eher psychologisch oder psychoanalytisch, wenn du willst, weil ich mir immer einen Spiegel vorhalte und diesen Spiegel auch in Richtung der Menschheit richte. Ich versuche Menschen besser zu verstehen, denn ich finde, manchmal fühlen wir uns doch alle wie Außerirdische. Musik ist eine große Hilfe, das zu verstehen. Deshalb interessiere ich mich auch für Philosophie, das hilft mir zu verstehen, was in der Welt um uns vorgeht. Da muss ich an Cronenberg denken, der ja auch diese psychoanalytische Symbolik in die Popkultur rücküberführt. Hast du viele seiner Filme gesehen? Oh ja, ich liebe ihn! Wenn ich mir seine Filme anschaue fühle ich mich unwohl als Mensch. Er schafft es, die Abscheulichkeiten in uns nach außen zu kehren, Dinge, die wir immer zu verbergen suchen. Ich finde es auch witzig, dass er jetzt diesen Film über Freud gemacht hat. Versucht du mit deiner Musik dasselbe? Ja, aber in einer zugänglicheren Weise. Ich bin generell ziemlich besessen davon das rauszulassen. Ich denke auch, der eher noisige Sound, den du vorher

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BILD Angel Ceballos

gemacht hast, thematisiert diese dunklen Seiten. Wie kam die Wandlung zum Pop? Ich glaube, dass man mit Noise und experimenteller Musik nur eine Handvoll Leute erreicht und die wissen dann ohnehin schon Bescheid. Pop ist einfach ein wunderbares Mittel, um mehr Menschen zu erreichen und sie auch irgendwie zu erziehen. Ich sage nicht, dass ich einen pädagogischen Auftrag habe, aber es geht darum, andere Dinge zu thematisieren. Gewöhnlich geht es in Pop-Songs darum, sich zu betrinken, Party zu machen und am nächsten Morgen irgendwo aufzuwachen. Es gibt aber soviele andere interessantere Themen, nur irgendwie macht das niemand, da ist eine Lücke. Aber in letzter Zeit taucht das doch wieder vermehrt auf, all diese Neo-Goth-Sachen zum Beispiel. Ich höre mir sowas nicht wirklich an. Ich glaube, es kommt der Punkt, wo eine Ästhetik wichtiger wird als die Musik und niemand mehr etwas vermittelt. Das zerstört für mich den Zweck der Musik. Du wirst immer wieder mit Siouxsie Sioux verglichen. Stört dich das? Beeinflusst dich ihr Sound? Ich weiß nicht so recht, was mich wirklich beeinflusst. In letzter Zeit habe ich ziemlich viel elektronische Musik gehört, 808 State oder Aphex Twin zum Beispiel, auch viel Breakcore. Während der vorigen Alben habe ich einfach gerne Drones gehört, Sound-Texturen, wo man nie so genau hört, womit die gemacht wurden. Und dann kommen Leute und sagen einfach, das ist Siouxsie And The Banshees oder New Goth. Es ist einfach das, was ich gemacht habe, die Einflüsse finde ich dabei nicht so wichtig. In deinem letzten Album »Stridulum II« ging es um die Liebe und um eine ganz bestimmte Person. Ist das gut ausgegangen für dich? Ja, inzwischen bin ich sogar verheiratet. Das Interessante beim letzten Album war aber, dass die Songs immer an jemanden gerichtet waren und ich dem Zuhörer etwas vermitteln wollte, während ich mir nun selbst etwas zeigen will. Ich wollte mit Dingen klarkommen, die mich belasten, zum Beispiel meinem Streben nach Perfektion. Das Album ist sehr persönlich, weil ich alles an mich selbst richte und versuche, mit all den Sachen klar zu kommen, die mich als Künstlerin belasten. Es war also in gewisser Weise eine Therapie? Definitiv! Das Album war sehr therapeutisch. Hat es funktioniert? Geht es dir besser? Nachdem das Album fertig war, habe ich mich komplett geöffnet, das finde ich interessant. Ich glaube, ich bin jetzt viel klarer, wenn ich das nächste Mal ins Studio gehe, aber zuerst musste ich all das durchmachen, um an diesen Punkt zu kommen. AU S GA B E 1 1 9 / 0 3 3 ◄


► Kil l e d By 9 V Bat t e r i es ► Melodieverliebter Spätsommer-Krach aus der Steiermark

Im Studio mit Patrick Pulsinger: Killed By 9V Batteries

wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man singen Killed By 9V Batteries machen Musik, die lärmt und liebt. Zwischen Noise, Krautrock und 80er-Gitarrensoli hat sich auf dem neuen Album »The Crux« aber auch eine gehörige Menge Pop-Affinität eingeschlichen. s ist die Geschichte von Bands wie Pavement, Sebadoh, Dinosaur Jr. oder den Pixies, welche als kauzige Eigenbrötler mit manisch-depressiven Isolationshymnen der Indie-Musik neuen Antrieb verliehen. Und es ist die Geschichte der Band Killed By 9V Batteries: Viel zu oft, um es als Zufall abzutun, entsprang die großartigste Musik nicht den Straßen hipper Metropolen, sondern dem Mief der tiefen Provinz, wo das Land weit und der Horizont flach ist. Fernab von SzeneDiktaten, an Orten, in denen man Alternativkultur nur dann findet, wenn man danach sucht, sprießt dafür die Kreativität wie ein seltenes Gewächs zwischen Heugabel und Mistkübel aus dem Boden. Auf der Suche nach sich selbst und der persönlichen Verortung im Sich-Fremd-Fühlen führt der Weg ins Zentrum der Aufmerksamkeit erst viel später in die Kunst- und Kulturaffinen Stadtbiotope und an mehr Ohrmuscheln Gleichgesinnter. Dabei entsteht oft jene Art von unverhohlener Eigenständigkeit, wie sie in den urbanen Kulturfabriken nur schwer zu finden ist. Gegründet im steirischen Weiz in der Zeit der gemeinsam verbrachten Jugend, machten die 9V Batts zuallererst einmal Lärm. Wolfgang Möstl, Mario Zangl, Philipp Ludersdorfer und Mario Loder war es aber nicht gut genug, ihre Eltern zu verschrecken. Sie gingen nach Graz und Berlin, um den Lärm aufzunehmen. Und bauten, ohne es wirklich darauf anzulegen, einen kleinen, aber euphorischen Zirkel an Zuhörern auf, für die die 9V Batts

all das beinhalteten, was dem Rock’n’Roll österreichischer Bauart oft fehlte: Witz und Coolness, genuschelte Feingeistigkeit und geschriene Brachialität, manische Sehnsucht und depressive Verstimmung. Es ist eine Musik, die das Gefühl hinterlässt, das sie aus etwas Freiem heraus entstand, aus dem Bedürfnis zuerst einmal Spaß am Musikmachen zu haben, statt Trends oder Attitüden hinterherzulaufen.

Rocken mit Patrick Pulsinger

Killed By 9V Batteries machen etwas, das man schon oft gehört hat – aber schon lange nicht mehr so gut, und noch nie kam es von so nah her. »The Crux«, das neue, dritte Album der Batteries, ist wirklich, wirklich tolle Indie-Musik. Das Lo-Fi-Geschrammel der vier Steirer wurde vom Wiener Technopionier Patrick Pulsinger als Produzent mit einem klaren und akzentuierten Klangbild versehen. Was jedoch nicht bedeuten soll, das die Batteries nicht mehr punkrocken, und auch nicht, das sie jetzt auf Electronica machen. »The Crux« wirkt – Steve Albini lässt grüßen – poliert und dreckig, catchy und unorthodox. Auch die Noise-Affinität ist nicht verloren gegangen, sondern irgendwie erwachsen geworden und in eine Art analoge Vintage-Ästhetik überführt worden. Der glamouröse Slacker-Pathos von »Need More New Wracks« eröffnet das Album mit dermaßen furiosen Gitarrentürmen, das man meint, ein Stück essentieller IndieMusik aus den frühen 90er wiederentdeckt zu haben.


»Quit your job and work for free, the worst of total anarchy«, singt Wolfgang Möstl in »Worst Of Total Anarchy«, der SingleAuskoppelung des Albums. Der Song ist wie ein ungeschliffener Diamant, der mit seinen New Wave- und Shoegaze-Anleihen das Potenzial zum transeuropäischen Underground-Hit hat. »Impulse Control« klingt mit unaufhörlichen Tempi-Wechsel und Laut-Leise-Klangeruptionen wie klassisches Batts-Material, oder auch wie ein verlorengegangenes Sub Pop-Kleinod. Hymnisch tönt der Album-Closer »Set Something On Fire«: Groß ausgelegte Melodiebögen krachen aufeinander und münden in einem furiosen Destillat aus Pop, Punk und Noise. »The Crux« ist in diesem Sinne mehr als eine Ansammlung von Stücken. Das Album ist wie ein Fluss, dessen sonnenglitzernde Oberfläche immer Raum für subjektive Interpretation lässt, und dem auch in den lauten Momenten ein leises Understatement gelingt. Es sind Lieder, die man lieber selbst singen würde, anstatt sie zu zerreden. Was den zwölf Stücken der Platte zugrunde liegt, ist eine scheue, aber onmipräsente Melodienverliebtheit. Verträumt-zurückgelehnter Gesang legt sich auf fiepende Analog-Elektronik und verstimmte Gitarren-Mutationen. Und hinter jeder Menge Krach verbergen sich die liebevollsten Spätsommermelodien jenseits von Portland oder Seattle. Das honigtröpfelnde Songwriting setzt aber so unterschwellig an, das es nie wirklich auffällt, sondern höchstens mal aus dem Klangtumult hervorschielt. Es ist alles ganz unaufdringlich. Und wird langsam und kaum merkbar immer präsenter. Bis dann der nächste Sommer kommt. ¶

35 TEXT MICHAEL KIRCHDORFER BILD alex goll

»dass wir irgendwann mal nummern schreiben, die außer uns noch irgendwer hören kann, daran haben wir niemals gedacht.« — WOlfgang möstl, LEADSÄNGER DER 9V BATTERIES, im interview In welchem Kontext ist euer neues Album »The Crux« entstanden? Die meisten Songs haben wir im Sommer geschrieben, insofern ist es wohl auch eine Sommerplatte. Wir haben in unserem Studio in Graz jede Probe aufgenommen. Wir jammen nicht nur, sondern arbeiten jedes Mal mindestens eine Nummer fertig aus. Die rohen Brocken nehme ich dann mit nach Hause und singe drüber. Wir haben am Ende darüber beraten, was vom Material auch im Albumkontext funktionieren würde. Es war echt viel »kruder Scheiß« dabei – Krautrock, Dance, Noise. Jedes Bandmitglied hat seine Favourites aufgeschrieben, und das hat lustigerweise eh ziemlich übereingestimmt. Und uns war klar, dass es diesmal in eine spezifische Richtung geht: Zwischen Lärm- und Jam-Improvisationen haben wir immer wieder Sachen geschrieben, die wirklich, wirklich poppig waren. Wodurch kam der Kontakt mit Patrick Pulsinger zustande? Wie war es, mit einem elektronischen Musiker eine Indie-Platte aufzunehmen? Der Kontakt ist eigentlich so entstanden: In Graz haben wir eine Jam-Session mit Bul Bul gemacht. Am gleichen Tag hatten wir auch getrennt voneinander Konzerte – und dann entstand die Frage, wer geht zu Bul Bul und wer geht zu uns. Der Sänger von Bul Bul hat meinte: »Ja, der Patrick Pulsinger, der kommt eh zu euch, der findet euch so klass.« Und ich hab gefragt: Wer ist Patrick Pulsinger? – ich hab wirklich überhaupt keine Ahnung gehabt, wer das ist. Als ich mich dann informiert hab, dachte ich nur: boah. Ein Jahr später war es dann so weit: Wir wollten das neue Album aufnehmen, und zwar in einem Studio und mit einem Produzenten. Da fiel mir dann auch wieder Bul Bul ein, deren Album von Pulsinger produziert wurde. Wir haben ihn angeschrieben. Er schrieb sofort zurück und hat uns in sein Studio eingeladen. Er ist ein unglaublicher Typ – extrem euphorisch, sofort dabei vom ersten Treffen an. Wir sagten ihm,

welche Vorstellungen wir hatten. Wir wollten einen AnalogSound, einen halligen, sehr natürlichen und warmen Schlagzeugklang, und er antwortete sofort: ja so machen wir das. Nach dem ersten Treffen war klar, das passt. Er hatte Ideen im Kopf, genau die Sachen, an die wir auch gedacht haben. Patrick hat in den 90ern auch viel Indie gehört, ging in die argen Konzerte im alten Chelsea, er konnte echt was anfangen mit unserem Sound. Nachdem ein Förderantrag an den österreichischen Musikfonds leider abgelehnt wurde, mussten wir Studio und Produktion selber zahlen – aber es war von Anfang an klar, der Patrick Pulsinger muss dabei sein, unbedingt. Wir wollten einfach, dass diese Zusammenarbeit zustande kommt – auch, wenn es uns die nächsten Jahre finanziell verfolgen wird. Die ersten Aufnahmen, noch ungemischt, haben schon so fett geklungen, das uns allen klar war, dass es sich auszahlt. In drei Studiotagen haben wir dann die 15 Nummern eingespielt, analog und auf First Take. Manche Instrumentierungen auf »The Crux« klingen sehr exotisch. Stimmt es, dass ihr für das Album eigene Musikinstrumente gebastelt habt? Mich hat das schon immer interessiert, Instrumente selber zu bauen. Und auf einmal hab ich damit angefangen. Jeden Monat hab ich irgendein Instrument gebaut, manchmal Sachen, die einfach nur Lärm machen – eine Snare mit Gitarrensaiten und einen Tonabnehmer drübergespannt – und hab in jede Nummer etwas davon eingebaut. Dass wir irgendwann mal poppig werden, Nummern schreiben, die außer uns noch irgendwer hören kann, daran haben wir niemals gedacht. »The Crux« von Killed By 9V Batteries erscheint am 30.9. via Siluh Records. Am 29.9. wird das Album beim Waves Vienna Festival präsentiert.


► C od e d Cult ur es 2 0 1 1 ► Medienkunst, Technologie und Alltag als urbanes Festivalspielfeld

bestandsaufnahmen der medienkunst

S

eit dem letzten Coded Cultures Festival sind zwei Jahre vergangen. Inwiefern hat die digitale Evolution Praxen innerhalb des Medienkunstsektors beeinflusst? Seit 2009 gab es einige neue Entwicklungen: 2010 wurde zum Jahr der Tablet-Computer durch Apples iPad, Facebook wurde richtig populär (mit damals 500 Millionen Mitgliedern) und US-Behörden haben den 22-jährigen Ex-Soldaten Bradley Manning (Vorwurf: Whistleblower) verhaftet. Während die technologischen Entwicklungen das Konsumverhalten der User verändern – theoretisch wird am iPad mehr gelesen als geschrieben – hat sich parallel durch Wikileaks und andere Transparenzbewegungen (Openleaks, lulsec) die Debatte über Privacy und Datenschutz verstärkt in den Mainstream bewegt. Arbeiten in der Medienkunst haben sich bereits mit diesen Themen auseinandergesetzt. Beispielsweise die Web 2.0 Suicide Machine (suicidemachine.org) oder auch das Asylabwehramt (AAbA) (asylabwehramt.at). Hat sich für euch die Aufgabe der Medienkunst in diesem Zeitraum verändert? Nein, nicht wirklich. Medienkunst muss heute kritisch sein – sie kann sich endlich Inhalten widmen: Bereits 2006 hat Inke Arns in »Über die Zeitgenossenschaft der Medienkunst« festgestellt: »Medienkunst ist keine formale Kategorie bzw. kein formales Genre mehr, als das sie vor allem in den 1990er Jahren noch aufgefasst wurde, sondern sie zeichnet sich durch eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit der uns umgebenden, zunehmend medialisierten und auf neuen Technologien basierenden Welt aus.« Die »Digitalisierung« ist abgeschlossen, somit wird eigentlich jede zeitgenössische Kunstpraxis zur

Matthias Tarasiewicz von 5uper.net über die neue Ausgabe des Festivals Coded Cultures, den Versuch eines Festivals ohne Zentrale oder auch die Suche nach neuen Definitionen von Medienkunst. Medienkunst. Es muss also ein neues Profil für (neue) Medienkunst entwickelt oder beschrieben werden. Genau das versuchen wir – nicht nur mit dem Festival – zu thematisieren. Euer diesjähriges Thema ist »City as Interface«. In welcher Weise sind Städte als Interface zu begreifen und wer bedient sie? Bzw. wie können sie genützt werden? Das Konzept für »City As Interface« basiert auf der Idee, die Stadt selbst als Ausstellungsfläche zu nutzen. Einerseits neue ungenutzte urbane Räume zu bespielen und andererseits bereits bestehende, großteils selbstorganisierte Strukturen einzubeziehen. Neue Kunst- und Kulturpraktiken passieren nicht nur in Galerien und Museen: Es gibt sehr viele Orte, an denen innovative und interessante Projekte und Prozesse passieren, die wir mit Coded Cultures 2011 darstellen wollen. 5uper.net hat immer auch einen Fokus auf Technologie. Wie passiert bei euch der Research- und Auswahl-Prozess? 5uper.net ist eine von Medienkünstlern geleitete Initiative – wir versuchen mit Coded Cultures internationale und lokale Künstler, Produzenten und Gruppierungen einzuladen, um eine Zusammenarbeit innerhalb des Festivals zu ermöglichen. Wir haben unterschiedliche Zugänge zu den Begriffen »Medienkunst« und »New Media Arts«. Das Festival ist für uns eine gute Möglichkeit, um diese Zugänge zu untersuchen und Bestandsaufnahmen zu machen, was heute als Medienkunst verstanden wird. Dabei ist für uns besonders interessant zu untersuchen, wie sich neue Technologie und auch neue Kulturpraxen auf die Gesellschaft und auf die Kunst auswirken. Eine der Bemühungen des heurigen Coded Culture-Festivals ist es, als Festival weit in die Stadt hineinzureichen, das Festival auch räumlich nicht von dieser abzugrenzen. Wie kann das funktionieren? Ein großer Vorteil ist, dass wir Aktionen und Interventionen in der Stadt präsentieren können – insofern auch neue Arbeiten und Herangehensweisen. Gleichzeitig ist es ein Problem, dass wir kein Festivalzentrum in diesem Sinn haben, sondern alles verteilt präsentieren und deswegen die Entwicklung einer Narration sehr wichtig war. Wir hoffen, mit unseren Ansätzen neue Zielgruppen und Interessierte für neue Medienkunst begeistern zu können, sind uns aber auch bewusst, dass es schwieriger sein wird, viele Leute an den Donaukanal zu bringen als z.B. ins Museumsquartier. Für uns ist das Coded Cultures Festival ein Experiment, um neue Präsentations- und Ausstellungsformen auszutesten. ¶ Coded Cultures, gegründet 2004, findet von 21. September bis 2. Oktober 2011 in Wien statt. Die Kuratoren sind Michal Wlodkowski, Georg Russegger und Matthias Tarasiewicz. codedcultures.net

INTERVIEW Martin Mühl bild Margaret Robertson

5uper.net: »Medienkunst muss heute kritisch sein – sie kann sich endlich Inhalten widmen.«


► V i e N N a sta rt U p W e e k 2 0 1 1 ► Start-up-Förderung, Vernetzung und eine handfeste Challenge als Festivalprogramm Viel Wille zu Know-how und Vernetzung: das junge Wiener Team der Startup Week

TEXT MARTIN MüHL BILD STARTEUROPE

lEARnInG FRoM thE BEst Die startUp Week macht ernst. neben Möglichkeiten zu Austausch und vernetzung, haben ausgewählte start-ups die Möglichkeit, sich internationalen Investoren zu präsentieren. an könnte es neben all der berechtigten Eu- Challenge übrigens nicht in erster Linie von den drei Veranstalphorie und dem sicher vorhandenen Spaß ter-Teams – StartEurope, Initial Factor und TechCrunch Europe manchmal beinahe vergessen: Start-ups sind – sondern von einer externen Experten-Jury. Einzelne Startplätze letztlich (junge) Unternehmen und da darf es wurden bei den lokalen StartUp Live Weekends des letzten Jahum Wachstum und Geld gehen. So auch bei res vergeben. Der erste Preis dieser Challenge ist eine Reise ins der Vienna StartUp Week 2011. Die Veranstal- Silicon Valley. »Das Ziel dabei ist aber nicht, den Start-ups die ter sehen diese als Festival und setzen auf drei große Bereiche dauerhafte Abreise in die USA schmackhaft zu machen, sondern und so manch Nebenschauplatz. Dabei geht es natürlich auch mittels learning From the Best Erfahrungen zu sammeln.« erklärt um Vernetzung und die Weitergabe von Wissen und Erfahrung. Jürgen Furian von StartEurope. Und so sehr hier also nichts verEine Konferenz mit hochkarätig besetzten Panels präsentiert die sprochen werden kann, so ist es doch eindeutig Ziel der Veraneuropäische Start-up-Szene und bietet genügend Möglichkeiten, stalter: Start-ups sollen hier die Möglichkeit haben, finanzkräfdie prominenten und erfolgreichen Vertreter zu treffen – ein kal- tige Investoren zu finden. Andreas Tschas, einer der Gründer von kulierbarer und nicht zu unterschätzender Motivationsschub. StartEurope, definiert Start-ups folgerichtig als »junge Firmen Das Thema soll aber auch breitenwirksamer Publikum finden auf dem Weg zum Unternehmen. Diese sind über die reine Ideenund deswegen gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm in Phase schon deutlich hinaus und eventuell mit ihrem Produkt Off-Locations wie etwa dem Hub Vienna oder auch dem sektor5. bereits am Markt. Im Durchschnitt existieren sie wohl zwischen Zu diesen sogenannten Focus Events gehören etwa Workshops drei und fünf Jahren – letztlich ist Start-up sein aber einfach auch und Live-Streams zu Themengebieten wie Hacking, Digital Me- Einstellungssache«. Genau diese Einstellungssache ist aber nicht dia, Social Entrepreneurship oder auch Health 2.0 und dem in- einfach nur Glück oder Zufall, sondern braucht einen entspredischen Start-up Ecosystem. chenden Nährboden. StartEurope ist daher an mehreren Programmen beteiligt, die mit den Ausbildungsstätten junger Menschen zusammenarbeiten und versuchen, Potenzial zu wecken. Dazu getRAInInG sEssIons Im Gegensatz zu anderen Konferenzen und Veranstaltungen für hörte ein StartUp Jam gemeinsam mit der HTL Mödling und akeine ähnliche Zielgruppe, soll es bei der StartUp Week aber durch- tuell gibt es eine Zusammenarbeit mit der WU, in deren Rahmen aus handfester zugehen. An den ersten beiden Tagen präsentieren Entrepreneurship und Geschäftsideen ein Semester lang Eingang sich 50 ausgewählte Start-ups vor Workshopleitern, Juroren und in den Studienplan finden. Auch im Rahmen der StartUp Week ist anderen Start-ups. Teil dieser Challenge sind dann auch Training ein Educational Panel geplant. Auf dass in den kommenden Jahren Sessions, in denen die Jungunternehmer ein paar Basics mitbe- vielleicht noch mehr heimische Bewerber unter den mehr als 400 kommen sollen: »Meet the Lawyer«, »Meet the Investor« oder Anmeldungen für die Challenge sind. ¶ auch »Pitch-Training«. Die siegreichen Zehn bekommen dann die Chance, sich internationalen, finanzkräftigen Investoren von ihrer Die startUp Week findet von 3. bis 7. oktober in Wien statt. besten Seite zu zeigen. Ausgewählt werden die 50 Teilnehmer der Details zum Programm unter www.startupweek2011.com AU S GA B E 1 1 9 / 0 3 7 ◄


► staG C O N f e r e N C e stO r i es & Ga M es ► Über die Stärken schwacher Stories in Spielen und in der Oper

INTERVIEW MARTIN MüHL BILD MARGARET ROBERTSON

»es gibt nie nur die EInE geschichte!« Game-story-Autorin Margaret Robertson kommt als speakerin zur stag conference. vorab sprachen wir mit ihr über die notwendigkeit und Eigenheiten von storys in computerspielen. as macht grundlegend eine gute Story aus und wie wichtig ist es, wie sie erzählt wird? Darauf gibt es nicht die eine richtige Antwort. Es gibt zu viele verschiedene Geschichten und noch mehr Arten diese zu erzählen. Als Beispiele: Ganz aktuell lese ich gerne »Tristram Shandy«: Die Geschichte riesig, verschachtelt, selbst-referenziell, dicht und bahnbrechend. Oder auch wortlose Geschichten wie die Fotostory auf dieser Seite – über Schweine im All. Gute Geschichten brauchen Balance und Zusammenhang, sie müssen sich ihrer eigenen Ziele und Stärken bewusst sein. Es gibt gute Geschichten, die beinahe ohne Plot auskommen, ohne Charaktere, die nur deswegen gut sind, weil sie gut erzählt sind oder auch welche, die auf 100 verschiedene Arten erzählt werden können. Wozu brauchen Games eine Story? Soll diese den Spieler motivieren? Ihn emotionalisieren? Auch darauf gibt es nicht nur eine Antwort. Geschichten geben Entwicklern viele Möglichkeiten, um mit dem Spiel in die Gänge zu kommen. Außerdem lassen sich durch eine Story oft die Spielregeln vermitteln. Hat ein Kampfspiel etwa keine Story, aber zehn verschiedene Waffen, so kann der Spieler Waffe A von Waffe C und D womöglich schwer unterscheiden. Eine Weltkriegs-Setting mit Waffen, die Sniper-Rifle oder Pistole genannt werden, macht die Sache schon einfacher. Und ja, Storys können den Spieler motivieren und eine emotionale Verbindung herstellen. Wichtig ist auch, dass sie Humor und Pointen ermöglichen. Man kann gar nicht genug über Humor sprechen, wenn man über Storys spricht. Du warst auch als Spieletesterin tätig. Warum sind die meisten Geschichten in Computerspielen es eigentlich nicht wert, erzählt zu werden? Es stimmt schon, dass die meisten Geschichten nicht gut wegkommen, wenn man versucht, sie außerhalb des Spiels nachzuerzählen. Das mag manchmal an den schlechten Storys liegen, aber es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die Storys hier außerhalb ihres Kontextes funktionieren sollen. In Spielen ist die Geschichte nur ein Teil der Erfahrung, die in Büchern oder Filmen eine größere Gewichtung hat. Ich denke, es macht eher Sinn, hier Games mit der Oper zu vergleichen – auch dort ist die Story nur ein kleiner Teil dessen, worum es geht. Die Geschichte von »Figaro« ist schwach und klischeebeladen – aber sie hilft wunderbar, um die Musik zu unterstützen. Manche Geschichten in Spielen klingen ebenso schwach, erfüllen ihre Aufgabe innerhalb des Spiels aber ganz hervorragend. Aktuell entwickelst du bei Hide & Seek Games für öffentliche Plätze. Ist es schwieriger, hier eine Story zu erzählen, da man mitunter weniger Kontrolle über den Spieler hat? ► 0 3 8 / AUSGABE 119

An manchen Plätzen funktioniert es ganz hervorragend zu kontrollieren, wohin sich die Spieler bewegen und was sie sehen. Ebenso wie es digitale Spiele gibt, die dem Spieler erstaunliche Freiheit geben und es sehr schwer machen, eine Geschichte zu erzählen. Generell ist es aber sicher richtig, dass offene Plätze es schwerer machen zu kontrollieren, dass der Spieler an einem bestimmten Punkt ankommt und was er auf seinem Weg dorthin erlebt. Menschen sind glücklicherweise grundsätzlich geschichtsorientiert und meist freiwillig bereit, Dinge die sie sehen und die passieren mit dem Story-Rahmen in Verbindung zu setzen. Gerade deswegen geht es häufig darum, diesen Rahmen so zu entwickeln, dass er den Spielverlauf unterstützt. In welcher Weise kann dann der Spieler als Autor der Geschichte angesehen werden? Der Spieler muss ohne Zweifel als Autor der einen Geschichte, die er spielt, betrachtet werden. Es gibt immer die erzählte Geschichte des Entwicklers und die erlebte Geschichte des Spielers –es gibt also nie nur die eine Geschichte. Spieler verbinden das in Spielen Erlebte auch mit ihren eigenen Erfahrungen und ergänzen diese – sie haben ihre eigenen Anekdoten. Spiele haben immer mehrere Story-Ebenen die gleichzeitig passieren – das ist einer der Gründe, warum Spiele so reichhaltig sind und gleichzeitig die extrahierbaren Geschichten so dünn. ¶ Die stag conference stories & Games beschäftigt sich mit verschiedenen Formen interaktiven storytellings, bietet internationale speaker und findet am 27. september im Wiener naturhistorischen Museum statt. stagconf.com


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► Su p e r h e ro Sat u r day ► Kostümierte Normalos beim /Slash-Festival »Griff The Invisible«: australisches Genre-Kino von Leon Ford

Shut Up, Crime!

Daneben ist das neue Super: In seiner zweiten Ausgabe setzt das Fantasy-Filmfestival /Slash neben Horror und Japano-Trash auch auf liebenswürdige Durchschnitts-Superhelden. ufmerksame Kinogänger wissen: Die LeinwandHerrschaft der Superhelden nimmt kein Ende. Mit dem hammerschwingenden Thor und dem Schilder schleudernden Captain America hat das Comic-Studio Marvel heuer wieder zwei taffe Muskelpakete auf das Publikum losgelassen. Dem steht ein alternativer Heldentypus gegenüber, der zurzeit besondere Sympathie genießt: schwächliche Durchschnittstypen, frei von jeglichen überirdischen Fähigkeiten und Ressourcen. Randfigu-

ren der Gesellschaft, die ihre Unsicherheit hinter ihren Kostümen zu verstecken versuchen. Ihre Taten dienen nicht primär dem Wohl der Menschheit, sondern der unkonventionellen Selbsttherapie. »Kick-Ass« ist etwa ein solcher Charakter – und ebenso die Helden im Programm des zweiten /Slash Filmfestivals. Mit dem »Superhero Saturday« setzt das Festival eben nicht auf knallharte Testosteron-Kämpfer, sondern auf Normalos in bunten Kostümen – auf den kleinen Mann mit der großen Vision. Ein


solcher ist zum Beispiel Frank (Rainn Wilson), ein Mann mittleren Alters, der seine Frau an den Drogendealer und StripclubBesitzer Jacques (Kevin Bacon) verliert. In der schwarzen USSuperheldenkomödie »Super« von Troma-Spross James Gunn legt er sich deshalb ein knallrotes Kostüm zu und zieht gemeinsam mit Sidekick Libby (Ellen Page) in den Kampf. Mit plötzlich erstarktem Selbstbewusstsein ruft Frank nun »Shut up, crime!« in die Welt hinaus und legt damit sein altes Ich ab. Zu einem besonders heroischen Erscheinungsbild ist er aber trotzdem nicht herangewachsen.

Sozialdrama in Latex

Etwas jünger und unverbrauchter, aber nicht weniger mit Komplexen beladen ist der Protagonist in Australiens Beitrag zum subversiven Superheldenkino, »Griff The Invisible« (Regie und Buch: Leon Ford). Weil Griff im echten Leben schwer klarkommt, hat sich der 28-Jährige in seiner eigenen kleinen Fantasiewelt eingeschlossen. Nachts arbeitet er hartnäckig, aber mäßig begabt an seinem Image als unsichtbarer Retter; tagsüber hat der nervöse, kleinlaute Griff einen ganz normalen Schreibtischjob, wo er dem Spott seiner Arbeitskollegen ausgeliefert ist. Eine Wende macht Griffs Leben, als er die entzückende Melody kennenlernt. Die scheint genauso zu ticken wie er und muntert ihn dazu auf, weiterhin als unsichtbarer Held auf Verbrecherjagd zu gehen. Gemeinsam entfernen sie sich mehr und mehr von der Realität. Aber die lässt sich nicht ewig verweigern und trifft die beiden schließlich mit voller Härte. »Griff The Invisible« lässt sich als schrilles Sozialdrama sehen. Bloße Superheldenkomödie ist der Film ab dem Zeitpunkt nicht mehr, als klar wird, dass Griff nicht nur Held spielen will: Er unterliegt ernsthaften Wahrnehmungsstörungen, ausgelöst durch prekäre soziale Umstände. Einen weiteren Helden der beherzt überforderten Art liefert der japanische Kultregisseur Takashi Miike mit »Zebraman«: Shin‘ichi Ichikawa ist ein gescheiterter Lehrer und Familienvater. Da kommt es ihm gerade recht, dass die Erde von einer Unheil bringenden, extraterrestrischen grünen Masse heimgesucht wird. Zeit für Zebraman! Als schwarz-weiß gestreifter Retter – die Figur stammt ursprünglich aus einer Fersehserie aus Shin‘ichis Jugend – will er seine bis dato trübsinnigen Existenz abstreifen. Wie Frank und Griff schlüpft er in ein Kostüm, um aus seinem Alltag auszubrechen.

Drastische MaSSnahmen

Dennoch stehen am Ende drei unterschiedliche Entwürfe des alternativen Superhelden. Im Gegensatz zu »Super« und »Griff The Invisible«, die gerade vom Kontrast zwischen Fantasie und Realität leben, driftet Takashi Miike bewusst ins Fantastische ab und gibt damit auch seinem Protagonisten mehr Spielraum. Shin‘ichi, der schließlich tatsächlich ungeahnte Kräfte erlangt, mausert sich vom Versager zum umjubelten Helden. So vollzieht »Zebraman« eine eher klassische Romantisierung des Superheldendaseins. Frank und Griff hingegen bleiben schonungslos am Boden der Realität kleben. Im Fall von »Super« endet dieser Ausflug in die Welt der Comics in einem wenig glamourösen Blutbad. Ausgerüstet mit einfachen Waffen wie einer Rohrzange stolpert Frank durch den Untergrund. Um nicht sofort getötet zu werden, muss er selbst hohe Gewaltbereitschaft aufbringen. Den unpopulären Helden zwingt gerade seine Unterlegenheit zum Töten. Durch den Entzug des Heldenhaften wird das Genre demontiert und ein neuer Weg eingeschlagen, der von unerwarteter Drastik lebt. Mit weniger harten Bandagen hat Griff zu kämpfen. Physische Konfrontationen bilden eher nur den Hintergrund für sein Ringen mit sich selbst. Der Film stellt sich im Zweifelsfall auf die Seite der Realität, kann aber der Außenseiterromantik des Spinners auch eine romantische Komponente abgewinnen: Man wird ja wohl noch ein bisschen twee träumen dürfen. ¶

43 text Jan Hestmann bild /Slash Filmfestival

/Slash Filmfestival 2011

Innerhalb von nur einem Jahr hat sich das Wiener Festival des fantastischen Films mit kontinuierlichen Screenings eine beträchtliche Fanbase erarbeitet. Bei der zweiten Ausgabe treffen junge Wilde auf Horroraltmeister (John Carpenter, Herschell Gordon Lewis, Paul Naschy), wagen Mumblecore und Killerhorror ein Tänzchen (»A Horrible Way to Die«) und schaut mit Crispin Glover höchstpersönlich ein großes Unikat des US-Kinos vorbei. Fürs Kinnlade-Runterklappen sorgen auch neue Filme des 2010 gegründeten Edeltrash-Labels »Sushi Typhoon«: Der westliche Arm des traditionsreichen japanischen Studios Nikkatsu hat dem Festival schon im letzten Jahr Aliens, Ninjas und Mutantenmädchen beschert. Diesmal sagt unter anderem Karate-Robo Zabogar dem konventionellen Erzählkino den Kampf an. Das /Slash-Filmfestival findet von 22. bis 30.September 2011 im Wiener Filmcasino statt. Alle Infos auf slashfilmfestival.com

Festivaldirektor Markus Keuschnigg …

… zu Anti-Superhelden: »Im Unterschied zu Superman oder Batman sind sie weder obszön reich noch mit überirdischen Kräften ausgestattet. Insofern ist das Identifikationspotenzial viel größer. Außerdem macht es sehr viel Spaß zu überprüfen, was passieren würde, wenn diese Pop-Fantasien von einsamen Rächern in unserer Wirklichkeit in die Tat umgesetzt werden würden. Und so viel sei verraten: sehr heroisch ist das nicht.« … zur Finanzierung des Festivals: »Die Privatwirtschaft ist konservativ und reagiert auf ein grelles Festival wie das unsrige verhalten, weil man oft Angst hat mit »schmutzigen« Filmen in Berührung zu kommen. Die Fördereinrichtungen sind zum Glück aufgeschlossener, aber auch hier kämpft man oft gegen Windmühlen, da für viele »Unterhaltungsfilme« und »Förderbarkeit« nicht vereinbar sind.« … zum wieder stattfindenden Zombie-Flashmob: »Bei dem geht es, abgesehen von der Gaudi, nicht zuletzt darum, Irritationseffekte in den öffentlichen Raum einzuschleppen, Genre-Tropen in der Wirklichkeit auszuprobieren. Ein bissl wie die Superhelden in unseren Filmen.« AU S GA B E 1 1 9 / 0 4 1 ◄


freiräume, macher & piraten Zürich hat im Verhältnis zur Fläche der Stadt und deren Bevölkerung die größte Clubdichte aller europäischen Städte. Behaupten Tourismusverein und Stadtmarketing einfach mal. Berlin, London und Paris wenden dagegen nichts ein. Aber: Was genau unterscheidet die größte Stadt der Schweiz von Wien und deren Clublandschaft?.

ürich hat halb so viele Einwohner wie Wien. So betrachtet kein schlechter Ausgangspunkt, um die Städte in Sachen Clubkultur zu vergleichen. Da wie dort wird gerne und ausgiebig gefeiert. Aber es gibt da so einige Unterschiede. In Zürich gilt etwa keine Sperrstunde. Das ermöglicht es den Veranstaltern, einen größeren Bogen von der Nacht bis in den darauffolgenden Tag zu spannen. »Wir können die Party sozusagen zu Ende bringen. In Wien wird womöglich im besten Moment der Stecker gezogen. Was natürlich auch Vorteile haben kann, die Vorfreude aufs nächste Mal wird größer sein«, so Billy Bildstein, der seit fünf Jahren in Zürich zuerst in der Härterei und seit zwei Jahren in der Alten Börse seine City­ fox-Partys veranstaltet. »In Zürich kann eine Party auch mal zu lange gehen, man verpasst dann den richtigen Zeitpunkt, um Schluss zu machen. Es ist oft schwierig, sich selber Grenzen zu setzen, darum gibt es ja auch solche Gesetze.« Wien, so kommt es ihm vor, ist noch nicht so verbraucht, speziell, wenn es um die Offenheit und die Durchmischung der Szenen geht. Diese Frische bedeutet, dass Wien noch lange nicht gesättigt ist, aber im gleichen Zug auch, dass noch einige Entwicklungen ausstehen. Strukturen sind noch weniger etabliert, es gibt Freiräume, Arbeitsschritte könnten schlanker werden, kreative Köpfe haben die Möglichkeit, die Szene mitzugestalten und sie zu modellieren. Oft ist das aber nicht gerade der dankbarste und lukrativste Job der Welt. Billy Bildstein: »Hier in Zürich besteht die Herausforderung darin, das bestehende Level ständig zu erhöhen, oder mindestens die vorhandene Qualität zu halten. Die Clubdichte im Verhältnis zur Größe der Stadt und deren Bevölkerung ist die größte weltweit. Oft entsteht dadurch ein massives Überangebot. Die Clubs haben hier alle eine solide Programmation und werden professionell geführt. Die Kehrseite ist, dass es nicht mehr viele Freiräume gibt, um neue Locations zu entdecken und dort Clubkonzepte umzusetzen«. Zwar beschwerte sich ein winzige Facebook-Gruppe Ende 2010 über überfüllte Clubs durch mehrere Schließungen. Doch Alex Dallas sagt im Interview, dass allein 2011 fünf neue Locations in Zürich eröffnet haben. Er war selbst an der Dachkantine beteiligt,

2004

2004

2005

2006

2006

Play.fm hat die größte Datenbank an DJ-Sets auf diesem Planeten. 2011 wurde erfolgreich eine mobile App vorgestellt.

Der Ost Klub eröffnet da, wo früher das Atrium war. Die Location am Schwarzenbergplatz wird schnell zum Dreh- und Angelpunkt von Balkan Pop, Russendisko und osteuropäischen Musikrichtungen aller Art.

Das Magazin Resident beackert drei Jahre und zwölf Ausgaben lang Drum’n’Bass, Dubstep, Grime und Breaks aller Art. 2008 streckt das Magazin mitten in der Finanz- und also Anzeigenkrise die Pfoten.

Das Fluc am Praterstern feiert Wiedereröffnung. Durch den Bahnhofsumbau muss man ein paar Meter weiter in und auf eine ehemalige Unterführung übersiedeln. Dort entwickelt sich in dem improvisierten Bunker schnell eine unbändige Experimentierfreude und Feierlaune.

Myyy Bitch Club, Less Talk More Rock, Pling Plong, Pola:Riot, Strom Club, Club Hot Shit, Def Disco … Nu Rave, Indiedisco und DFA-Getanze finden in eher kleinen Clubs eine Heimat in Wien. Gern gesehen sind dort Themenpartys, Kopfschmuck, neonfarbene Kleidung und Stroboskop-Beats & Bässe.

text Johannes Piller BILD marc lins

► Clu b kult u r : Z ü r ic h un d W i en ► Feierstädte im Vergleich


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einem Monument der Schweizer Clubkultur. Mittlerweile orgaIn Wien feiert man gerne auch nach der Sperrstunde weiter. nisiert er den Club Zukunft und ist einer der beiden Labelchefs Oft im Bereich zwischen legal und illegal, in Hinterzimmern von Drumpoet Community – ein Label, das auch in einem mehr- von dubiosen Bars oder im Sommer unter Autobahnbrücken seitigen Feature des Techno-Leitmediums De:bug unter dem und nicht unmittelbar einsehbaren Grünanlagen. Der Drang ist Titel »Helvetica Hopp!« porträtiert wurde. Akuten Platzmangel groß, der Wille nach Hause zu gehen quasi nicht existent. »Die gibt es in Wien dagegen noch nicht, doch langsam kommt in die Afterhour-Kultur in Zürich hatte ihren Höhepunkt zu Zeiten der Kaffeehausgemütlichkeit ein wenig Pepp. vorher erwähnten Dachkantine. Da gab es jedes Wochenende zahlreiche illegale Partys oder einfach kleinere Afterhours bei jemand zu Hause. Teilweise einfach, um die Zeit zur nächsten Vollkosten-Deal Einer der größten Unterschiede zwischen Wien und Zürich: In Party in einem Club zu überbrücken. Heute ist es nicht mehr Zürich teilen sich Partymacher und die Clubbesitzer alle Kosten. so üblich, schon alleine darum, weil hier jeder arbeitet und am »Ich finde den Deal in Wien nicht sehr attraktiv und fair dem Montag morgen seinen Job nicht verlieren will. Heute ist es trotz Veranstalter gegenüber«, so Bildstein von Cityfox. So ähnlich nicht vorhandener Sperrstunde selten, dass reguläre Veranstalsieht das auch Drumpoet Alex Dallas: »In Zürich, zumindest in tungen länger wie bis acht Uhr morgens gehen. Womit das zu vielen der Underground-Clubs, ist es üblich, dass die Veranstal- tun hat, ist schwierig zu beantworten. Die neue Generation der ter am gesamten Erfolg, aber auch am Verlust beteiligt sind«. In Clubgänger feiert lieber kurz und intensiv, der Drogenkonsum Wien tut eine lange Gästeliste den Partymachern weh, während hat sich sicherlich auch verändert«, so Billy Bildstein. die Locationbetreiber sich über höhere Einnahmen an der Bar In einem sind sich alle einig: Es braucht Menschen, die Dinfreuen können. Denn die Veranstalter bekommen hier lediglich ge in die Hand nehmen und etwas oder jemanden bewegen den Eintritt, den zwar voll und ganz, müssen davon aber DJs, wollen. Auf die Frage, was eine Großstadt braucht, damit eine Flüge, Promotion, Flyer, Miete, Visuals, Catering und Dekoration vernünftige Clublandschaft entstehen kann, antwortet Dallas: zahlen. In Zürich ist es üblich, einen sogenannten Vollkosten- »Viele enthusiastische und motivierte Macher, gute DJs aus Deal zu haben. Der variiert natürlich, mal sind es etwas mehr verschiedenen Genres und, am wichtigsten, Menschen, die geroder mal weniger Prozent, aber die Basis ist immer dieselbe. Man ne tanzen!« Bildstein formuliert es noch ein wenig konkreter: nimmt alle Kosten, die eine Veranstaltung verursacht und wirft »Freiräume, Freiheit, Interesse, Toleranz, Macher und Piraten«. sie in einen Topf. In denselben Topf kommen dann alle Einnah- Diese lassen sich auch in Wien finden und wenn sie sich durch men wie Eintritt, Bar und Garderobe – in manchen Fällen auch Amtsschimmel, Parteienmeierei und diffusen Kleingeistigkeiten Sponsoring, was allerdings in den nicht so kommerziellen Clubs nicht entmutigen lassen, kann und wird eine florierende Clubkaum der Fall ist. All das wird je nach Deal aufgeteilt. Abgaben landschaft entstehen samt qualitativem Output. wie Vergnügungssteuer, Abfuhr an die AKM und AusländersteuDifferenzen zwischen Wien und Zürich gibt es noch einier (ja, die heißt so und ob sie EU-konform ist, weiß niemand so ge, doch sind diese nicht so drastisch wie vielleicht anfänglich genau) kommen in Wien noch dazu oder werden in eine höhere angenommen. Bis der Easyjet-Tourismus nach Wien einsetzt, Miete reingerechnet und machen den Veranstaltern in Wien das dauert es sicher noch ein Weilchen. Die Frage ist nur, ob wir den ¶ Leben in der Nacht schwer. In Zürich gibt es das so nicht. Alex überhaupt wollen. Dallas: »Die Urheberschutzgesellschaft Suisa verlangt eine sehr kleine Gebühr für die Ausstrahlung von Musik, ansonsten gibt es noch die Mehrwertsteuer, aber keine Veranstaltersteuer in Das vollständige Interview mit Billy Bildstein von Cityfox nachzulesen auf www.thegap.at dem Sinne.«

2007

2008

2010

2010

2011

Das Sound:frame Festival tritt an, um einer wuselnden Visualisten-Szene Leinwände und Installationen zu bieten, als viele Clubs die bunten Birnen aus Kostengründen schon wieder herausgedreht haben. Im fünften Jahr wird Sound:frame um eine international tätige Agentur erweitert.

Superfly geht auf Sendung und strahlt im Netz und auf Frequenz 98.3 viel Soul, Funk, aber auch elektronische Musik in die nähere Umgebung aus. Zum Entertainment-Imperium der Radiomutter Sunshine Enterprises gehören auch die Clubs Passage und Roxy.

Die Pratersauna sammelt im ersten Jahr die meisten Facebook-Fans aller österreichischen Clubs, sorgt wegen Meischberger-Plech-Pacht für Schlagzeilen und wird auf Platz 2 der besten Clubs im Jahrespoll des deutschen Techno-Leitmediums De:bug gewählt.

Die 24-Stunden-U-Bahn fährt erstmals am Wochenende durch. Kotzende Fahrgäste, immer später beginnende Partys und Sexvideos aus der U-Bahn sind die zünftigen Begleiterscheinungen einer an sich überaus sinnvollen Maßnahme.

Die Sperrstunde wird flächendeckend von vier auf sechs Uhr früh verlängert.


► »W hor es ’ glo ry « ► Geschichten von Prostituierten

► 0 4 4 / AUSGABE 119

text Volker müller bild filmladen


Sexarbeit in Wort und Bild: Parallel zum Filmstart von »Whore’s Glory« veröffentlicht Michael Glawogger eine Dokumentation in Buchform. Einige Ansichtssachen.



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DINGE, DIE WIR MÖGEN. FÜR MENSCHEN, DIE WIR MÖGEN. — MAGAZINE UND ABOS — TEXTILIEN — TICKETS — UND NOCH SO EINIGES.

KöRPER, lIEBE, GElD Filmemacher Michael Glawogger hat sich in seiner Doku »Whores’ glory« der Prostitution gewidmet und ist dafür nach thailand, Mexiko und Bangladesch gereist. Ergänzend zum Film erscheint ein Bildband.

Es ist alles ganz einfach, fast schon genial: Im Monomarkt findest du Konsumgüter verschiedenster Art und Weise, Größe und Farbe. Aus Papier, Stoff und auch Plastik. Von Magazin-Abos über Kleidungsstücke bis hin zu Tickets für Veranstaltungen, Sticker, Buttons oder Taschen. Was diese Produkte gemeinsam haben? Wir sind von ihrer Qualität überzeugt und auch davon, dass sie dir, deinen Freunden, Geschwistern, deiner Cousine, dem Typen aus der Bibliothek – sprich: allen Menschen, die du gerne hast, gut bis sehr gut gefallen werden. Wir bestücken den Monomarkt mit Dingen, die zwar nicht überlebenswichtig, aber wichtig für das Leben sind. Wir tragen Kleinod zusammen, hinter dem gute Ideen stehen. Wir bieten dir Sachen an, die wir selber gerne haben. Wir hoffen, dass dir unsere Produkte gefallen. Und wir freuen uns, wenn du den Monomarkt unterstützt, sei es mit einer Bestellung, indem du uns weiter empfiehlst oder uns deine Anregungen oder Kritik mitteilst.

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In den letzten Jahren ergänzte Michael Glawogger mit »Slumming«, »Das Vaterspiel« und »Contact High« sein Werk in erster Linie um Spielfilme. Internationalen Ruhm erlangte er davor durch die beiden Dokumentarfilme »Megacities« und »Workingman’s Death«, für die er auch zahlreiche Auszeichnungen entgegennehmen durfte. Mit »Whores’ Glory« schließt er an diese Dokumentationen an, und verhandelt in dem Film das Thema Prostitution, das er ansatzweise bereits in seinen beiden vorangegangenen Filmen gestreift hat. Aufgebaut wie ein über die ganze Welt gestrecktes Triptychon, thematisiert er das Geschäft mit der Liebe und den Umgang damit in verschiedenen Kulturen, respektive Religionen. In Thailand beispielsweise ist Prostitution offiziell verboten, das Land gilt aber weiterhin als erste Anlaufstelle für Sextouristen und Menschenhandel. Auch die Thais selbst lassen gehören zu den fleißigsten Bordellbesuchern weltweit. In Bangladesch leben und arbeiten die Prostituierten auf engstem Raum und teilen sich oft ihre Unterkunft mit Müttern, Schwestern oder Großmüttern. Wobei die Mutter schon mal auch als Zuhälterin fungiert. Mexiko erlaubt Prostitution weitgehend. Dafür sind eigene Rotlichtviertel (La Zona de la Tolerancia) vorgesehen, die von der Polizei überwacht werden sollten. Wobei das Wort Überwachung wohl oft eine rigorose Übertreibung darstellt, da die Polizei sich eigentlich einen Dreck darum kümmert, was innerhalb dieser Zonen passiert. Der Drogenkonsum geht hier mit der Prostitution einher. Michael Glawogger drehte »Whores’ Glory« nicht nur als Film, sondern ließ die Dreharbeiten begleitend in Bildern festhalten, die er Anfang September auch als Bildband veröffentlicht. Die Bilder auf den vorangegangenen Seiten stammen aus diesem Buch. ¶ »Whores’ Glory« startet am 9. september in österreichischen Kinos. Der Bildband ist via orange Press erhältlich. Mehr Bilder unter www.thegap.at/filmserien


Erst bio einkaufen, dann bio heimfahren.

Wir sehen uns auf Facebook! www.facebook.com/wienerlinien

www.wienerlinien.at

Die Stadt gehรถrt Dir.


► Vie N N a d es i G N W e e k ► Ein Festival in Gegenwart und Zukunft

KOMMENTAR PETER STUIBER BILD KOLLEKTIV FISCHKA

kochen oder köcheln? Die vienna Design Week wird fünf. Zeit zum Feiern, aber auch zum nachfragen: Wo steht das Festival heute? Und wie geht’s weiter? m Anfang war kein Masterplan. Sondern die Überzeugung, dass für das Thema etwas getan werden muss. 2006 veranstalteten Tulga Beyerle, Thomas Geisler und Lilli Hollein erstmals die sogenannten »Passionswege«, die zum festen Kern eines sich schnell entwickelnden Festivals werden sollten: In Wien ansässige produzierende Unternehmen werden dabei mit Designern zu einem Projekt zusammengespannt, die Ergebnisse anschließend bei der Vienna Design Week präsentiert – von temporären Installationen bis zu Serienprodukten. Womit wir auch schon beim ersten Erfolg sind, den sich die Macherinnen der Design Week (Thomas Geisler arbeitet mittlerweile als Designkurator im MAK) auf die Fahnen heften: Dass das Festival nachhaltige Initiativen gesetzt hat und eine Menge von Wiener (Traditions-)Betrieben für die Zusammenarbeit gewinnen konnte. Als Erfolg verbucht wird auch die internationale Anerkennung: »In der Designszene gelten wir als eines der besten Festivals Europas«, so Beyerle, die sich der internationalen Konkurrenz bewusst ist, schließlich gibt es ähnliche Veranstaltungen unter anderem in Berlin (DMY Festival) und Budapest (Budapest Design Week), Laibach (Month of Design) und Prag (Designblok). Geholfen hat in Wien sicherlich, dass die kuratorische Handschrift der Initiatorinnen einen großen Teil des Festivals prägt und so ein Ausrinnen Richtung Messe-ähnlichen Auftritten eindämmt. »Außerdem ist es uns gelungen, nicht nur die Community, sondern ein breites Publikum anzusprechen«, so Beyerle weiter. 26.000 Besucherinnen und Besucher wurden im vergangenen Jahr gezählt. Das rasante Wachstum hatte auch mit der permanenten Entwicklung weiterer Formate zusätzlich zu den Passionswegen

zu tun: So gibt es etwa die »Carte Blanche«, bei der Designer ohne kommerziellen Druck ein Projekt verwirklichen können, oder das »Labor«, wo man Kreativen bei der Arbeit über die Schulter schauen kann. Darunter mischen sich wiederum rein kommerzielle Projekte von Möbelhändlern, die die Gunst der Stunde nutzen und neue Kollektionen ins Rampenlicht stellen. Das Programm hat sich vervielfacht, den Überblick zu behalten fällt allerdings schwer, auch wenn der Festival-Guide einen Weg durchs Dickicht zu schlagen versucht: »Es ist eben für jeden etwas dabei, für Spezialisten wie für Einsteiger oder für Kinder«, so Hollein. »Natürlich müssen wir da und dort auch Formate verbessern, aber deswegen stellen wir sie nicht gleich prinzipiell in Frage.«

InDUstRIE UnD KUnst

Die »Kunstlastigkeit« des Festivals hat immer wieder Industriedesigner zu wenig freundlichen Kommentaren herausgefordert. Sie fühlen sich unterrepräsentiert und kritisieren das Bild vom experimentellen Designer, das der Öffentlichkeit fälschlicherweise vermittelt werde. Der Arbeitsalltag vieler Gestalter sehe nämlich anders aus: schnöde Verpackungen statt experimenteller Stühle, Konsumartikel statt One-Offs, Büroalltag statt Galerien-Flair. »Die Kritik ist durchaus berechtigt. Wir arbeiten daran, den Bereich des klassischen Industriedesigns stärker einzubinden«, verspricht Beyerle. Wobei die FestivalManagerinnen ihrerseits bemängeln, dass relativ wenige Industriedesigner Interesse zeigen würden. »Wer sich bei uns meldet, wird merken, dass wir sehr offen sind«, bekräftigt Hollein.

WEst, sÜD, ost

Was dem Festival ohne Zweifel von Anfang gut getan hat, ist


die internationale Ausrichtung – und das nicht nur nach West-, Die private Initiative ist längst zur international vernetzten sondern auch nach Süd- und Osteuropa. Gerade in diesem Institution geworden – dennoch muss jedes Jahr um jeden Cent Raum sind in den vergangenen Jahren extrem dynamische Sze- für die Finanzierung gekämpft werden. Langfristig könne man nen entstanden, die gehörig Aufsehen erregen. So legte das dies- nur sehr eingeschränkt planen, von einem Drei-Jahres-Plan nur jährige Design Week-Gastland Polen bereits 2010 im Mailänder träumen. Ganz zu schweigen von der bescheidenen InfrastrukTriennale-Museum einen furiosen Auftritt hin. Im internatio- tur, zurzeit agiert man von einem kleinen Büro in Wien-Marganalen Umfeld ist es für heimische Kreative allerdings nicht im- reten aus, das eher an einen Kreativ-Sweatshop erinnert denn mer leicht, zu bestehen. So sind die jüngeren Designerinnen und an den Sitz der aktivsten Wiener Anlaufstelle für Design. Daher Designer aus Wien heuer nur spärlich vertreten. »Da gibt es ist trotz allem Enthusiasmus bei Hollein & Beyerle eine gewisse schon eine gewisse Lahmarschigkeit, um es drastisch zu sagen«, Genervtheit zu spüren, wenn’s um die Kohle geht: »Es wird zwar so Hollein. »Man bietet ihnen die Plattform – aber es kommt grundsätzlich anerkannt, dass wir etwas bewegen. Nur ist geraderzeit leider nicht viel«, ergänzt Beyerle. Und das ausgerech- de unser Engagement auch für manche ein Grund, uns finanziell net, nachdem das vergangene Jahrzehnt einen beachtlichen Auf- auf kleiner Flamme köcheln zu lassen. Man verlässt sich darauf, dass wir ohnehin weitermachen.« schwung für die hiesigen Studios brachte. Dazu kommt das typische Dilemma von Design als Disziplin Doch während die Kolleginnen und Kollegen aus Polen oder Ungarn sich mit professionellen Konzepten und viel Herzblut zwischen Wirtschaft und Kultur – in letzterem Bereich fehlt in die Sache reinhängen, glauben manche junge »Einheimische« manchmal noch immer das grundlegende Verständnis dafür, als offenbar, es genüge bereits, Absolvent der Angewandten zu sein, vollwertige künstlerische Tätigkeit gilt Design wiederum auch um automatisch zum Nachfolger von EOOS, For Use oder an- nicht. Doch man wolle nicht jammern, so Tulga Beyerle und deren österreichischen »Stars« ausgerufen zu werden. Über die Lilli Hollein, denn das sei typisch österreichisch. Und wenn die genauen Ursachen für die momentan grassierende Passivität Vienna Design Week etwas bewiesen hat, dann dieses: Dass sie wundern sich Beyerle und Hollein selbst, eine Erklärung da- kein kreativer Kleingartenverein in Rot-Weiß-Rot ist. Es wäre für haben sie nicht. Ist es pure Naivität? Platte Hochnäsigkeit? höchst an der Zeit, das nicht nur gönnerhaft anzuerkennen, Akuter Realitätsverlust? Oder möglicherweise Desinteresse an sondern auch für die »Rahmenbedingungen« (wie es in der Polieinem Wiener Event, weil nur internationale Auftritte cool sind? tik immer so unsäglich heißt) zu sorgen, damit auch in Zukunft ordentlich aufgekocht werden kann. ¶

Eine explosive Sparflamme

Jedenfalls gäbe es gerade für den Nachwuchs viel Know-how abzuholen, ist doch die Design Week nicht bloß ein Festival, sondern mittlerweile ein ganzjährig von vielen genutztes Kompetenzzentrum, das in dieser Form hierzulande einzigartig ist.

Die Vienna Design Week findet von 30. September bis 9.Oktober in diversen Locations in Wien statt. Mehr Infos auf: www.viennadesignweek.at AU S GA B E 1 1 9 / 0 5 1 ◄


► Des ign in C lu b s ► Clubs zwischen Design und Nicht-Design

hybride dinge & optische wildsäue ür die reinen, wahren, echten Musikkenner Gut, dann fragen wir doch jemanden, der es wissen muss: Ben spielt Design natürlich überhaupt keine Rol- Kelly. Der britische Designer hat sich vor knapp 30 Jahren mit le. Behaupten sie zumindest. Sie gehen in be- der Gestaltung des legendären Fac 51 Haçienda in Manchester stimmte Clubs, weil dort das gespielt wird, was verewigt, der im Umfeld des Labels Factory Records und dessen sie interessiert. Nicht mehr und nicht weniger. Gründers Tony Wilson sowie der Band New Order entstand. In Auf Nachfrage geben sie immerhin zu, dass der Musikgeschichte gilt The Haçienda unter anderem als Geauch die »Stimmung« und das räumliche Ambiente eine gewisse burtsort des Rave, verewigt wurde der Club in dem Film »24 Rolle spielen. Man stelle sich vor, das Flex-Publikum müsste Hour Party People« von Regisseur Michael Winterbottom. »Er sich ab sofort im hell erleuchteten Musikvereinssaal treffen. war nicht als Disco geplant, sondern als richtige Live-Location«, Gerade im alternativen Bereich herrscht bekanntlich eine fana- erinnert sich Kelly – und tatsächlich zeugen Fotos vom bühnentische Vorliebe für heruntergekommene Locations (Bunker, auf- artigen Charakter der Inneneinrichtung. In einem ehemaligen gelassene Industrieanlagen, Kellergewölbe), die ja ihren Reiz ha- Yacht-Showroom untergebracht, erweckte er die grafische Welt ben können. Ihnen den zu nehmen, indem man eine Menge Tand der Factory Records – geprägt vom Grafikdesigner Peter Saville und Trödel und Glitter hinzufügt, ist natürlich blanker Unsinn. – zu einem dreidimensionalen Leben: Grau und Blau wurden als Und so versteht man auch die lakonische Reaktion des Hambur- »coole« Farben eingesetzt, gemischt mit vitalem Orange. Mit ger Golden Pudel Club auf unsere zarte Anfrage, ob man etwas subtilen, einfachen Mitteln wurden Bereiche voneinander abzum Thema beisteuern will: »Aber wir haben doch gar keine In- gegrenzt, die wie unterschiedlich genutzte Orte innerhalb einer neneinrichtung!« Zu Gestaltungsfragen könne und wolle man Stadt funktionierten. Nicht zu vergessen die oft kopierte Beklesich nicht äußern, denn: »Wir sind optische Wildsäue.« bung der Säulen mit schwarz-gelben Sicherheitsstreifen. Erst

TEXT Peter Stuiber BILD Ben Kelly

Wie viel »Design« verträgt ein Club? Gute Frage, meinen die einen. Schlechte Frage, meinen andere. Antworten darauf gibt es jede Menge.


Die »Fac 51 Hacienda« in Manchester ist der zentrale Ort britischer Ravekultur. Grau und Blau wurden als vitale Farben eingesetzt. Charakteristisch: die schwarz-gelben Sicherheitsstreifen.

kürzlich hat Kelly wieder zwei Clubs (South und Fac-251) in Kunst-Präsentationen, wobei Werke mitunter in den Clubbereich Manchester gestaltet, letzteren davon ausgerechnet im ehema- hinüberwachsen oder nach Ausstellungsende bleiben könnten. ligen Headquarter von Factory Records. Zahlreiche Anspielungen Die wiederkehrende Veränderung des Raums schaffe Spannung auf früher durften da nicht fehlen. »Auch wenn ich nicht glaube, fürs Publikum, das Interior Design entwickle sich damit ständig dass das junge Publikum das überhaupt bemerkt«, lacht er. Für weiter, so Weiss. die Beurteilung aktueller Tendenzen bei Clubs in Europa fühlt Zu den beliebtesten Clubs im deutschsprachigen Raum zählt sich Kelly nicht zuständig, dafür gehe er mittlerweile zu wenig auch das 1999 eröffnete Robert Johnson in Offenbach, bei dem in Clubs. Aber immerhin ein Begriff kristallisiert sich bei der Be- wiederum ein gänzlich anderes Konzept gefahren wurde: Antischreibung seines Umgangs mit Clubräumen heraus: es sei mit- design nämlich, aber das auf hohem Niveau. Die Location erunter ein »hybride thing« zwischen aktiver Gestaltung und dem innert eher an ein Wohnzimmer denn an einen Club, die Möbel Respekt vor vorhandener Substanz, zwischen Neuem und Altem. sind flexibel, es gibt einen Holzboden, eine schlichte Bar, weiße Und noch etwas verrät er: dass in Wien eines der Lokale steht, Wände, beim Licht beschränkt man sich auf die Grundfarben die ihn maßgeblich beeinflusst haben – der Rote Engel nämlich, Rot, Grün und Blau. Den Gedanken dahinter beschreibt Gründer Urgestein von Coop-Himmelblau. »It’s absolute fantastic«, meint Athanassios Macias so: »Wir wollten einen offenen Raum ohne Kelly und ist erstaunt, als er erfährt, dass es das Lokal nach 30 Firlefanz. Im Mittelpunkt steht bei uns die Musik. Während anJahren immer noch gibt. dere mehr als die Hälfte des Kapitals in die Lichtanlage investieren, war uns die Qualität der Musikanlage wichtiger. Wir wollten, Anti-Design dass die Leute nicht von Lichtkugeln, Spiegeln, Laseranlagen Da Kelly selbst schon seit ewigen Zeiten nicht in Wien war, oder sonst etwas abgelenkt werden, sondern sich auf die Musik kann er die Pratersauna gar nicht kennen, jene Location also, konzentrieren. Der Rest ist Nebensache. Wir haben hier ja auch die hierzulande in jüngster Zeit wohl am meisten für Aufsehen keine Werbung, hinter der Bar sind keine Flaschen mit Alkohol gesorgt hat. Man sei absolut nicht auf der Suche nach einem aufgestellt. Wir wollen Musik spielen, nicht Alkohol verkaufen.« Retro-Ort gewesen, beteuert Hennes Weiss, einer der Betreiber. Mit seinem Club hat Macias nicht nur der Szene neue Wege aufDass man auf die 1965 errichtete ehemalige Luxus-Saunaland- gezeigt, sondern sich auch seinen persönlichen Traum erfüllt. Er schaft gestoßen sei, sei reines Glück gewesen. Den Charme der sei zehn Jahre lang überall auf der Welt in Clubs gewesen. »Ich 60er und 70er Jahre galt es zu bewahren, man strebe eine Sym- hatte es satt, immer nur in den Keller zu gehen, in ein schwarzes biose aus Altem und Zeitgenössischem an. »Wir arbeiten kaum Loch.« Daher wollte er das Gegenteil machen: Spartanisch, aber mit Architekten, geben dafür jede Menge Künstlern die Mög- sauber und einladend. Immer wenn Leute ins Robert Johnson lichkeit, sich im Rahmen der Vorgabe zu verwirklichen bzw. zu kommen und sagen: »Aha, da ist ja nix!« – dann weiß Macias, präsentieren«, so Weiss. So hat das Künstlerkollektiv All-Aus- dass er alles richtig gemacht hat. ¶ trian-Arts den Sanitärbereich mit 360°-Designs gestaltet, das Künstlerkollektiv Lichterloh wiederum habe mit seinem Konzept www.benkellydesign.com im Bereich Lights & Visuals europaweit Standards gesetzt. Seit www.robert-johnson.de diesem Sommer gibt es auch einen »PS ArtSpace« für temporäre www.pratersauna.tv AU S GA B E 1 1 9 / 0 5 3 ◄


rüher war es für Eistee, Autos, Bier oder Kleidung einfach nur wichtig, gut zu funktionieren, gut zu schmecken, gut auszusehen. Heute steckt da überall der Partyvirus drin. Der Zwang zur Party, zum Abgehen im Club geht quer durch alle Werbeagenturen, durch die Society, durch Facebook und die Freizeitgesellschaft. Am Wochenende muss gut abgefeiert werden. Fun, fun, fun. In The Club. On The Floor. Yeah 3×! Fun sells. Für Politiker gehört es zum guten Ton, mit den Jungen in der Diskothek zu können, Schauspieler werden mit Drogenexzessen unsterblich, sogar alte Menschen dürfen sich ein paar bunte Pillen einwerfen und den Guetta machen. In so einem Umfeld ist dann manchmal nicht mehr ganz klar zu erkennen, ob sich nun entweder eine Stadt oder die ganze Gesellschaft verändert hat – oder ob man gar selbst schon weich in der Birne wird. Wien hat 2011 ein prall gefülltes Clubprogramm: von Medienopern und exquisiten Visual Artists über ranzige Technobunker und erleuchteten Afterhours bis hin zur durchschnittlichen Auflegerei für 55 Bekannte und Saturday Night Fever ist die ganze Palette im Angebot. Das funktioniert erst einmal gut geölt für die, die hier wohnen. Immer wieder fliegt sich was Internationales nach Wien ein. Doch das haben zig andere Städte auch. Nur manchmal noch mehr davon und das in leuchtenderen Farben. Damit der Ruf einer Stadt international widerhallt, braucht es Aushängeschilder, seien das nun Musik, Locations oder Festivals. In den 90ern waren etwa der Dub Club und das Soft Egg Cafe im Flex für ihr Programm an einem Montag bzw. Sonntag abend legendär, den normalerweise ödesten Clubtagen der Woche. Allein die Jukebox und eine der ersten Webcams im Wiener Rhiz waren Grund genug, um kleine Mythen daraus zu stricken. Festivals wie Phonotaktik, Hyperstrings, Picknick am Wegesrand halfen. Und dass der Donauwalzer seit der Film-Odyssee »2001« immer wieder kosmische Feierlichkeiten akustisch untermalt und zum Anfang jeden Sonnenjahres von Wien aus in die Welt gefunkt wird, prägt das Image der Stadt auch ein bisschen. Das geht nun alles nicht ohne ein Drumherum für den Tag danach. Und dem Sound, den Medien und dem Draht zu den Institutionen. Kann das Wien alles bewältigen? ¶ www.thegap.at/wortwechsel

kann wien clubmetropole werden? Man könnte meinen, die clubs von Wien sind weltberühmt. Wie aber sehen internationale Akteure die Rolle Wiens auf der weltweiten clublandkarte?

»MoMEntAn: nEIn!«

Alma Gold

Durch meine Tätigkeit als DJ bin ich seit zwei Jahren sehr häufig in Wien. Das Nachtleben spielt dabei eine überaus wichtige Rolle. Hat Wien das Zeug dazu, eine Feierhauptstadt zu werden? So, wie es im Moment aussieht, würde ich sagen: Nein! Obwohl die Ausgangslage dazu hervorragend wäre. Wien ist eine Metropole mit vielen Touristen, jeder Menge Kunst und Kultur, Kreative leben und studieren hier und Wien hat sein eigenes, besonderes Flair. Ideenreiche Veranstalter, wie Club Pompadour, Susi Klub, Filterqueen, Hart aber Herzlich, Stadtparkmusik und Sunday Mornings, um nur einige zu nennen, gestalten das Nachtleben. Talentierte und erfolgreiche Wiener DJs ziehen die Nachtschwärmer in die Clubs, dies auch ohne internationale Bookings und das ist überaus wichtig. Wien hat aber in den letzten Jahren, was elektronische Musik und Club-Landschaft betrifft, geschlafen. Erst seit der Eröffnung der Pratersauna vor zwei Jahren hat sich, in meinen Augen, etwas getan und damit wieder das Interesse der internationalen Szene auf sich gezogen. Das Flex mit einer der besten Musikanlagen europaweit und qualitativem, nationalen und internationalen Booking war bis dahin Wiens Vorzeige-Club. Leider, und das ist das große Problem an Wiens Nachtleben, machen

die Sperrstunde und die harten Auflagen diesem Club das Leben schwer. Ein weiteres Problem an Wiens Nachtleben ist, dass es neben der Pratersauna nicht viele vergleichbare Clubs gibt, welche dann auch international Anerkennung finden könnten und das ist das A und O für eine Feierhauptstadt. Nimmt man Berlin als Vorbild, fehlt es Wien leider an diesen nennenswerten Clubs, und vor allem schiebt die Sperrstunde dem Ganzen einen Riegel vor. Wie kann eine Stadt Feierhauptstadt werden, wenn alle Clubs um sechs Uhr morgens schließen müssen? Dazu gibt es, außer der Sunday Morning Afterhour im Sass, keine weitere Veranstaltung nach den Partys der Nacht und auch diese muss um elf Uhr dicht machen. Ich glaube nicht, dass dies Feierwütige aus der ganzen Welt anzieht. Leider, denn Wien ist einfach wunderbar, um dort zu leben und um sich dort die Nächte um die Ohren zu hauen. Die Menschen sind herzlich, kreativ und offen und haben Lust aufs Feiern mit Leib und Seele. Das wiederum ist ein wichtiges Kriterium für eine Feierhauptstadt und Wien erfüllt es voll und ganz. ¶ Alma Gold, 29, lebt in München und gastiert auch als DJ regelmäßig in Wien.

TEXT STEFAN NIEDERWIESER DOKuMEnTATIOn STEFAN NIEDERWIESER, JOHANNES PILLER, MAx ZELLER

► WO rt W eC h s e l ► Wiener Clubkultur von außen betrachtet


»Wo GEht WAs AB? – nIRGEnDs!«

Christopher Just

»FREIFlächEn, DRoGEn, schAnDtAtEn, WEnIGER KontRollE, MUsIK« Tobias Rapp

»WIEn KAnn nIcht BERlIn WERDEn. UnD DAs Ist GUt so.«

Clara Moto

Aus der Außenperspektive erscheint mir Wien nicht als Clubmetropole. Trotzdem es an willigen Partygehern nicht mangelt und Clubs wie die Pratersauna und das Flex internationale Bekanntheit besitzen, fehlt eine ausgedehnte Clubszene und Afterhours müssen in den privaten Raum ausgelagert werden. Andererseits darf man aber nicht vergessen, dass in Wien sehr viele Musikerinnen und Musiker, Veranstalter, DJs oder in einem ähnlichen Umfeld Tätige ständig an der Partyinfrastruktur arbeiten und restriktive Maßnahmen wie z. B. die ehemalige Sperrstunde von vier Uhr früh rückgängig machen konnten. Wien kann kein zweites Berlin sein. Und das ist auch gut so. Denn dann würde Wien an seiner Eigenständigkeit, an seiner Authentizität und an seiner Gemütlichkeit einbüssen. Ich bin gerne, wenn auch nicht oft, in Wien, lege dort sehr gerne, wenn auch nicht oft, auf und finde das Wiener Publikum immer sehr angenehm.»Wiener Blut – wie gut es tut … prost.« (Falco) ¶ clara Moto ist techno-Musikerin, DJ, lebte in Graz, heute in Berlin und releast auf dem französisch-deutschen label Infiné.

1. Sehr wichtig sind Freiflächen im innerstädtischen Bereich. Wenn die Stadt Wien sich nicht bereit erklären sollte, einige öffentliche Gebäude abzureißen, um Platz zu schaffen, müssten zumindest ein paar Bürogebäude umgewidmet werden. 2. Liberale Drogengesetze schaden auch nicht; wenn sich die Gesetze nicht ändern lassen, dann sollte die Polizei wenigstens permanent beide Augen zudrücken. Denn Ausgehen mag im Einzelfall ohne Drogen funktionieren, aber wenn Wien die Jugend der Welt anlocken will, muss die dort dürfen, was sie zu Hause nicht kann. 3. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man Feierhauptstadt für eine Saison werden kann. Das eigentliche Feiern mag ab und zu Eventcharakter haben, aber Feierhauptstadt wird man nur, wenn das Ganze als nachhaltige Entwicklung angelegt wird. Feiern geht ja nicht auf Kommando, ohne einen Bodensatz von Feierwilligen, der zu allen Schandtaten bereit ist, wird man keine Feierszene etablieren können, die wirklich international für Aufsehen sorgt. So eine Szene entsteht zwar in der Nacht, aber nicht über Nacht. Sie muss sich entwickeln. 4. Daraus folgt, dass eine Feierhauptstadt generell schwierig zu planen ist. Angesichts der Tatsache, dass überall in der westlichen Welt (und woanders auch), die Freiheit der Sicherheit geopfert wird, ist es kein schlechter Anfang, ein wenig mehr Unsicherheit in Kauf zu nehmen und die Bürger etwas weniger zu kontrollieren. Das spricht sich relativ rasch herum. 5. Musik braucht man natürlich auch. Aber die kommt erfahrungsgemäß fast von alleine, wenn leere Gebäude locken. ¶ tobias Rapp, Jahrgang 1971, ist Musikredakteur der taz, DJ, und hat 2009 das Buch »lost and sound – Berlin, techno und Easyjet« (suhrkamp) verfasst.

8.000 Kids torkeln zu R’n’B-Rhythmen und Partysound über die Mariahilferstraße, der aus Lautsprechern dröhnt, die von A1 flächendeckend an sämtlichen Laternenpfählen auf der Strecke zwischen Lutz und Freiraum angebracht worden sind. Die Warteschlange vom Pasha Meidling ist beinahe so lang wie die vor der Pratersauna – und die reicht mittlerweile bis zum Riesenrad, wo sie sich mit der vom Paul van Kackbrenner VIP-Eingang des Fluc vermischt, was gröbere logistische Probleme verursacht. Besser gleich ins Market zu Richie Hawtin, Wartezeit höchstens zwei Stunden, 80 Euro Eintritt – ein Klacks im Vergleich zu den 250 Euro für Miss Väth im Flex. Armin van Burenwurst ist heute im Museumsquartier – nein, da muss man nicht unbedingt hin, aber die Afterparty mit Lars Schlafwurm dürfte interessant werden. Blöderweise bekommt man zwischen Dienstag und Montag nur schwer ein Taxi, sonst könnte man in der Stadthalle beim 90ies-Clubbing vorbeischauen, oder im Praterstadion – Boys Noize sind dort und spielen Ping Pong mit Ricardo Villalobos. Ausgelöst durch den Zuzug studiergeiler, deutscher junger Menschen befindet sich Wiens Clubszene plötzlich in einem Aged’Or-esquen Zustand. Die Locations sind besser besucht, die Stimmung ausgelassener und das Publikum bestrebt, seinen Beitrag zum Gelingen einer Veranstaltung mittels Tanzen zu leisten, statt sich einer, vielleicht manchen noch aus früheren Zeiten bekannten, in äußerst seltenen Fällen eventuell höchstens ansatzweise aufgekommenen Lethargie hinzugeben. Und doch ist man weit davon entfernt, Wien als Feierhochburg bezeichnen zu können, und es ist nach wie vor problemlos möglich, zumindest an manchen Wochentagen, Gästen auf die Frage, wo denn heute noch was abginge, mit »Nirgends!« zu antworten. Und schlafen zu gehen. Und davon zu träumen, Wien wäre die nächste Feierhochburg. Und aufzuwachen. Und froh zu sein, dass es nur ein Traum war. ¶ christopher Just ist Musiker, Produzent und DJ. Er übersiedelte 2007 für drei Jahre nach new york und lebt seit 2011 wieder in Wien. Aktuelles Projekt: theaterproduktion »Porno«, Premiere 14. september 2011 im Rabenhof. AU S GA B E 1 1 9 / 0 5 5 ◄


► pr o sa ► Christoph W. Bauer über Campino

Wie schön, dass du geboren bist … Nächstes Jahr im Juni wird Andreas Frege 50. Der Tiroler Autor Christoph W. Bauer gratuliert dem Mastermind der Toten Hosen schon jetzt. Und zwar so richtig schön von Herzen.

All die ganzen Jahre Einem compañero de viaje zum »unrunden« Geburtstag twas über ihn zu schreiben, hielt ich für ausgeschlossen damals, als ich anfing, mich mit Worten dem guten Geschmack zu verweigern. Letzterer hatte es sich im Dorf meiner Jugend unter Zirbendecken bequem gemacht, schwang einmal die Woche den Tennisschläger und feierte den bescheidenen Wohlstand als Autorität. Auch die Handvoll Hippies, die es ihm Dorf gab, boten mir wenig Zuflucht, ihr Geschwafel von einer besseren Welt war so ermüdend wie die Musik, die sie hörten; der Hardrockfraktion konnte ich wenig abgewinnen, ihr Headbangen entbehrte zwar nicht einer gewissen Komik, aber ich fand es so lächerlich wie die Fönfrisuren meiner Schulkollegen – von deren Karottenhosen ganz zu schweigen. An sich kein Grund zu klagen, in meiner Kindheit und Jugend lief alles recht

rund, und genau das war das Problem, denn mir war nach Anecken. Unterstützung fand ich schließlich durch einen neuen Schüler, den es aus Berlin in die Berge verschlagen hatte, und nicht zuletzt durch meinen Cousin aus Hannover. Beide versorgten mich mit Stoff in Form von Musik, die meinen Rekorder zur Bühne des Aufbegehrens machte. Punk ist eckig, also unrund, war fortan meine Devise, eine der Kassetten hatte es mir besonders angetan, auf ihr bekam meine damalige Gemütslage im wahrsten Sinn des Worts eine Stimme. Hier sang, brüllte, grölte einer angetrieben von nervösen Rhythmen und öffnete mir Türen zu Räumen, die ich später mit eigenen Texten füllen sollte. Dass dieser Sänger nun bald Geburtstag feiert, will ich eigentlich nicht in mir aufkommen lassen, warum, liegt auf der Hand und bedarf keines Blickes in den Spiegel. Andererseits, mit jenen älter zu werden, die einen seit Jahrzehnten begleiten, ist so übel nicht, und solange sie neue Platten aufnehmen und sich auf Bühnen stellen, sehe ich keine Veranlassung, mich für einen Musikstil zu alt zu fühlen oder gar vom einstmals eingeschlagenen Weg abzukommen und meine Lebenseinstellung zu ändern. Erleichtert das den Blick in den Spiegel? Ich frage dies nicht nur jenen, der bald seinen »Unrunden« begeht und der auf Grußworte oder Geschenke meinerseits verzichten kann. Was sollte ich ihm auch schenken? Eine rote


Schleife um Tickets zu Konzerten, die ich besucht habe? Eine Tagebucheintragung als Erinnerung an einen Auftritt in den Innsbrucker Stadtsälen im Jahr – ich weiß nicht mehr, wann. Habe dies und das in Zeitungen über ihn gelesen, halte es diesbezüglich mit dem Sprichwort vom geduldigen Papier. Für mich waren ohnehin immer nur seine Texte von Belang, auch von Schriftstellern interessieren mich lediglich Bücher, ihre Privatleben ist mir egal, ob sie nun lieber Tee oder Kaffee trinken, macht ihre Romane oder Gedichte weder besser noch schlechter. Gerade aber in seinen Texten hat sich in den Jahren viel getan, das Launische räumte dem Inhaltlichen Platz und die Pose einem erfrischenden Maß an Selbstironie; neue Themen, andere sprachliche Facetten, eine Entwicklung, die nur durchläuft, wer mit Worten arbeitet, um eine Innenansicht auf einen allgemeinen Nenner zu bringen, was jeden guten Texter ausmacht. Als solcher wird er weitgehend unterschätzt, dabei lieferte er schon Mitte der 1990er Jahre mit der Platte »Opium fürs Volk« Beispiele für seine sprachlichen Qualitäten, die auch auf dem jüngsten Album »In aller Stille« Ausdruck finden. Für ihn gilt, was für alle zutrifft, die versuchen, den eigenen sprachlichen Unzulänglichkeiten zu trotzen und etwas auf einen Punkt zu bringen, ob Songwriter oder Lyriker, Romancier oder Feuilletonist – wenn am Ende eines Lebens ein paar brauchbare und in allem stimmige Zeilen bleiben, dann ist das schon viel. Das klingt jetzt weiser, als es ist, und wird wohl nur von jenen verstanden und mit einem zustimmenden Lächeln bedacht, von denen ich soeben gesprochen habe. Oft werde ich gefragt, wie das denn zusammenpasse, meine Vorliebe für diese Musik und mein Beruf. Erst neulich, bei einer Schullesung, weiteten sich einer 14-Jährigen die Augen vor entsetztem Staunen: »Was, Punkrock und Schriftsteller?« Als ich bejahte, mein musikalischer Geschmack sei eben altmodisch, und ihr darüber hinaus erklärte, dass mich die Arbeiten antiker Dichter seit Jahren faszinieren, war ich bei ihr unwiderruflich unten durch. Dennoch fühlte ich mich zur Rechtfertigung bemüßigt, wies sie und die Klasse darauf hin, was mir Quelle der Inspiration sei, um ein weiteres altmodisches Wort zu bemühen. Es sei die ungeheure Dynamik, die mit dem ersten Takt eines Liedes oder dem Eingangswort eines Gedichts entfacht werde, der vorantreibende, mitreißende Rhythmus, der kein Zurück kenne, sagte ich. Nehmt einen Dichter wie Catull, fuhr ich fort, allein die Kürze seiner Gedichte gleiche Punksongs, mit der ersten Silbe

Ad Personam Lyrik, Prosa, Theater, Hörspiel, Kinderbuch – Christoph W. Bauer ist in allen literarischen Gattungen beheimatet. Homebase des 43-Jährigen ist aber die Lyrik und diese hohe Kunst versucht er auch weiterzugeben. Unter anderem als Betreuer der Lyrikseite des Jugendmagazins des Jugendrotkreuzes Topic. Bauer, der momentan in Innsbruck lebt, versteht es, Hoch- und Popkultur fein aufeinander abzustimmen und sich so den großen Themen des Lebens zu nähern. Nachzulesen etwa in seinem rezenten Gedichtband »mein lieben mein hassen mein mittendrin du – Eine Liebesgeschichte in 37 Gedichten« (Haymon), in dem er dem römischen Dichter Catull ein Denkmal setzt und wenn nötig dafür die Toten Hosen herbeizitiert. Dass die in einen popkulturellen Bildungs­kanon gehören, impliziert Bauers kleine Hommage an deren Frontmann Campino. ▪ TEXT Manfred Gram

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eines Textes setze er ein Räderwerk in Gang, das einen kaum zu Atem kommen lasse, so sehr bringe er seine oft zornigen oder auch empathisch überreizten, immer aber hämmernden Verse auf die Spur, verstieg ich mich. Hatte mich so in Fahrt geredet, dass selbst der Lehrer – Papier ist geduldig. Ich komme vom Thema ab. Es läuft mir also nicht rund, und das ist gut so. Will etwas machen, was ich Anfang der 1980er-Jahre für ausgeschlossen hielt und das ich – wie mir scheint – so verinnerlicht habe, dass ich jetzt nichts über ihn schreiben kann. Wäre ein Geburtstagsständchen nicht Ausdruck des guten Geschmacks? Und machte ihn eine Lobhudelei nicht zu dem, gegen das wir, einschließlich seiner Person, immer Sturm liefen, zu einem jener Säulenheiligen, die wir vom Sockel holen wollten, sobald wir in ihnen Stars, schlimmer noch, Autoritäten erblickten? Als solche empfand ich ihn nie, er war und ist mir eher ein /compañero de viaje/,

wie Catull und andere Dichter mir Reisebegleiter durchs Leben sind. Ich kann nur mich selbst im Spiegel sehen, in den Augen fängt das Altern an, sein Blick ist jung, das unterstelle ich ihm wie auch Kompromisslosigkeit und Haltung, zu der ich ihm gratuliere, ob es ihm nun passt oder nicht. Und ja, natürlich, diese Zeilen musste ich heuer loswerden, nächstes Jahr werden andere über ihn schreiben, seine Wegbegleiter und bestimmt auch viele, die sich dafür halten und für die sich jubiläumslaunisch plötzlich all die ganzen Jahre als sehr rund darstellen. 2012 gilt es ohnehin was zu feiern, die Band, deren Sänger er ist, wird – Es handelt sich genau um jene Band, von der mir mein Cousin vor gut drei Jahrzehnten eine Kassette aufnahm, mit rotem Filzstift war sie beschriftet, ich seh’ die krakeligen Lettern gerade deutlich vor mir und sag sie laut vor mich hin: Die Toten Hosen. ¶ AU S GA B E 1 1 9 / 0 5 7 ◄


► WO r kstat i O N ► Menschen am Arbeitsplatz doku THOMAS RESCH bild VERONIQUE GIROUD

MANFRED REIcHEl, 47, PUPPENMAcHER Früher arbeitete der leidenschaftliche Puppensammler Manfred Reichel als Dekorateur und Schaufenstergestalter in einem Modehaus. Vor mittlerweile 15 Jahren entschloss er sich, sein Hobby zum Beruf zu machen und eröffnete die Puppenklinik. Seitdem geht der Puppenmacher jeden Tag gerne zur Arbeit und das ist auch wichtig, denn zu tun gibt es genug. Von einfacher Näharbeit bis hin zur Restauration antiker Porzellanpuppen erledigt Manfred Reichel eigentlich alles, was man sich von einem Puppendoktor wünschen kann. Außerdem ist er regelmäßig als Schätzmeister an den großen Wiener Puppenbörsen Laxenburg und Intercont im Einsatz. Mit seiner Puppenklinik hat Manfred Reichel eine Marktnische gefunden, denn in Wien gibt es lediglich einen weiteren vergleichbaren Betrieb. Und auch um die Zukunft muss es sich wohl keine besonders großen Sorgen machen. Denn um die Näh-Skills der Österreicher steht es nicht besonders gut und solange sich das nicht ändert, gibt es für Manfred Reichel immer was zu tun.


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Maja Ritter, 33, Modelagentur-Managerin

Wie viele andere Mädchen in diesem Alter wünschte sich auch Maja Ritter als 14-Jährige nichts sehnlicher, als später einmal Model zu werden. Letztendlich fand sie ihren Platz in der Modewelt aber auf der anderen Seite der Kamera. Die heute 33-Jährige hat selbst nie gemodelt. Doch die schillernde Welt rund um Mode und Models faszinierte sie schon immer und so entschloss sie sich fürs Mode-Design-Studium. Nach ihrem Abschluss beschäftigte sie sich außerdem ausgiebig mit Styling, Make-up und Scouting. In dieser Zeit sammelte sie nicht nur Berufserfahrung, sondern knüpfte zudem zahlreiche wichtige Kontakte, aus denen sich dann auch viele enge Freundschaften entwickelten. Seit sechs Jahren ist Maja nun Managerin bei PH Models und vermittelt erfolgreich Models aus Tschechien und Polen an Kunden in Österreich. Außerdem leitet sie die Wiener Filiale der Agentur, die 2010 eröffnete. — www.phmodels.at


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„ Mein Job ist ein green job, weil ich mich als Installateur auf Solaranlagen spezialisiert habe.“


STEFAN STEININGER SOLARZELLEN-INSTALLATEUR


„ Mein Job ist ein green job, weil durch meine Arbeit die österreichischen Gewässer auch weiterhin saubere, artenreiche Lebensräume bleiben.“

advertorial

DI Doris Eberstaller-Fleischanderl gewässer-ökologin


„green jobs boomen: Sie sind zukunftssicher, sorgen für Aufschwung in der Wirtschaft und leisten einen wesentlichen Beitrag für eine saubere Umwelt. Wir brauchen qualifizierte, gut ausgebildete und hochmotivierte Arbeitskräfte. Das Lebensministerium unterstützt daher die Aus- und Weiterbildung im zukunftsorientierten Umwelt- und Energiesektor.“ Niki Berlakovich, Umweltminister

green jobs sind die Jobs der Zukunft

In Österreich sind derzeit 200.000 Personen in der Umweltwirtschaft beschäftigt. Sie stellen somit 4,6% aller Erwerbstätigen (in etwa gleich viele wie der Bereich Gastronomie und Beherbergung) und erwirtschaften 11,5% des Bruttoinlandsprodukts. Da geht noch mehr: Bis 2020 sind 100.000 zusätzliche green jobs möglich. Das Lebensministerium motiviert junge Menschen dazu, sich für einen green job zu entscheiden, denn: • green jobs ermöglichen Wirtschaftswachstum durch Umwelt- und Klimaschutz. • green jobs sind krisensicher. • green jobs sind ein spannendes Aufgabengebiet mit großer Dynamik und Innovationskraft. • green jobs bedeuten einen wesentlichen Schritt in Richtung Energieautarkie. green jobs haben den Umweltschutz zum Hauptzweck. Mit grünen Dienstleistungen, Gütern und Technologien werden Umweltschäden und Ressourcenabbau vermieden oder zumindest vermindert. Ein paar Beispiele für green jobs: SolartechnikerInnen, WindkrafttechnikerInnen, Biomasse-FacharbeiterInnen, Bio-LandwirtInnen, HerstellerInnen von Passivhäusern oder Wärmedämmungen, Gewässerökologinnen, AbfallmanagerInnen, UmweltberaterIn etc. Vor allem jungen Menschen bieten green jobs wichtige Perspektiven für den Arbeitsmarkt. Mit green jobs kommt Österreich auch dem Ziel der Energieautarkie einen großen Schritt näher. Bis 2050 soll das Land Schritt für Schritt unabhängig von Energieimporten und Atomstrom werden. Der Einsatz und die Forcierung erneuerbarer Energien bewirken dabei nicht nur einen effizienten Umgang mit unseren Ressourcen, sondern sind auch ein wesentlicher Wachstumsmotor und Jobgarant. www.green-jobs.at: Dieses einschlägige Karriereportal bietet allen Jobsuchenden einen umfassenden Einblick in die Umweltwirtschaft und listet offenen Stellen. Neben Jobprofilen und Unternehmensporträts präsentiert sich hier die österreichische Umweltbranche. www.kursfinder.at: Diese Plattform für Aus- und Weiterbildung im Bereich Energie- und Umwelttechnik richtet sich sowohl an UnternehmerInnen als auch an ArbeitnehmerInnen und Studierende.


Advertorial — powered by impulse

_ Reden mit der Oberfläche »Kurz gesagt geht es bei uns um großflächige Mensch-Maschine-Interaktion.« Der Satz von Richard Ebner, CEO von isiQiri, lässt spontan an Hollywoodfilme wie »Terminator« oder »I, Robot« denken. Im Prinzip ist das gar nicht so falsch: Die Technologie des Unternehmens kann jeder Fläche Leben einhauchen und eröffnet endlose Möglichkeiten, mit dieser zu interagieren. Basis ist ein großflächiger und biegsamer Photodetektor namens Q-Foil. Q-Foils können auf ihrer Oberfläche Licht und Schatten erkennen und deren Bewegungen verfolgen. Weniger als einen Millimeter dick, lassen sie sich an jeder beliebigen Oberfläche befestigen, egal wie diese geformt ist. Einsetzen kann man die Sensoren für die unterschiedlichsten Anwendungen. Diese reichen von interaktiven Projektionsleinwänden über elektronische Zielscheiben bis hin zu berührungsempfindlichen Tischen oder interaktiver Kleidung. isiQiri wurde 2009 von Richard Ebner und Robert Koeppe gegründet. Das Technologie-Start-up beschäftigt zurzeit 14 Mitarbeiter, hat seinen Firmensitz in Hagenberg bei Linz und eine Tochterfirma in San José, Kalifornien. »Es gelingt uns immer noch, den Spirit eines Start-ups mit professionellen Managementmethoden zu kombinieren«, erzählt Ebner. »Bei uns ist alles in einem einzigen großen Raum untergebracht.« Das habe auch Nachteile, aber es überwiegt der Vorteil der kurzen Wege: »Jeder weiß, was gerade läuft«. www.isiqiri.com

»Mit unserer Technik kann man jede beliebige Fläche berührungsempfindlich machen, etwa Bildschirme, Tische, Wände oder ganze Räume.« (Richard Ebner, CEO isiQiri)

Fotos: isiQiri

Mit ihren neuen Folien betritt isiQiri technologisches Neuland. Das oberösterreichische Unternehmen liefert Folien, die aus jedem Objekt einen Touchscreen machen.


In Aktion: CEO Richard Ebner und Mitgründer Robert Koeppe

Richard Ebner über impulse Hätte isiQiri nicht schon in einer sehr frühen Phase die Förderung des AWS Impulsprogramms erhalten, würde es isiQiri wahrscheinlich gar nicht geben. Das Programm hat eine ganz wichtige Finanzierungslücke geschlossen. Gerade an der Schnittstelle von Kreativwirtschaft und Technologie, an der isiQiri sich bewegt, passt das Programm super.

Was sind die Einsatzgebiete der Q-Foils? Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Naheliegend ist eine interaktive Präsentation in Meetings. Wir haben auch schon ein Projekt mit einem großen Maschinenhersteller gemacht, der nicht mehr 30 Tonnen schwere Maschinen auf eine Messe mitnehmen wollte, sondern aus den CAD-Daten fotorealistische Renderings mit Interaktionsmöglichkeiten gemacht hat und statt der schweren Maschine nur mehr eine Projektion mitnimmt. Man kann die Sensoren aber auch für ganz andere Sachen einsetzen. Beispielsweise kann man damit einen Raum ausrüsten um festzustellen, ob sich noch ein Objekt (Waffe, USB-Stick, Zutrittskarte, …) darin befindet, oder ob er tatsächlich völlig leer ist. Seit ein iranischer Atomwissenschaftler den USB-Stick mit dem Stuxnet-Virus in einer Liftkabine gefunden hat, ist das ein Thema. Wo liegt der Vorteil gegenüber herkömmlichen Präsentationen?? Im Prinzip kann man sich eine interaktive Projektionsleinwand vorstellen, wie einen riesigen Touchscreen, der so groß ist, dass ich meine Finger mit einem Laserstrahl verlängern muss. Wenn sie eine solche Leinwand von uns verwenden, haben sie mit dem Q-Pointer Maus, Laserpointer, und Presenter immer mit dabei. Alles was sie am Tisch tun können, können sie auch auf der Leinwand tun. Allerdings liefert der Q-Pointer eine Absolutposition an den Rechner und keine Relativposition, wodurch es möglich wird, Laserpointer und Maus in einem Gerät zu kombinieren. Mit diesem kann ich mich frei im Raum bewegen und mit der Präsentation interagieren: Teile rausnehmen, Videos starten, Informationen abrufen oder Farben ändern. Die ersten Hersteller von Smart TV-Systemen haben schon bei uns angeklopft.

Wie wird Ihre Technologie angenommen? Man merkt schon, dass wir da einen ordentlichen Technologiesprung haben, die Reaktionen sind daher gemischt und gehen von sofortiger Begeisterung bis zu völligem Unverständnis. Bisher wird die Technologie vor allem in Demo­ installationen eingesetzt. Die Leute, die damit arbeiten, sagen, es sei als würde man zum ersten Mal eine Computermaus benutzen. Am Anfang klappt es nicht so recht, aber wenn man dann ein bisschen geübt hat, will man nichts anderes mehr. Das Spannende ist, dass praktisch alle unsere Kunden außerhalb Österreichs sitzen und etwa drei Viertel außerhalb Europas. Naturgemäß ist das Interesse in den USA am stärksten. Wir führen Gespräche mit allen großen Herstellern von Touchscreens, den vier größten Herstellern von Projektionsleinwänden, den drei größten Herstellern von Konferenzsystemen und einigen mehr. Das Förderprogramm impulse unterstützt isiQiri im Rahmen von impulse XL. www.impulse-awsg.at

kreativwirtschaft in österreich by


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►Grün d e r s e r i e Vo l . 2 ►Garmz #15: Wir heißen jetzt Lookk TEXT Andreas Klinger BILD Garmz.com / lookk.com

LOOKK und andere extremzustände Raider heißt jetzt Twix. Aus Garmz wird Lookk. Andreas Klinger, Co-Founder von Garmz.com, über den Stress der letzten Tage vor dem Relaunch der neuen Plattform. omentan arbeite ich an so vielen Dingen, dass ich gar nicht mehr zu den Dingen komme, die ich eigentlich machen sollte. »Herr Klinger, ein Mister Relaunch steht an der Tür und fragt nach Ihnen und ihrem Team« – oder besser gesagt, er trommelt und hämmert an die Tür, bis diese in Schutt und Asche liegt. Jep. Wir stecken mitten in den hektischen letzten Tagen vor dem Relaunch und ich berichte dennoch mit Freude und Gelassenheit darüber. Denn das Endprodukt ist toll, auch wenn nach Monaten der Arbeit noch immer irgendwie alles Wichtige fehlt. »Verdammt, es sind nur noch zwei Wochen.« Als Unternehmer kennt man natürlich keinen Stress, sondern hat nur viel zu tun. Dennoch, dieses Work/Life-Balance-Ding sollten wir uns nochmal in Ruhe anschauen, wenn auch klarerweise erst nach dem Relaunch. Weil irgendwie ist gerade keine Zeit dafür.

Statement

Was einmal als Relaunch begann, ist mittlerweile zu einem Epic Statement herangewachsen. Denn wir möchten etwas relaunchen, auf das wir stolz sind. Das heißt, der Anspruch ist hoch und die To-Do-Liste lang. Dass nebenbei die Welt explodiert, war leider nicht eingeplant. »London is fucking rioting« und wir klarer Weise mitten drin statt nur dabei. »Don’t go to Mare Street … and avoid London Fields« liest man in der The Guardian App im hübschen iPhone, während man wie immer von London Fields zurück zum Office auf die Mare Street kommt und Kids in Hoodies das iPhone anlächeln. Dass Mobs mit Baseball-Schlägern in der linken und nagelneuen Sat-Navs in der rechten Hand der Konzentration im Büro auch nicht wirklich dienen, ist eigentlich klar. Aber das Argument, dass es schon nicht so schlimm wird, funktioniert leider nicht wirklich, wenn es niemand hören kann vor lauter Polizeisirenen. Und so gibt der Rauch am Horizont das Schluss-Signal und wir schicken alle früher heim. »Seriously London, we gotta work to get done.«

► 0 6 8 / AUSGABE 119

RELAUNCH

Doch dieser Stress ist mittlerweile vorbei. Denn wenn diese Zeilen gedruckt sind, ist die neue Seite online und/oder ich in der Nervenheilanstalt. Und was wir in der letzten Ausgabe bereits verkündet haben, ist real: Der Name wird geändert. Der Grund ist einfach. Wir haben nun endlich die Möglichkeit, die gesamte Vision umzusetzen, the bigger picture, von dem wir seit dem Seedcamp im letzten Jahr erzählen. »Enable Fashion Talent«. Kollektionen, User Voting, direktes ProductFeedback und die besten Produkte in der hauseigenen Diffusion Line.

Brand New Brand

Seit wir in London angekommen sind, stand uns der Name Garmz eigentlich mehr im Weg als er hilfreich war. Garmz – übersetzt Klamotten – wirkt im ersten Eindruck UK-StreetSlang und definitiv nicht so East London cool, wie wir uns es gerne einredeten. Der erste Eindruck ist in keiner Branche so wichtig wie in Fashion und wir sind ein Unternehmen, das sich bereits an genug Fronten behaupten muss, da darf der erste Eindruck nicht zu einem weiteren Grabenkampf werden. Und so kam es zur schwierigsten Entscheidung in unserer kurzen Geschichte, nämlich einen neuen Namen zu finden. Dass sich dies zu einem herzzerreißenden Marathon von drei Monaten entwickelte, hätte ich nicht erwartet. 520 Namen und dann war es doch einer der ersten. 2.000 Logos und dann war es doch der Kreis. Klar und Sauber. LOOKK. Das zweite K hat keine Bedeutung, außer, dass wir es gut finden und somit ist es mit dem Relaunch auch offiziell. Garmz ist die Marke von gestern. Lang lebe LOOKK. ¶

Wer sich ein Bild vom Release machen möchte und sehen will, ob der Release den Aufwand wert war, kann das auf www.lookk.com machen. Feedback – gutes und böses – ist mehr als willkommen unter: ak@lookk.com


KULTUR LEICHT GEMACHT EIN TICKET, 650 MUSEEN

SA, 1. OKTOBER IN GANZ ÖSTERREICH, AB 18.00 UHR

Alle Infos unter: langenacht.ORF.at


musik.erleben! Jeunesse-Tag im

Sa, 01.10. MQ Haupthof

ei! r f t t i r t n i E

mit Die Strottern . テ]gela Trテカndle Wiener Jeunesse Orchester Willi Landl Band . Christoph Pepe Auer Neue Wiener Stimmen und vielen mehr klassik jazz world neue musik kinderkonzerte In Kooperation mit MuseumsQuartier Wien

www.jeunesse.at

Grafik Zeitmass . Foto Julia Wesely

von 15 bis 22 Uhr


IN WORTEN: nullSiebZig

Erlösung

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Girls haben bereits auf ihrem zweiten Album die Verdichtung von epischen Stoffen auf vier bis sechs Minuten perfektioniert. Girls Father, Son, Holy Ghost (PIAS)

Zeilen wie die von Girls hatte lange niemand mehr zu sagen gewagt. Ungebrochen, unironisch, mit einfachen und großen Worten. Da ist keine Spur von den ironischen Doppelbödigkeiten von so großen Nuller-Jahre-Bands wie MGMT, den White Stripes oder Vampire Weekend. Ihre schnellen Popnummern wirken manchmal schon lächerlich, so als wäre der Geist einer US-60s-Soul-PopGirl-Group im Körper von Indierock gefangen. Doch die sind klar die Ausnahme. Ihre neue Single »Vomit« erzählt von tiefer Entfremdung, im Video sieht man eine Fahrt durch einsame Straßen voll mit Prostituierten, Armut und dazwischen das kalte Blech des feuerroten, polierten Ford Mustang. Das erinnert an die schwule Ikonographie von Kenneth Angers »Scorpio Rising« und an »Taxi Driver« gleichermaßen, ein Film, in dem ein rastloser De Niro im Schmutz auf der Suche nach Liebe ist. Nach mehr als vier verzweifelten Minuten, in denen Sänger Christopher Owens immer wieder »Looking for love« und »I Need your love« winselt, wird das düstere Gitarrenmotiv des Anfangs plötzlich nach Dur gedreht: »Come Into My Heart« – nach dem Tal der Tränen kommt die Erlösung mit himmlischen Gospelchören. Diese Verdichtung von fast epischen Stoffen auf vier bis sechs Minuten haben Girls bereits auf ihrem zweiten Album perfektioniert. Es ist atemberaubend, mit welcher Präzision Girls immer wieder diese Stiche ins Herz setzen, in denen Text und Musik ineinander aufgehen. Auf »Alex« etwa. Oder in in »Just A Song« heißt es da: »Seems like nobody’s happy now« und gleich noch ein bisschen tiefer, wehmütiger hinterher: »Seems like nobody’s happy now«. Es sitzt. Weil man dagegen nicht argumentieren kann. Rundherum stürzt gerade die Welt zusammen. Wer es nicht wusste. Dabei ist »Father, Son, Holy Ghost« kein gesellschaftskritisches Album. Liebe, Liebe und Erlösung sind die allbestimmenden Themen. Auf »Forgiveness« wird ein Akkordwechsel sieben Minuten lang hinausgezögert. Am Ende von allen Zweifeln steht eine kryptische Wahrheit, Schuld und Sühne. »Father, Son, Holy Ghost« bewegt sich dabei manchmal gefährlich nahe an genialischem Prog-Rock, manchmal gefährlich nahe an Bubblegum-Pop, ist voll mit christlichem Ballast, aber auch voll mit viel zu vielen großartigen Momenten und Songs, um sich davon beeindrucken zu lassen. ¶ 9/10 STEFAN NIEDERWIESER

AU S GA B E 1 1 9 / 0 7 1 ◄


Abt. Musik

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a. 119/ Reze nsi one n

Dum Dum Girls Only In Dreams

St. Vincent Strange Mercy

( S ub P op /T rost )

(4AD)

Schmutziger Kuschelsex

_ Sea Lion Woman

Nicht mehr ganz so laut und auch ganz ohne Lack und Leder begeben sich Dum Dum Girl in eher romantischere Gefilde, dennoch kracht es. Sub Pop, Matador, Fat Possum und wie sie doch alle heißen, die fleißigen Indie-Majors dieser Welt, sind schwer beschäftigt. Kaum ein ReleaseZyklus, ohne dass ein Act direkt aus der Garage ins Rampenlicht gesignt wird. Als Kristen Gundred aka Dee Dee vor knapp drei Jahren ihre ersten Demos im Schlafzimmer einleierte, konnte sie wohl kaum erahnen, dass ihr ein relativ rasanter Erfolg bevor stehen würde. Zwischen den ersten 7"-Veröffentlichungen auf dem kleinen Chicagoer LiebhaberLabel HoZac bis zum Release des ersten Longplayers »I Will Be« auf Sub Pop lag zu Beginn ein einsamer, aber bestimmt kein langer Karriereweg. Direkt aus dem Schlafzimmer bescherten uns Dum Dum Girls einen lärmendes Oeuvre, naiv und schmutzig, wie ein lauter Paarungsversuch zwischen Debbie Harry und Lux Interior. »Only In Dreams« stellt nun in künstlerischer Hinsicht eine Zäsur dar, obwohl sich auch hier die gewohnten Ingredienzien der zwölf Tracks in eine Hommage an den schrammelnden US-Pop der 60er vermischen. Üppig aufgetragene Schichten an Echo, Reverb und Tremolo, eine obsessive Leidenschaft für antiquiertes Studioinventar, Vinylfetischismus von den Shangri-Las und Blondie bis hin zu Mazzy Star sowie ein Faible für düstere, morbide Romantik. Die Produktion von Richard Gottehrer und Sune Rose Wagner (The Raveonettes) setzt noch eins drauf. Während auf »I Will Be« noch sehr stark die Wurzeln eines prototypischen Lo-Fi-Garagensounds aus den Vinylritzen donnerten, schleicht »Only In Dreams« vergleichsweise opulent aus den Kopfhörern, nicht mehr ganz so laut, viel mehr schmutziger Kuschelsex. So verspricht der Opener »Always Looking« zunächst lärmenden 60ies Surf Rock aus der Feder der Cramps, bis der Refrain eine gewiefte Hookline offenbart, die Garage hinter sich und eine Referenz an den Spät-70er-Power-Pop in der Tradition von Paul Collins & The Beat erkennen lässt. In »Just A Creep« blinzelt Nancy Sinatra durch die mit reichlich Echo polierten Surf-Licks und in der abschließenden Ballade »Hold Your Hand« gibt sich Dee Dee als reflektierende Melancholikerin, die sich auch vor der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Tod eines geliebten Menschen nicht scheut. Dum Dum Girls sind in gewisser Weise erwachsen geworden, haben den Rookie-Status souverän abgelegt und sich mit viel Schweiß den Lo-Fi-Stempel vom Handgelenk gewischt. ¶ 7/10 Philipp Lampert

► 0 7 2 / AUSGABE 119

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Frauen dürfen wieder raus aus ihrer Folk-PopKemenate. Wie etwa St. Vincent. Die zähmt verzerrte Sounds, Rhythmen, Melodien und überhaupt eine verzerrte Welt. Es scheint, als hätte das alles mit Warpaint Ende letztes Jahr begonnen. Rock, das waren die Buben. Telekomm-Folk und gut gemachter Pop, das waren die Mädchen. Die Segregation in unterschiedliche Trakte der Jugendherberge hört so langsam endlich auf. Auch wenn in Wirklichkeit viele Musikerinnen an den Reglern, Tasten und Saiten zugange waren – wie eben etwa St. Vincent oder auch Joan As Police Woman oder Bat For Lashes –, so geschah das dennoch nur selten im weiteren Umfeld von Rock. Das ändert sich. Dieser Tage veröffentlichen eine Reihe von relativ jungen Bands mit Frauen in tragenden Rollen bemerkenswerte Alben: Dominant Legs, Class Actress, New Look, Teletextile, Big Deal, Memoryhouse, Cults, Lanterns On The Lake, Zola Jesus, Prince Rama, I Brake Horses, Dum Dum Girls, Veronica Falls, Rainbow Arabia, Slow Club. Und so weiter. Augen auf und die Suchmaschine angeworfen. Man wird es in den kommenden Jahren hoffentlich nicht oft genug sagen können: Frauen sind auch in Bands, Duos und Trios angekommen. St. Vincent entspricht nun eigentlich eher dem bekannten Modell, der Solistin, die wie Kate Bush oder Tori Amos im Studio die eigenen Songs kreiert. »Strange Mercy« pendelt zwischen Baroque Pop und Art Rock; es bietet neben mehr Stimme auch mehr Gitarre als die beiden Vorgänger. Die Songs nehmen häufig einen Umweg über Noiselandia und bewegen sich klar weg von den weichen, neo-romantischen Lo-Fi-Wallungen der jüngeren Vergangenheit. Dabei könnte man viele dieser Songs wohl auch geradliniger und intimer einspielen – in ihrem verzerrten Gewand aber sagen sie auch etwas darüber aus, dass man vieles einfach nicht so unmittelbar ausdrücken will, dass Dinge verhakt sind, unkontrollierbar und unvorhersehbar. Die manchmal leicht verschobenen Rhythmen lassen außerdem erahnen, dass sich hier leichte Herzpulsstörungen eingeschlichen haben, wie auf »Surgeon«, »Neutered« oder »Strange Mercy« – in den Innereien gärt es, obwohl der Rest der Musik eine perfekte einladende Oberfläche bietet. Viele der Songs auf dem Album sind Versuche, Schmerz und Zwangs-situationen zu verarbeiten, sich davon zu befreien. Hinter und über all den mühsam gezähmten Sounds schwebt die Stimme dieser Frau, die all die noisigen Kapriolen prachtvoll zu kontrollieren weiß. ¶ 7/10 Stefan Niederwieser


Trackspotting

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12-Inch, Singles und Kleinformatiges für große Aufmerksamkeitsspanner TEXT Florian Obkircher

Die größten Spaßvögel waren die Briten ja nie, wenn’s um ihre hauseigene Tanzmusik ging. Aber seit sich da ein US-Jungspund namens Skrillex am Nationalheiligtum Dubstep versucht, artet das in einer regelrechten OnlineHexenjagd aus – dutzende Facebook-Hate Pages inklusive. Während die Gralshüter auf der Insel den bunten Wobble-Wahnsinn der Landsleute Caspa und Rusko noch belächelt und sie mit dem Stempel »Brostep« – quasi Dubstep für Partyproleten – gebrandmarkt haben, gilt ein 23-jähriger Produzent aus Kalifornien nun als Staatsfeind Nr 1 der Dubstep-Nation. Sicher, Skrillex’ raviger Konfetti-Sound ist von den erhabenen Bass-Epen eines Mala so weit entfernt wie David Guetta von Theo Parrish, aber schließlich waren es doch die Genre-Väter selbst, die den Weg in diese Richtung geebnet haben. War es nicht Skream, der sich mit Magnetic Man dem großen Pop zugewendet hat, ähnlich wie der Underground-Sender Rinse.FM mit seinem Starlet Katy B? Und wenn Rusko schon für Britney Spears produziert, dann wird’s ja wohl okay sein, wenn Skrillex den Cutoff-Filter am Bass-Synth noch eine Spur weiter aufreißt, oder?

James Blake & Bon Iver – Fall Creek Boys Choir

Bei den zwei Jungs beschwert sich ja auch niemand, dass sie das Autotune noch immer bis zum Anschlag aufdrehen. Das tun die zwei Feuilleton-Lieblinge bei ihrer ersten Kollabo übrigens wirklich. Wie zwei Chorknaben lassen sie ihre prächtig vocodierten Stimmen Kapriolen schlagen – auf einem spartanischen Fundament aus Piano und Percussions, während im Hintergrund eine Eule heult. Der erwartete Überhit ist’s nicht, etwas zu sehr klingt »Fall Creek Boys Choir« nach Phil Collins. Aber angesichts der Dimension dieses Zweigespanns ist natürlich auch etwas B-seitiges ganz großes Ohrenkino.

Lee »Scratch« Perry vs Digital Mystikz – Like The Way You Should (On U S ound)

Dagegen ist diese Paarung vielleicht offensichtlicher, aber nicht minder aufregend. Digital Mystikz, Londons Dubstep-Team mit den längsten Antennen nach Jamaika, nehmen ihren Ziehvater Lee Perry in die Mangel. Nach langen Verzögerungen nun endlich erschienen, entfaltet das Teil seine düstere Pracht vor allem auf der Flipside. Schwerfällig schieben sich dicke Bassschwaden über ein abgehacktes Drum-Gerüst. Über diesem Sound-Magma thront Lee Perrys Stimme, die Mala zerschnipselt und in Serie schaltet. Würde man ein »Blade Runner«-Remake in Kingston drehen, einen besseren Soundtrack als »Obeah Room« könnte man kaum finden.

Lukid – Spitting Bile (Glum)

Ebenfalls auf der düsteren Seite des Dancefloors entzündet Lukid seine Tracks. Rau und ungezügelt rattern sie dahin, fast so wie Hieroglyphic Beings White-Labels, allerdings spielt die Ratio im Kopfhörer-Techno-Universum des britischen Actress-Sprösslings eine größere Rolle. Schon der Titeltrack ist ein Lumpensack-Techno in Geilstform. Es ruckelt und rumpelt, spitzige Hi-Hats, eine verzerrte Bassline und andere perkussive Kleinteile werden auf der Zeitachse ausgestreut, finden nach und nach ihre Ordnung und zu einer räudig wundervollen Melodie zusammen. Spiel den Track zur Peaktime in der Pratersauna und dir fliegen sicher Getränkebecher entgegen – so wie die Herzen von uns Funktionalitätsgegnern.

Call Super – Staircase EP (Five Easy P ieces )

Die drei Original-Tracks auf diese Platte sind völlig egal. Neo-Disco halt, Electro-Boogie-Whatever. Das Juwel kommt am Schluss: der Remix von Objekt. Ein junger Berliner, über den man noch nicht viel weiß, außer dass er Software-Designer bei Native Instruments ist und zwei der besten und cleversten Dance-Platten des Jahres veröffentlicht hat (»Objekt #1« & »#2«). Der Typ packt mehr Ideen in einen Track als so mancher M_nus-Producer in seine ganze Karriere – so auch in diesen Remix von »Timora«. Einfach toll, wie Objekt Lil’ Louis’ »French Kiss«-Schmäh an Aux 88 abarbeitet und auf Basis dieser Referenzen ein ultramodernes Sound-Universum kreiert. Objekt – den Namen muss man sich merken, der Typ wird bald groß. Übergroß.


Abt. Musik

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a. 119/ Reze nsi one n

Theophilus London Timez Are Weird These Days

Instrumenti Tru

( R eprise )

(www. instrumenti.in )

Hybrid meets Hybrid Rückschritt in Herrenschuhen _ Das von langer Hand erprobte Style-Manifest von Theophilus London entpuppt sich als ausgedünntes PopZuckerl. Sein Retro-Chic heißt, dass er früher besser war.

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Im Baltikum tanzt man den Euro-Pop. Vocoder-Vocals und Furz-Samples begegnen lettischer Folklore und Electro-Bläsern: Ein Jux, der System hat.

H-I-P-S-T-E-R. Zu Ende buchstabieren, aufatmen, Punkt machen. Diesen durchgereichten Begriff, der in seiner Beliebigkeit überall zuhause ist, nicht mehr hören, geschweige denn lesen. Und trotzdem kommt man nicht an ihm vorbei, wenn man über den Durchstarter aus Brooklyn berichtet, den seit 2008 kein stilbewusster Blogger ausließ. Und dank seines Albumdebüts »Timez Are Weird These Days« wissen nun nicht mehr bloß Eingeweihte von Theophilius London. Mit dem ersten Mixtape »JAM!« (2008) ist er angetreten, aus seinem Sound einen Kult samt Style und Attitüde zu schaffen. Es folgten zwei weitere Mixtapes. Das erfrischende Ergebnis waren eine Unmenge verheißungsvoller Songs zwischen Electro-Soul, New-Wave-Pop und Disco-Rap mit selbstvermarktetem Hype. »Brooklyn is your neighbor not hood« rappt Theophilus in »Sole Of Fire« des Mark-Ronson-Projekts Chauffeur und weist engstirnige Rap-Fans in die Schranken. Die müssen sich mit Goldketten oder Kappen als Retro-Chic begnügen. Theophilius London ist Werbefigur und Musiktalent in einem. Ihm geht’s um den vom Indie-Publikum abgenickten, guten »Swag«. Deshalb steht er auch knietief im Business, von seiner Internet-Omnipräsenz bis zu lukrativer US-Werbung (Hilfiger u.a.). Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes ließ er sich mit Busy P (Ed Banger) und dem Dandy-Rap-Ziehvater Kanye West fotografieren und konzertierte breitenwirksam für das französische Fernsehen. Im feinsten Zwirn, gesponsert vom Pariser Luxusmodehaus Lanvin. Eigens designte Herrenschuhe von Sebago hat er ebenfalls und mit »The Lovers« einen eigenen Brand. Bisheriger Marketing-Höhepunkt: der Song »I Stand Alone« untermalt ab Herbst die HBO-Serie »How To Make It In America«. Besser könnte es nicht passen. Doch gemessen am bisherigen Output könnte »Timez Are Weird These Days« sehr viel besser sein. Das von langer Hand inszenierte Debüt gibt sich mit ein paar eingängigen Singles zufrieden (»Last Name London«, »Why Even Try«), erstarrt in Electro-Pop-Harmoniesucht, bleibt oft hinter den geschürten Erwartungen zurück. Selten reißen ihn kantige Beats raus (»Stop It«). Stellenweise eifert er TV On The Radio nach, der bestechende R’n’B-Sexappeal von einst fehlt dafür ganz. Außergewöhnlich und aufregend bleibt Theophilius London zwar noch immer, doch hauptsächlich vor diesem ausgedünnten Debüt. ¶

Karl Marx schrieb, das Kapital würde nie an einem Ort verweilen, sondern sich spätestens dann, wenn alle Ressourcen aufgebraucht sind, auf die Suche nach einem neuen Wirt begeben. Ähnlich scheint es sich auch mit Electropop zu verhalten: Das Genre lutschte sich in den letzten Jahren dermaßen ab, das all jene, die noch Electronica-Rhythmiken mit Popsounds kreuzen wollen, mittlerweile durch kontinuierliches EcstasyGefeiere dumm wie Flusskrabben geworden oder aber in die Konformität der Biederkeit rübergerutscht sind. Euro-Pop ist aber trotzdem nicht tot – er ist bloß in den Osten übersiedelt, wo der Nährboden für freakige, verrückte Klangamalgame noch frisch und unverbraucht ist. Das wohl interessanteste East-meets-West-Gespann dieser Tage nennt sich Instrumenti und stammt aus dem lettischen Riga. Die Zwei-Mann-Combo versucht sich an einer Mixtur aus Indie-Pop und experimentellen Electro-Sounds. Dabei ist den beiden jungen Männern mit den Namen Shipsi und Reynsi wirklich nichts zu blöd: Der Jux hat System, und das System besteht aus Vocoder-Vocals und Streichern, Michael Jackson-Beats und Furz-Samples, aus Beatbox-Vocals und Falsetto-Stimme. Aufgenommen in den Greenhouse Studios in Reykjavík, sorgen die 14 Songs ihres Debütalbums »Tru« erstmal für Unverständnis. Wenn man sich allerdings auf den Wahnsinn einlässt, gibt es auf Instrumentis Debüt viel zu entdecken: »Medicine« klingt nach Justin Timberlake und RussenDisco, »Born To Die« nach den Bee Gees, so sie mit einem C64-Audioprogramm aufgenommen hätten. In »Lie Down« entleeren die Synthies erstmal ihre Eingeweide, ehe sie zu stampfen anfangen. Wunderhübsch ist »Kvikmyndir«: Sanfte Electronic-Bläser und verhallter Gesang lassen den Mond über Island aufgehen. »Freaked Out« ist eine gelungene Mothers Of Invention Vocoder-Hommage, an der auch der gute alte Zappa seinen Spaß gehabt hätte. »Life Jacket Under Your Seat« und »Back Of Your Drawer« stechen im Albumkontext als fast exotisch anmutende, einfache Popnummern heraus. Danach wird es regional – und spektakulär: Das letzte Viertel des Albums besteht aus mit lettischer Folklore unterlegter Akustik-Poesie. Auf den Tracks »Pieture Mani Sev Klat«, »Zemeslodes«, »Apest Tevi« und »Pilnigi Viens« klingen Instrumenti plötzlich wie eine völlig andere Band. Hymnisch und zurückhaltend, verzaubernd und unironisch, wirken die Songs wie eine 180-Grad-Drehung zum bisherigen Liedgut und erinnern mehr an Sigur Rós oder Beirut als an Euro-Dance. Auch wenn das alles so gar nicht zusammenpasst, es funktioniert. Was für eine seltsame Platte. ¶

6/10 Klaus Buchholz

7/10 Michael Kirchdorfer


Abt. Musik

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a. 119/ Reze nsi onen

Cant Dreams Come True

The War On Drugs Slave Ambient

(Warp )

( Secretly Canadian)

Zusammen geht, was zusammen gehört

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Nimmt man Bandnamen und Albumtitel als Ganzes wahr, stellt sich subtil eine Frage, deren Beantwortung ein Leichtes ist: Ab und zu werden Träume tatsächlich war. Zumindest die musikalischen.

Mehr von diesem Stoff

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So macht man Drogenmusik: Dissonante Hall-Effekte, Krautrock-Kollagen, freakige Folk-Instrumentierung und ein Sänger, der wie ein junger Tom Petty auf Pilzen klingt.

Chris Taylor, seines Zeichens Produzent, Sänger und Bassist von Grizzly Bear, startet mit George Lewis Jr., der erst vor Kurzem unter dem Namen Twin Shadow eines der besten Alben des vergangenen Jahres ablieferte, eine Kollaboration, die besser eigentlich nicht sein könnte. Der unverwechselbare Sound der Keyboards und der verhallten Gitarren, die schon Twin Shadows Debütalbum »Forget« zu seinem eigenständigen Klang verhalfen, finden sich nun auf Cants erstem Album wieder. Die langgezogenen, sich langsam aufschaukelnden Nummern, die Grizzly BearSongs oft so besonders machen, werden immer wieder mit mehrstimmigem Gesang versehen und treffen auf die bezaubernde Stimme von Twin Shadow, der dieses Mal seine Huldigungen an Morrissey beiseite lässt. Das Perfektionistentum, das Taylor stets nachgesagt wird, trifft auf die dilettantische Intuition von Lewis und vor allem auf sein Gespür für wunderbare Harmonien. Das, was dabei herauskommt, ist verblüffend. Die Schönheit bahnt sich ganz langsam an, nichts erschließt sich einfach so. Man muss schon ganz genau hinhören, doch dann kommt man aus dem Kopfschütteln der bewundernden Verwunderung nicht mehr heraus. Plötzlich scheint es so, als sei das Problem, gute Songs zu schreiben, ein banales, so selbstverständlich klingt hier die Lösung. Die Nummern verwickeln sich unaufhaltsam in ein wohliges Gewirr von Rhythmus, tiefen Basslinien und eindringlichen Melodien. Die Songs auf »Dreams Come True« wechseln dabei oft ihr Genre. Der Einstieg »Too Late Too Far« paraphrasiert den Pop in zahlreichen Facetten und erinnert mit seinem repetitiven Gesang eigenartig an Phil Collins – was einerseits eine positive Störung bewirkt, andererseits auch den Charme der Nummer ausmacht. »She Found A Way Out« dagegen setzt etwa im Singer-Songwriter-Stil an. Lediglich Stimme und Gitarre bauen minutenlang Spannung auf, die schließlich von wabernden Beats und deepen, schwerfälligen Bässen eingelöst wird. Ein bombastischer Zusammenprall an Leichtigkeit und Schwere, an durchdachter Vertracktheit und Zufall zieht sich durch das Album. Taylor und Lewis haben sich gefunden, ergänzen sich genial und erzwingen dadurch eine Dauerrotation. ¶

Drogenmusik revisited: The War On Drugs sind seit dem Abgang von Gitarristen Kurt Vile, welcher dieses Jahr bereits mit seinem Soloalbum »Smoke Ring For My Halo« zu begeistern wusste, mehr oder weniger zur One-Man-Band von Adam Granducial, dem kontemporär langhaarigsten Ostküsten-Weirdo aus Philadelphia, geschrumpft. Dem Sound hat das nicht geschadet: Während die War On Drugs Debüt-LP »Wagonwheel Blues« eher knochentrocken und bluesig daherkam, ist aus dem Zweitwerk »Slave Ambient« ein kleines, verrauschtes Popjuwel geworden. Das Album beginnt mit dem hypnotisch scheppernden »Best Night«: Repetitive Drum-Machines und verwaschene Synthie-Harmonien schweben über einem abgeschliffenen, new-wavigen Klangteppich, Sänger Adam Granducial säuselt dazu melancholisch und melodisch »I’m a thousand miles behind with a million more to climb«. Der wunderbare Album-Opener drängt Erinnerungen an die gute Musik der 80er auf – alles tönt zugleich synthetisch und organisch, die Gitarren klingen nach My Bloody Valentine und Television, der Gesangsstil erinnert an den jungen Tom Petty, so dieser ein Faible für ausufernde HalluzinogenExperimente gehabt hätte. Psychedelisch geht es auch weiter: Stücke wie »Brothers«, »I Was There«, »Come To The City« oder »Baby Missiles« kommen im transzendenten Dreampop-Gewand daher, Musikgeschichtlich am ehesten irgendwo zwischen New Order und Galaxie 500 verortbar. Dissonante Hall-Effekte, Krautrock-Kollagen und freakige Folk-Instrumentierungen geben dem Sound dabei kantige Schattierungen, welche »Slave Ambient« davor bewahren, allzu einseitige Schienen zu befahren. Fazit: Entgegen unzähligen anderen Bandprojekten, die durch den Verlust eines kreativen Mitmusikers in ihrer musikalischen Ambiguität eher zu schrumpfen scheinen, wirkt der neue The War On Drugs-Output runder, frischer und tiefergehender als das noch in der Kurt VileSupergroup-Formation aufgenommene Debüt. Weiter so, und bitte mehr vom gleichen Stoff. ¶

9/10 Ursula Winterauer

8/10 Michael Kirchdorfer

AU S GA B E 1 1 9 / 0 7 5 ◄


Abt. Twitter-Reviews

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a. 119/ reZeNsiONeN

Die Welt auf Scheibe – erklärt in 140 Ausführlicheres auf www.thegap.at

Zeichen zum Angeben in der Disco.

500 Fick Rick Wenn da Huat brennt Beats wie von einem Spät-90er Software-Demo. Förster G-Funk. Wer Zeilen wie diese verstehen will, hat ▪ schon verloren. 0/10 STEFAN NIEDERWIESER A Winged Victory For The Sullen A Winged Victory For The Sullen ERASED TAPE RECORDINGS / INDIGO Eine kleine Tiefton-Nachtmusik: Experimentelle Ambient/Drone-Collagen treffen auf KlassikImprovisationen am Bösendorfer. 7/10 MICHAEL KIRCHDORFER ▪ Bernd Begemann & Die Befreiung Wilde Brombeeren TAPETERECORDS »Wilde Brombeeren« bestehen aus Schlager, Kitsch und Trash. Schmecken tut das nur manchmal gut. 4/10 MICHAEL KIRCHDORFER ▪ Clap Your Hands Say Yeah Hysterical V2 Power-Pop ohne Intensität: Clap Your Hands Say Yeah sind nach vierjähiger Pause mit einer konformistisch-anbiedernden dritten LP im Handgepäck wiedergekehrt. 5/10 MICHAEL KIRCHDORFER ▪

Hard-Fi Killer Sounds WARNER Das britische Quartett (Hard To Beat) hatte sich eine kurze Schaffensperiode gegönnt, um nun mit Erfolg wieder durchzustarten. 6/10 GERALD C. STOCKER ▪ Hudson Mohawke Satin Panthers EP WARP Hudson Mohawke macht immer noch das, was er am besten kann: großen Spaß beim Zuhören bereiten. Mehr davon, jetzt! 8/10 KLAUS BUCHHOLZ ▪ Idaho You Were A Dick TALITRES Du warst ein Arsch. Ich verzeihe dir nicht. Wir sind anders. Es bringt niemandem was. Das macht mich zwar traurig, aber du warst ein Arsch. 5/10 STEFAN NIEDERWIESER ▪ The Japanese Popstars Controlling Your Allegiance GUNG HO! RECORDINGS Sie sind weder Japaner, noch machen sie Pop, noch sind sie Stars: The Japanese Popstars bescheren ein ElektroAlbum mit allerhand bekannten Stimmen. 5/10 RAINER VOGGENBERGER ▪

Paley & Francis Paley & Francis COCKING VINYL Gestandener schnörkelloser Blues-Rock von zwei Männern, die man bislang eher vom puren Rockfach her kannte. 6/10 GERALD C. STOCKER ▪ Prince Rama Trust Now PAW TRACKS Nach vier verschrobenen Alben kommt nun der fünfte Streich der Brooklyn Neo-Psycher. Zugänglicher sind sie geworden, aber nicht minder spannend. 6/10 MICHAEL ANISER ▪ Suzi Quatro In the Spotlight CHERRY RED In den 70er Jahren spielte sie weltweit in den angesagtesten Großstadtclubs rauf und runter. Heute kann man sie auch schon mal im beschaulichen ▪ Ermstal bewundern. 4/10 GERALD C. STOCKER Raffertie Visual Acuity NINJA TUNE Raffertie schmeißt zusammen, was nicht unbedingt passt, macht aber so heißen Genre-Eintopf, dass man sich auf sein Album freuen sollte. 7/10 KLAUS BUCHHOLZ ▪

Connan Mockasin Forever Dolphin Love PHANTASY/BECAUSE MUSIC/ALIVE Kinderchöre, zerpflückte Weltmusik und Helium – Connan Mockasin nimmt, was der gute Geschmack verbietet, und baut daraus weirden Bizarro-Folk. 5/10 SANDRA BERNHOFER ▪ Crazy Bitch In A Cave Particles COMFORTZONE Glamour-Pop und Glitzer-R’n’B. CBC und DIY. Auf Falsettgesang aufbauender Pop, dessen eingängige Ideen explosiveren Sound benötigt hätten. 5/10 URSULA WINTERAUER ▪ The Drums Portamento MOSHI MOSHI Wie man einen ehemaligen Hype verspielt und sich im breiten Mittelfeld platziert, zeigt das Trio aus New York mit ihrem aktuellen Album. 5/10 GERALD C. STOCKER ▪ The Duke Spirit Bruiser POLYDOR The Duke Spirit liefern ein solides Rock-Album für die Generation Röhrenjeans, das schwer zu mögen und schwer zu kritisieren ist. 4/10 JONAS VOGT ▪

Jay-Z & Kanye West Watch The Throne ROC-A-FELLA/ UNIVERSAL Ego und Gold – daraus ist dieser Thron gestrickt. Prince und Jacko, Madonna und Gaga, Picasso und Pollock wären ähnlich nicht auf einen grünen Zweig gekommen. 6/10 STEFAN NIEDERWIESER ▪ Kayo Des sogt eigentlich ois TONTRAEGER Zwischen den Zeilen liegt die Kraft. Kayo liefert sein überfälliges Debüt ab und unterstreicht seinen Status als Dialekt-Rap-Legende. 9/10 KLAUS BUCHHOLZ ▪ Lanterns On The Lake Gracious Tide, Take Me Home BELLA UNION/COOPERATIVE MUSIC Pathetischer Herbstfolk mit Post-Rock-Elementen, der einem die Nebelschwaden an den Knöcheln hochwabern lässt. 6/10 SANDRA BERNHOFER ▪ Male Bonding Endless Now SUB POP/TROST Laut und irgendwie 90er! Schon komisch, dass wir das Beste des 90s-Revivals bisher den Briten zu verdanken haben. 8/10 PHILIPP LAMPERT ▪

The Rapture In the Grace Of Your Love DFA Die New Yorker Neo-Post-Punker kommen trotz Schwarz-Weiß-Surferei am Cover nicht mehr ganz in die Jetzt-Zeit. Also, let‘s party like its 2004! 5/10 GERALD C. STOCKER ▪ S.C.U.M Again Into Eyes MUTE Ein Soundtrack der Unzufriedenheit wie in den ersten Jahren der eisigen Regierung der eisernen Lady. Dass das so klingt, als hätte man es schon mal gehört, ist egal. 8/10 WERNER REITER ▪ Saam Schlamminger Aus der Heimat INTERMEDIUM Stimmen, Sounds und Rhythmen aus der Heimat von Saam Schlamminger – das ist München und Teheran. Was, wie und warum bleibt unklar. 4/10 STEFAN NIEDERWIESER ▪ Patti Smith Outside Society SONY Patti Smith hat Eier und über all die Jahre nicht ein bisschen Staub angesetzt, was dieses Best Of Album eindrucksvoll beweist. 8/10 GERALD C. STOCKER ▪

Example Playing In The Shadows MINISTY OF SOUND Dubstep für Stadien, für die Charts, für verstrahlte Birnen, geile Böcke und Wochenendaussteiger. Example besorgt dir all das.

Milk Maid Yucca FATCAT Lakonisch unzeitgemäße Geheimtipp-Musik: Milk Maid klingen nach Dreampop und Garage-Rock, nach Surferhymnen und Grunge. 7/10 MICHAEL KIRCHDORFER ▪ Modeselektor Monkeytown MONKEYTOWN RECORDS Auf dem neuen Modeselektor-Album klingt wie gewohnt kaum ein Song wie der andere. Das kann man abwechslungsreich nennen. Oder beliebig. 6/10 JONAS VOGT ▪ Moonface Organ Music Not Vibraphone Like I‘d Hoped JAGJAGUWAR Wolf Parade-Mitglied erkundet auf Solopfaden Prog-Rock, New Wave und Ambient-Electronica. Wer Konzeptkunst mag, wird dieses Album lieben. 7/10 MICHAEL KIRCHDORFER ▪ No Surrender Medicine Babies ZER0KILLED MUSIC Nach Jahren der Grabesstille kredenzen uns No Surrender mit »Medicine Babies« ein durchaus beschwingtes Konstrukt aus Avantgarde und AfroRock. 7/10 RAINER VOGGENBERGER ▪

Sóley We Sink MORR MUSIC Sepiafarbene Klavierwolken, brüchige Beats und frostig-mythischer Komponisten-Pop: Das Solodebüt von Sóley Stefánsdóttir riecht förmlich nach Island.

▪ Fennesz Seven Stars TOUCH Zwischen Ambient, Chilldrone, Glitch, Wavegaze und hauntologischem Pop unterstreicht Fennesz seine Ausnahmestellung in abstrakter Elektronik. 7/10 STEFAN NIEDERWIESER ▪ Fruit Bats Tripper SUB POP Wer hat Angst vor Major Tom? Liedseliges Space-Hippie 70er-RetroGezupfe irgendwo zwischen Fleetwood Mac und David Bowie, das zu wenig weit hinaus will. 6/10 MICHAEL KIRCHDORFER ▪ Gomez Whatever’s On Your Mind EAT SLEEP Ein sehr abwechslungsreiches Album zwischen UK und US, zwischen Folk, Pianopop und Indie von einer der durchgehend sachverständigsten Bands der Insel. 7/10 GERALD C. STOCKER ▪ 2/10 STEFAN NIEDERWIESER

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▪ Solyst Solyst BUREAU B Kreidler-Drummer Thomas Klein hypnotisiert mit rhythmischer Eleganz. 8/10 WERNER REITER ▪ Tarwater Inside The Ships BUREAU B Tarwater erfinden fremde Welten, verweben Indie- und Folkfundus mit elektronischen Einsprengseln und verzichten auf Futurismus. 7/10 WERNER REITER ▪ Teen Daze A Silent Planet WAAGA RECORDS Traurige Popkleinode, eingebettet in wunderbar chillwaviges Gewaber. Genauso würde Ulrich Schnauss heutzutage klingen. 7/10 MICHAEL ANISER ▪ 6/10 MICHAEL KIRCHDORFER


Abt. Twitter-Reviews

The Weeknd Thursday FREE DOWNLOAD The Weeknd klingt so, als ob James Blake erregt aus einem feuchten Traum erwacht und darüber einen Song ▪ schreibt, der richtig geil ist. 8/10 KLAUS BUCHHOLZ Thees Uhlmann Thees Uhlmann GRAND HOTEL VAN CLEEF Thees Uhlmann macht dort weiter, wo Tomte aufhört: Bierseliger Gitarrenrock mit Spätpubertätslyrik und Pathosgesang. 3/10 MICHAEL KIRCHDORFER ▪ Various Artists Hamburg Elektronisch HAFENDISKO Zwei CDs wäre diese Download-Compilation dick. Sie zeigt ohne viel Marketing-Gedöns das ganze elektronische Edel-Treibgut von innerhalb ▪ der Hamburger Deiche. 7/10 STEFAN NIEDERWIESER Various Artists Die Stimmen Bayerns: Die Liebe TRIKONT Wo dich der Boanlkramer holt und der Hirnpecker beglückt: Trikont präsentiert den Auftakt einer akustischen Reiseführer-Reihe in den Freistaat. 6/10 MARTIN ZELLHOFER ▪

MUSIC, ARTS AND POLITICAL DISCOURSE

20–26 oct 2011 graz www.elevate.at

Various Artists Die Stimmen Bayerns: Der Tod TRIKONT Wo dich der Boanlkramer holt und der Hirnpecker beglückt: Trikont präsentiert den Auftakt einer akustischen Reiseführer-Reihe in den Freistaat 8/10 MARTIN ZELLHOFER ▪ Various Artists David Rodigan’s Dubwize Shower BBE RECORDS Bitte hier den Wikipedia-Artikel über Dub (Musik) einfügen. Einzige Schwäche: es ist Compilation Nummer 170 zu diesem Thema. 7/10 STEFAN NIEDERWIESER ▪ Various Artists If This Is House I Want My Money Back Zwei PERMANENT VACATION Der Name »Jack« schallt gerade wieder von jeder Litfaßsäule und wird hier zwölf Mal unterschiedlich ausbuchstabiert. Mit einer durchmischten Platte. 6/10 STEFAN NIEDERWIESER ▪ Various Artists Zero and One VELAK Man nehme ein Konzept, Musiker, Improvisation, ein Artwork und fertig ist der Sandbaukasten. Das Ergebnis: meh. 4/10 STEFAN NIEDERWIESER ▪

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a. 119/ reZeNsiONeN

Various Artists Get Lost 4 CROSSTOWN REBELS Tausendsassa Damien Lazarus mixt exklusive und unveröffentlichte Tracks im Namen der eigenen Partyserie. Schmiedemeister im Housegusswerk. 6/10 JOHANNES PILLER ▪ Various Artists Audible Approaches For A Better Place C.SIDES Ambient und Electronica, die es gut meinen, es vereinzelt auch schaffen, gemeinsam dann doch nicht ganz überzeugen. Befriedigend, setzen. 5/10 JOHANNES PILLER ▪ Walls Coracle KOMPAKT Repetitive Elektronik und wabernde Gitarren stoßen auf die Zusammengehörigkeit und die Atmosphäre an. Grund zu feiern ▪ gibt’s hier genug. 6/10 URSULA WINTERAUER Wilco The Whole Love ANTI Wilco haben sich in den letzten Jahren einen beinahe Midas TouchStatus zulegen können, auch wenn der Weg ein ▪ steiniger war. 7/10 GERALD C. STOCKER


Abt. Film

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a. 119/ Reze nsi one n

Atmen

(von Karl Markovics; mit Thomas Schubert, Georg Friedrich, Karin Lischka) Ein jugendlicher Strafgefangener auf der Suche nach sich selbst droht innerhalb der Gefängnismauern zu ersticken. Antworten zu seinem Leben spürt er als Bestatter nach. Der Regie-Erstling von Karl Markovics besticht nicht nur im Schauspiel (neben dem Darsteller-Novizen Thomas Schubert agiert der verlässlich einzigartige Georg Friedrich), sondern auch durch glaubwürdige Beobachtung und eine präzise Bildsprache. In »Atmen« fällt solches öfter schwer, dennoch – oder eher deshalb – ist es einer der besten österreichischen Filme seit Langem. 10/10 Lena Nitsch

Wie man leben soll

(von David Schalko; mit Axel Ranisch, Robert Stadlober, Bibiane Zeller)

One Way Trip 3D

(von Markus Welter; mit Sabrina Reiter, Melanie Winiger, Herbert Leiser) Der erste 3D-Film aus Österreich (und der Schweiz), noch dazu ein Horrorfilm: Das klingt spektakulär. Dafür ist die Story dieser Koproduktion keine ganz frische: Ein paar Mittzwanziger, angeführt vom heimischen HorrorfilmAushängeschild Sabrina Reiter, machen einen Trip ins Gebirge, um sich dort mit tollen Pilzen in eine andere Welt zu schießen. Der Ausflug verwandelt sich rapide in einen Alptraum, wofür zwei sonderbare Eingeborene verantwortlich zu sein scheinen. Heraus kommt ein solides, durchschnittliches Splattermovie, das für heimische Genrefreunde reizvoll sein kann. 5/10 Jan Hestmann

Vier Leben

(von Michelangelo Frammartino) Böswillig formuliert ist dies ein besonders kunstsinniger Imagefilm für die Urlaubsregion Kalabrien; freundlicher ausgedrückt das Slapstick-Gegenstück zu Terrence Malicks »Tree Of Life«. Das Leben wandert in einem süditalienischen Dorf vom Hirten zum Schäfchen, vom Baum zum Mineral weiter. Und weil der Animismus filmisch so präzise und verschmitzt formuliert ist, als wäre Jacques Tati als Hundetrainer wiedergeboren worden, gibt es rein keinen Grund für bösen Willen. Der kurioseste Mindfuck des Kinojahres! 8/10 Joachim Schätz

► 0 7 8 / AUSGABE 119

Willkommen in Österreich

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Mit seiner Thomas Glavinic-Verfilmung führt David Schalko bewährte Stilmittel vom Fernsehen ins Kino und setzt dabei auf die Ästhetik der Nostalgie. Charlie Kolostrum ist die fleischgewordene Wiener Gemütlichkeit. Wie man leben soll, weiß er eigentlich nicht. Mithilfe diverser Ratgeberliteratur gelingt es ihm immerhin, sich selbst als »Sitzer« zu definieren. In diesem Sinne setzt er sich (und wir uns mit ihm) durch ein 100-minütiges Who’s Who von 20 Jahren Film- und Fernsehgeschichte in Österreich. Ein namhafter Promi nach dem anderen tritt in Charlies Leben und verursacht, dass dieser ohne jegliches Zutun letztlich doch eine Menge erlebt. So zum Beispiel Maria Hofstätter und Josef Hader als aufgeschlossenes SwingerEhepaar oder Robert Stadlober, dem man zur Abwechslung mal nicht beim zaghaft-schüchternen Coming-of-Age zuschauen muss. Seine ideelle Heimat findet Charlie im Milieu der Uni Wien und des VSStÖ. Das Sitzen wird hier gebilligt und vor dem Hintergrund der »inneren Werte« kann er auch recht schnell die Body Issues ablegen. Schalko bleibt seinem Stil treu. Wie auch einige seiner Fernsehformate (»Die Sendung ohne Namen«, »Kupetzky«) formuliert der Film eine bunte Mischung aus Ratgeber-Infotainment und Fiktion aus und ist dabei sehr österreichspezifisch. Woanders lässt sich diese Anhäufung nostalgischer Symbole der späten 80er und frühen 90er wohl kaum entziffern. So querbeet wie »Willkommen Österreich«, die inzwischen von Schalko / Stermann & Grissemann übernommene »Fernseh-Illustrierte« des österreichischen Vorabendprogramms, kommt auch dieser Film daher. Eher assoziativ als linear, stellt er den Versuch einer Verkettung von Milieustudien dar und nimmt uns mit auf eine Reise durch 20 Jahre Popkultur. Oftmals verschwimmen die Grenzen zwischen On und Off, Realität und Fiktion. So sehr der Film auch von der Vergangenheit lebt, bleibt der kulturkritische Ansatz zeitgemäß – und auch ein bisschen meta. Während der Film von einer Zeit handelt, in der musikalische Ausgeburten wie DJ Ötzi gerade salonfähig werden, steuern die Trackshittaz, deren zelebriertes Dorfdisko-Proletentum inzwischen bei Sony gesigned ist, eine Single zum Soundtrack bei. ¶ 5/10 Artemis Linhart


Abt. Film

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Whores’ Glory

(Dokumentarfilm von Michael Glawogger)

Das Leben ist keine Hure

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»Whores’ Glory« zeigt den erbarmungslosen Alltag von Frauen, die ihre Körper verkaufen, um menschenwürdig leben zu können. Regisseur Michael Glawogger bewahrt ihre Würde mit sensibler Ästhetik und berührt mit brutalen Realitäten. Die Leinwand zeigt zwei Huren aus Bangladesch, die vielleicht vierzehn Jahre alt sind und mit müden, aber stark geschminkten Kindergesichtern von der Traurigkeit des Lebens im Bordell erzählen. Szenen wie diese bleiben unweigerlich in Erinnerung. Auch wenn sie bewusst kurz gehalten sind und sich problemlos zwischen stimmungsvollen Musikvideosequenzen und sanften Umgebungsaufnahmen einreihen. Schon nach kurzer Filmdauer beweist Michael Glawogger, dass er sein Dokumentarfilmhandwerk außergewöhnlich gut beherrscht. Wirklich erschreckend sind in »Whores’ Glory« aber die gezeigten Männer. Wenn sie armselig von sexueller Abwechslung oder Verliebtheit erzählen, die ihnen bei ihren eigenen Frauen fehlen würde. Oder wenn sie offenkundig geizig um Preise feilschen und Rabatte erflehen. Glawogger hat drei sehr unterschiedliche Schauplätze gewählt: Thailand, Bangladesch, Mexiko. In drei entsprechende Kapiteln gegliedert, erzählen alle drei die gleiche Geschichte von weiblicher Prostitution und männlicher Dominanz. Hoffnungen und Kräfte werden in diesen religiös stark geprägten Erdteilen aus spirituellen Riten geschöpft, auch von Sexarbeiterinnen. Auch hier betont »Whores’ Glory« die globalen Lebensumstände dieser Frauen. Religiöse Moralvorstellungen verhindern dabei höchstens einzelne sexuelle Praktiken – z.B. wenn Huren in Bangladesch keinen Oralsex praktizieren sollen, damit der Mund dem Koran vorbehalten bleibt. Doch patriarchale Strukturen bestimmen den Preis und Wert von Frauen im gläubigen Normalzustand. Während in den Schwellenländern Thailand und Mexiko die betroffenen Frauen zumindest teilweise noch Perspektiven auf selbstbestimmte Biografien zu haben scheinen, haben die Mädchen und Frauen im unterentwickelten Bangladesch kaum eine Wahl. Nicht selten direkt hineingeboren in das Gewerbe, gebunden an die unbarmherzigen Regeln hierarchischer Zuhälterei, wird Prostitution zur Überlebensnotwendigkeit. »Whores’ Glory« nimmt seine Protagonistinnen sehr ernst, lässt sie weinen, lachen und über ein Leben triumphieren, das sie nur ficken will. Glawogger lässt seine Sequenzen atmen, gibt seinen Bildern Raum und taucht sie mittels subtil brodelndem Soundtrack in eine Atmosphäre, die weder Mitleid abverlangt, noch seine Figuren reißerisch zur Schau stellt. »Whores’ Glory« steht den Prostituierten dieser Welt bei und bleibt realistisch, ohne sie ihrer Würde zu berauben. ¶ 9/10 Klaus Buchholz

AB 30.9. IM KINO hothothot.poool.at


Introducing

_ Abt. DVD

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a. 119/ Reze nsi one n

Black Brown White (Allegro / Filmladen)

von Erwin Wagenhofer; mit Fritz Karl, Clare-Hope Ashitey, Wotan Wilke Möhring, Francesc Garrido, Karl Markovics auf DVD

text Artemis Linhart

Here comes Raaaaaaaandy! Aziz Ansaris außergewöhnliche Comic Delivery wirkt auf der Bühne, im Fernsehen und im Kino. Bald ist der körperbetonte US-Komiker wieder auf der Leinwand zu sehen. Diesmal in einer Hauptrolle. Für jene, die nicht aus der Stand-up-Comedy-Szene kommen oder eingefleischte Fans sind, mag Judd Apatows Komödie »Funny People« (2009) über einen arroganten Komiker-Filmstar (Adam Sandler) etwas langatmig anmuten. Die nuancierten Insiderwitze und Seitenhiebe auf diese Kunstform dürften dann ebenso an den meisten Menschen vorbeigehen. Am ehesten in Erinnerung bleibt wohl noch »Raaaaaaaandy« Springs, der Stand-up-Comedian mit eigenem DJ und Special Sound Effects, der als Karikatur von Publikumslieblingen mit überbordenden und anzüglichen Tendenzen funktioniert. Gespielt wurde er vom damals 26-jährigen Aziz Ansari. Aufgrund großer Beliebtheit wurde diese Rolle, quasi als selbsterfüllende Prophezeiung, zu Ansaris Alter Ego. Bis heute nimmt sie einen Teil seines regulären Stand-up-Acts ein. Ansaris Performance ist geprägt von energetischer Albernheit. Traditionelles, am gesprochenen Wort orientiertes Stand-up wird immer wieder mit Elementen einer sehr körperlichen Komik gebrochen. Diese Körperbetontheit ist es auch, die Ansaris Rolle in der NBC-Serie »Parks and Recreation« ausmacht. Hier gibt er den Möchtegern-Ladies-Man und scheiternden Networker Tom Haverford, der sich, ungeachtet seines exotischen Aussehens, als Redneck bezeichnet. Ansaris Wurzeln ziehen sich ebenfalls durch sein komödiantisches Schaffen. Die Ungläubigkeit, mit der viele Menschen einem akzentfrei sprechenden Amerikaner indischer Abstammung begegnen, dient der allgemeinen Erheiterung. Diesen Monat geht die Serie um ein Stadtverschönerungsamt in Indiana bereits in die vierte Staffel und Mitte November startet Ansaris neuester Kinofilm »30 Minutes Or Less«, wo er gemeinsam mit Jesse Eisenberg als unfreiwilliger Bankräuber den Dilettantismus perfektioniert. Regisseur Ruben Fleischer, der nach »Zombieland« (2009) seine nächste GenreKomödie vorlegt, ließ dem Ensemble beim Drehen viel Freiraum – ganz im Sinne jener Improvisationstheater-Kultur, aus der Ansari auch selbst kommt. Die vierte Staffel von »Parks And Recreation« startet am 22. September auf NBC. »30 Minutes Or Less« (Sony) startet am 10.11. in Deutschland, für Österreich gibt es noch keinen Termin. Ansaris Website: azizisbored.tumblr.com

► 0 8 0 / AUSGABE 119

Outrage ( Capelight)

von Takeshi Kitano; mit Takeshi Kitano, Kippei Shiina, Ryo Kase auf DVD und Blu-Ray

Die Inspiration zu seinem Drama holte sich Wagenhofer im Zuge der Dreharbeiten zu »We Feed The World«, wo er mit einem österreichischen Trucker unterwegs war. Der Fernfahrer Don Pedro (Fritz Karl) bessert seine Finanzen seit der Wirtschaftskrise mit der Schlepperei afrikanischer Flüchtlinge in die Festung Europa auf. Als die eigenwillige Jackie (Clare-Hope Ashitey) und ihr Sohn (Theo Caleb Chapman) sich jedoch weigern, mit den anderen im Laderaum zu reisen, nimmt Don Pedro große Risiken auf sich und die Turbulenzen ihren Lauf. Die langsame Erzählung mit durchwegs schönen Einstellungen wirkt jedoch überladen an Gesellschaftskritik. Wagenhofer hebt abermals den Zeigefinger und deckt dabei diverse Themen von der Klassengesellschaft über Korruption bis zu europäischen Schönheitsidealen ab. So wirkt der Film wie eine naive Zurschaustellung etlicher Missstände mit plakativen Dialogen und karger Figurenzeichnung. 5/10 Artemis Linhart

Takeshi Kitano hat nach einigen Jahren Pause wieder einmal einen Yakuza-Film gedreht. Im Bonusmaterial-Interview erzählt er selbst, dass er dies nun einmal gut könne und wohl auch nicht mehr verlernen wird. Das Interview ist auch deswegen aufschlussreich, weil es Takeshi Kitano privat zeigt, und er sich in vielerlei Hinsicht nicht von seinen Figuren unterscheidet. »Outrage« selbst erzählt trocken und reduziert von einem Machtkampf zwischen verschiedenen Yakuza-Familien. Die Anzahl an handlungstragenden Charakteren ist groß und anfängliche Verwirrung beinahe vorprogrammiert. Erwartbarerweise werden die Figuren im Verlauf des Films aber ohnehin weniger. Spannend ist »Outrage« eher wegen seiner unglaublichen Ruhe. Bis auf ein paar wenige Action-Szenen konzentriert sich Takeshi Kitano auf das erzählerische Skelett seiner Story, lässt jedes schmückende Beiwerk weg und die Nacherzählung würde beinahe genauso lange dauern wie der Film. Als ob man einem komplexen Uhrwerk bei der Arbeit zusieht, ist »Outrage« nur bedingt emotionalisierend, deswegen aber um nichts weniger faszinierend. 8/10 Martin Mühl

The Wackness ( Koch)

von Jonathan Levine; mit Josh Peck, Ben Kingsley, Olivia Thirlby auf DVD

Der New Yorker Regisseur Jonathan Levine (»All The Boys Love Mandy Lane«) hat seiner Stadt ein kleines Rauchzeichen gesetzt, das unter Sonnenschein und zu den Raps von Notorious B.I.G. verpafft. »The Wackness« ist ein gemütliches Sommermärchen, das von Schauspiel-Tausendsassa Ben Kingsley in seiner Rolle als Gras rauchender Psychiater dominiert wird. Als Protagonist wurde der trübe Blick von Josh Peck besetzt, der als sympathischer Dealer sein erstes Liebesleben vor sich blühen und welken sieht. Doch wie so oft geht es auch in diesem Coming-ofAge-Streifen darum, alle Beteiligten erwachsen werden zu lassen. Nach Drogeneskapaden findet der Psychiater zu sich und der Dealer heraus, dass die Bitch-Phrasen von Biggie gut zum frisch gebrochenen Herzchen passen. Die Inszenierung überrascht mit fantasievollen Effekten und nachvollziehbaren Jugendlichen. Als Abbild der 90er Jahre besticht vielleicht der Soundtrack, ansonsten war es damals schon aufregender. 5/10 Klaus Buchholz

A Woman, A Gun And A Noodle Shop ( Sunfilm)

von Zhang Yimou; mit Honglei Sun, Ni Dahong, Yan Ni auf DVD und 3D-Blu-Ray

Zhang Yimou konnte als Regisseur mit »Hero« und »House Of The Flying Daggers« international Erfolge verbuchen und führte 2008 bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking Regie. Sein Film »A Woman, A Gun And A Noodle Shop« ist im Vergleich dazu reduziert und sparsam. Yimou verlegt das Coen BrothersDebüt »Blood Simple« ins nordchinesische Hinterland eines vergangenen Jahrhunderts. Die Frau eines Restaurant-Besitzers betrügt ihn mit einem seiner Mitarbeiter – als er daraufhin deren Ermordung in Auftrag gibt, beginnen erst die Verwicklungen und Missverständnisse. Das geniale Original ist eine lakonische Hommage an den Film Noir, in dem die Coen-Brothers vieles von dem vorwegnehmen, für das sie nachher stehen sollten: wortkarger Humor (»Fargo«), willkommene Austattungs-und Regieideen (»Barton Fink«), immer wieder aufblitzende Brutalität. Zhang Yimous Film ist bunt, hysterisch und auch durchaus witzig – Inszenierung, Ausstattung und Story finden hier aber nicht so gelungen zusammen wie bei den Coens. Wer das Original nicht kennt, bekommt immerhin eine bunt gestylte Krimi-Kömodie. Nur die 3D-Effekte hätte es dafür nicht gebraucht. 5/10 Martin Mühl


Abt. Sachbuch

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a. 119/ reZeNsiONeN Peter Dietrich, Sieglinge Martin (Hg.) Kommunkationsmanagement

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( L I T ) Kommunikation kann – ein paar Jahre, nachdem irgendwie alles Kommunikation war und es wohl jede Bullshit-Bingo-Liste der Welt angeführt hat – nun wieder ernsthaft betrachtet werden. Und spätestens seit Social Media gibt es auch einiges Neues zu sagen und so manch neuen, ergiebigen Blickwinkel. Diese Beschäftigung findet in Wien zum Beispiel am Institut für Kommunikationswissenschaft der FH Wien statt. Dort arbeiten auch die beiden Herausgeber dieses Buchs: Peter Dietrich und Sieglinde Martin. In 27 Interviews nähern sie sich dem Thema mit der vollen Breitseite. Unterschiedlichste Zugänge werden nebeneinander gestellt, aber nur bedingt verglichen, viele schlaue Fragen und Antworten fallen, werden aber an keiner Stelle zentral zusammengedacht. Interessierte bekommen hier eine Menge Input, Auskenner und Leute vom Fach sicher noch ein bisschen mehr. Für Komplett-Neulinge hätte die Aufbereitung ein bisschen anders sein müssen – aber das war hier wohl nie der Plan. Immerhin: Kommunikation ist zu Recht kein Schimpfwort mehr.

Industriemöbel. Prototypen der Moderne

7/10 MARTIN MüHL

(AUSSTELLUNGSKATALOG MAK/ VERL AG FüR MODERNE KUNST)

Heavy Metal Design

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Ein Ausstellungskatalog zur Industriemöbel-Designschau des Wiener MAK gibt einen Überblick über den Reichtum industriellen Einrichtens und Wohnens im post-industriellen Zeitalter. Design ohne Designer: Für viele wäre das der Idealzustand. Schon Adolf Loos wetterte vor 100 Jahren gegen die angewandte Kunst und pries dagegen das schnörkellose Handwerk seines Sesseltischlers. Le Corbusier, der die Loos’schen Ideen – sehr zu dessen Missfallen – weiter entwickelte, gehörte bereits zu jenen Architekten der Moderne, die auch die »Ingenieurskunst« in den höchsten Tönen lobten. Er sah in der Monumentalarchitektur des Industriezeitalters das Vorbild für die zeitgemäße Wohnarchitektur. Fabrikhallen, Bahnhöfe oder Brücken waren für ihn die ehrliche Antwort auf die grauenhafte Formenvielfalt des Historismus oder den Hang zum Ornament beim Jugendstil. Analog zur Begeisterung für die Industriearchitektur entdeckten auch die Designer (Jean Prouvé, Marcel Breuer etc.) jene Materialien, die für den Wohnbereich zuvor Tabu waren: Stahlrohr etwa oder Stahlblech. Und sie verschrieben sich zum Teil einem scheinbar gnadenlosen Funktionalismus (Bauhaus), den sie in den anonymen Werksentwürfen vollkommen verwirklicht sahen. Das MAK zeigt nun in einer kleinen, von Sebastian Hackenschmidt kuratierten Ausstellung (bis 30. Oktober) eine Reihe von Industriemöbel, die großteils aus österreichischen Betrieben stammen. Sie werden als »Prototypen der Moderne« vorgestellt, wobei einige Exponate erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Das macht aber nichts, denn die Möbeltypen – Arbeitstische, Ablagen, Spinde, Hocker – gab es oft in der Form schon vor 100 Jahren und mehr. Sie bilden gleichsam die funktionalistische Essenz, die bei Bedarf auch angepasst werden kann: War ein Hocker zu klein, verlängerte man einfach die Beine. Lange Zeit wurden Industriemöbel gnadenlos ausgemustert, erst als man den ästhetischen Reiz von Lofts erkannte, begann man langsam auch die radikale Schlichtheit der Industriemöbel zu schätzen. Kurator Hackenschmidt vergleicht das mit alten Bauernmöbeln, die einst nichts wert waren und erst dann von Antiquitätenhändlern aufgekauft wurden. Heute demonstriert man eben mit möglichst abgenutzten Industriemöbeln Individualität, in Kombination mit einem Apple-Computer oder Jasper Morrison-Stühlen ergibt das eine schicke »Rau, aber doch kultiviert«-Optik für zuhause. Letztlich handelt es sich um einen augenfälligen Beweis, wie weit wir von der Kultur der Schwerindustrie entfernt leben. Die Ausstellung im MAK ist absolut sehenswert, doch erst der Katalog vermittelt den Reichtum und die Zusammenhänge eines Themas, das noch lange nicht erschöpft ist. 8/10 PETER STUIBER

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Koller/ Bartz /Bast (Hrsg.) Secret Passion

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( S P R I N G E R / E D I T I O N A N G E WA N DT E ) Wenn also

zehn Künstler über ihre liebste Musik reden, sagt das mindestens so viel über Kunst- und ihre Wahrnehmungsweisen aus wie über die Musik selbst. Das Buch heißt »Secret Passion«, doch so geheim oder schockierend sind diese Leidenschaften gar nicht. Das Wechselspiel von Kunst, Architektur und Musik ist ein lang bestelltes Feld – für kreative Missverständnisse, ästhetische Analogien und aufregenden Reibekuchen. Sie, die Künstler, führen vielmehr ihre Haus-und-Hof-Expertise, die Kunst, an ihr Hobby, die Musik, heran. So zieht etwa Wolf D. Prix seine Beschreibung dekonstruktivistischer Architektur aus einem Bob Dylan-Song (»I have to rearrange their faces/ And give them all another name«). Auch das Verhältnis von Musikern und Künstlern wird immer wieder zum Thema (»Künstler, die Musik machen. Grauenhaft, nicht?« - »Ist nicht verboten«). Die Bandbreite der Sich-Verhaltens-Zur-Musik reicht von strengem, ästhetischen Empfinden und avantgardistisch-elitären Dünkeln bis zu sehr subjektiven, nicht weiter hinterfragten, in der Farben der eigenen Biografie gezeichneten Vorlieben.

7/10 STEFAN NIEDERWIESER

Stefan Sagmeister, Chantal Prod’Hom & Martin Woodtli (Hg.) Another Book about Promotion & Sales Material

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( V E R L AG H E R M A N N S C H M I DT ) Stefan Sagmeister

ist der zweitbekannteste Austro-Amerikaner nach Arnold Schwarzenegger. Sein neues Buch ist anlässlich einer Ausstellung im Musée de design et d`arts appliqués contemporians in Lausanne erschienen, die Arbeiten des Wahl-New Yorkers seit 2002 präsentiert. Gestaltet wurde es vom Schweizer Grafiker Martin Woodtli und nicht von Sagmeister selbst – deshalb kommt es auch ohne große Spielereien aus. Zentrales Thema ist »Verkaufen« – das reicht vom Albumcover für David Byrne und Brian Eno über eine Kampagne für Levi’s und Werbematerialien für die befreundete Modedesignerin Anni Kuan bis hin zu Plakaten für Sagmeister-Ausstellungen. Die Begriffe »Sales & Marketing« haben stets den schalen Beigeschmack der Kompromisslösung, doch Sagmeister kann sich seine Kunden längst selbst aussuchen. Diese Freiheit tut auch den vorgestellten Projekten verdammt gut. Kurzum: Auch wenn der Hype um den Stargrafiker manchmal nervt, beweist das Buch wieder einmal, wie sehr er sich seinen Status verdient hat.

7/10 PETER STUIBER

AU S GA B E 1 1 9 / 0 8 1 ◄


Abt. Buch Emma Donoghue Raum

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a. 119/ reZeNsiONeN

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( P I P E R ) Die Befreiung der Kinder von J. Fritzl in Amstetten, die ihr Leben in Gefangenschaft verbringen mussten, habe die irisch-kanadische Autorin inspiriert. Das mag die Bestseller-Karriere ihres Romans gefördert haben, ein sensationalistischer Exhibitionismusschocker aber ist er nicht. Nicht dass der Horror aus Eingeschlossensein, Depravierung und übergriffen ausgespart bliebe, doch im Zentrum der Ich-Erzählung des fünfjährigen Jack steht die intensive, anrührende Mutter-KindBeziehung. Jack, der mit ihr auf zwölf Quadratmetern im Keller lebt, kennt kein anderes Dasein: Referenzen gibt bloß das Fernsehen, und auch die sind außerräumlich. Echter schon erscheinen ihm die Objekte in »Raum«, die er mit Geschichte und Namen ausstattet. Seine Mutter aber, die seit ihrer Entführung hier haust, kennt die Außenwelt – und vermisst sie umso stärker, je öfter »Old Nick« in den Raum absteigt und sie missbraucht, während Jack in »Schrank« die Sekunden zählt. Kraft einer gewagten Erzählkonstruktion und der Stimme eines umwerfenden Jungen überzeugt der Roman vor allem im ersten Teil, die Beschreibung der Jack verstörenden Freiheit im zweiten erzeugt Gänsehaut. 7/10 ROLAND STEINER

Constantin Göttfert Satus Katze

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( C. H . B ECK) Der Wiener Autor Constantin Göttfert

schreibt über einen jungen Autor, der ein Stipendium in einer entlegenen finnischen Stadt bekommt und das ausgerechnet im Winter, bei Schnee, Eis und großer Kälte. Seine Betreuerin gibt ihm dort ein Skript namens »Satus Katze« zu lesen. Das dünne Skript handelt von einer todtraurigen finnischen Familie, in deren Leben eine Katze tritt. Parallel dazu schleichen sich durch den ganzen Roman Katzen. Aber keine Kuscheltiere, eher vom Leben gezeichnete Kreaturen, die die Menschen dennoch in den Bann ziehen. Die Menschen befinden sich in einer permanenten Manie, sind getriebene, stürzen sich ins Leben, kommen sich nahe und stoßen sich gleichzeitig ab. Hier wird große Rastlosigkeit behutsam in Worte gefasst. Es schont den Leser nicht, samtig sind die Katzenpfoten in diesem Roman selten.

8/10 MARTIN G. WANKO

Paul Harding Tinkers

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( LU C H T ERHAND) Ein stilles Prosawunder mit betörenden Charakteren: ein sensibler Hausierer mit Maultierkarren und ein passionierter Uhrenrestaurator in Maine, USA. Paul Harding, der in diesen Debütroman die Geschichte seines Ur- bzw. Großvaters einwob, benötigte viele Jahre und Absagen, ehe er in einem Kleinverlag publizieren konnte; ein Jahr später gewann er den Pulitzerpreis. Erzählt wird die Geschichte des inmitten seiner Familie und tickenden Uhren sterbenden George Washington Crosby, dessen ärmliche Kindheit in West Cove, Maine und sein Leben als Studienberater, dann Restaurator alter Uhren. Quer durch die Zeiten erinnert sich der halluzinierende Alte, am stärksten an seinen Vater Howard, der als »Tinker« übers Land zog und die Familie verließ, als seine Frau ihn epileptischer Anfälle wegen in die Psychiatrie einweisen wollte. Gerade die poetischen Passagen über den Kesselflicker und fahrenden Händler, die vielschichtigen Beschreibungen der Begegnungen mit Einsiedlern und beinahe mystischer Landschaft und die Rückblenden auf Indianer und Prediger wissen zu faszinieren, aber auch die Gegenschnitte auf die Uhrmacherkunst. Herzerwärmend! 9/10 ROLAND STEINER

► 0 8 2 / AUSGABE 119

Selma Mahlknecht / Herbert Rosendorfer Lunarda ( E D I T I O N L AU R I N )

Methamorphosen einer Muse

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Gemeinsame Schreibprojekte können auch gelingen. Das Autorenduo Mahlknecht und Rosendorfer führen es vor, wenn sie ihre junge Protagonistin mit prosaischen Pinselstrichen auf Selbstfindungstrip schicken. Über die ewige Selbstfindung, gebündelt in der zerrissenen Zeit des typischen Studentenlebens, schreiben zwei Autoren im Teamwork. Sinnierte Paragraphen, wie sie tatsächlich dem Kopf einer 23-Jährigen entschwirren könnten, wechseln sich mit lebensnahen Situationen und ungewöhnlichen Szenen ab. Paula ist auf der Suche nach sich selbst. Sie gibt sich deshalb einen anderen Namen und fühlt sich, als würde sie in andere Rollen schlüpfen, wenn sie sich in unterschiedlichen Lebenslagen anders gibt. Der Situation anpasst. Auf dem Weg festzustellen, dass es einfach mehrere Facetten ihrer Person gibt, lebt sie ihre lesbische Seite aus und entwickelt sich im Laufe des Romans zum Objekt männlicher Begierde, das sich zunehmend selbstbewusst dem bewundernden Blick eines alternden Künstlers darbietet. Die Nacktheit als Thema wird einerseits vom Licht der Obszönität, andererseits im Schein der Erotik beleuchtet. Die ungewohnte Model-Künstler-Situation hilft der Protagonistin auf der Suche nach sich selbst. Sie wünscht sich, die Stellung der einzigartigen Muse einzunehmen und schätzt es, endlich wie eine richtige Dame behandelt zu werden, wenn der Maler Damaskus ihr höflich in den Mantel hilft, sie zur Tür begleitet und ihr galant den Arm reicht, wenn sie auf ihren High-Heels das Gleichgewicht zu verlieren droht. Das unsichere nette Mädel Paula May wird über ihre Erfahrung als Lunarda – wie Damaskus sein schönes Aktmodell und Objekt der Inspiration nennt – zu Ilse Paula Mayerhofer, als die sie geboren wurde. Metamorphosenhaft findet die Darstellerin also über ihre Zeit mit dem Maler zu sich selbst zurück. Durch den Tagebuchstil fehlt es an jeglicher Distanz zum Leser, der sich gänzlich mit Paulas Innenperspektive identifizieren soll. Sie allein verfügt als Ich-Erzählerin über die Handlung, erst gegen Ende kommt Damaskus mit seinen letzten Aufzeichnungen zu Wort. Herbert Rosendorfer ist als Autor (nicht nur) humoristischer Bücher bekannt. Was die wenigsten wissen: Rosendorfer ist auch ein leidenschaftlicher Maler. Als Branchenfreund von Selma Mahlknecht versuchte er diese immer wieder zu überreden, für ihn Modell zu stehen, doch Selma konnte sich letztlich nie dazu überwinden. Im Laufe der Zeit wurde dies zum Running Gag und in weiterer Folge zum gemeinsamen Schreibprojekt. Der Monolog des Modells, geschrieben von Mahlknecht, überwiegt im Roman, fruchtet aber aus einer Fülle hilfreicher Informationen über Rosendorfers Erlebnisse mit Modellen und sein Malerdasein. Dass diese zwei Perspektiven zusammenfließen, macht die Geschichte gleichsam intim und homogen. Um den Textfluss des Paula-Teils nicht zu unterbrechen, wird er aus der Sicht des Malers am Ende des Buches geschildert. Diese Darstellungsweise erweitert das Spannungsfeld gegen Ende noch einmal. 9/10 JULIANE FISCHER

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Abt. Buch Wladimir Kaminer Liebesgrüße aus Deutschland

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(MANHATTAN) Mit seinem Roman »Russendisko« der übrigens gerade mit Matthias Schweihöfer in der Hauptrolle verfilmt wird, schaffte Wladimir Kaminer vor gut zehn Jahren seinen literarischen Durchbruch. Damals wunderte sich das Feuilleton über die wortgewaltige Präzision und Ausdruckskraft des gebürtigen Russen, der auf Deutsch, also nicht in seiner Muttersprache schreibt. Der 44-Jährige verfügt aber über einen ebenso messerscharfen Witz. Den beweist er in der Textsammlung »Liebesgrüße aus Deutschland«. Diese kurzen, erbaulichen Häppchen, angesiedelt zwischen Glosse und Kolumne, begründen in Wirklichkeit die noch zu erfindende Textsorte »Essayskizze«. Kaminer nimmt die Eigentümlichkeiten seiner Mitmenschen aufs Korn, spart dabei aber auch nicht mit kräftigen Portionen an Selbstironie. Geizige Väter beim Schulfest, Bankbeamte, die zu ehrlich für Anlagetipps sind, Ausflüge, die sich zum Kletterwanddesaster auswachsen oder Navigationsgeräte, die mit Stimmen von Verstorbenen sprechen. Auf engstem Raum macht der leidenschaftliche Berliner inhaltliche und humoristische Volten. Ein Kunststück? Ja. Denn trotz aller satirischen Schärfe sind Kaminers »Liebesgrüße aus Deutschland« ein liebevolles Sittenbild jenseits privater und öffentlicher Kulturkreiskrisen. 7/10 MANFRED GRAM

Anthony McCarten Liebe am Ende der Welt

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(DIOGENES) Wo ist das Ende der Welt? In einem kleinen neuseeländischen

Dorf beispielsweise, wie Anthony McCarten vorschlägt. Außer einer Kirche, einem Pub und der großen Fleischfabrik gibt es nicht viel in dem Provinzstädtchen. Die Neueröffnung der Bibliothek wirkt wie das Abstauben eines anderen Planeten, denn das Leben der Einheimischen spielt sich zwischen dem Verpacken von Rinderherzen und den Fritten im Diner an der Ecke ab. Klingt nicht sonderlich aufregend für uns, ist es auch nicht für die jungen Mädels im Buch, die zumindest in einer gesicherten Heirat eine Chance auf gutbürgerliches und erfülltes Leben wittern. Als drei dieser jungen unschuldigen Mädchen aus heiterem Himmel schwanger werden und behaupten, es wäre im wahrsten Sinne aus heiterem Himmel, nämlich durch den Kontakt mit Außerirdischen geschehen, steht das Dorf vom Pfarrer bis zum Bürgermeister und einem Skandaljournalisten Kopf. Von dem Ereignis fasziniert und den jungen Geschöpfen angezogen, versuchen die drei Männer das Geheimnis zu lösen. Spannend wie ein Krimi entwickelt sich eine Geschichte über Täuschung und Wahrnehmung. Die Schilderung der unterschiedlichen Charaktere könnte allerdings noch ausgefeilter gestaltet sein.

7/10 JULIANE FISCHER

Charlotte Roche Schoßgebete

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(PIPER) Eines vorweg: Wer ein zweites »Feuchtgebiete« erwartet, wird von Charlotte Roches zweitem Buch eher enttäuscht sein. Die expliziten Sexszenen sind dünn gesät. Stattdessen ist es in weiten Teilen eine Reflexion über ehelichen Sex, Perfektionsdrang und Selbstaufgabe geworden. Die Story ist schnell erzählt: Elisabeth Kiel ist 33, lebt in einer Patchworkfamilie, bläst wie eine Weltmeisterin, geht mit ihrem Mann auf seinen Wunsch hin in den Puff und zwischendurch zur Therapie. Die weitgehenden Gleichheit der Biografien der Autorin und ihrer Hauptfigur sind ein kluger Marketing-Schachzug, werden aber in der Mitte des Buches eher zum Problem: Die Intensität, mit der Unfalltod der drei Brüder und vermeintliche Familiengeheimnisse ausgekübelt werden, sind sehr unangenehm. Leider nutzt Roches auch immer noch den gleichen abgehakten Aufzählungsstil. Es gibt viele Beistriche, aber kaum Nebensätze. Das ist nicht intensiv oder authentisch. Das ist einfach nur anstrengend zu lesen. 4/10 JONAS VOGT

Albrecht Selge Wach

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(ROWOHL) Albrecht Selges Protagonist August Kreuzer betreut die Errich-

tung eines originalgetreuen Trevibrunnens, einschließlich der brunnenseitigen Fassade des Palazzo Poli, der mitten im Einkaufszentrum für ein bisschen Weltoffenheit sorgen soll. Neben seiner Arbeit wandert August stundenlang durch die Randregionen von Berlin, über Friedhöfe, Parkanlagen, Brachland, unscheinbare Gassen und schildert so die Veränderung der Stadt. Aus dem Nichts entstehen neue Nobelviertel, das alte Berlin wird von Tag zu Tag zurückgedrängt. Dazu kommt, dass August Kreuzer den ganzen Roman hindurch schlaflos durch Berlin irrt, ohne Plan und Ziel und ohne wirkliche Fixpunkte. Sehr richtig nennt er seinen Roman nun »Wach«. Dieser erinnert an inhaltsferne Handke-Bücher der 70er Jahre. Die Erkenntnisse sind Seite für Seite im Millimeterbereich angesiedelt, aber das Licht, das dieser Roman erzeugt, ist einzigartig. Schon grell, wie es sich heute gehört, aber eben in sehr vielen kleinen Abstufungen.

7/10 MARTIN G. WANKO

AU S GA B E 1 1 9 / 0 8 3 ◄


Abt. Comic Ray Fawkes One Soul

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a. 119/ reZeNsiONeN

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( O N I P RESS) Die Notwendigkeit formeller Experi-

mente in der Kunst ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings ist es ein seltenes Vorkommen, wenn ein solcher Vorstoß genau an der Grenze zwischen Altbewährtem und Avantgarde stattfindet. Und dabei erfolgreich ist. Ray Fawkes benutzt 18 Panels, auf zwei Seiten zu je dreimal drei Panels aufgeteilt – ein klassischer Seitenaufbau. In jedes Panel setzt er einen Protagonisten, jeder in einer anderen Epoche lebend. Er verfolgt diese 18 Leben von der Sekunde ihrer Entstehung – so wachsen 18 Menschen parallel mit jedem Mal umblättern auf. Immer im Gleichklang, aber durch die Zeit ihrer Geburt getrennt, nicht jedoch durch den Raum auf den Seiten des Comics, wo die Leser allem zugleich folgen. Und man könnte jedem einzelnen Panel folgen, denn die Protagonisten befinden sich auf jeder Seite an der gleichen Stelle, von Geburt bis Tod, chronologisch von einem zum nächsten springend. Oder man erfasst sie alle zugleich, schreitet mit allen 18 im unhörbaren Takt der Seiten voran, in verschiedenen Zeiten zugleich. Bis die Panels ineinander kollabieren und zu einem Ende führen. Ein gelungener Versuch, die Bandbreite des Comic Books (wenn auch nur ein wenig) zu erweitern. 7/10 NURI NURBACHSCH

Matt Kindt Revolver

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Alan Moore, Kevin O'Neill League Of Extraordinary Gentlemen: Century: 1969

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( D C / V ERTIGO) Es gibt unzählige Varianten, Entscheidungen zu treffen. Und ebenso viele Arten, mit deren Konsequenzen umzugehen. Die »guten« und »schlechten« formen im Lauf der Zeit das Leben. Aber nur rückblickend sind sie in diesen Kategorien festgefroren. Sam wacht eines Tages auf und sein Leben ist ihm fremd. Die Stadt ist verlassen und das Land in Aufruhr. In seinem anderen Dasein hatte er einen langweiligen Job, eine Freundin, viel Frust, aber keine anderen Probleme. In diesem Leben muss er um Essen und Unterkunft kämpfen. Dann plötzlich ist er wieder in dem alten Leben. Welches ist echt? Wo ist die Verbindung? Matt Kindt bewegt sich leicht durch Ontologie, benutzt existenzielle Erfahrung als Gerüst für einen Thriller. Sein skizzenhafter aber vielseitiger Stil, seine ungekünstelten Dialoge stehen in »Revolver«, wie auch in seinen anderen Werken, im Dienst einer packenden Erzählung. Meisterlich. 8/10 NURI NURBACHSCH

(TOP SHELF PRODUCTIONS / KNOCKABOUT) Alan Moore

hat Comics ja bekanntlich den Rücken zugewendet, nur die Saga der League Of Extraordinary Gentlemen scheint er zu Ende bringen zu wollen. »LOEG: Century: 1969« ist der zweite Teil des dritten und finalen Kapitels dieses eklektischen Mythen-Mashups. Abseits der Handlung muss man zweierlei festhalten: 1. O’Neills Artwork ist immer noch frech und schneidend, kantige Formen und psychedelische Fantastereien verbindend; 2. Es ist noch immer schwer zu sagen, ob Moore ein genialer Autor, ein tückischer Scharlatan oder beides ist. Betrachtet man »LOEG: Century: 1969« alleine, könnte man davon ausgehen, dass sich Moore mit semi-obskuren Anspielungen und mysteriösen Insiderinformationen über uns lustig machen will. Im größeren Kontext allerdings ist eine gewisse Kohärenz nicht zu leugnen. Bleibt nur auf den letzten Teil zu warten. 5/10 NURI NURBACHSCH

► 0 8 4 / AUSGABE 119

Shimura Takako Wandering Son Vol. 1 (FANTAGRAPHIC S )

Mein Körper, nicht ich

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Identität und Gender in Komplexität wie Schlichtheit anhand eines Jungen und eines Mädchens, beide im falschen Körper. Shimura Takako betrachtet heimliche Tabus. In vielen Elementen japanischer Kulturen und Traditionen ist Geschlecht, Gender und Identität beinahe unaustauschbar. Noch stoischer scheinen dort biologische Faktoren mit sozialen Erwartungen verbunden zu sein, als wir es aus unseren Kulturen kennen. Andererseits existiert in den Zwischenwelten des Shintoismus und Buddhismus, aber auch in der säkularen Kunst Japans ein fließender Umgang mit eben diesen Tropen. Wie so oft ist das ein Widerspruch, der in Japan ungern thematisiert wird. Es wirkt, als ob es keinen behutsamen, klaren Weg gäbe, um von außen ein Verständnis dieses Konstrukts zu erlangen. Darin gleicht Japan der restlichen Welt. Shimura Takako versucht daher, mit dem vorsichtigen Skalpell eines Chirurgen an den Kern zu gelangen, wo jeder »Fehler« eine blutige Eruption an Missfallen und Ablehnung verursachen kann. Shuichi Nitori steht an der Schwelle zur Pubertät. Und der Erkenntnis, dass er vielleicht lieber ein Mädchen wäre und kein Junge. Wenn seine Freunde von seinen femininen Zügen sprechen und meinen, dass er hübsch wie ein Mädchen ist, dann freut ihn das insgeheim. Er gefällt sich selbst in Kleidern. Aber noch weiß Shuichi nicht, was das bedeuten soll. Ist es ästhetische Vorliebe oder sexuelle Präferenz oder etwas anderes? Yoshino Takatsuki geht es genau so wie Shuichi, nur wäre sie lieber ein Junge. Das geteilte Geheimnis verstärkt die Wurzeln ihrer neuen Freundschaft. Takako bewegt sich formell innerhalb der Grenzen eines genau abgesteckten Wertesystems, dem shōjo manga: Manga für Mädchen. Inhaltlich auf ein soziales Muster festgelegt, in dem Mädchen Romanzen, Emotionen und »Sanftes« bevorzugen. Inhaltlich schnürt Takako dieses Korsett aber auf. Zwar ist »Wandering Son« kein tragisches Drama, keine vordergründige Gesellschaftskritik, aber ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Gender Identity ist eine Rarität im Manga-Mainstream. Also legt Takako ein Beziehungsbild vor, klar nach den Regeln des shōjo manga. Erblühende Jugend, Unsicherheiten, Freundschaften, Liebschaften und Eifersucht, alles mit einem lyrischen Weichzeichner versehen. Darin dreht sich jedoch alles um das Tabu des Jungen, der ein Mädchen sein will und des Mädchen, das ein Junge sein will. Kann es Shimura Takako gelingen, in diesem Schwebezustand zwischen pionierhaftem Bemühen und gefälligem Mainstream zu einer Aussage zu kommen? Wohl nicht, aber das scheint auch nicht ihr Ziel zu sein. »Wandering Son« bemüht sich, die unsichtbaren, heimlichen Konstruktionen zu erkunden, die Identitäten einzementieren. Takako versucht, aus einer neutralen Situation – der verständnisvollen, offenen Umgebung der Protagonisten – ein Bild der allgemeinen Wertvorstellungen und deren Einflusses zu erarbeiten. Bereits darin bricht sie mit Erwartungshaltungen, denn angeblich will ja die Leserschaft von shōjo manga nichts dergleichen lesen. Das brachte der Serie eine Heimat in einem Magazin für seinen manga (junge Männer), wo »Wandering Son« abermals mit Vorstellungen über die Leserwünsche brach. Fantagraphics veröffentlicht nun zum ersten Mal eine englische Übersetzung dieses mutigen Werks. 10/10 NURI NURBACHSCH

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Abt. Games

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a. 119/ reZeNsiONeN

Deus Ex: Human Revolution (EIDOS/SQUARE ENIx); PS3 (GETESTET), xBOx 360, PC; DEU S Ex . C O M

Dystopische Zukunftsvisionen

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»Deus Ex: Human Revolution« besinnt sich auf alte Stärken: eine spannende Geschichte und alternative Lösungswege. Es gibt viele Spiele, die Handlungsfreiheit versprechen, aber nur wenige, die es auch halten. »Deus Ex: Human Revolution« ist eines dieser seltenen Beispiele, in denen das Wort Alternative noch Bedeutung hat. Was tun, wenn im nächsten Raum eine kleine Armee versammelt ist? Wer Lust auf einen Ego-Shooter hat, stürmt durch die Vordertür, wer es lieber heimlich mag, schleicht geschickt an ihnen vorbei. Möglicherweise lohnt es sich, den Computer in der Ecke zu hacken, und vielleicht gibt es sogar noch einen anderen, viel einfacheren Weg, ans Ziel zu kommen. Schießen, Schleichen, Hacken und Erkunden – Fähigkeiten, die völlig unterschiedliche Herangehensweisen ermöglichen. Während »Deus Ex« damals rasch Kultstatus erlangte, enttäuschte der zweite Teil Fans und Kritiker gleichermaßen. Deshalb verwundert es nicht, dass sich »Deus Ex: Human Revolution« stark am Erstling orientiert und dessen Tugenden bietet: eine überzeugende Vision der Zukunft, enorme Handlungsfreiheit und eine Geschichte, die vor Verschwörung und Intrigen strotzt – aber dennoch nachvollziehbar bleibt. Adam Jensen ist der Protagonist des Prequels, das sechs Monate vor den Ereignissen aus Teil Eins spielt. Der Held des Shooters mit Rollenspiel-Elementen wird gleich zu Beginn so stark beeinträchtigt, dass er auf sogenannte Augmentierungen seines Arbeitgebers angewiesen ist, um zu überleben und die Schuldigen zu suchen. Augmentierungen, das sind künstliche Organe und Gliedmaßen, die, von einigen zwar als Rettung der Menschheit angepriesen, zu einem außerordentlichen Gefälle zwischen Arm und Reich führen. Wir schreiben das Jahr 2027. Mehr Gesundheit und Kraft und geistige Überlegenheit für all jene, die es sich leisten können.Wenig überraschend bildet sich so Widerstand gegen die Elite; doch haben wirklich Terroristen den Anschlag auf Sarif Industries durchgeführt? Nur so viel dazu: Verschwörungstheoretiker werden sich freuen. Jedenfalls muss Adam seine Heimatstadt Detroit, Metropolen in China und Kanada und andere Regionen dieser Welt nach der Antwort durchforsten. Und so wie schon im Erstling sind auch die Level im neuesten Teil konstruiert: relativ klein, mit großem Handlungsspielraum. Das mag für Openworld-Freunde enttäuschend klingen, ist aber das einzige Mittel, um die Balance zwischen Forscherdrang und Dramatik zu halten. Denn die packend erzählte Geschichte ist für »Deus Ex: Human Revolution« ein wichtiges Element, um Spieler in seinen Bann zu ziehen. Spielerisch geben sich die einzelnen Elemente keine Blöße, sind erwartungsgemäß aber keine Referenz; sowohl Shooter als auch Schleicheinlagen gibt es woanders polierter. Die Gesichter dürften ruhig etwas lebendiger wirken und so manche Ladepause lädt zum Kaffeekochen ein. Doch die spielerische Abwechslung schafft es immer wieder aufs Neue zu faszinieren. Und eine mit glaubwürdigen Charakteren und spannenden Wendungen versehene Erzählung, die Stunde um Stunde (mindestens 40) abwechslungsreich verrinnen lässt. 8/10 STEFAN KLUGER

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Call Of Juarez: The Cartel

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( T EC H L AND/UBISOFT); xBOx 360 G E T ESTET, PS3; WWW.CALLOFJUAREZ.COM

Die Geschichte wiederholt sich: »Call Of Juarez« ist eine technische Niederlage. Spaß haben kann damit aber trotzdem, denn die Inszenierung und der KoopModus sind außergewöhnlich gut. 6/10 MARTIN MüHL

Captain America: Super Soldier

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4/10 MARTIN MüHL

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( AVA L A NCHE/DISNEY); xBOx 360 GETESTET, P S 3 , W I I, DS, PC; WWW.DISNEY.DE/CARS

Pixar-Filme sind zweifelsohne ein Erfolgsgarant an den Kinokassen. Deshalb versteht es sich von selbst, dass zeitgleich zum jeweiligen Film das entsprechende Spiel erscheint. Und manchmal kommt sogar etwas Gutes dabei heraus, wie »Toy Story 3« bewiesen hat. Ausgerechnet jenes Disney-interne Team, das dafür verantwortlich ist – das Avalanche Software Studio – hat nun auch »Cars 2 – Das Videospiel« entwickelt. Das Spielprinzip der Serie wurde komplett umgekrempelt und statt der bisher offenen Spielwelt des Vorgängers gibt es nun Rundkurse im Stile von »Mario Kart«. Ebenso wie die Technik bewegt sich auch die Steuerung der Vehikel auf mittelmäßigem Niveau; an das Gameplay eines »Mario Kart« reicht es also bei Weitem nicht heran. Immerhin ist das Charakterdesign sympathisch eigenständig und charmant. Dem Spielprinzip ist es geschuldet, dass der wahre Spaßbringer im Mehrspielermodus steckt: Bis zu vier Spieler können sich offline in unterschiedlichen Disziplinen miteinander messen, online gibt’s leider nichts. Lightning McQueen und Kollegen richten sich in »Cars 2 – Das Videospiel« eindeutig ans jüngere Publikum, was sich abgesehen vom gesamten Setting vor allem im sanften Schwierigkeitsgrad bemerkbar macht. Erfreulicherweise hält sich der genretypische Gummiband-Effekt in Grenzen. Für eine Runde zwischendurch ist »Cars 2« durchaus zu gebrauchen, längerfristig macht sich der Mangel an Abwechslung bemerkbar.

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Dungeons & Dragons: Daggerdale

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(ATARI): PC (GEST EST E T ) , x - B Ox 3 6 0 , PC; WWW.DRIVE R - GA M E . C O M

Wenig umfangreiches, stark verbugtes ActionRollenspiel in Diablo-Manier. Ein kleiner, billiger Download-Titel, der trotz Koop-Modus wenig kann.

Driver San Francisco

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(UBISOFT); xBOx 3 6 0 G E T EST E T, P S 3 , PC; WWW.DRIVE R - GA M E . C O M

Bemühte, aber letztlich lieblose Versoftung mit solider, jedoch gleichermaßen eintöniger und schwach inszenierter Action.

5/10 STEFAN KLUGER

10

MEHR REVIEWS WWW.thegap.at GROSSES ARCHIV

4/10 HARALD KOBERG

( S EGA ) ; xBOx 360 GETESTET, PS3, WII, PSP, 3 D S ; W WW.SEGA.COM/CAPTAINAMERICA

Cars 2

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Die »Driver«-Serie ist berüchtigt. Da gab es Teile mit hoher Einstiegshürde beim Schwierigkeitsgrad, Teile, in denen die Technik immer wieder den aktuellen Ansprüchen nicht genügte, viele Experimente und vereinzelt auch einfach schlechte Games. »Driver San Francisco« ist ein kompletter Neustart in Anlehnung an die ersten drei Teile: Als Cop John Tanner ist man in San Francisco auf der Jagd nach dem Oberkriminellen Charles Jericho, stilecht in einem gelben Dodge Challenger. Auf Shooter-Elemente wurde diesmal dankenswerterweise verzichtet, aber es gibt auch sonst genug zu tun. Und mit dem absurden »Shift«-Feature hat das Spiel sowieso ein Alleinstellungsmerkmal: John ist nach einem Unfall in der Lage, sich in andere Körper und damit Fahrzeuge zu shiften und diese zu fahren. Nach wenigen Minuten ist das aber nicht mehr so verrückt wie es klingt, sondern eröffnet viele taktische Möglichkeiten. Und es macht einfach Spaß, während eines Rennens oder einer Verfolgungsjagd in einem Truck im Gegenverkehr Platz zu nehmen und die Gegner von der Straße zu fegen. Es gibt in »Driver San Francisco« viele, viele Aufgaben und Möglichkeiten – die nur leider ein bisschen mehr Abwechslung vertragen hätten. Und auch die Technik könnte polierter sein (es ist bisschen Oldschool, dass Spielgrafik und Cut-Scenes so große Grafik-Unterschiede haben). Und ja, wo soviel zu tun ist, verliert man die zentrale Narration schon mal aus den Augen. Das Spiel macht aber so richtig Freude und ist für mich das Unterhaltungs-Rennspiel-Highlight dieses Jahres. Aber ich habe ja auch »Wheelman« durchgespielt. 8/10 MARTIN MüHL

From Dust (UBISOFT); xBOx LIVE GETESTET, PS3, PC; WWW.UBISOFT.DE

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»From Dust« ist ein vergleichsweise kleines Game, das als Download angeboten wird – auf PC wie auch auf den Konsolen. In dem God Game muss der Spie-

ler die Einwohner der kleinen Landstriche und Inseln dirigieren und ihnen vor allem Wege zu ihren Zielen bahnen. Hat man den Figuren einmal ein Ziel genannt, gilt es, ihnen mit einem ballförmigen Curser Brücken zu bauen und Wege zu ermöglichen. Dies geschieht, indem der Curser über eine Oberfläche (Sand, Wasser, …) bewegt wird, dann wird diese aufgesaugt und am gewünschten Platz wieder losgelassen. Bald kommen zu Wasser und Sand noch Materialen wie Lava und bestimmte Zaubersprüche (Wasser in Eis verwandeln, …), die temporär wirken. »From Dust« ist dabei nicht immer ganz einfach, weil manchmal ein wenig unpräzise und deswegen ganz sicher nicht perfekt. Es bietet aber einen ungewöhnlichen Zugang, der funktioniert und großartig zur naturverbundenen Atmosphäre des Spiels passt. 8/10 MARTIN MüHL

Green Lantern

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( WA R N E R I N T E R ACT I V E ) ; x B Ox 3 6 0 G E T EST E T, P S 3 ; W W W. G R E E N L A N T E R N V I D EO GA M E . C O M

Comic-Kino-Videospiel Recycling, Folge x: Diesmal muss »Green Lantern« dran glauben – und kämpft in einem geradlinigen und monotonen Beat’em’Up gegen seitwärts scrollende Roboterarmeen. 5/10 MICHAEL KIRCHDORFER

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2

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( WA R N E R / E L ECT R O N I C A RTS ) ; P C G E T EST E T, P S 3 , x B Ox 3 6 0 , W I I , D S ; W W W. E A . C O M /

Eine lieblose Lizenzgurke, die Serienfans die Haare zu Berge stehen lässt. Der interessante ShooterAnsatz hält langweiligem Spieldesign und mangelhafter Programmierung nicht Stand. 3/10 STEFAN KLUGER

Lumberjacks – Die verrückte Holzfäller-Meisterschaft

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( DT P ) ; W I I ; W W W. DT P - E N T E RTA I N M E N T. D E

Die Sportsimulation ist erfrischend anders – aber mindestens ebenso flapsig in der Ausführung. Das ist ein bisschen zu billig. 3/10 STEFAN KLUGER

Virtua Tennis 4

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( S EGA ) : P C ( G EST EST E T ) , P S 3 , x - B Ox 3 6 0 , W W W. S EGA . C O M / V I RT UAT E N N I S 4

Kurzeitig amüsantes Arcade-Tennis mit passablem Online-Modus, das der direkten Konkurrenz von 2K kaum einen Tropfen Wasser reichen kann. 5/10 HARALD KOBERG


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LiVe @ Rkh

ÖSteRReichS cLubSZene iM RadiokuLtuRhauS

Ronnie Rocket & the SubcandieS

19.09.2011

kaRten und inFoS: http://radiokulturhaus.ORF.at

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ARGEkultur

S a l z b u r g

08.10. 20:30

Termine Musik

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Hausparty 6 Tragen seit fünf Jahren T-Shirts, auf denen sie selbst drauf sind: Matt Modny und Pinie Wang.

Myyy BITCH CLuB WIRD 5

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Im Herbst 2006 erlebte der Myyy Bitch Club, unter der Prämisse stets positive, elektrische und frische Clubmusik von Blog-Phänomenen und neuen Local Heroes präsentieren zu wollen, seine Premiere. Jetzt feiert er bereits seinen fünften Geburtstag. Zum Jubiläum haben sich die Hosts Pinie Wang und Matt Modny etwas Besonderes ausgedacht. Mit Acts wie Syd Rabbit, Edgar Retro, Frieda P oder Pet Fanclub verpflichten sie all jene Lieblinge unter den Local Heroes, die die Bühnen seit 2006 zum Beben brachten. Das richtige Motto darf zu solch feierlichem Anlass natürlich nicht fehlen. Damit das Jubiläum auch wirklich festlich wird, will MBC alle »Myyy Bitches« mit Kopf- und Federschmuck sehen. In diesem Sinne: Hats on. 08. oktober Wien, Fluc Wanne

Sofa SurferS special live feat.

Ja, panIk

chIlI and the WhalekIllerS ARGEkultur Salzburg ulrike-gSchwandtner-Str 5 // 5020 Salzburg +43-662-848784 // www.argekultur.at

nach der After Hour aufgenommen: Freestyle Furioso.

JACK By THE GAP

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Auf geht es in Runde fünf. Weil wir als Zahlenmenschen gerne mit Nummern spielen, laden wir dieses Mal gleich fünf DJs ein: Zu Gast ist die eine Hälfte des wohl größten, männlichen DJKollektivs aus Wien namens Freestyle Furioso. Ihre Delegation besteht aus Fightex, Spondaniel, Moogly, Rawbird und Jon Bailey. Zusammen werden sie ein DJ-Ringerl der Extraklasse auf den Morisson’schen Parkett legen, über Calypso, Funk, HipHop, House und Techno. Dazu serviert Grillmeister Moogly feinste Spezereien – nicht nur vom Plattenteller, sondern auch vom Grill. Lecker. 30. September Wien, Morisson Club

BILD TANYA TRABOULSI

I-Wolf & MarkuS kIenzl alec eMpIre live


°luftschacht °luftschacht http://www.luftschacht.com http://www.luftschacht.com

Dopplereffekt

THE WAVE PICTuRES

_ »HAuNTINGS – GHOST BOX MEDIA«

In Sachen Lyrik macht dieser Band so schnell niemand was vor, aber auch musikalisch haben The Wave Pictures einiges zu bieten. Ihr neues Album: »Beer In The Breakers« besticht mit einer Mixtur aus unbeholfener Fröhlichkeit, Romantik und Ironie. 05. September Wien, rhiz 06.September Linz, Posthof

PuMPKIN RECORDS FESTIVAL

_ RED RIVER TWO

In Wies in der Steiermark bemüht sich ein kleines Label um stets hochwertigen Output. Um das auch live klar zu machen, gibt es eine Führung durch den Label-Stall mit Thalija, Hella Comet, Reflector und Killa Marilla. 10. September Wies, Schlosstenne

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Die Ausstellung »Hauntings – Ghost Box Media« versucht beim Steirischen Herbst, den heimlichen und unheimlichen Präsenzen in Medien, Kunst und Pop auf den Grund zu gehen. Musikalisch wird das von Dopplereffekt, Shackleton, Vindicatrix oder Demdike Stare besorgt. 06.–08. oktober Graz, Kunstverein Medienturm

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Acht Jahre verbreiten Red River Two bereits Nachrichten vom echten Leben, welches ihrer Meinung nach ein Besseres sein müsste. 30. September Steyr, Jugend- und Kulturhaus röda

MICHAELA KONRAD Mondwandler MICHAELA KONRAD geb., 25.0*25.0 cm, 64 Seiten Mondwandler ISBN 978-3-902373-90-8 25.0*25.0 cm, 64 € geb., 23.30[D], € 24.00[A], sfrSeiten 35.50 ISBN 978-3-902373-90-8 € 23.30[D], € 24.00[A], sfr 35.50

„ICH WÜNSCHTE, ICH KÖNNTE ZUM MOND ZURÜCK ICH ... WOHIN „ICH WÜNSCHTE, KÖNNTE SOLL ZUM MAN WENN MAN BEREITS MONDGEHEN, ZURÜCK ... WOHIN SOLL AM MOND WAR?“ MAN GEHEN, WENN MAN BEREITS AM MOND WAR?“ Michaela Konrad hat Zitate jener Austronauten, die den Mond betreten haben, Michaela Konrad hat Zitate jener Austrozu einer die inspirierenden Reiseerzählung nauten, den Mond betreten haben, arrangiert. Sie entführt die Leser in eine zu einer inspirierenden Reiseerzählung eindrucksvolle, exakt komponierte Bilarrangiert. Sie entführt die Leser in eine derwelt mit enormer eindrucksvolle, exaktAnziehungskraft. komponierte Bilderwelt mit enormer Anziehungskraft.

„(...) genial gezeichnet und sehr angenehm leichtfüßigund erzählt. „(...) genial gezeichnet sehr (...) Große Klasse.“ angenehm leichtfüßig erzählt. Gerhard Haderer (...) Große Klasse.“ Gerhard Haderer

Huoratron

DAy AND NIGHT FESTIVAL

_ THE FLEET FOXES

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Nicht nur Pratersauna, Market und Morisson hauchen der Wiener Clubkultur Leben ein, auch das zweite Day And Night Festival leistet einen wesentlichen Beitrag. Auf vier Bühnen wird diesmal die Galopprennbahn Freudenau gerockt Tiefschwarz, Huoratron, André Galuzzi, Aphrodite und Konsorten packen ihre Platten aus. 10. September Wien, Galopprennbahn Freudenau

Weltschmerz in besungener Form. Der von Instrumenten unterstützte Männerchor aus Seattle gastiert in Wien und hat das gefeierte Album »Helplessness Blues« im Gepäck. 15. noVember Wien, Halle E im Museumsquartier

PILOTI @ EuROPEAN RESEARCHERS’ NIGHT

Mit ihren epochalen Gitarre- und Klavierklageliedern zählt die Songwriterin Ane Brun in Schweden und Norwegen bereits zu den gefeierten Musikerinnen. Nun: österreich. 12. oktober Wien, Porgy & Bess

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Piloti ist eine Kunst der besonderen Art. In Valcamonica, Norditalien, überlebte die urgeschichtliche Felsenkunst 5.000 Jahre Wind, Regen, Schnee, die Römer, das Mittelalter und die industrielle Revolution. Die European Researchers’ Night bringt die Felsenkunst nun mittels Projektion auf die Wände der Fachhochschule St.Pölten. Ein eigens komponierter Soundtrack verbindet die einzelnen Filmsequenzen dann zu einer eindrucksvollen Medienoper. 23. September Fachhochschule St. Pölten

ANE BRuN

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Termine Kultur

ROA

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ROAs Tiere sind nicht niedlich. Oft sind sie nicht einmal mehr lebendig. Mit einem Mix aus Malerei und Graffiti schafft der belgische Street Artist ROA einzigartige Effekte, für die er jene vergängliche Symbolik aus den Lehren der Vanitas und Anatomie verwendet. Die Wiener Urban Art Galerie Inoperable zeigt aktuell eine Auswahl seiner Installationen und kleineren Werke. Dazu lohnt es sich in Wien die Augen offen zu halten: ROA wird auch im öffentlichen Raum Arbeiten anfertigen. Eröffnung: 26. August, 19.00 Uhr Ausstellung: 27. August – 29. Oktober Wien, Inoperable, Burggasse 24; www.inoperable.at


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Termine Kultur

Vienna Design Week: PS21 Artspace _ Die Vienna Design Week frischt wieder Wien auf: in mehr als 120 Veranstaltungen profitieren vor allem die Nachwuchskreativen, welche ihr Können und experimentelle Ansätze unter Beweis stellen werden. Die Grenzen vom Design zur Kunst sind fließend: Im PS1 Artspace der Pratersauna zeigt der Wiener Künstler Clemens Wolf etwa seine »Saunachairs«. Eröffnung: 29. September, 19.00 Uhr, Liechtenstein Museum Festival: 30. September–09. Oktober Wien, Infopoint: Stilwerk, Praterstraße 1; www.viennadesignweek.at

Dolce & Afghaner

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Der H13, Preis des Kunstraums Niederösterreich für Performance, geht in diesem Jahr an das Duo Dolce & Afghaner. In ihren skurrilen Aktionen legen Djana Covic und Fahim Amir den Finger in die Wunde der Doppelmoral und thematisieren u.a. urbane Öffentlichkeiten. Für den Kunstraum kreierten sie »We came here all broken hearted, wanted to shit, but only arted«. Gefasst machen darf man sich z.B. auf Latrinensprüche aus aller Welt und einen umfassenden Blick von oben, Wiener Tauben inklusive. Eröffnung: 09. September, 19.00 Uhr Ausstellung: 10.–14. September Wien, Kunstraum NOE, Herrengasse 13; www.kunstraum.net

»Face To Face«

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Jane Bown, Erin Cone, Anna Halm Schudel und Eric Klemm haben eines gemeinsam: den Blick für das Wesentliche. Auch wenn sich ihre Porträts voneinander völlig unterscheiden, ist ihnen die Aufmerksamkeit des Betrachters sicher. Während Jane Bown z.B. alle großen Namen ihrer Zeit porträtiert hat, fügt Anna Halm Schudel Tausende von Kleinstporträts zu prominenten Gesamtbildern zusammen. Lumas Wien zeigt neue Bilder der vier Fotokünstler. Eröffnung: 15. September, 19.00 Uhr Ausstellung: 16. September–25. Oktober Wien, Lumas Galerie, Praterstraße 1; www.lumas.at

29th Biennale Of Graphic Arts

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Teil eines räumlichen Experiments können Besucher von Das Weisse Haus vom 13. September bis zum 29. Oktober werden. Das dänische Künstlerduo AVPD schafft für die Ausstellung »Weiss« einen Parcour, der sich über mehrere Räume erstreckt und medienübergreifende Installationen bietet. Aslak Vibæk und Peter Døssing bieten ein neues Erleben des Raumes und stellen somit die Wahrnehmung des Betrachters in Frage. Ihre Arbeit wurde stark von den dreidimensionalen Umgebungen in Computer-Spielen beeinflusst. Eröffnung: 27. September, 19:00 Uhr Ausstellung: 28. September – 03. Dezember Wien, Das Weisse Haus; www.dasweissehaus.at

Literatursalon im Gemeindebau

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Das Rabenhof Theater veranstaltet den Literatursalon im Gemeindebau. Lesungen gibt es unter anderem von Charlotte Roche, Sven Regener und Thomas Glavinic. Dazu sprechen Robert Stadlober und Benno Fürmann Texte aus »Sick City« und »Agent 6«. Tony O’Neill 20.09. / Sven Regener 21.09./ Rainer Nikowitz & Florian Scheuba 12.10. + 16.12. / Thomas Glavinic 14.10. / Tom Rob Smith 17.10. / Charlotte Roche 13.11. Wien, Rabenhof; www.rabenhof.at

Film Music Days

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Im Porgy & Bess verbinden sich am 17. September bei der »Film Composers’ Lounge« Film und Musik zu einem unschlagbaren Doppel. Während über die Leinwand zeitgenössisches Kino flimmert, spielen heimische Komponisten dazu live. Highlight: Die Verleihung des Wiener Filmmusik-Preises, der Neuvertonungen von Filmausschnitten aus aktuellen, österreichischen Produktionen prämiert. Film Composers’ Lounge: 17. September, 20.30 Uhr International Film Music Days: 20.–23. September Wien, Porgy & Bess und Universität für Musik und darstellende Kunst; www.fimuvienna.com

Apparatus 22: Patterns of Aura

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Das MAK wirft einen kritischen Blick auf die Modewelt: Ende 2010 aus dem Modelabel Rozalb de Mura entstanden, ist Apparatus 22 quasi prädestiniert, hinter die Glamour-Fassade der Laufstege zu schauen. In den gemeinsamen Aktionen und vorgestellten Looks verwischen sie die Grenzen von Fiktion und Realität, spielen mit Illusionen. Hinterfragt wird von Erika Olea, Maria Farcas, Dragos Olea und Gastakteur Olah Gyarfas zudem die Mystik der Aura von Objekten und Personen. Als Special Guest wird der rumänische Musiker Sillyconductor einen Live-Mix seines Könnens darbieten. Eröffnung: 20. September, 21.00 Uhr Wien, MAK-Säulenhalle, Stubenring 5; www.mak.at


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Termine Festivals

3 Fragen an

Annette Wolfsberger Kontraste Festival

Als Kuratorin betreust du auch das nie­ derländische Sonic Acts Festival. Sie möchten aber sicher vermeiden, dass Kontraste eine österreichische Version des Sonic Acts wird? Kontraste will eigensinnige, außergewöhnliche und besondere Werke aus dem Grenzgebiet zwischen Musik, Film und Bildender Kunst präsentieren und ein thematisches und disziplinüberschreitendes Programm bieten. Natürlich gibt es Verbindungen zu Sonic Acts – wir sind schlussendlich dieselben Kuratoren, und es gibt Inhalte und Themen, die uns längerfristig interessieren. Das hat aber nichts zu tun mit einem Copy-/PasteProgramm. Was bedeutet es für dich, in Ihrer Geburtsstadt diese Veranstaltung zu organisieren? Es ist spannend, wieder in Krems zu arbeiten! Ich fühle mich oft auch als Nabelschnur zwischen den Teams in Krems und Amsterdam. Ich habe vor meiner Übersiedlung nach Amsterdam für verschiedene Festivals in Krems gearbeitet, das heißt, ich kenne Krems sowohl als Wohn- als auch Arbeitsumgebung. Und gerade weil ich hier aufgewachsen bin, finde ich es wichtig, dass es in Krems ein spannendes Kulturangebot gibt. Auf welchen Programmpunkt bist du heuer besonders stolz? Besonders inter­ essant scheinen die »Vicinity Songs« und der »Electrical Walk« zu sein. Stolz sind wir alle auf eine hoffentlich gelungene Gesamtkomposition des KontrasteProgramms. Aber auch, dass wir zahlreiche fantastische Künstler für Auftragsarbeiten gewinnen konnten, und dass die beinahe 80-jährige Eliane Radigue aus Paris kommt, um ihr Werk »L’Ile Re-sonante« am Acounsmonium selbst aufzuführen. 14.–18. Oktober Krems, Klangraum Minoritenkirche ► www.kontraste.at

Schatten und Licht. Vergangenheit und Zukunft. Platon lässt grüßen.

Elevate

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Ein harmonisches Konglomerat aus Musik, Kunst und politischem Diskurs ist die Basis des seit 2005 bestehenden Festivals. Das Thema heuer: »Elevate the 21st Century«. Rückblick und Ausblick zugleich ausgehend vom Nullerjahr dieses nicht mehr ganz so taufrischen Jahrhunderts. Es werden die Zukunftsvisionen von Gestern auf ihre Stichhaltigkeit abgeklopft, aber natürlich auch Visionen für Morgen entworfen und an die Öffentlichkeit gezerrt. Schon wieder in Graz, schon wieder mit tollem Programm. Für den Kopf, die Beine und, hmm, vor allem eigentlich Kopf und Beine. Neben musikspezifischen Diskussionen, den Elevate Music Talks, gibt es Lectures, Workshops, zahlreiche Lesungen, ein Filmprogramm, Installationen und Licht­ experimente direkt an der Schnittstelle der Thematik. Sich den stets innovativen Charakter des Bookings bewahrend, gibt es auch 2011 ein Potpourri an Ohrenfreuden: Kyle Hall, Boddika, Hype Williams, Mark E, Pearson Sound, Rockwell, Planningtorock und Space Dimension Controller sind die ersten Vorboten eines schlauen Programms, das vor allem tanzbar ist. 20. bis 26.Oktober 2011 Graz, diverse Locations


NUMBER

Auf diese Geschwindigkeit (km/s) werden die Teilchen in Large Hadron Collider im Schweizer Forschungszentrum Cern gebracht, bzw auf 99,9999991 Prozent davon. Damit schaut man dann ungefähr ans Ende des Universums und an den Anfang aller Dinge. Die Ars Electronica in Linz hat sich heuer das Forschungszentrum nach Linz eingeladen.

Auf dieser Flagge befindet sich nardoo, eine Pflanze, die bei falscher Zubereitung tödlich ist. Wer wissen will, was das mit australischem Kolonialismus zu tun hat, muss zur Ausstellung »Zweite Welt”«

BILD CHRISTIAN CAPURRO, COURTESY OF THE ARTIST AND ANNA SCHWARTZ GALLERY, ANDREAS ANGERER

STEIRISCHER HERBST

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Multidiszipliär seit über 40 Jahren. Mit diesen Worten lässt sich kurz und prägnant der Steirische Herbst beschreiben. 2011 rücken die Parallelwelten ins Zentrum des Interesses der zeitgenössischen Kunst, deren Interakteuren, Protagonisten und Liebhabern. Die Plattform »CineChamber« lädt dabei in eine neue Dimension der Audiovision ein. Die Besucher tauchen dabei in eine eigens dafür entworfene Klang-Bild-Welt ein. Dabei handelt es sich um eine Surround-Technologie für Audio und Video, für die diverse österreichische Künstler neue Stücke geschaffen haben, die während des Steirischen Herbst uraufgeführt werden. Darunter befinden sich Christian Fennesz, Jade, Monolake, Signal, Biosphere, Ryoichi Kurokawa, Naut Humon, Lawrence Englisch. Ein Ganzkörpererlebnis, auf das man sich freuen kann. 23. September biS 16. oktober Graz, diverse Locations

6. Viennesesoulfood Festival

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Genreübergreifend und die Szenen zum Publikum führen. Das sind die Akzente dieses Ein-TagesFestivals. Mit dabei: No Head On My Shoulders, The Clonious aus dem Affine-Stall, Ritornell und Mimu und sonst noch einiges aus dem Wiener Wuseluntergrund. 17. September Wien, rinderhalle St. Marx

Bicycle Film Festival

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Zum fünfjährigen Bestehen wird auch in Wien gefeiert. Public Screening am Karlsplatz, frankophile Tanzparty und Golden Sprint Competition im Ost Klub. Das ist nur der Auftakt zu vier Tagen Fahrradkultur. 15.–18. September Wien, diverse Locations

Sneakerness

Das Project Space am Karlsplatz zwischen Tu und Sezession.

ARCHDIPLOMA

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Die Technische Universität stellt unter dem Titel »Archdiploma« im Biennale-Rhythmus, also alle zwei Jahre, die besten Diplomarbeiten der Fakultät für Architektur und Raumplanung aus. 2011 werden die 34 besten Arbeiten aus den letzten beiden Jahren in der Kunsthalle Project Space der öffentlichkeit präsentiert. Die Auswahlkriterien dabei waren städtebauliche Lösungen, konstruktive Struktur, funktionelle Lösung, Weg- und Lichtfühung oder Materialität. Aus den über 100 Einreichungen ermittelte eine natürlich höchstkarätige Fachjury die 34 herausragensten Abschlussarbeiten. Mit dieser Werkschau wird bezweckt, dass Nachwuchsarchitekten und Raumplaner einen leichteren Einstieg in das Berufsleben finden und ein Dialog zwischen öffentichkeit, Architektur und Raumplung entfacht wird. Bitte also Post-Its für Feedback mitnehmen. 5. biS 27. oktober Wien, Kunsthalle Project Space

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Der Sportschuh ist schon längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die »Sneakerness« ist dazu die Convention für Freunde von modischbequemen Schuhwerk und allem was dazugehört. 10. September Wien, Ottakringer Brauerei

Wiener Melange

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Die Wiener Melange macht ein Festival für Integration und Sozialcourage zu Gunsten des Integrationshauses mit Parov Stelar, Bunny Lake, Violetta Parisini, Karuan, DJ Urbs und The Loud Minority. 24. September Wien, Ottakringer Brauerei


► Fest i va ltou r 2 0 1 1 ► www.festivaltour.at

Gewiefter Drogenfahnder im Dienst; ebenfalls im Bild: alkoholfreies Bier.

Momentaufnahmen eines Sommers

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Schlammig, lustig, knallig rot: die gemeinsame Festivaltour von The Gap und Volksbank. Gleich zehn Mal machte der gemeinsame Party-Doppeldecker von The Gap und Volksbank heuer Station: Die Festivaltour führte uns einmal quer durch Österreich – Zickzackkurse, Annäherungsversuche und Ausschweifungen inklusive. Und wie auf Festivals so üblich, musste dabei ein wenig improvisiert werden. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal aufrichtig bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kleinreifling. Sie hat durch ihr beherztes Eingreifen und vollen Einsatz eine gröbere Katastrophe verhindert, als bei unserem Partybus Öl austrat und Erdreich kontaminiert wurde. Kurzfristig drohte gar eine Absage des gesamten Seewiesenfests. Die nächsten Stopps waren das Zone Open Air, Ottensheim (bei Linz), das SauTrock Festival, On The Rocks, Acoustic Lakeside, JFAM und das Szene Open Air im verschlammten Lustenau. Zum Abschluss wurde beim Poolbar Festival noch ausgiebig im bzw. neben dem Alten Hallenbad in Feldkirch gefeiert. Wir haben’s überlebt, hatten jede Menge Spaß, gestehen aber, uns nicht an alle Nächte ganz genau zu erinnern. Fest steht: Man sieht sich. Spätestens 2012. Galleries zu unseren Stopps u.a. in der Pratersauna, in Ottensheim, in der Poolbar oder am Seewiesenfest in Kleinreifling unter ► www.thegap.at/festivalsommer


Juliane Fischer hat im Sommer 2011 die Volksbank Festivaltour begleitet. Deine Festivalentdeckung? Am liebenswerten Seewiesenfest in Ober­ österreich war ich dieses Jahr zum ersten Mal, obwohl es heuer schon seinen 20. Geburtstag gefeiert hat. Die Live-Sensation? Die Megaparty mit den 16 Schweden von I Am From Barcelona. Konfetti und Riesenluftballons inklusive. Die Truppe ist am 3. Oktober übrigens in Wien wieder zu erleben. Die gröSSte Enttäuschung? Backstreet-Boys-Performance gibt es noch immer – Culcha Candela. Lustig war es aber, Friska Viljor, die davor gespielt hatten, dabei zu beobachten, wie sie sich bei Culcha Candelas Auftritt fast übergaben vor lauter Fremdschämen. Der tiefste Gatsch? … ist und bleibt am Szene Open Air. 2011 wurde ein Teil des Geländes aber erstmalig auch mit Holzwegen ausgelegt.

Die seltsamsten Leute? … stecken sich bei der größten Hitze in ein Bananenkostüm. Die angenehmste Atmosphäre? Ungeschlagen: Das Acoustic Lakeside. Das beste Backstage-Essen? … gab es am Ottensheim Open Air, samt eigenem Team fürs Backstage-Essen. Den genussvollen Blick von Austrofred beim Schweinsbratenessen werde ich nie vergessen. Der mieseste Sound? Ginga mussten leider in einem Zirkuszelt auftreten. Die am häufigsten gesehene Band? Kreisky. Die Festival-Modeerscheinung des Sommers? Volksbank-Tattoos und FM4-Kleberle (wie die Vorarlberger Sticker nennen) all over.

Was war neu bei der Festivaltour 2011? Wir hatten dieses Jahr ein Gummistiefelweitwurfspiel mit dabei. Kam wahnsinnig gut an. Der wildeste Campingplatz? Das Gatschloch am Alten Rhein. Die dümmste Frage zum Thema The Gap? Was muss ich tun, damit du über mich schreibst? Die blödeste Anmache? Schöne Gummistiefel. – Ficken? Die beste Nacht? … verbrachte ich mit Pete And The Pirates, Eddie Argos von Art Brut und dem besonders in Kärnten weit verbreiteten Trinkspiel »Buffalo«. Nächstes Jahr wieder dabei? Sowieso. Ein Sommer ohne Festivaltour ist nicht mehr denkbar.


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Termine Galerien

HIGHLIGHTS SEPTEMBER

REDAktion Stefan Tasch

FR. 09.09. 20:00 | INDIE

FRANCIS INTERNATIONAL AIRPORT / OUTSIDE ROYALTY / ATOMIC STEREO / THE CARLS: INDIE-NATIVE # 9 SA. 10.09. 20:00 | HOUSE / DISCO

HERCULES AND LOVE AFFAIR / WOLFRAM / TINGEL TANGEL DI. 13.09. 20:00 | POP / ROCK

DAVID THOMAS & TWO PALE BOYS MI. 14.09. 20:00 | POP / SONGWRIT

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GARY / JOSH OTTUM / SWEET SWEET MOON

»Möbel (midtown)«, 2011, Holz, Leim, Emailfarbe; ca. 50 × 150 × 150 cm, courtesy Galerie Martin Janda, Wien

Joe Scanlan

»20 × 93°«, 2010, verschiedene schichtbare Materialien, 130 × 170 × 90 cm, courtesy Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck

Die Arbeiten des 1961 in Ohio geborenen Künstlers Joe Scanlan setzen sich mit Fragen der Errungenschaften und der Verwerfungen der Moderne auseinander. Der Prozess der industriellen Fertigung wird dem traditionellem Handwerk gegenübergestellt. Einer seiner bekanntesten Arbeiten »DIY (Do It Yourself) or How to Kill Yourself Anywhere in the World for Under $399« (2002) ist eine ironische Anleitung für das Zusammenbauen eines Sarges aus zwei Billy-Regalen und einigen weiteren Produkten von IKEA. Das Recyclen von Materialien und Ideen sowie das Zusammenspiel zwischen mittelständischer Produktion und individueller Formgebung wird bei allen Arbeiten Scanlans angewendet. Die hier abgebildete Arbeit »Möbel (midtown)« zeigt modulare Sitzbänke, die ähnlich dem »Nesting Bookcase« (1989) die Grenze zwischen Gebrauchsgegenstand und Kunst auflösen.

Michael Kienzer

GALERIE MARTIN JANDA Eschenbachgasse 11, 1010 Wien 14. September bis 29. Oktober

GALERIE ELISABETH & KLAUS THOMAN Maria-Theresien-Straße 34, 6020 Innsbruck 17. September bis 31. Oktober

WIEN KERSTIN ENGHOLM GALERIE Schleifmühlgasse 3, 1040 Wien 14. September bis 05. November Dominik Louda

Niederösterreich GALERIE JÜNGER Pfarrgasse 1, 2500 Baden 18. September bis 30. Oktober Karl-Heinz Ströhle

CLEMENS J. SETZ: DIE LIEBE ZUR ZEIT DES MAHLSTÄDTER KINDES

GALERIE ERNST HILGER Dorotheergasse 5, 1010 Wien Bis 23. September Josef Fischnaller. Prächtig

Oberösterreich GALERIE 422 MARGUND LÖSSL An der Traunbrücke 9-11, 4810 Gmunden Bis 25. September Franz Graf, Anna Jermolaewa, Arnulf Rainer U.A. Portrait

NEUE BÜHNE VILLACH: „ENIGMA – DAS RÄTSEL DER LIEBE“ VON ERIC-EMMANUEL SCHMITT

Salzburg GALERIE THADDAEUS ROPAC Mirabellplatz 2, 5020 Salzburg Bis 24. September Jean Marc Bustamante

MILLENCOLIN: PENNYBRIDGE PIONEERS TEN YEAR TOUR

GALERIE ANDREAS HUBER Schleifmühlgasse 6-8, 1040 Wien 14. September bis 05. November Florian Schmidt GALERIE EMANUEL LAYR An der Hülben 2, 1010 Wien 14. September bis 15. Oktober Tillman Kaiser / Marius Engh GALERIE MEYER KAINER Eschenbachgasse 9, 1010 Wien 14. September bis 29. Oktober Franz West. Epiphanien GALERIE MEZZANIN Getreidemarkt 14/Eschenbachgasse, 1010 Wien 14. September bis 29. Oktober Mandla Reuter GALERIE NÄCHST ST. STEPHAN ROSEMARIE SCHWARZWÄLDER Grünangergasse 1 / 2, 1010 Wien 14. September bis 19. Oktober Ernst Caramelle. Diesmal ganz abstrakt GABRIELE SENN GALERIE Schleifmühlgasse 1A, 1040 Wien 14. September bis 05. November Martin Kippenberger, Reza Azard, Julia Abstädt, u.a. Vrai ou Faux?

Der 1962 in Oberösterreich geborene Künstler Michael Kienzer beschäftigt sich in seinen Installationen, Zeichnungen und Objekten mit den Themen Raum, Zeit sowie Fläche und Verdichtung. Kienzers skulpturale Interventionen, die Beschaffenheits- und Kräfteverhältnisse ausloten, sind meist ortsbezogen und bestehen aus Halbfabrikaten wie Drähten, Glas- und Aluminiumplatten oder Stangen und Gummibändern. Einige Arbeiten Kienzers, vor allem jene, die im öffentlichen und halböffentlichen Raum angesiedelt sind, laden den Betrachter zum partizipieren ein. In einer für Kienzers Werk typischen Weise wird bei der hier abgebildeten Arbeit »20 × 93°« ein Bezug zwischen Kunst und Wirklichkeit hergestellt, in der die Gestalt des Objekts eine Nutzung als Sitzmöbel miteinbezieht.

Tirol GALERIE JOHANN WIDAUER Erlerstrasse 13, 6020 Innsbruck Bis 30. September Thomas Bayrle

SA. 17.09. 23:00 | ELECTRO

COME WITH ME! HOUSEMEISTER / A.G. TRIO / THE S.H.I.T. IS COMING HOME / DISCO DEMONS DI. 20.09.–SA. 24.09. 20:00 | THEA TER

JULIA RIBBECK, CHRISTIANE SCHULZ & DAVID WAGNER: DIE LIEBE UND DIE MÄDCHEN

DO. 22.09. 20:00 | TANZ

NATASCHA WÖSS & MONIKA HUEMER: ANONYM FR. 23.09. 20:00 | LITERATURSALO

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DI. 27.09. 20:00 | THEATER

DO. 29.09. 20:00 | ROCK

FR. 30.09. 20:00 | LITERATUR

AMNESTY INTERNATIONAL POETRY SLAM SA. 01.10. 20:00 | POP

Vorarlberg GALERIE LISI HÄMMERLE Anton-Schneiderstr. 4a, 6900 Bregenz Bis 30. September Peter Weibel

I’M FROM BARCELONA

Steiermark GALERIE EUGEN LENDL Bürgergasse 4/1, 8010 Graz 16. September bis 05. November Contemporary Archiv. 25 Jahre Galerie Eugen Lendl

Das komplette Programm gibt’s auf www.posthof.at POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstr. 43, A-4020 Linz Info + Tickets: Fon: 0732 / 78 18 00 www.posthof.at

Kärnten GALERIE 3 Alter Platz 25 / 2. Stock, 9020 Klagenfurt 01. Oktober bis 29. Oktober Alois Mosbacher


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► KOLU M NE /  k now- not h i ng -g es e l l sc h aft ► Von Illbilly The K.I.T.T.

s begab sich, dass ich unlängst im Geburtshaus von Franz Schubert landete. Dort ist, wer es nicht weiß wird es sich denken können, ein kleines Museum zu Ehren des Komponisten eingerichtet. Ursprünglich wollte ich eigentlich ja Schuberts Sterbewohnung, in der, auch das wird man sich denken können, ebenfalls ein kleines Museum zu Ehren des Komponisten eingerichtet ist, besuchen. Mich hätte nämlich interessiert, ob Schubert Hardcorefans hat, die ihm fast 200 Jahre nach seinem kreativen Wirken noch Zeichen der Ehrerbietung darbringen. Das ist ja ein ganz beliebter Brauch unter Anhängern. Elvis zum Beispiel legen sie seit Jahrzehnten tonnenweise Teddybären und Schinkensandwiches auf sein Grab in Graceland. Jimi Hendrix bringen sie Gitarrensaiten. Und Amy Winehouse werden sie wohl auf immerdar Whiskyflaschen vor die Haustür ihres Londoner Häuschens stellen. Ich würde echt gerne einmal in einer knackig aufbereiteten Infografik nachlesen wollen, wie viel Spirituosen sich da so ansammeln und wohin die entsorgt werden. Vielleicht auch noch mit einem Mengenvergleich, was Janis Joplin oder Jim Morrison jährlich an Hochprozentigem geschenkt wird. Neben der Liste vom Forbes Magazine, die immer die reichsten Toten im Showbusiness ermittelt, wäre das mal echt ein etwas anderer Gratmesser für ein posthumes Beliebtheitsranking. Ach was! Ich werde das gleich mal selber demnächst in einer Redaktionssitzung zur Sprache bringen und hoffen, dass man dann einen Praktikanten wieder mal so richtig hart zum Recherchieren ran nimmt, weil selber mach ich das sicher nicht. Bei der Gelegenheit fällt mir auch das Stellenangebot wieder ein, das ich unlängst auf einer Jobbörse annoncierte. »Sexkolumnist (The Gap) sucht Prakticuntin für Recherchezwecke.« Obgleich sich niemand gemeldet hat, brauchte es überraschenderweise einiges an Überzeugungskraft und ein Gegengeschäft, um die Plattformbetreiber von einer seltenen legasthenischen Subform, unter der ausschließlich Menschen leiden, die beruflich viel im denglischen Sprachraum unterwegs sind, zu überzeugen. Aber das nur am Rande, weiter im Text. Meine Bequemlichkeit schlug mir wieder einmal ein Schnippchen. Denn da Schuberts Geburtshaus in unmittelbarer Nähe meines Wohnortes steht, pfiff ich kurzerhand auf einen Antrittsbesuch in seiner Sterbewohnung, die geografisch für mich etwas ungünstiger gelegen ist. Was sich aber gut traf. Einerseits, weil ich nicht sonderlich happypepi drauf war und der festen Überzeugung bin, dass ein Geburtshaus ein bisschen bessere Vibes als ein Sterbeort verströmt. Anderer-

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seits glaubte ich auch nicht wirklich, dass man Schubert mit größeren Gaben als Blumen gedenkt. Das bestätigte mir auch die nette Frau an der Museumskassa. Zumindest im Geburtshaus hinterlässt noch heute so mancher Besucher eine rote Rose, kommentierte sie meine diesbezügliche Anfrage. Das ist wohl auch seiner Vertonung der Goethe’schen Verse zum berühmten Gedicht »Heidenröslein« geschuldet. Was letztlich dann irgendwie doch eigentlich auch ein bisschen arg ist, wird in den Versen doch eine astreine Vergewaltigung beschrieben. Und zwar in derart leicht verständlichen Metaphern, dass es auch für die alte Wikipediasau keine Interpretationsprobleme gibt. Während ich mir so überlegte, dass es wohl ziemlich lustig wäre, statt einem roten Röslein fünf über Lindenholz aromatisch geräucherte Regenbogenforellen ins Museum zu schleppen, stand ich plötzlich vor der Vitrine mit Schuberts Brille. Dumme Tränen der Rührung schossen mir in die Augen, als ich das Gestell unter die Lupe nahm. Beide Gläser des Sehbehelfs haben einen Sprung. Einen schönen geraden übrigens. Nicht so wie bei Michael Douglas in »Falling Down«, oder bei den Smartphone-Displays, die spinnennetzartig zu zerspringen pflegen, wenn sie mal versehentlich wo runterfallen. Spiderman-Edition nenn ich das. Irgendwie sind diese kaputten Touchscreens ein herrlich absurdes Sinnbild für ein gleichzeitig fremdwie eigenverschuldetes Scheitern am Techno-Lifestyle. Egal. Schuberts Brille berührte mich jedenfalls, vor allem weil sie so verbogen ist. Der dürfte echt sehr oft damit eingeschlafen sein. Ich erkenn das. Außerdem ist der Schubert’sche Sehbehelf unheimlich schön geputzt. Gut, ist ja auch ein Museumsstück, aber so sauber sind sonst nur meine Brillen. Und das auch nur, weil ich sie nicht selber putze, sondern unter fadenscheinigen Gründen viermal in der Woche Optiker aufsuche, um sie mit Ultraschall säubern zu lassen. Das ist nötig, weil ich einen ziemlichen Brillen­ fetisch habe und dreist genug bin bei den Ladys – sofern sie selbst nicht im Besitz eines eigenen Modells für ihre Nase sind – nachzufragen, ob sie sich vorstellen könnten, für die Dauer des Oralverkehrs meine Brillen auszuborgen. Ich weiß, dass ist ein bisschen grenzwertig, auch weil man sich denken kann, dass so schon einiges auf meinen Gläsern gelandet ist, was da so jetzt auch nicht unbedingt hingehört. Aber ich hab mir quer durch die Stadt eine Route aus 16 Fachgeschäften zusammengebastelt, damit jeder Optiker nur einmal im Monat zum Saubermachen dran kommt. Dieser ausgeklügelte Putzplan machte übrigens, als ich einmal davon erzählte, alle Anwesenden fassungslos. Vor allem die mit Brillen. ¶

ILLUSTRATION JAKOB KIRCHMAYR

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