6. Philharmonisches Konzert
Robert Schumann (1810 – 1856)
Ouvertüre, Scherzo & Finale E-Dur op. 52
Ouvertüre. Andante con moto
Scherzo. Vivo
Finale. Allegro molto vivace
Carl Maria von Weber (1786 – 1826)
Konzert für Fagott und Orchester F-Dur op. 75
1. Allegro ma non troppo
2. Adagio
3. Rondo. Allegro
– Pause –
Joseph Haydn (1732 – 1809)
Sinfonie in G-Dur Hob. I:88
1. Adagio – Allegro
2. Largo
3. Menuetto. Allegretto
4. Finale. Allegro con spirito
Solistin: Nina Schönberger, Fagott
Philharmonisches Orchester Vorpommern
Dirigent: Alexander Mayer
Öffentliche Generalprobe
Mo 25.03.2024, Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal
Konzerte
Di 26.03.2024, Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal
Mi 27. & Do 28.03.2024, Stralsund: Großes Haus
So 31.03.2024, Putbus
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Nina Schönberger , 1997 in Wangen im Allgäu geboren, begann schon früh, im Alter von sechs Jahren, mit ihrem ersten Quintfagottunterricht bei Rüdiger Schwedes und später dann auf dem Fagott bei Andrea Osti an der Jugendmusikschule Wangen. Noch während ihrer Schulzeit war sie Jungstudentin am Landeskonservatorium Feldkirch (Österreich) bei Prof. Allen Smith. Während dieser Zeit konnte sie bereits Orchestererfahrung in verschiedenen Projektorchestern und Jugendsinfonieorchestern sammeln. Durch ihre regelmäßige Teil-
nahme an Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ und „prima la musica“, bei denen sie zahlreiche Preise gewann, konnte sie bereits erste solistische Erfahrungen sammeln, welche sie später bei diversen Meisterkursen, wie zum Beispiel bei Prof. Dag Jensen, Prof. Georg Klütsch, Robert Birnstingl oder Prof. Carlo Colombo erweitern konnte. 2015 begann sie ihr Studium bei Prof. Ole Kristian Dahl an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mannheim. Es dauerte nicht lang, bis sie Stipendiatin an der Orchesterakademie Rhein-Neckar wurde und somit in Top-Orchestern wie dem Nationaltheater Mannheim, dem Philharmonischen Orchester Heidelberg oder der Staatsphilharmonie RheinlandPfalz spielen durfte. Des Weiteren erhielt sie die Möglichkeit mit den Göteborgs Symfonikern Strauss’ „Ein Heldenleben“ unter der Leitung Andrés Orozco-Estradas aufzuführen. Seit 2019, noch vor Abschluss ihres Studiums in Mannheim, spielt Nina Schönberger als Solo-Fagottistin beim Philharmonischen Orchester Vorpommern, wo dem sie bereits solistisch mit Elgars Fagottsolo-Werk „Romanze“ zu hören war. Neben ihrer Tätigkeit am Theater absolvierte sie 2021 erfolgreich ihren Bachelor-Abschluss an der Hochschule für Musik und Theater Rostock bei Prof. David Petersen.
Es
Wenn man genau hinschaut, entdeckt man auch neben dem Großen noch Schönes.
ROBERT SCHUMANN: OUVERTÜRE, SCHERZO & FINALE
Das Kind
ohne Namen
Zögerlich, ja fast fragend beginnt diese Ouvertüre. Dass dies kein Auftakt zu einer Bühnenhandlung sein wird, versteht sich mit den ersten Takten. Aber was ist es dann? Mehrere Anläufe benötigt das musikalische Geschehen, zu dem sich die Holzbläser nach und nach hinzugesellen, bis das anfängliche Andante con moto ins Allegro umschlägt und den heiteren Grundton des Werkes manifestiert. Doch was genau ist das für ein Werk, das Robert Schumann innerhalb kürzester Zeit – im April/Mai 1841 zu Papier gebracht hatte? Clara Schumann schreibt Anfang Mai 1841 in das gemeinsame Ehetagebuch: „Wir wissen es noch nicht zu benennen, es besteht aus Ouvertüre , Scherzo und Finale .“ An Ideen mangelt es nicht. Schumann denkt über Bezeichnungen wie „Suite“, „Novelle für Orchester“, „Sinfonietta“ oder die Wortneuschöpfung „Symphonette“ nach.
Die Nähe zur sinfonischen Idee schwingt in diesen Überlegungen also schon mit. Aber handelt es sich um eine Sinfonie? Formal betrachtet weist die Komposition in ihrer Dreisätzigkeit und Satzfolge mehr Ähnlichkeit mit einer barocken Suite oder Ouvertüre auf als mit einer romantischen Sinfonie. Inhaltlich liegt der Fall anders: Motivische Verknüpfungen und Reminiszenzen ziehen sich durch alle drei Sätze und schaffen lose, aber hörbare Verbindungen – ganz so, wie Schumann die romantische Sinfonie verstand. „Schlag auf Schlag“ sollen die Themen da wechseln, „doch durch ein inneres geistiges Band verkettet“ sein. Dies postulierte der Komponist 1854 und kritisierte im selben Artikel, den er für die Allgemeine musikalische Zeitung verfasst hatte, die „neueren Sinfonien“, namentlich von zeitgenössischen Komponisten wie Gottfried von Preyer, Carl Gottlieb Reißiger und Franz Lachner, denen er vorwarf, ihre Werke „verflachen sich zum größten Theil in den Ouverturenstyl hinein, die ersten Sätze namentlich; die langsamen sind nur da, weil sie nicht fehlen dürfen; die Scherzo’s haben nur den Namen davon; die letzten Sätze wissen nicht mehr, was die vorigen enthalten.“
Aber was unterscheidet nun Schumanns „Ouvertüre, Scherzo & Finale“ von jenen so kritisierten Werken? Sicherlich vorrangig die Tatsache, dass er seine Komposition nicht als „Sinfonie“ im Sinne der „Königskategorie“ der Orchestermusik verstand. Er selbst hatte lange damit gehadert, eine Sinfonie zu komponieren, sah er sich doch – genau wie Johannes Brahms und andere Zeitgenossen – mit dem übergroßen Vorbild Beethoven konfrontiert. Ein erster sinfonischer Versuch aus den Jahren 1832/33 blieb unvollendet. Erst Schumanns Wiederentdeckung von Franz Schuberts großer –seinerzeit verschollener – Sinfonie in C-Dur zeigte ihm einen Weg aus dem Dilemma. Schubert hatte mutig seinen eigenen sinfonischen Weg beschritten, ohne sich dabei an Beethovens abzuarbeiten. Schumanns Dachbodenfund (er war von Schuberts Bruder Ferdinand auf die Partitur im Nachlass des Komponisten aufmerksam gemacht worden) hatte den Knoten gesprengt. Im Jahr 1841 schrieb Schumann gleich zwei Sinfonien: die „Frühlingssinfonie“ und die Erstfassung der heute als 4. Sinfonie gezählten. Dazwischen entstand mit „Ouvertüre, Scherzo & Finale“ ein vergleichbar angelegtes
Werk heiteren Charakters – eine Studie, könnte man meinen, vielleicht aber auch der Ausdruck eines Ideenüberschwangs, der sich nun musikalisch Bahn brechen musste, nachdem die erste Hürde genommen worden war. Dieses als „Sinfonisches Jahr“ betitelte 1841 stellt einen äußerst kreativen Abschnitt in Schumanns Karriere dar. So schwer und dramatisch manche Schumann-Komposition erscheinen mag und so sehr das tragische Ende des Komponisten rückblickend sein ganzes Leben überschattet, gab es Momente, in denen er vor Ideen überschäumte.
„Aber wüssten Sie, wie es in mir drängt und treibt und wie ich in meinen Sinfonien schon bis zu op. 100 gekommen sein könnte, hätte ich sie aufgeschrieben und wie ich mich so eigentlich im ganzen Orchester so recht wohl befinde.“
Womöglich ist „Ouvertüre, Scherzo & Finale“ diesem kompositorischen Überschwang zu verdanken: Ein leichtfüßiges Werk mit „freundlichem Charakter“, das Schumann „in recht fröhlicher Stimmung“ schrieb und so auch seinem Verleger Friedrich Hofmeister anpries. Und doch ist es mehr als das – vielleicht doch eher eine „Symphonette“, eine Sinfonie in kleinem Stil, denn alle drei Sätze durchziehen thematische Bezugnahmen und verbinden sie somit zu einem kleinen Ganzen.
Auf die langsame Einleitung der Ouvertüre in e-Moll folgt der Allegro-Hauptteil in E-Dur, der thematisch auf die Einleitungsmotive zurückgreift, sie aber nun beschwingter verarbeitet. Die Coda der Ouvertüre liefert bereits thematische Bausteine für das nun folgende Scherzo in cis-Moll: Ein sehr Schumann’sches Scherzo, das stets um Leichtigkeit bemüht ist, aber rhythmisch prägnant bodenständig bleibt. Das zweimal wiederkehrende Trio erscheint im Gegensatz dazu lyrisch. In der Coda dieses Scherzos greift Schumann das Hauptthema der Ouvertüre erneut auf. Das temperamentvolle Finale in E-Dur ist sehr kontrapunktisch angelegt. Nach einer einleitenden Fanfare erscheint das Hauptthema im Fugato. Auch in diesem Satz wird der thematische Bogen zurück zur Ouvertüre geschlagen und so – trotz der durch den Titel implizierten Dreiteiligkeit – eine nahezu sinfonische Einheit geschaffen.
Erstmals aufgeführt wurde das Werk gemeinsam mit der Erstfassung der 4. Sinfonie am 6. Dezember 1841 im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung von Ferdinand David. Beiden Werken war in ihrer ersten Fassung kein großer Erfolg beschieden, sodass Schumann sie erneut überarbeitete. An „Ouvertüre, Scherzo & Finale“ nahm er 1845 noch einmal größere Änderungen und 1853 letzte Retuschen vor. In dieser Form wurde das Werk letztlich verlegt und wird es heute gespielt. Lediglich der Titel lässt die Komposition bis heute seltsam unfertig erscheinen, suggeriert er doch nach wie vor eine gewisse Zufälligkeit der Satzzusammenstellung. Und dabei bräuchte dieses wunderbar heitere sinfonische Kind eigentlich nur einen klingenden Namen.
Ins Schwarze getroffen!
Das Werk im Schatten
„Weber kam auf die Welt, um den ‚Freischütz‘ zu schreiben.“ Komponistenkollege Hans Pfitzner brachte es auf den Punkt und legte gleichzeitig den Finger in die offene Wunde. Natürlich ist Carl Maria von Webers Oper unstrittig ein Meilenstein in der Entwicklung der Operngeschichte, aber ihr Bekanntheitsgrad scheint alle anderen Werke des Komponisten zu überschatten – zu Unrecht. Es ist also an der Zeit, das Augenmerk einmal auf den anderen Weber und eine gänzlich andere Komposition zu lenken.
Zugegebenermaßen war Carl Maria von Weber die Theaterbegeisterung in die Wiege gelegt: Als Sohn eines Wanderbühnenunternehmers und einer Opernsängerin kann man seine Affinität zur Oper schon beinahe als genetisch betrachten. Beinahe ebenso klischeehaft romantisch erscheint die Biografie Carl Maria von Webers, der in seinen frühen Jahren vom Vater zum Wunderkind lanciert wurde und im Zuge dieser Ausbildung auch Unterricht von Michael Haydn, dem Bruder Joseph Haydns, erhielt. Nach einem kurzen Ausflug ins Handwerk als Lithograph schlug Weber dann doch die Komponistenlaufbahn ein, wechselte häufig die Anstellungen und führte bald ein stets von Geldnot geprägtes und um Aufträge bemühtes Leben, das er selbst in seinem fragmentarisch gebliebenen Roman „Tonkünstlers Leben“ romantisch überhöhte:
„Der Tondichter, der von da seinen Arbeitsstoff holt, ist beinah stets arm gebohren, oder auf dem Wege, seinen Geist dem Gemeinen und Gewöhnlichen selbst in die Hände zu geben … Da muß es endlich aufschreien, wie es jetzt in mir that. Fort! Du mußt hinaus, fort ins Weite! Des Künstlers Wirkungskreis ist die Welt! … Fort! der Geist suche sich in Andern; und hast du fühlende Menschen durch deinen Genius erfreut, hast du Dir ihr Wissen angeeignet, – dann kehre zur friedlichen Heimath und zehre von dem Erbeuteten!“
Ganz so erhaben stellte sich die Realität für Weber nicht dar. 1810 war er – bereits hoch verschuldet – wegen einer Korruptionsaffäre aus seinem Dienstverhältnis in Stuttgart entlassen und der Stadt verwiesen worden. Auf der täglichen Jagd nach einem Auskommen tingelte er von dort aus durch Mannheim, Frankfurt, Darmstadt, Gießen, Würzburg, Erlangen, Bamberg und Augsburg, um Kontakte zu knüpfen, seine neueste Oper „Abu Hassan“ auf die Bühne zu bringen und schlicht Geld zu verdienen. In Gießen zog er alle Register – mit Erfolg. Ein Auftritt, bei dem er ein Klavierkonzert von Anton Eberl gespielt, über eigenen Themen fantasiert und schließlich italienische Canzonetten zur Gitarre gesungen hatte, brachte ihm begeisterte Zuhörer und sogar Einnahmen. „Zwei Schreiner in Gießen nahmen nichts für ihre Arbeit, weil sie mich spielen gehört hatten. Das nenn’ ich Kunstsinn.“
In München schließlich sollte sich das Blatt für Weber entscheidend wenden. Mit seiner Ankunft dort im März 1811 begann für den Komponisten und seine Auftragslage eine Glückssträhne. Auf Veranlassung des Bayerischen Königs Max I. komponierte Weber zwei Konzerte und ein Concertino für den in der Münchner Hofkapelle spielenden Klarinettenvirtuosen Heinrich Joseph Baermann. Die Konzerte hatten Erfolg und zogen weitere Aufträge nach sich. So viele, dass Weber einem Großteil der Anfragen nicht nachkam. Ein Solokonzert für den Hoffagottisten Georg Friedrich Brandt allerdings nahm er im November 1811 in Angriff und stellte es innerhalb von nur zwei Wochen fertig.
Traditionell dreisätzig angelegt ist dieses Konzert formal betrachtet nicht experimentell. Als Auftragswerk befolgte Weber hier seinen eigenen Grundsatz, dass „Effektivität im Verstand einen sichern Pass zum Erfolg bildet“. Doch gepaart mit Virtuosität und originellen Einfällen wird aus diesem Konzert das, was es bis heute ist: ein musikalisches Juwel mit Seltenheitswert, fand doch das Fagott als konzertantes Soloinstrument im 19. Jahrhundert kaum Beachtung.
Das Konzert eröffnet mit einem effektvoll strahlenden Orchestertutti, das das erste, marschartige Thema sowie das zweite lyrische anreißt, bevor das Fagott übernimmt und das Konzertieren beginnt. Neben dem Herausarbeiten der virtuosen Seiten des bis heute schnell als „Großvater unter den Instrumenten“ unterschätzten Fagotts trägt Weber hier auch der Vielfalt der möglichen Ausdrucksformen gekonnt Rechnung. virtuosen Seiten und Sanglichkeit wechseln hier ebenso wie solistisches Auftrumpfen und nachdenkliche Zurückhaltung. Schon in diesem ersten Satz setzt Weber das Fagott effektvoll in Szene, indem es nicht nur in virtuosen Läufen brilliert, sondern der gesamte seinerzeit mögliche Tonumfang des Instrumentes bis in die Extreme ausgenutzt wird. Der zweite Satz ist ein kantables Adagio. Hier steht der lyrische Ausdruck im Vordergrund. Im Gegensatz zu den beiden Ecksätzen kommen hier im Orchester ausschließlich Streicher und Hörner zum Einsatz. Die Intimität des Satzes kulminiert in dem Moment, wo lediglich Fagott und Hörner miteinander zu einem zarten Klangereignis verschmelzen. Die Kadenz am Ende des Adagios ist ebenfalls lyrisch gehalten. Für Geläufigkeit – und eine gehörige Portion Humor – bietet der Finalsatz genügend Raum. Als Rondo gestaltet trumpft das Allegro mit einem launigen Hauptthema auf und gibt immer wieder Raum für unterschiedliche, sich immer weiter steigernde virtuose Passagen die dem Schluss des Konzertes schier entgegensprudeln und ungebremst dem Schlussakkord entgegeneilen.
Ob das Konzert noch im Dezember 1811 in München uraufgeführt wurde, ist bis heute nicht erwiesen. Verbürgt ist jedoch eine Aufführung in Prag am 19. Februar 1813, wo Weber gerade die Stelle des Kapellmeisters am Ständetheater angetreten hatte. An jenem Theater also, in dem Mozarts „Don Giovanni“ mit großem Erfolg uraufgeführt worden war. Weber wird hier drei Jahre lang als Kapellmeister wirken und der Stadt dann den Rücken kehren. Auf ihn warten neue Herausforderungen … und der „Freischütz“.
Unverhofft, aber nicht unverdient
Oft kopiert und nie erreicht
Joseph Haydn hat zeit seines Lebens über einhundert Sinfonien komponiert. Aus der barocken, meist dreisätzigen Sinfonia oder Ouvertüre erwachsen ist ihre klassische Viersätzigkeit vornehmlich Haydn zu verdanken, aber erst mit Ludwig van Beethoven wurden Sinfonien zu kompositorischen Solitären. Um die Vielzahl von Haydns Sinfonien besser einordnen zu können, wurden viele mit Beinamen versehen, die sich meist entweder auf eine Schaffensphase und die damit verbundene Örtlichkeit (z.B. „Oxforder“ oder „Pariser“) oder eine musikalische Besonderheit („mit dem Paukenschlag“, „die Uhr“) beziehen. Aus heutiger Sicht geht damit eine gewisse qualitative Einordnung einher. Sinfonien ohne Beinamen scheinen nicht ganz so greifbar oder populär und daher mutmaßlich nicht so interessant. Mutmaßlich – denn die Sinfonie HOB I:88 weist wunderbare Singularitäten auf, und um ihre Werkgeschichte rankt sich ein wahrer Krimi.
Die Jahre 1787-89 verbrachte Jospeh Haydn überwiegend in Wien und auf Esterháza in Ungarn. Hier komponierte er fünf Sinfonien, die die Phase zwischen den sogenannten „Pariser Sinfonien“ und den späten „Londoner Sinfonien“ kennzeichnen. Der mittlerweile international renommierte Komponist, der als „Vielschreiber“ bekannt war, arbeitete zu diesem Zeitpunkt sowohl für seinen Geldgeber Esterházy als auch unabhängig oder für andere Auftraggeber.
Die genauen Entstehungsumstände der G-Dur-Sinfonie liegen im Dunkeln, ebenso wie das Autograph der Komposition, das bis heute verschollen ist. Es wird aber vermutet, dass Haydn die Sinfonie 1787 in zeitlicher Nähe zu dem Folgewerk, HOB I:89, komponierte. Trotz des hohen Arbeitspensums und des mit 56 Jahren für damalige Verhältnisse hohen Alters entwickelte Haydn seinen sinfonischen Stil nach wie vor immer weiter, sodass jedes einzelene Werk Neuerungen und Überraschungen aufweist, für die der Komponist ja bekannt ist.
Komponiert hat Haydn beide Sinfonien, HOB I:88 und 89, die auch als „Schwestersinfonien“ bezeichnet werden, für Johann Tost, der in dieser Zeit als Geiger bei der Hofkapelle in Esterháza angestellt war.
Im darauffolgenden Jahr reiste Tost mit den Sinfonien und einigen Streichquartetten Haydns im Gepäck nach Paris, um die Werke dort dem Verleger Jean Jacques Sieber zum Druck zu verkaufen. Genaueres über die Vereinbarungen, die Haydn und Tost darüber getroffen haben mögen, ist nicht bekannt. Sicher war aber nicht vereinbart, dass Tost die Haydn-Sinfonien mehrfach verkaufte und so nicht nur Sieber, sondern auch das Verlagshaus Artaria die Sinfonien verlegte. Wenige Monate später erschienen die Werke darüber hinaus bei Longman & Broderip in London, ein Jahr später dann noch in Berlin, Amsterdam und Offenbach. Tost hatte sich also nicht nur als guter Geiger, sondern auch als verschlagener Geschäftsmann entpuppt.
Äußerst erbost über diesen Vorgang, der ihm neben Ärger keinerlei geldlichen Vorteil verschaffte, versuchte Haydn von da an, eine Art „Kopierschutz“ zu etablieren, indem er die einzelnen Teile seiner Werke von unterschiedlichen Kopisten abschreiben ließ und so niemand unerlaubt in den Besitz einer Gesamtpartitur gelangen sollte. Dessen ungeachtet, trug aber die Mehrfachverlegung der G-Dur-Sinfonie zu ihrer Verbreitung bei, sodass sie bald zu den meistgespielten Orchesterwerken Haydns gehören sollte.
Die Sinfonie beginnt mit einer langsamen Einleitung , die in ihrer rhythmischen Anlage an eine Sarabande erinnert. Die Prägnanz bleibt im weiteren Verlauf, jedoch ändert sich mit der Vorstellung des Hauptthemas radikal der Charakter des weiteren Satzverlaufes. Eine knappe, von Repetitionen geprägte Achtelfolge, bestimmt das anschließende Allegro . Dabei ist das Thema so dominant, dass sich sämtliche Nebengedanken diesem unterordnen. Es ist dieser eine thematische Einfall, aus dem sich alles Weitere entwickelt.
Dem schwungvollen ersten Satz steht das lyrische Largo gegenüber. Die Solo-Oboe stellt eine innige Kantilene vor, die den Charakter des Satzes prägt, der so lyrisch weiterfließen könnte, wäre er nicht von Haydn komponiert. Denn plötzlich fallen Pauken und Trompeten in das Geschehen ein. Ein wirklich unerwarteter Zug des Komponisten, der bewusst auf den Einsatz dieser Instrumente im Kopfsatz verzichtet hatte und sie nun in dem ansonsten instrumental reduzierten zweiten Satz geradezu hereinbrechen lässt. Noch mehrere Male wird es diese schicksalhaft anmutenden Einschnitte in den sonst geruhsamen Fluss des Largo geben, bis der Satz schließlich leise verklingt. Ein unbeschwertes Menuett schließt sich an. Tänzerisch und doch voller Manierismen, scheint es noch dem Übergang von höfischem zu volkstümlichem Tanzvergnügen verpflichtet. Spätestens im Trio schlägt es sich ganz auf die Seite eines Ländlers. Die Bordunquinten in den Bratschen und Fagotten sowie die Melodieführung mit ihren deftigen Synkopen lässt die Nähe zu slowenischen Dudelsackweisen hörbar werden. Das Finale schließlich gleicht einem Kehraus nach Perpetuummobile-Art. Das Thema, das durchaus Parallelen zu demjenigen des ersten Satzes aufweist, gibt sich flink, ja unermüdlich und duldet keine Pausen bis – und da ist er wieder, Haydns Sinn für musikalische Überraschungen – sich zwischen Violinen und Bässen ein Nachlaufspiel in Form eines Kanons entfaltet, das dem Geschehen kurzzeitig eine andere Wendung gibt, bevor der Achtelmotor wieder anläuft und dem Ende entgegenschnurrt.
Bei so viel musikalischer Frische, augenzwinkerndem Humor und einer Lyrik im langsamen Satz, die Johannes Brahms zu der Äußerung veranlasst haben soll, dass er sich so seine eigene Neunte Sinfonie vorstelle, braucht es da noch einen Beinamen für eine solche Sinfonie?
Auch kleine Dinge können
uns
entzücken ...
Vorschau
7. Philharmonisches Konzert
„Das
monumentalste Finale der gesamten Musikliteratur der Welt“ Wilhelm Furtwängler
Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 5 B-Dur
Philharmonisches Orchester Vorpommern
Dirigent : GMD Florian Csizmadia
Öffentliche Generalprobe
Mo 15.04.2024, 19.00 Uhr , Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal
Konzerte
Di 16.04.2024, 19.30 Uhr , Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal
Mi 17. & Do 18.04.2024, 19.30 Uhr , Stralsund: Großes Haus
Weiterhin im Programm
7. PHILHARMONISCHES KONZERT ANTON BRUCKNER: SINFONIE NR. 5 B-DUR
16.04.2024 Greifswald
17. & 18.04.2024 Stralsund
8. PHILHARMONISCHES KONZERT WERKE VON GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
28.05.2024 Greifswald
29. & 30.05.2024 Stralsund
31.05.2024 Putbus
9. PHILHARMONISCHES KONZERT WERKE VON JOHANNES BRAHMS
11.06.2024 Greifswald
12. & 13.06.2024 Stralsund
14.06.2024 Putbus
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Herausgeber:
Theater Vorpommern GmbH, Stralsund – Greifswald – Putbus, Spielzeit 2023/24
Geschäftsführung:
André Kretzschmar
Impressum
Redaktion:
Katja Pfeifer
Gestaltung: giraffentoast
Textnachweise: Bei den Texten handelt es sich um Originalbeiträge von Katja Pfeifer für dieses Heft.
Bildnachweise: S. 3: Nina Schönberger, 2023, Foto: Privatbesitz; S. 4: Waldmops am Mühlentorturm in Brandenburg an der Havel. Foto: wikipedia; S. 8: Gemeinfeie Fotos von Luis Eusebio auf unsplash und pxhere; S. 12: Streetart von Elena auf pixabay und von Tim Hufner auf unsplash; S. 16: „Ricotta Records“ und „Noix de vie“ von Anonymouse. Foto: wikipedia