PGH _ 9. PhilharmonischesKonzert

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9. PHILHARMONISCHES KONZERT

theater-vorpommern.de

9. Philharmonisches Konzert

Johannes Brahms (1833 – 1897)

Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77

1. Allegro non troppo

2. Adagio

3. Allegro giocoso, ma non troppo vivace

– Pause –

Johannes Brahms

Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

1. Allegro non troppo

2. Adagio non troppo

3. Allegretto grazioso

4. Allegro con spirito

Solistin: Irmina Trynkos, Violine Philharmonisches Orchester Vorpommern

Dirigent: GMD Florian Csizmadia

Öffentliche Generalprobe

Mo 11.06.2024 , Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal

Konzerte

Di 11.06.2024 , Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal

Mi 12. & Do 13.06.2024 , Stralsund: Großes Haus

Fr 14.06.2024 , Putbus: Theater

Liebe Gäste, wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen aus urheberrechtlichen Gründen untersagt sind. Vielen Dank.

Das Theater Vorpommern wird getragen durch die Hansestadt Stralsund, die Universitäts- und Hansestadt Greifswald und den Landkreis Vorpommern-Rügen.

Es wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und EU-Angelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

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IRMINA TRYNKOS

Die griechisch-polnische Violinistin Irmina Trynkos ist als „eine der aufregendsten Nachwuchssolistinnen der jüngsten Zeit“ und „echter Geheimtipp“ gefeiert worden. Auf ihren bahnbrechenden Auftritt unter der Leitung von Neeme Järvi folgten Debüts in der Berliner Philharmonie, der Wigmore Hall und der Queen Elizabeth Hall in London, dem Shanghai Oriental Art Center und dem Concertgebouw. Ihre erste CD mit dem Royal Philharmonic Orchestra geriet zum Bestseller und brachte ihr den Supersonic Award der Zeitschrift Pizzicato ein, und ihre Aufnahmen werden inzwischen von Rundfunksendern international übertragen. Die Zeitschrift Jewish Renaissance kürte sie unlängst

zur „Künstlerin des Jahres“, und ihr Auftritt auf BBC Xtra TV wurde live vor sechsunddreißig Millionen Zuschauern weltweit ausgestrahlt. Ihre Mentorin, die berühmte Geigerin Lydia Mordkovitch, erklärte: „Irmina ist eine überaus natürliche Interpretin, die stets alles gibt und das Publikum mit ihrer Interpretation, Wärme und Sensibilität beeindruckt. Sie liebt die Konzertbühne, was in ihrem Spiel und der Kommunikation mit dem Publikum zum Ausdruck kommt.“

Ihre Herkunft und ihr ungewöhnlicher Lebensweg haben Irmina Trynkos zu einer unvergleichlichen Botschafterin für junges Publikum gemacht. Sie engagiert sich für vernachlässigte Violinwerke und arbeitet mit vielen zeitgenössischen Komponisten zusammen. Sie spielt Violinen von Jakob Stainer (1617) und Antonio Stradivarius (1728).

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„Im Allgemeinen sind ja leider die Stücke von mir angenehmer als ich …“
Johannes Brahms, 1885

Viel wurde schon über Johannes Brahms geschrieben, den Hamburger, der 1863 nach Wien zog, den Musiker zwischen Romantik und Realismus, zwischen Beethoven und Schönberg, das Arbeitstier, dem Urlaub fremd zu sein schien – bis er 1877 Pörtschach am Wörthersee für sich entdeckte. Die drei aufeinanderfolgenden Jahre, in denen er die Sommermonate hier verbrachte, trugen kompositorische Früchte. Hier entstanden unter anderem sein einziges Violinkonzert (1878) sowie seine zweite Sinfonie (1877).

Vielbeschrieben ist das langjährige Ringen des Komponisten um seine erste Sinfonie – sein Heraustreten aus dem Schatten des übermächtig scheinenden Vorbild Beethovens bis hin zur Uraufführung seiner ersten Sinfonie 1876.

Sinfonie Nr. 2 D-Dur

Und nun – nur ein Jahr später – folgte das zweite sinfonische Werk, geschrieben innerhalb weniger Monate, leichtfüßiger als die Erste und so melodienselig und im sommerlichen Pörtschach erdacht, dass der Vergleich zu Beethoven fast naheliegt. War doch auch bei diesem auf die große c-Moll-Sinfonie, die oft als „schicksalhaft“ betitelt wird, die naturverbundene „Pastorale“ gefolgt. Und so erkannte man auch bei Brahms Parallelen in der Aufeinanderfolge: Dessen Erste steht ebenso wie Beethovens Fünfte in der Tonart c-Moll und nun die deutlich heiterere D-DurSinfonie, die daher schon bald ebenso als „Pastorale“ apostrophiert wurde. Doch mit derartigen Etikettierungen ist man schnell bei der Hand. Schaut man näher hin, löst sich der Klebstoff dieser Plakette schnell ab, denn der Vergleich hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Weder liegt der Sinfonie irgendein außermusikalisches Programm zugrunde, noch hätte Brahms selbst sie je so betitelt. Es ist der im Vergleich zur Ersten gelöste Charakter sowie Entstehungsort und Zeit der zweiten Sinfonie, die den Vergleich zu Beethovens Sechster nahelegten.

Entstanden ist der größte Teil von Brahms' Zweiter in der „Sommerfrische“ von Pörtschach am Wörthersee. Man glaubt, dieser Sinfonie ebenso wie dem im Jahr darauf entstandenen Violinkonzert die sommerliche Entspanntheit anzumerken –tatsächlich versprach Brahms von Pörtschach aus seinem Freund und Kritiker Eduard Hanslick für den kommenden Winter eine Sinfonie, die „so heiter und lieblich klingen [soll], dass Du glaubst, ich habe sie extra für Dich oder gar Deine junge Frau geschrieben! Das ist kein Kunststück, wirst Du sagen, Brahms ist pfiffig, der Wörther See ist ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, dass man sich hüten [muss], keine zu treten“.

Dieweil kündigte er Clara Schumann eine Sinfonie „ganz elegischen Charakters“ an und empfahl seinem Verleger Fritz Simrock: „Die neue Sinfonie ist so melancholisch, dass Sie es nicht aushalten. Ich habe noch nie so etwas Trauriges, Molliges geschrieben: die Partitur muss mit Trauerrand erscheinen. “

Die Ironie in dieser Empfehlung ist unüberlesbar, und doch scheint sie der Befürchtung zu entspringen, man werde über den heiteren Grundcharakter womöglich den Ernst des Werkes nicht wahrnehmen.

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Tatsächlich hörte Brahms' Freund Theodor Billroth hier „blauen Himmel, Quellenrieseln, Sonnenschein und kühlen, grünen Schatten“, und auch der Musikwissenschaftler Philipp Spitta umschrieb das Werk mit „heller Frühlingssonnenschein bald in romantischer Waldfrische, bald auf freiem, festen Wanderpfad, bald lieblich schwebende Gestalten umfließend“.

Und wo bleibt die angekündigte Melancholie? Sicher trifft diese Bezeichnung eher auf die folgende, die dritte Sinfonie zu, und doch ist auch die Zweite nicht ganz frei davon, sodass Brahms' eigene Bezeichnung als „neues liebliches Ungeheuer“ dem Werk vielleicht am nächsten kommt. Denn ungeheuerlich ist das Unterfangen wahrlich, das der Komponist hier zum Klingen bringt.

Zu Beginn der Sinfonie stellen Celli und Kontrabässe ein Dreitonmotiv (d – cis – d)  vor. Allzu schnell überhört man diesen Takt, der die Keimzelle alles Folgenden bildet. Denn aus diesem winzigen Motivkern entwickelt sich im Grunde die ganze Sinfonie. Überall ist er Motiv-, Themen-, ja satzkonstituierend wiederzufinden. Es ist wie ein initialer Gedanke, der in unterschiedlicher Betrachtung, Spiegelung, Ausrichtung immer wieder neue Themen hervorbringt, verändert und über die Dauer der Sinfonie immer weiter wächst. Er findet sich im Hauptthema des ersten Satzes ebenso wieder wie im wiegenden Seitenthema, das an Brahms' Wiegenlied „Guten Abend, gut‘ Nacht“ erinnert – allerdings in der fis-Moll-Variante. Tatsächlich hatte Brahms im Zuge der Entstehung dieses Satzes in der scherzhaften Art eines kinderlosen Junggesellen an seinen Verleger Simrock geschrieben: „Wie wär’s, wenn Sie vom Wiegenlied auch Ausgaben in Moll machten, für unartige oder kränkliche Kinder?“

In der Coda des Allegro non troppo findet sich ein weiterer selbstreferentieller Hinweis, diesmal auf das Lied „Es liebt sich so lieblich im Lenze“. Doch so volksnah wie lieblich diese Verweise auch wirken – dem Lied geht ein langes, beinahe melancholisches Hornsolo voraus, das die Ernsthaftigkeit unter der heiteren Oberfläche immer wieder hervortreten lässt.

Das folgende Adagio gibt sich liedhaft sehnsuchtsvoll. Doch unter der melodiösen Linie der Celli und später der Violinen vollzieht sich kunstvoll Kontrapunktisches, das der Musikwissenschaftler Dietmar Holland als „janusköpfigen Habitus“ bezeichnete, indem Brahms hier einerseits „ganz ausdrücklich auf die Welt Bachs – doppelter Kontrapunkt des Hauptthemas – zurückgreift und zugleich, in der basslos schwebenden Bläserstelle nach dem Hauptthema, einen jener tastenden Übergänge wagt, der schon die ‚Luft von anderem Planeten‘ atmet, die Schönberg rund dreißig Jahre später in seinem zweiten Streichquartett beschwören wird“.

Das zwischen behäbigem Ländler und temperamentvollem Geschwindwalzer pendelnde Allegretto grazioso variiert das Thema, in welchem sich der motivische Grundbaustein ebenfalls wiederfindet, nach Scherzoart – tänzerisch, energiegeladen, eingängig. Dass dieser Satz bei der Uraufführung der Sinfonie unmittelbar wiederholt werden musste, überrascht also nur insofern, als es mittlerweile unüblich geworden ist, zwischen den einzelnen Sätzen einer Sinfonie überhaupt zu applaudieren.

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Der Finalsatz verweist in Tonart (D-Dur) und Thematik wieder auf den Anfang und immer wieder auf Beethoven. Auch hier erwachsen Haupt- als auch Seitenthema aus der anfänglichen motivischen „Keimzelle“, die ihrerseits immer wieder beschworen wird. Ein jubelndes Allegro con spirito, das sich zu den Sternen aufschwingt. Die kraftvoll überbordende Schaffenslust scheint sich nur während des Tranquillo-Teils zu mäßigen, bevor die Sinfonie ihrem Ende entgegendrängt und in strahlendem D-Dur endet.

Noch im September 1877 hatte Brahms am Erfolg der Sinfonie gezweifelt und an Simrock geschrieben: „Sie wird jedenfalls gehörig durchfallen, und die Leute werden meinen, diesmal hätte ich mir’s leicht gemacht.“

Wie nahezu immer bei Brahms' Äußerungen, ist auch diese doppelbödig zu verstehen. Tatsächlich irrte er sich in der Annahme, die Sinfonie werde durchfallen. Ganz im Gegenteil: Die Uraufführung am 30. Dezember 1877 im Wiener Musikverein geriet zu einem der größten Erfolge seiner Laufbahn. Doch mag dieser spontane Erfolg eben auf den heiteren Grundcharakter der Sinfonie zurückzuführen sein, der allzu leicht fehlenden Tiefgang impliziert. Aber eben darin liegt die Größe dieses Werkes: Hier ist nichts oberflächlich, alles durchdacht, und doch erscheint es wie von leichter Hand niedergeschrieben: Diese Sinfonie ist wahrhaftig ein „liebliches Ungeheuer“.

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Konzert für Violine und Orchester D-Dur

Seit 25 Jahren verband Brahms und den Violinsolisten Joseph Joachim eine herz liche Freundschaft – und beinahe ebenso lang wartete der Geiger darauf, dass der Komponist einmal ein Violinkonzert schreiben würde und nun, am 21. August 1878, schreibt Brahms aus Pörtschach eine Postkarte, in der er kurz und lakonisch „eine Anzahl Violinpassagen“ ankündigt. Welche Untertreibung! Schon im tags darauf folgenden Brief entpuppen sich die Passagen als ausgewachsenes Konzert:

„Lieber Freund, Jetzt, wo ich sie ausgeschrieben habe, weiß ich doch eigentlich nicht, was Du mit der bloßen Stimme sollst. Ich wollte Dich natürlich bitten zu korrigieren, meinte, Du solltest nach keiner Seite eine Entschuldigung haben –weder Respekt vor der zu guten Musik, noch die Ausrede, die Partitur lohne der Mühe nicht. Nun bin ich zufrieden, wenn Du ein Wort sagst, und vielleicht einige hineinschreibst: schwer, unbequem, unmöglich usw.

Die ganze Geschichte hat vier Sätze; vom letzten schrieb ich den Anfang –damit mir gleich die ungeschickten Figuren verboten werden! Es ist doch schade, dass ich nicht in Berchtesgaden wohne. Grüße die Deinen alle schönstens, und das Weitere warte ich ab.

Herzlich Dein J. Br.“

„Gestern Abend kehrte ich von Hamburg zurück … Johannes war auch da, und wir haben einige sehr gemütliche Stunden zusammen verlebt; seine Symphonie war, wie in Düsseldorf, die Krone des Festes. Er hat mir den ersten Satz eines Violinkonzerts gezeigt, Joachim hat es mir auch einmal gespielt, Sie können sich wohl denken, dass es ein Konzert ist, wo sich das Orchester mit dem Spieler ganz und gar verschmilzt, die Stimmung in dem Satz ist der in der zweite Symphonie sehr ähnlich, auch D-Dur …“

Clara Schumann an den Dirigenten Hermann Levi, 3. Oktober 1878

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„Lieber Freund, ich wüsste gern, wie lange Du dort bleibst, und schicke Dir gern eine Anzahl Violinpassagen! Die dazu gehörige Bitte brauche ich kaum auszusprechen, und es frägt sich nur, ob du nicht so versunken in Mozart und vielleicht Joachim selbst bist, dass Du dafür ein Stündchen Zeit hast!

Mit schönstem Gruß allseits

Dein J. Br.“

Da war es nun – das lang ersehnte Violinkonzert. Aber es war nicht das, was  Joachim, was die Konzertwelt des 19. Jahrhunderts erwartet hatte. In einer Zeit, in der gleichermaßen dem Genie wie dem Virtuosen gehuldigt wurde und in der Künstler wie Franz Liszt oder Niccolò Paganini glamourös beides verkörperten, hatte sich Johannes Brahms angeschickt, ein Werk zu komponieren, das die Violine ganz in den Dienst des Konzertierens im ursprünglichen Sinne stellen sollte, bei dem sich Orchester und Soloinstrument gegenseitig Themen zuspielen, aufeinander reagieren, miteinander konzertieren. Und das alles mit nicht zu unterschätzenden technischen Schwierigkeiten, die aber nicht immer von der Zuhörerschaft wahrgenommen werden, da sie nie virtuoser Selbstzweck sind, sondern sich immer in den Dienst des musikalischen Dialogs stellen.

Dieses Konzert also schickte Brahms seinem Freund Joachim mit der Bitte, die  Solostimme mit den Augen des Fachmanns zu begutachten und – wo notwendig – Korrekturvorschläge zu unterbreiten. Vielleicht ist es dem zweiten Sommeraufenthalt in Pörtschach am Wörthersee zu verdanken, dass Brahms hier Zeit und Energie fand, konzertantes Neuland zu betreten, denn er selbst beherrschte das Geigenspiel nicht. Im Jahr zuvor war hier die zweite Sinfonie entstanden, nun wuchs das Violinkonzert heran. Ein reger Austausch zwischen Joachim und Brahms begann und mit ihm ein hartes Ringen um das Werk. Der Ton in den wechselseitigen Briefen verschärfte sich, der Eindruck, dass hier wahre Schlachten geschlagen wurden, drängt sich auf. Im November 1878 schrieb Brahms: „Die Mittelsätze sind gefallen – natürlich waren es die besten! Ein armes Adagio aber lasse ich dazu schreiben.“ Die Entscheidung war endgültig: Aus dem ursprünglich geradezu sinfonischen viersätzigen Konzert wurde ein dreisätziges. Die beiden gestrichenen Mittelsätze verschwanden in der Schublade. Möglicherweise flossen sie in das drei Jahre später vollendete zweite Klavierkonzert ein.

Das Konzert erlebte in der dreisätzigen letztgültigen Form am 1. 1. 1879 in Leip zig seine Uraufführung. Joseph Joachim war der Solist des Werkes, das seitens des Publikums ebenso wie der Kritik nur auf verhaltenen Beifall stieß. Der Musikkritiker und erste Brahms-Biograf Max Kalbeck bemerkt, das Publikum habe das Konzert „mit Respekt“ angehört, „ohne eine Spur von Enthusiasmus“. Tatsächlich sollte es das Konzert zunächst schwer haben: Es entsprach nicht den allgemeinen Erwartungen und steckte voller technischer Schwierigkeiten, die jedoch nicht dazu angetan waren, den Solisten virtuos brillieren zu lassen. Und so war sich die Musikwelt nahezu einig. Hans von Bülow nannte es ein „Konzert gegen die Geige“, Kritiker Hanslick bezeichnete es als ein Werk „von etwas spröder Erfindung“ und auch Max Kalbeck kritisierte die „bis zur Entsagung gehende Unterordnung“ des Soloinstrumentes unter die motivisch-thematische Arbeit – und lag damit gar nicht ganz so falsch, denn tatsächlich verweigert sich Brahms dem virtuosen Selbstzweck zugunsten des konzertanten Gedankens.

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So beginnt das Werk mit einer ausgedehnten Orchestereinleitung, bevor die Vio line kraftvoll, ja beinahe schroff einsteigt. Nach der Vorstellung des ersten Themas durch das Orchester beginnt ein konzertanter Wettstreit, wobei der Solopart von energetischen Oktavsprüngen, gebrochenen Akkorden und rhythmischer Prägnanz bestimmt wird. Es scheint, als müsse sich die Solovioline ihren Platz im konzertanten Gefüge erst erobern. Doch einmal geschehen wird das zweite, lyrische Thema ganz der Violine überlassen. Schon hier wird ersichtlich, wie sehr es Brahms um ein echtes Konzertieren zu tun ist, um das Wechselspiel gleichberechtigter Partner ganz im Gegensatz zur klaren Rollenverteilung im Virtuosenkonzert, bei der dem Orchester eindeutig die untergeordnete Rolle zukommt, während der Solist dominiert.

Dies eingedenk verwundert es nicht, dass Pablo de Sarasate, einer der großen Geigenvirtuosen seiner Zeit, eine geradezu körperliche Abneigung gegen den zweiten Satz des Konzertes ausprägte und sich weigerte, es zu spielen. Er wolle doch nicht „seelenruhig mit der Geige in der Hand zusehen, wie im Adagio die Oboe die einzige Melodie des ganzen Stückes vorspielt“. Tatsächlich hat sich die Oboe bereits im Verlauf des ersten Satzes als Dialogpartner etabliert und stellt nun im Adagio das lyrische Thema vor. „Bei dem Adagio ging ihm wohl auch eins seiner Lieder durch den Sinn, das er im Mai 1878, unmittelbar ehe er das Violinkonzert begann, in Pörtschach komponiert hatte, Heines ‚Dämmernd liegt der Sommerabend über Wald und grünen Wiesen‘“, bemerkt Max Kalbeck dazu. In diese beinahe pastorale Stimmung hinein begibt sich die Solovioline und greift das Thema ebenso lyrisch auf. Das Wechselspiel hat begonnen und endet in einem echten Dialog zwischen Orchester und Violine, im gegenseitigen Geben und Wiederaufnehmen des Themas.

Ein temperamentvolles Rondo mit allen Finessen bildet den Abschluss des Konzertes. Das zündende Thema und die Rasanz des Satzes gemahnen an den Brahms der Ungarischen Tänze. Und auch die Virtuosität kommt hier nicht zu kurz –hier wird im olympischen Stil gewetteifert und dem Finale entgegengejagt.

Doch trotz dieses äußerst wirkungsvollen Finales fand das Konzert zunächst nur wenige Freunde. Selbst Joseph Joachim bekannte, das Werk erst mit der Zeit schätzen gelernt zu haben. So räumte er erst im April 1879, nachdem er es in London aufgeführt hatte, ein, dass ihm das Konzert „namentlich der erste Satz, mehr und mehr“ gefalle.

Brahms war offensichtlich seiner Zeit voraus gewesen. Er hatte ein Werk geschrie ben, das sich erst einige Jahre später seinen Platz unter den großen Violinkonzerten erobern konnte, wiewohl Eduard Hanslick bereits nach der Uraufführung mutmaßte:

„Brahms'

Violin-Concert darf wohl von heute ab das bedeutendste heißen, was seit dem Beethovenschen und Mendelssohnschen erschien.“

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Spielzeit 24/25 Vorschau

1. Philharmonisches Konzert

„Die Seele der Bruckner’schen Musik ist Gesang.“

Franz Schalk

Sebastian Hilli: „Miracle“ (Deutsche Erstaufführung)

Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 zum 200. Geburtstag des Komponisten am 4. September

Philharmonisches Orchester Vorpommern Dirigent: GMD Florian Csizmadia

Öffentliche Generalprobe

Mo 02.09.2024, 19.00 Uhr , Greifswald: Stadthalle / Kaisersaa l

Konzerte

Di 03.09.2024, 19.30 Uhr , Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal

Mi 04. & Do 05.09.2024, 19.30 Uhr , Stralsund: Großes Haus

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Vorschau Spielzeitsaison 2024/25

1 . PHILHARMONISCHES

WERKE VON HILLI UND BRUCKNER

03.09.2024 Greifswald

04. & 05.09.2024 Stralsund

2. PHILHARMONISCHES KONZERT

WERKE VON MENDELSSOHN, BARHOLDY, STANFORD, ELGAR

08.10.2024 Greifswald

09. & 10.10.2024 Stralsund

3 . PHILHARMONISCHES

WERKE VON DELIUS UND DVOŘÁK

27.02.2024 Greifswald

28. & 29.02.2024 Stralsund

4 . PHILHARMONISCHES KONZERT

WERKE VON BERNSTEIN, KOUSSEVITZKY UND BARBER

14.01.2025 Greifswald

15. & 16.01.2024 Stralsund

5 . PHILHARMONISCHES KONZERT

WERKE VON KODÁLY, LISZT UND BARTÓK

25.02.2025 Greifswald

26. & 27.02.2025 Stralsund

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6 . PHILHARMONISCHES KONZERT WERKE VON MUSSORGSKIJ, RIMSKIJ-KORSAKOW, WAGNEIN UND DE FALLA

25.03.2025 Greifswald

26. & 27.03.2025 Stralsund

7. PHILHARMONISCHES KONZERT WERKE VON LUDWIG VAN BEETHOVEN

15.04.2025 Greifswald

16. & 17.04.2025 Stralsund

8 . PHILHARMONISCHES KONZERT WERKE VON PARRY, BRAHMS/PFEFFER UND MOZART

20.05.2025 Greifswald

21. & 22.05.2025 Stralsund

23.05.2025 Putbus

9. PHILHARMONISCHES KONZERT WERKE VON WAGNER, ELGAR, BRITTEN UND KORNGOLD

17.06.2025 Greifswald

18. & 19.06.2025 Stralsund

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www.theater-vorpommern.de VON ANGESICHT ZU ANGESICHT. Das neue Spielzeitheft 2024/25

Herausgeber:

Theater Vorpommern GmbH, Stralsund – Greifswald – Putbus, Spielzeit 2023/24

Geschäftsführung: André Kretzschmar

Redaktion: Katja Pfeifer

Gestaltung: giraffentoast Impressum

Textnachweise: Bei den Texten handelt es sich um Originalbeiträge von Katja Pfeifer für dieses Heft.

Bildnachweise: S. 3: Irmina Trynkos, Foto von Agata Preyss; bei allen weiteren Fotos handelt es sich um gemeinfreie Bilder; S. 7 und 11: Blick auf Bootshaus und Wörthersee von der Johannes-Brahms-Promenade in Pörtschach aus; S. 9: Pörtschach am Wörthersee, historische Postkarte; Umschlagrückseite: Brahms auf dem Weg zum Roten Igel, Karikatur von Otto Böhler, 1890.

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