M-O(Z)ART²
Ballett von Andreas Heise
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Ballett von Andreas Heise
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Uraufführung
1. Das Wunderkind
Andante C-Dur KV 6 1a: Jemina Bowring / Allegro C-Dur KV 6 1b: Vitor Oliveira Pires / Allegro F-Dur KV 6 1c: Jemina Bowring, Vitor Oliveira Pires / Menuett F-Dur KV 6 1d: Cristina Dora Serrano Sánchez / Menuett G-Dur KV 6 1e: Jemina Bowring, Cristina Dora Serrano Sánchez, Lucas
Praetorius / Menuett C-Dur KV 6 1f: Stefano Fossat, Juul van Helvoirt, Lucas Praetorius
3. Der Verliebte
Zwölf Variationen über das französische Lied „Ah, vous dirai-je, maman“
KV 265: Cristina Dora Serrano Sánchez, Armen Khachatryan
Streichquartett Nr. 19 C-Dur, KV 465 „Dissonanzenquartett“, 2. Satz: Andante
Cantabile: Mario Salas Maya, Tali Elman, Jemina Bowring
4. Intermezzo
Menuett F-Dur KV
2: Mario Salas Maya, Armen Khachatryan
Allegro B-Dur KV 3: Lucas Praetorius & Armen Khachatryan, Jemina Bowring & Juul van Helvoirt, Cristina Dora Serrano
Sánchez & Mario Salas Maya, Vitor
Oliveira Pires & Stefano Fossat
Menuett F-Dur KV 4: Stefano Fossat, Lucas Praetorius, Jemina Bowring, Mario
Salas Maya, Armen Khachatryan, Juul van Helvoirt, Vitor Oliveira Pires, Cristina
Dora Serrano Sánchez
Menuett F-Dur KV 5: Stefano Fossat, Lucas Praetorius, Jemina Bowring, Mario
Salas Maya, Armen Khachatryan, Juul van Helvoirt, Vitor Oliveira Pires, Cristina Dora Serrano Sánchez
2. Der Spieler
Der Schauspieldirektor KV 486, Ouvertüre: Stefano Fossat, Lucas
Praetorius, Jemina Bowring, Mario Salas
Maya, Armen Khachatryan, Juul van Helvoirt, Vitor Oliveira Pires, Cristina Dora Serrano Sánchez
„Caro bell’idol mio“ KV 562: Vitor Oliveira
Pires, Avah Painter, Tali Elman, Bárbara Flora
Thamos, König in Ägypten KV 345, Nr. 5
Entr’acte: Ensemble
Musik zu einer Pantomime KV 446, Adagio: Mario Salas Maya
5. Der Genius
Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur KV 271
„Jeunehomme“, 2. Satz: Andantino: Juul van Helvoirt, Tali Elman, Cristina Dora Serrano Sánchez
– Pause –
6. Der Sohn
Miserere KV 85: Bárbara Flora und Ensemble
Klaviersonate Nr. 8 a-Moll KV 310: Mario Salas Maya, Stefano Fossat, Bárbara Flora, Avah Painter
7. Der Ehemann
Adagio und Fuge c-Moll KV 546: Juul van Helvoirt, Vitor Oliveira Pires
8. Der Göttliche
Große Messe in c-Moll KV 427 „Et Incarnatus Est“: Ensemble
9. Der Maßlose
Kanon „Leck mich im Arsch“ KV 231: Tali Elman
Inszenierung & Choreographie Andreas Heise
Bühne & Kostüme Sascha Thomsen
Licht Kirsten Heitmann
Dramaturgie Barbara Buck
Choreographische
Assistenz Adonai Luna, Gisela F. Galea
Inspizienz Nadim Hussain
BallettVorpommern Jemina Bowring, Tali Elman, Bárbara Flora, Stefano Fossat, Juul van Helvoirt, Armen Khachatryan, Vitor Oliveira Pires, Avah Painter, Lucas Praetorius, Mario Salas Maya, Cristina Dora Serrano Sánchez, Carlos Tostado Serván
Premiere in Stralsund am 4. Februar 2023
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten, eine Pause
Ausstattungsleiterin: Eva Humburg / Technischer Direktor: Christof Schaaf / Beleuchtungseinrichtung: Kirsten Heitmann / Bühnentechnische Einrichtung: Michael Maluche/ Toneinrichtung: Hagen Währ, Samuel Zinnecker/ Leitung Bühnentechnik: Michael Schmidt / Leitung Beleuchtung: Kirsten Heitmann
Leitung Ton: Daniel Kelm / Leitung Requisite: Alexander Baki-Jewitsch, Christian Porm
Bühne & Werkstätten: Produktionsleiterin: Eva Humburg / Tischlerei: Stefan Schaldach, Bernd Dahlmann, Kristin Loleit / Schlosserei: Michael Treichel, Ingolf Burmeister / Malsaal: Anja Miranowitsch, Fernando Casas Garcia, Sven Greiner / Dekoration: Frank Metzner
Kostüm & Werkstätten: Leiter der Kostümabteilung: Peter Plaschek / Gewandmeister: Annegret Päßler, Tatiana Tarwitz / Modisterei: Elke Kricheldorf / Ankleiderinnen: Ute Schröder, Petra Westphal
Leiterin der Maskenabteilung: Andrea Steinbrück, Antje Kwiatkowski (Stv.)
Liebe Gäste, wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen aus urheberrechtlichen Gründen untersagt sind. Vielen Dank.
Frage:
Was fällt uns als erstes ein, wenn wir an Mozart denken?
Was verbinden wir mit Mozart?
„Eher Bilder als Musik“
„Brauner Raum, rote Jacke“
„Mathematik und Göttlichkeit“
„Mozartkugel“
„Lautes Lachen“
„Requiem“
„Begabung“
„Weiße Perücke“
„Wunderkind“
„Hofmanieren“
„Galanterie“
„Frauenschwarm“
Choreograph Andreas Heise ist von Kindesbeinen an Mozartverehrer. Für die Entstehung seines Ballettstückes hat er sich vorgenommen, unterschiedliche Facetten von Mozarts Persönlichkeit tiefer zu ergründen; oder vielmehr zu erforschen, denn nicht umsonst hat er sein Stück M-o(z)art² genannt. Als Forscher will er vorgehen, er will diese „Formel“ entziffern, ausprobieren, auseinandernehmen, ein „Mozart-Labor“ betreiben. Andreas Heise ist überzeugt: In Mozarts Musik liegt der Schlüssel – viele Facetten der Persönlichkeit des großen klassischen Meisters klingen in seiner Musik mit.
Nebenher begann auch ich zu recherchieren und konnte ziemlich bald, überfrachtet von unzähliger Mozartliteratur, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Ich brauchte eine Empfehlung und wandte mich an meine Kollegin, Musiktheaterdramaturgin und Expertin in Sachen Musik Katja Pfeifer. „Wenn Biografie, dann bitte die von Hildesheimer“ sagte sie mir. Also nahm ich sie zur Hand und siehe da, schon auf den ersten Seiten fand ich eine bemerkenswerte Aussage des Autors:
„Mozarts Reaktionen auf seine Lebensumstände und Seelenzustände, wie sie sich uns dokumentarisch darbieten, werden durch sein Werk nicht beleuchtet. Sie werden, im Gegenteil, und zwar mitunter von ihm selbst, unbewußt, aber systematisch, verdunkelt. Dies ist eine These meines Versuches und gleichzeitig ein Fazit.“
Hildesheimer ist also der Meinung, dass wir aus der Musik nicht viel über den Menschen Mozart erfahren können. Gut, dachte ich, vielleicht zeichnet sich aber parallel im „Labor Ballettsaal“ ein anderes Bild ab. Beim nächsten Probenbesuch, noch im November 2022, musste ich staunen, wie viel die subtilere Forschung mit Körper und Musik über Mozart verrät, und ich war fasziniert. Das ist mit Sicherheit der unmittelbarere und damit vielleicht der sinnvollere Weg, sich diesem großen Komponisten zu nähern!
Er bleibt unbeschreiblich, unergründlich, dieser Mozart, man kann ihn nur bewundern und sich von seiner Musik berühren lassen.
Wer war…?
Johannes Chrysostomus
Wolfgangus Theophilus
Wolfgango Amadeo
Wolfgang Amadé Mozart
der alte Junge Sauschwanz Wolfgang
Amadé Rosenkranz
Wolfgang in Teütschland
Amadeo in Italien De Mozartini
Edler von hochenthal freünd des Zahlhausens
franz v: Nasenblut
Mozart magnus, corpore parvus
Ritter von Sauschwanz
Wolfgangus Amadeus Mozartus
Obwohl Mozart zu den bekanntesten Komponisten aller Zeiten gehört, wissen wir wenig über ihn als Person. Er war weltoffen und wach, dabei lebte er in einer Zeit, in der man sich dem Pragmatismus und der Disziplin unterwerfen musste, um nicht als Außenseiter zu gelten. Der Widerspruch zwischen unbändiger Kreativität und einer Erziehung zu Fleiß und Tüchtigkeit klingt in seiner wunderbaren Musik mit.
Der Choreograph Andreas Heise will – alle Klischees hinter sich lassend – auf dem Pfad dieser Musik den Menschen Mozart erforschen. Viele Facetten hatte das Wunderkind: Vom Spieler und Lebemann, Liebhaber und Verliebten, vom Sohn und Ehemann bis hin zum Heimatund Maßlosen. Die einzelnen Szenen offenbaren immer wieder neue Seiten und versuchen, uns Mozart näher zu bringen.
Das Wunderkind
„Noch vor seinem fünften Geburtstag konnte Wolfgang mehr als zehn kleine Stücke einwandfrei spielen. In den darauffolgenden Monaten komponierte er mit Hilfe des Vaters sogar selbst.
(…) Wesentlicher waren das enorm schnelle Auffassungsvermögen, ein phänomenales Gedächtnis, aber vor allem das in unbändigem Spiel- und Phantasiertrieb sich manifestierende Ausdrucksbedürfnis.“
Der Spieler
Die Verehrung für die Künstlerinnen, die mit ihm arbeiteten, und auch für seine Schülerinnen ließ Mozart viele zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen, die zwischen Verliebtsein und Idealisierung changierten, die aber auch oft überraschend abbrachen. Das geschah auf einer unbewussten Ebene, da er äußerst fokussiert auf seine Musik war und weniger darauf, sein eigenes Verhalten zu reflektieren.
Der Verliebte
Als sich Mozart in Mannheim in die divenhafte Sopranistin Aloisia Weber verliebte, befahl sein Vater ihm die Abreise. Mozart gehorchte und opferte die Liebe zu Aloisia seiner weiteren Karriere und den Wünschen seines Vaters. Den Kontakt zur Familie Weber brach er aber nie ganz ab und so kam es, dass er sich später in Wien in Aloisias jüngere Schwester Constanze, verliebte, die er dann 1782 schlussendlich gegen den Willen seines Vaters heiratete. Constanze war zwar ruhiger und ausgeglichener als Aloisia, doch Mozart sah vielleicht in der Verbindung mit ihr seine unerfüllte Liebe zu ihrer älteren Schwester verwirklicht.
Der Genius
„Eine Dimension Mozartschen Genies offenbart sich in der Sensibilität, mit der er traditionelle Formen handhabt; nie wirken sie zusammengezwungen, sondern scheinen sich ihm freiwillig zu fügen.“
„Das eigentliche Komponieren erfolgte aber dennoch größtenteils ohne Papier und Instrument, in der Klangvorstellung. Dann erst kam die Niederschrift des – zumindest bei Instrumentalwerken – oft annähernd druckreifen Notentextes. So gewann Kapellmeister Destouches den Eindruck: ‚Er hat schneller componirt, als die Abschreiber es schreiben konnten‘ (…) Wiederum beiläufig erfahren wir, dass es ihm möglich war, während er ein Stück aufschrieb, bereits das nächste im Kopf zu komponieren. Wir wissen davon, weil er, mit Heiratsplänen beschäftigt, sich bei der Schwester entschuldigt, dass in den mitgeschickten Noten (KV 394/383) nicht, wie es sich gehört, die Fuge dem Präludium folge, ‚das Praeludio gehört vorher, dann folgt die fuge darauf. – die ursache aber war, weil ich die fuge schon gemacht hatte, und sie, unterdessen daß ich das Praeludium ausdachte, abgeschrieben.‘“
Der Sohn
Auf einer Reise nach Paris begleitete ihn zum ersten Mal seine Mutter anstelle des allgegenwärtigen Vaters.
„(…) Mozart hat sich auf dieser Reise um seine Mutter nicht allzuviel gekümmert, weshalb ihm denn auch der Vater in seinen Briefen manchmal bittere Vorwürfe machte. Sie musste wochenlang in dürftigen billigen Wohnungen verbringen, in dunklen und wahrscheinlich sanitär unzureichenden Quartieren, unsauber und im Winter ungenügend geheizt. (…) Wenn sie unsere Bewunderung verdient, so vor allem als stumme oder verstummende Dulderin während langer Wochen, die nicht selten zu einem stillen Martyrium wurden, unter Aufgabe des eigenen Willens – sofern sie einen hatte – und gewohnt, sich zu fügen. (…) In Paris ist sie denn auch gestorben. (…) Übrigens sind keinerlei Liebesbezeugungen des Kindes Wolfgang ihr gegenüber bekannt, im Gegensatz zum Fall des Vaters. Die Stimme der Mutter hat nicht in sein Partitursystem gehört.“
Wie leider bei vielen anderen Eltern hat der Vater Leopold seine eigenen Ideale auf Wolfgang projiziert und nicht mit der Eigenständigkeit seines Sohnes gerechnet.
„Der junge Mozart ist gewiß für sein Alter ein Wunder, und ich liebe ihn unendlich. Der Vater ist – soweit ich sehe – immer und mit allem unzufrieden; inzwischen wird auch hier darüber geklagt. Er vergöttert seinen Sohn etwas zu sehr und tut damit, was er kann, ihn zu verderben. Aber ich habe eine so gute Meinung von dem natürlichen, richtigen Sinn des Knaben, dass ich hoffe, er wird sich aus Ärger über die Lobreden seines Vaters nicht verderben lassen, sondern ein tüchtiger Mensch werden.“
Der Ehemann
Wolfgang und Constanze führten eine größtenteils glückliche Ehe. Mozart schrieb seiner Frau viele Liebesbriefe, die uns zu dieser Annahme führen. Wie aber in den meisten Ehen gab es auch Zeiten, in denen jeder seine eigenen Wege ging. Letzten Endes lebten sie aber stets mit dem Gefühl der Sicherheit, dass sie als Paar auch unter widrigen Umständen eine Einheit sind.
„(…) In acht Jahren brachte sie sechs Kinder zur Welt. Vier starben im ersten Lebensjahr (…) Vorwürfe der Verantwortungslosigkeit richteten sich naturgemäß gegen die Mutter. Mozarts Briefe aus seinen letzten Jahren deuten auf ein getrübtes Verhältnis. Er rügte sie wegen ihres Betragens, zweifelte an ihrer Liebe und versicherte sie der seinen. Mozarts Genialität und sein durch strenge Disziplin herausgepresstes Arbeitspensum legen nahe, dass Constanze Mozart wie die Ehefrauen anderer Genies an der Seite ihres Mannes gelitten hat.“
Der Göttliche
„So vermutet denn der Theologe Karl Barth, dass die Engel, wenn sie unter sich seien, Mozart spielen, und daß ihnen dann auch der liebe Gott besonders gern zuhöre. (…) Auch Konzertinterpreten haben sich des Gleichnisses mit göttlichen Regionen bedient: ‚Andere mögen manchmal mit ihren Werken den Himmel erreichen. Mozart aber, der kommt von dort, der kommt von dort!‘ Dieser Ausruf (…) unterstützt (Alfred) Einsteins Wort, dass Mozart ‚nur ein Gast auf dieser Erde‘ gewesen sei.“
Der Liedermacher und Sänger Konstantin Wecker in einem Interview für „Zeit Online“: „Ich bin einfach ein unglaublicher Mozart-Liebhaber (…) Schon als junger Mann habe ich gesagt: Wenn ich Mozart höre, brauche ich nicht mehr in eine Kirche zu gehen – dann weiß ich, dass es das Göttliche gibt.“
Der Maßlose
„Sein Schwager Joseph Lange, der ihn gut kannte und als Schauspieler mit der Psyche von Künstlern vertraut war, berichtet: ‚Nie war Mozart weniger in seinen Gesprächen und Handlungen für einen großen Mann zu erkennen, als wenn er gerade mit einem wichtigen Werke beschäftigt war. Dann sprach er nicht nur verwirrt durcheinander, sondern machte mitunter Späße einer Art, die man an ihm nicht gewohnt war, ja er vernachlässigte sich sogar absichtlich in seinem Betragen. (…) Entweder verbarg er vorsetzlich aus nicht zu enthüllenden Ursachen seine innere Anstrengung unter äußerer Frivolität; oder er gefiel sich darin, die göttlichen Ideen seiner Musik mit den Einfällen platter Alltäglichkeit in scharfen Kontrast zu bringen, und durch eine Art Selbst – Ironie sich zu ergetzen.‘“