PUPPE* Figurentheater und Geschlecht / Puppet theatre and gender

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THEMA

in frage gestellt Ein zweistimmiges Selbstgespräch V o n L i K e m m e u n d B r i t t a T r ä n k l e r /// Ich1 wurde also von der double-Redaktion gefragt, ob ich zum Thema Puppe„Sternchen“ schreiben möchte. Warum ich? Nun, ich trage wohl ein queeres Image mit mir rum – das ist ja an sich schon mal spannend. Denn meine eigene Arbeit behandelt doch eher keine queeren Themen oder auch nicht das eigene queer sein – im Expliziten. Anscheinend! Warum dachte ich das bis jetzt eigentlich so? Ich bin queer und mache Figurentheater – na dann: Was wäre wichtig beizutragen? Und so geriet ich ins Schwimmen, darüber, was ich sagen will, was mir am Herzen liegt und dann waren da viel mehr Fragen als Antworten: Wenn Bilder im Figurentheater im Vordergrund stehen, warum stelle ich mir so viele Fragen über die Menschen dahinter? Wenn ich also das Bild sprechen lassen will, muss ich mir dann überhaupt noch Gedanken zu den Menschen dahinter machen? Oder wie kann ich als Schaffer*in2 die Aufmerksamkeit so lenken, dass die Menschen hinter den Bildern in den Hintergrund rücken?

Jenseits des Konformen Um Konformitäten aufzubrechen, braucht es doch die Sichtbarkeit des Nichtkonformen. Sollte ich also besser meinen Fokus darauf legen, dass queere Menschen und nicht-genderkonforme Puppen explizit sichtbar gemacht werden, oder dass queere Themen explizit verhandelt werden? Wie wäre es, wenn ich einfach der Utopie nachginge, dass Geschlecht in einer posthumanen Welt keine Rolle mehr spielte – wären wir, das Publikum, die Rezipient_innen bereit dafür? Oder will ich einfach ein Stück über den Weltraum, über Bagger, über Wut, über Roboter oder über Bäume machen? Bäume, Roboter..., wie können wir im Figurentheater ressourcenschonender mit Material umgehen? (Das wäre doch mal ein Thema für double!)    Sicher ist, das Spiel mit Material öffnet in mir einen weiten und diversen Gestaltungshorizont, dies können Textvorlagen mit genderbinären Vorstellungen für mich weniger. Die Verbindung von meinem gedeuteten, oft binär gelesenen Körper und dem funktionsbehafteten Objekt offenbart Zwischenwelten innerhalb von Eindeutigem. Ich habe es selbst so gesagt im ersten Semester: Nonkonformieren, bangen und dabei geführt werden, um das scheinbar Unmögliche zu befördern, eben alles (sein) können. Unentdecktes muss Monsterbauten den Kampf ansagen und hiermit erkläre ich mich leichtfertig einverstanden mit dem Spiel von Wirklichkeit und Fiktion.    In unserer gemeinsamen Bachelor-Inszenierung „Ich bin gut isoliert“, einem visuellen Theaterstück zum Thema Coolness, gibt es eine Szene, in der die Spieler*in den komplett nassen Bademantel mit vollem Körpereinsatz ausquetscht. Eine Person aus dem Publikum sah darin die kommende Geburt eines Kindes, eine andere Person sagte: „Da hast du voll aufs Patriarchat gepisst!“ Ja, ich denke schon, dass das Figurentheater mit seiner Sinnlichkeit und Körperlichkeit in Zusammenhang mit Material besonders geeignet ist, um den ZuschauerInnen die Möglichkeit zu geben, ihren eigenen Bezug zum Gesehenen zu finden. Auf mich hat das Figurentheater diese Anziehungskraft, gerade, weil es so viel Fantasie befördert wie einfordert.    Bilde ich mir das also nur so ein oder gibt es in der Figurentheaterwelt ziemlich viele queere Personen? Ich denke schon. Es könnte mit dem Brechen von Tradition, mit dem anarchischen und kollektiven Arbeitsansatz zu tun haben, dem Ursprung im Subkulturellen, bescheidene Leute, die alles selbst in die Hand nehmen, DIY, mit dem Hang zum Widersprüchlichen, der Möglichkeit, mit dem Fantastischen zu hantieren. Diese Eigenschaften verbinde ich mit Queer und queerer Kultur.

Ein Pool der Verwirrung – und der Möglichkeiten Also: Stereotype und Rollenklischees abschaffen als Chance! Vor allem im Kindertheater!    Denn, nein, ich kann nicht einfach alles spielen, nur weil ich mich vermeintlich „hinter einer Figur“ verstecke. Figurentheater ist beispielsweise auch nicht frei vom Blackfacing. Handwerk mischt sich mit Lebenserfahrung, mit sozialer Situation.   Wie schaffen wir es, eine Figur, eine Rolle, ein Bild ernst zu nehmen, sodass wir Diskriminierung und Reproduktion von Stereotypen vorbeugen? Wenn ich etwa ein Stück mit queerem Thema mache, muss ich dafür queer sein? Es ist wichtig – eigentlich egal zu welchem gesellschaftlichen Thema – dass man sich Leute ins Boot holt, die wirklich was dazu sagen können, weil sie Erfah-

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