THE RACE
10. Jahrgang • 2/2009 • Nr. 34 (Juli) 7 EUR/10 SFr (Einzelpreis)
QUALIFIZIEREN. INSPIRIEREN. MOBILISIEREN.
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FRAU GOTT SEI DANK, ICH BIN EINE FRAU Quellen der Weiblichkeit Entdeckungsreise ins Herz einer jeden Frau // Seite 14
Mauerblümchen oder Modepüppchen Meine Identität als Frau
// Seite 20
Chronisch nett – typisch weiblich? Warum ich mir eine nette Angewohnheit abgewöhne // Seite 31
DEIN GESICHT AUF SEITE 2
WAS SCHÄTZT DU AN FRAUEN BESONDERS?
Daniel, 25, Bad Liebenzell Frauen sind einfach anders als Männer. Zudem hat sich Gott in der Schönheit der Frauen verherrlicht.
Dominik, 23, Karlsruhe Die Fähigkeit, Beziehungen mit offenem Herzen zu leben und sich selbst aufzugeben. Wir können davon viel lernen.
Daniel, 21, Stuttgart Ich finde an einer Frau besonders, dass sie ihrem Mann das Gefühl gibt, dass er stark ist, dass er ihr Held und Beschützer ist.
Werner, 55, Strittmatt Dass wir Männer durch sie von Gott beschenkt werden.
Michael, 20, Dresden Dass sie sehr gefühlvolle, angenehme und einfach liebenswerte Geschöpfe sind.
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Johannes, 28, Erfurt Dass sie anders als Männer sind und Schönheit in die Welt bringen. Jede als einzigartiges Abbild der Schönheit Gottes.
Gernot, 39, Rostock Ihre Art, in Diskussionen die andere Seite zeigen zu können, die wir Männer manchmal einfach nicht sehen …
Ulrich, 28, Egenhausen Wenn sie ganz Frau sind, damit wir Männer wirkliche Männer sein können.
Simon, 23, Nürnberg Dass sie (oft) meine Gedanken und Handlungen wieder auf den Weg zurückbringen, den sie ursprünglich gehen sollten.
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Johannes, 22, Erfurt Ihre besonne Art und Weise Konflikte zu lösen und den »anderen Blickwinkel«, welchen sie auf viele Dinge haben.
Fabian, 19, Bonn Ihre Schönheit, ihre Freundlichkeit, ihre Liebe und ihr Vertrauen – genau das, was Männer brauchen.
Stefan, 34, Köln Sie sind nicht so primitiv wie Männer.
Robert, 24, Heidelberg Ein schöner Charakter, charakterliche Schönheit.
Axel, 27, München Dass Sie Ihre Emanzipation entschieden vorantreiben, uns Männer dabei aber dennoch mit viel Einfühlvermögen berücksichtigen.
Alexander, 29, Bonn Leidenschaft. Nichts macht eine Frau schöner als Leidenschaft für Gott, sein Wort und seinen Geist.
Simon, 22, Tübingen Schätzen? Niemals das Alter! ;) Im Ernst: ihr Wesen, das uns Männer geheimnisvoll vervollständigt.
Marcus, 41, Albershausen Na, eben dass sie Frauen sind ... empathisch, multitaskingfähig, lebensstiftend und mit beiden Hirnhälften unterwegs.
Holger, 37, Esslingen Ich liebe die sanfte Haut einer Frau, sie ist nicht zu vergleichen mit dem männlichen Pendant.
Simon, 30, Eppelheim Ihren Mutterinstinkt.
Gofi, 38, Marburg Dasselbe, was ich auch an Männern schätze: eigenständiges Denken, den Mut, eine eigene Position zu vertreten, und die Größe, geschlechtsspezifische Pauschalisierungen zu vergessen und sich auf die jeweilige Person zu konzentrieren – sei sie männlich oder weiblich.
Peter, 27, Bonn Sie (scheinen) organisierter zu sein. Sie bringen Ordnung ins Chaos.
Daniel, 27, Herrenberg An meiner Frau schätze ich die Liebe zum Detail und die von Gott gegebene Kreativität.
Martin, 23, Ennepetal Ihre natürliche Schönheit.
Veri, 55, Bad Gandersheim Vieles, vieles. Erstmal ihr Äußeres. Sonst kann man pauschal nichts sagen. Sie sind halt anders.
Andreas, 26, Kraichtal Dass sie einzigartig sind!
Aleko, 31, Stuttgart Sie können ihre Gefühle wahrnehmen und darüber sprechen, zumindest die Meisten! Außerdem ihre Power, Treue und Schönheit.
Jan, 21, Ansbach Dass sie auf eine schöne Art anders ticken wie wir. Auch wenn man(n) das oft nicht versteht, ist es gerade das Spannende, Interessante an ihnen.
Matthias, 23, Thomas, 32, Heidelberg Elbingerode Einen anziehenden Ihre Weiblichkeit. Charme, das Gefühl mich in ihrer Gegenwart fallen lassen zu können, Intelligenz und gutes Aussehen. Aber eine Beziehung gewinnt vor allem dann an Tiefe, wenn man miteinander beten kann.
Andreas, 36, Pfalzgrafenweiler Frauen schaffen Atmosphäre. 15 Jahr glücklich verheiratet!!!
Steven, 23, Nagold Im Moment schätze ich es, mit einer besonderen Frau unser Hochzeitsfest zu planen (I love You)!
Steffen, 39, Pfalzgrafenweiler Frauen sind ergänzungsfähig und ergänzungsbedürftig! (frei nach 1. Mose 2,18)
Markus, 23, Nürnberg Dass es nie langweilig wird. Man wird immer wieder auf´s neue überrascht!
Matthias, 28, Gäufelden Ihre Intuition, ihr Mitgefühl und ihre Sensibilität in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie ihr tiefes, persönliches, leidenschaftliches Seelenleben, das für uns Männer vermutlich immer ein Geheimnis bleibt.
Martin, 26, Berlin Sie kitzeln in uns den Helden heraus. Auf einmal können wir die Burg erstürmen und den Drachen erschlagen. Wäre uns – ohne die eingesperrte Prinzessin – der Drache nicht total egal?
Benno, 18, Ansbach Dass sie so anders sind wie Männer.
Vincent, 22, Zwolle, Niederlande Ich mag es, dass Frauen in der Lage sind ihre wahren Gefühle ausdrücken können.
EDITORIAL
Das Redaktionsteam von links nach rechts: Michael, Jörg, Anneke, Anne, Benjamin, Daniel
WUNDERSCHÖN
DANKE, NADJA Sie wollte gerade so richtig einsteigen – und da musste sie schon wieder aufhören. Nadja hat die Chance bekommen, sich beruflich in eine Richtung weiterzubilden, von der sie schon immer geträumt hat. Herzlichen Glückwunsch, Nadja! Leider bleibt da für weiteres Engagement bei THE RACE allerdings keine Zeit. Das verstehen wir – obwohl wir sie nur ungern gehen lassen. Schön, dass du dabei warst, und vielen Dank für alle Zeit und Kreativität, die du in das Projekt investiert hast!
AUDIOVERSIONEN
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THERACE-ONLINE.DE LESER BRIEFE
// Frau sein. Tochter sein. Mutter sein. Ehefrau sein. Freundin sein. Unser Dasein hat viele Facetten. Und ohne in Klischees verfallen zu wollen, scheinen manche Dinge jede Frau mehr oder weniger zu betreffen: Wir bewundern uns und beneiden uns. Wir suchen nach unserer Identität und landen dabei oft viel zu spät bei Gott, weil wir ihn für durch und durch männlich halten. Wir schließen Freundschaften, in denen wir uns über die Abgründe unserer Seelen austauschen, um im nächsten Augenblick in kindische Albernheit zu verfallen. Wir verbiegen uns, überfahren uns und versuchen es allen recht zu machen, weil wir meinen, dass das so erwartet wird. Und wir nehmen in der Gemeinde oftmals einen Platz ein, der weit hinter dem zurückbleibt, was Gott für uns hat, weil ein anderer das Glück hatte, als Junge geboren worden zu sein und deswegen scheinbar automatisch Vortritt hat. Viel ist über die Rolle der Frau in den letzten Jahrzehnten diskutiert worden. Das Leben der Frau hat sich gewandelt – viele Dinge, die für uns selbstverständlich sind, waren für unsere Großmütter noch unvorstellbar. Mit den Privilegien sind auch Druck und Verantwortung gewachsen. Und im Grunde sehnen wir uns doch alle einfach danach, geliebt zu sein und uns beschützt zu wissen. Wir wollen in uns selbst ruhen und unsere Schönheit nicht ständig in Frage stellen. Um all das geht es in dieser Hälfte der Ausgabe. Um uns Frauen. Die wunderschöne Krone von Gottes Schöpfung. Eure Frauen im Redaktionsteam ...
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INHALT
FRAU 06 08 12 14 17 20 23 26
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SCHWERPUNKT: FRAU // THANK GOD, I’M A WOMAN • Mein imaginäres Sticker-Kleben
Kolumne. Die Autorin ist gerne Frau. Warum, verrät sie uns in ihrer Kolumne. // LINDA ZIMMERMANN IST GOTT FEMININ? • Die Femininität Gottes - und was man aus der Bibel deuten kann. Nach dem Siegeszug des Feminismus, wird auch in der Kirche überall die »Mütterlichkeit« und »Weiblichkeit« Gottes postuliert. Was ist Wahres dran? // MANFRED SCHMIDT ZWILLINGE • Freundschaft unter Schwestern Interview. Ein Zwillingspaar erzählt von sich und ihrer Freundschaft. // ANNE CORONEL QUELLEN DER WEIBLICHKEIT • Was macht eine Frau zu einer Frau? Die Autorin begibt sich auf Entdeckungsreise ins Herz einer jeden Frau. // SABINE VETTER ICH HAB‘S GETAN • Ein Bekenntnis über vorehelichen Sex Viele Christen tun es, aber nur wenige bekennen sich dazu: Sex vor der Ehe. Ein ehrliches Geständnis. // ESTHER MEIER MAUERBLÜMCHEN ODER MODEPÜPPCHEN • Meine Identität als Frau Die Autorin ermutigt uns, einen Blick in unseren inneren Kleiderschrank zu werfen und zeigt auf, was unser äußeres Erscheinungsbild damit zu tun hat. // MARTINA BACH DIE FRAU SCHWEIGE IN DER GEMEINDE • Vom Chauvinismus in der christlichen Kirche Noch immer ist es Gemeinden weitgehend üblich, dass Männer predigen und leiten und Frauen den Kinderdienst machen. Ist das biblisch oder schlichtweg chauvinistisch? Ein engagierter Artikel aus der Sicht eines Mannes. // DR. CARL SIMPSON BERUFSTÄTIG ODER VOLLZEIT-MAMA? • Mütter, wie sie leben und Reich Gottes bauen Interview. Als Mutter zu Hause bleiben oder arbeiten gehen? Drei Mütter erzählen von den Herausforderungen und Vorteilen ihrer ganz persönlichen Lebenssituation. // ANNEKE REINECKER
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INFOS
ARTIK RATINEL G
QIM.CHART ARTIKEL-RATING
Mit Hilfe unseres QIM.Charts kannst du auf einen Blick erkennen, was dich in einem Artikel erwartet: Geht es um das Q für qualifizierend, also das Vermitteln von Wissen, das dich hoffentlich schlauer macht? Oder ist der Artikel eher I für inspirierend, eine Horizonterweiterung, die dich lebendiger macht? Möglicherweise ist der Artikel auch M für mobilisierend, so dass du aktiver wirst? Alle Artikel haben Q, I und M. Aber so kann man vorab wenigstens ein bisschen zuordnen, wo die Schwerpunkte des jeweiligen Artikels liegen. Die folgende Liste schlüsselt auf wie viel QIM in einem Artikel vorhanden ist: 1 – so gut wie gar nicht 2 – kaum 3 – wenig 4 – durchschnittlich 5 – recht viel 6 – sehr viel 7 – außerordentlich viel 8 – fast nur Achtung: Das Rating ist nicht als Benotung der Inhalte zu sehen, sondern als Hilfe, den Artikel schon vor dem Lesen ein wenig einzuordnen.
HÄUFIGE FRAGEN
FAQ
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OBJEKT
Prosa. Ein Einblick in die emotionale Achterbahnfahrt einer Frau, deren Mann spät nach Hause kommt. // FRANZISKA ARNOLD CHRONISCH NETT – TYPISCH WEIBLICH? • Warum ich mir eine nette Angewohnheit abgewöhne Kolumne. Manche Menschen sind immer nett – vor allem Frauen. Nicht, weil sie von Herzen so sind, sondern weil sie es immer anderen recht machen und deren Zuneigung gewinnen wollen. Die Autorin ist dabei, sich das abzugewöhnen. // KERSTIN HACK
DETAILS // DEIN GESICHT AUF SEITE 2: WAS SCHÄTZT DU AN FRAUEN BESONDERS? EDITORIAL
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FRAU
Ich bin vom Frau-Sein mit all dem Drum und Dran, das es f端r mich bedeutet, sehr angetan.
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THANK GOD, I’M A WOMAN MEIN IMAGINÄRES STICKER-KLEBEN TEXT: LINDA ZIMMERMANN
// Ich bin eigentlich gar keine klassische Shopping-Mall-Liebhaberin. Diese monströsen Bauwerke unterscheiden sich langweiligerweise in der Frage, ob Blume 2000 im Unter- oder ausnahmsweise im Erdgeschoss zu finden ist. Ich stehe eindeutig auf kleine feine Läden, die mich beim Eintreten in ihre eigene kreative Welt entführen. Aber als ich mich neulich zu einem Spontankauf in einem High-Street-Shop hinreißen ließ, der eigentlich zu 93 % meinem Klamottengeschmack widerspricht, blieb mein Blick an der Kasse auf einem Stapel weißer Folienaufkleber hängen. Nach einem kurzen Ratlos-Moment erkannte ich den geschnörkelten Schriftzug »Thank God, I’m a woman« darauf. Allein dafür hatte sich mein Ausflug ins kalte Shopping-Paradies gelohnt. Wissend, dass ich diesen Slogan, der so viel mehr als ein Werbespruch sein kann, schon jetzt lieb gewonnen hatte, nahm ich mir als Vorzeigekonsumentin gleich ein paar Exemplare vom Stapel, während ich der Verkäuferin deutlich machte, dass ich doch auch meine Freundinnen mit diesem Sprüchlein segnen möchte. »Thank God, I’m a woman« – das sage ich jedes Mal, wenn das Thema Bundeswehr auf den Tisch kommt. Das lach’ ich in mich hinein, wenn ich bei einem Umzug munter Couchkissen tragend an schwitzenden, weil Bücherkisten schleppenden Männern vorbeihüpfe. Das seufze ich glücklich, wenn mein Mann mich in seine Arme zieht. Ich bin vom Frau-Sein mit all dem Drum und Dran, das es für mich bedeutet, sehr angetan. So berechtigt alle Warnungen vor der Stereotypisierung der Frau auch sein mögen, ich feiere die verbindenden Besonderheiten, die nur uns Frauen einen. Habe sogar Verständnis für das Nicht-Verständnis der beobachtenden Männer. Ein Mann muss nicht verstehen, dass jede SMS für
uns ein kleiner, in sich geschlossener Brief ist, der aus Anrede, Hauptteil und Schluss besteht. Dass auf die Frage nach dem derzeitigen Wohlergehen ein In-Tränen-Ausbrechen eine durchaus zu erwartende Reaktion ist. Und dass Reden tatsächlich goldener sein kann als Schweigen. Nur zu gern gehe ich imaginär durch die verschiedenen Aspekte und Momente meines weiblichen Daseins und drücke ihnen diesen dankbaren Aufkleber auf. Die Liste ist lang. Kontinenz bedrohende Lachanfälle mit meiner Freundin, den Moment, als der Busfahrer mein Fahrgeld ablehnte, weil er meinte, ich sei schön anzuschauen und das latente Wissen, dass, wenn ich nur ein bisschen das Gesicht verziehe, irgendein Mr., Herr oder Monsieur bereit sein wird, mir den Koffer die Treppen raufzutragen. Türen, durch die ich zuerst treten darf, versöhnende Lieblingsblumen und das tröstende Verstandenwerden von Freundinnen, die einfach schon einmal deshalb wunderbar und unersetzlich sind, weil sie zu den eingeweihten 50 % gehören. Ich bin zuversichtlich, dass ich im Laufe meines Lebens noch viele Sticker setzen werde. Auch wenn es gewisse Tage gibt, an denen ich unter Schmerzen, die laut Müttern nur ansatzweise andeuten, wie sich ordentliches Kindergebären anfühlt, wünschte, Eva hätte damals mehr Lust auf eine Banane statt auf einen Apfel gehabt. Bei aller Heiterkeit dieses wahrscheinlich bald ausgenuddelten Werbeslogans – mich berührt auch die schmerzhafte Seite der Medaille. So weine ich mit denen, die meinen derzeitigen Lieblingssticker sehen und die Worte ihnen den Magen zusammenkrampfen lassen. Möchte die nicht vergessen, die äußerlich lachen und innerlich bluten. Mein Sticker feiert einen Aspekt, der
für viel zu viele zum Schicksal geworden ist. Aber ich würde diesen Satz nicht so lieben, wenn er nicht auch die Hoffnung in sich trüge, von schmerzhafter Erinnerung zu einem stillen Gebet um Heilung zu werden. So wie ich den verstehe, der uns nach beendetem Designprozess das Prädikat »sehr gut« verliehen hat, wird er sich behutsam an die Pflege seines Kunstwerkes machen. Mit der zutiefst hoffnungsvollen Gewissheit, dass irgendwann, und sei es noch lange unter Tränen, ein derzeit als Werbeslogan benutztes Gebet zu einem Ausdruck wiederhergestellter Identität wird. Alles hat seine Zeit. Es gibt eine Zeit fürs Verletzt-werden und es gibt eine Zeit fürs Heilen. In dieser Phase meines Lebens pflastere ich auf jeden Fall guten Gewissens mein Leben mit Dank an den Richtigen zu und bin mir sicher, dass ich keinen einzigen und erst recht nicht zwei Buchstaben aus dem Wort »woman« hergeben würde. Nur um eines beneide ich das andere Geschlecht: Grillen, ohne dafür einen Kommentar zu bekommen. Das ist mir als Frau nämlich noch nie vergönnt gewesen. ///
LINDA ZIMMERMANN (29) lebt mit ihrem Mann Michael in Berlin-Prenzlauer Berg. Als Erzieherin in einer Schule bringt sie neugierigen Kindern das ABC, das 1x1 und gute Manieren bei. Anschließend erholt sie sich bei netter Gesellschaft und einem starkem Cappuccino in einem schönen Café oder auf dem Sofa. Sie ist dabei, ein kleines Label für textile Unikate »ewig und immer« zu entwickeln.
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THE RACE
THE RACE ist die Zeitschrift für Menschen, die etwas bewegen und den Dingen auf den Grund gehen wollen. Sie will qualifizieren, inspirieren, mobilisieren – manchmal auch provozieren und hinterfragen. Ein Anliegen von THE RACE ist, dass Christen mehr Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen und ihr Umfeld aktiv mitgestalten.
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FRAU
ICH HAB‘S GETAN
EIN BEKENNTNIS ÜBER VOREHELICHEN SEX TEXT: ESTHER MEIER
// Mit meiner folgenden Aussage passe ich wohl allen Klischees entsprechend in diesen Teil des Heftes: »Ich liebe es, zu putzen, das Gefühl von Sauberkeit und Reinheit.« Umso verwerflicher der Gedanke, einfach all den Dreck unter den Teppich zu kehren. Wenn ich diesen jedoch hebe, breiten sich vor meinen Augen fein angelegte Dreckhäufchen aus. Bei näherem Betrachten lässt sich erkennen, dass es sich um Dreck handelt, deren Substanz sich aus Unreinheit und Unzucht zusammensetzt, entstanden durch den Sex vor der Ehe. Immer mehr wächst in mir das Gefühl, dass wir Christen genau dieses Thema unter den Teppich zu kehren versuchen. Was ist Unzucht und Unreinheit überhaupt? Was steht hinter diesen beiden Begriffen? Haben wir Christen überhaupt ein Problem mit solchen Themen wie Unzucht, Unreinheit, Enthaltsamkeit oder Selbstbeherrschung? Was sehen wir als Unzucht an? Keinen Sex vor der Ehe zu haben, scheint für uns Christen eine Selbstverständlichkeit zu sein, oder? Doch zwischen sich küssen und
dem Miteinander-schlafen tappen wir manches Mal in der Grauzone. Unzucht: Die Studienbibel erklärt den eigentlichen Sinn des Wortes. Aus dem Griechischen kommend beschreibt porneia in seiner ursprünglichen Bedeutung: »Hurerei, Unzucht«. Unzucht treiben, damit gemeint sind Ehebruch und jeglicher außerehelicher Geschlechtsverkehr. Unreinheit, zu griechisch akatharsia, bedeutet ursprünglich: »moralische Unsauberkeit, Unanständigkeit, Zügellosigkeit im Allgemeinen, jede Art von sexuellem Fehlverhalten, die sich von Hurerei unterscheidet«. Reinheit und Zucht hingegen sind das Gegenteil dieser beiden unangenehm klingenden Begriffe. Etwas Reines ist pur, unberührt, unvermischt und in der Substanz seiner selbst völlig ungetrübt und ursprünglich. Was ist Sex? Sind wir dann mit der Person zusammen, die Gott uns geschenkt hat, ist die Beziehung gestärkt in der Zuversicht, im Willen Gottes zu sein, stellen wir uns die Frage nach dem »Was ist Sex?« und dem
»Wie weit kann ich gehen?« Gehören Petting und küssen schon dazu? Auf einmal werden diese Fragen in Details relevant. Zumindest ging es mir so. Die Hochzeit ist geplant, der Termin steht fest, jetzt heißt es standhaft sein bis zum großen Tag. Wir sind in der wunderbaren Zeit der Verlobung. Umso länger man als Paar zusammen ist und sich dabei immer vertrauter wird, desto unnatürlicher scheint das körperliche sich-nicht-Erkennen zu sein. Darf ich als jemand, der verlobt ist, intimer mit meinem Partner sein, als jemand, der nicht verlobt ist? Eine Frage, die auch mich immer wieder verwirrt. Da ich mir nicht vorstellen konnte, mit dem Problem allein zu sein, habe ich mich etwas umgehört. Entdeckt habe ich viele betretene Mienen, einen Haufen schlechte Gewissen und die riesige Lüge, dass, wenn wir schon mal Sex hatten, wir mit unserem Problem allein und die schlechtesten Christen überhaupt seien. Aber auch Kompromisse, verhärtete Herzen und Aussagen wie: »Wir haben die Regel ›kein Sex vor der Ehe‹ für uns
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FRAU
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Entdeckt habe ich viele betretene Mienen, einen Haufen schlechte Gewissen und die riesige Lüge, dass wenn wir schon mal Sex hatten, mit unserem Problem allein und die schlechtesten Christen überhaupt seien.
abgeschafft.« Haben wir eigentlich bei dieser persönlichen Festlegung jemals Gott gefragt, ob er diese Regel auch abgeschafft hat? Nehmen wir ihn in den Bereich der Sexualität, als ihr Erfinder, überhaupt mit rein? Und machen wir noch einen Unterschied in dieser sexualisierten Gesellschaft? Geständnis und Selbstverdammnis Ja, und ich gehöre auch dazu. Ich bin gefallen und habe immer wieder Grenzen überschritten, die ich als anständiger, treuer und brennender Christ eigentlich niemals hätte übertreten dürfen. Nie hätte ich gedacht, dass mir das passieren könnte. Niemals hätte ich geglaubt, dass ich Jesus so etwas ganz bewusst antun könnte, denn schließlich liebe ich ihn von ganzem Herzen. Lange habe ich mit dem schlechten Gewissen gekämpft und musste mich immer wieder von Jesus aus dem Loch der Selbstverdammung zie-
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hen lassen. Die Sängerin Brooke Fraser beschreibt es in einer Liedzeile, wenn sie darüber singt, dass Liebe wartet: »I’ll be waiting for you baby. I’ll be holding back the darkest night. I’ll be waiting ‚‘til we’re ready, until it’s right. Love is waiting.« Vor allem der Satz »I’ll be holding back the darkest night« sprach mir oft aus der Seele, denn mein entsetzliches Versagen stürzte mich in die tiefste Nacht. Die Angst vor dem Vorwurf: »Wie konntest du nur, und das als Christ!« ist so groß, dass man niemandem davon erzählt und sich noch mehr in die Sünde verstrickt. Aber auch mich selbst wieder anzunehmen fiel mir oft sehr schwer. Ich dachte, ich hätte meine Heiligkeit, die ich schon so lange mit aller Mühe aufgebaut hatte, zerstört. Ich konnte wieder bei Null anfangen. Mein Kartenhaus der Heiligkeit war eingestürzt. Doch dann begriff ich, dass Jesus meine Heiligkeit, dass er meine Rechtfertigung
und meine Gerechtigkeit ist. Gott kann sie nicht von mir einfordern, denn sie sitzt im Himmel neben ihm auf seinem Thron. An diesem Punkt lernte ich Jesus von einer neuen Seite kennen. Ich hatte zu begreifen, dass ich einen Vater im Himmel habe, der mich liebt und keinen harten Richter, der mir meine Fehler anrechnet, um zwingenderweise sein Gericht an mir zu vollziehen. Ich bildete mir sogar ein, unreine Haut – Akne – wegen all meiner geistlichen Unreinheit zu bekommen. Doch Jesus ließ es nicht zu, dass mich meine Gedanken von der großen barmherzigen Liebe seines Vaters abschneiden konnten (1. Johannes 5, 18). Ich erkannte erstmals, welche Bedeutung Buße (griech. metanoia für Umkehr) für mich persönlich hat, was es heißt, aus der Vergebung Jesu zu leben. Sünde ist kein moralisches Vergehen, das ausdrückt, dass ich schlecht bin, sündigen heißt in der Urbedeutung »das Ziel verfehlen«. Durch diese Zielverfehlung werden wir von Gott getrennt, verhärtet sich unser Herz und stirbt das geistliche Leben in uns ab. Wir werden unempfänglicher für Gottes Reden. Als ich das erkannte, wurde mir auch klar, weshalb die Hemmschwelle beim nächsten Mal schon niedriger lag. Ist unser Herz erstmal getrübt, schleichen sich ganz schnell Ausreden, Entschuldigungen und die Handlung ver-
FRAU meintlich legitimierende Begründungen ein. Hätte ich Gott nicht darum gebeten mir zu helfen, wäre ich letztendlich in eine sogenannte Teufelsspirale geraten. Und ich hätte mich von der Lüge, keine Kontrolle mehr über mich selbst zu haben, täuschen lassen. Ferngesteuert war ich wohl in einem gewissen Sinne, als dass ich dem Fleisch, wie Paulus das ausdrückt, und seinen Begierden freien Lauf ließ. Erst die Gedanken Paulus’, dass wir nicht mehr unter der Sünde leben müssen, wenn wir ein Leben mit Gott führen, befreiten mich aus meinem falschen Selbstbild. Ich erkannte, dass ich in Jesus alle Disziplin habe, die ich brauche, denn schließlich lebt sein Geist in mir. Ich könnte also sehr wohl widerstehen, wenn ich wollte. Unser freier Wille setzt das frei, was Gott uns schon bereitet hat. Mit 100 km/h auf der Autobahn Die Lügen des Teufels waren damit aufgedeckt, aber jeder weiß, wenn man erst einmal in »Rage« geraten ist, es einem sehr schwer fällt, sich unter Kontrolle zu halten. Mein Pastor gab diesem Erregungsprozess ein passendes Bild. Er meinte, dass alle Intimität (küssen, streicheln etc.) letztlich auf das einzige Ziel, die Autobahn (Oralverkehr, miteinander schlafen), hinsteuere. Den mit 100 km/h in Gang kommenden Wagen auf der Autobahnauffahrt zur Kehrtwende zu bringen ist erfahrungsgemäß sehr schwer, selbst wenn man den eisernsten Willen hätte. Die Antwort meines Pastors für mich lautete: Es müssen bestimmte Leitplanken her, um ein direktes Einbiegen zu verhindern, oder noch besser, erst gar nicht in das Auto einsteigen. Aber wie kann dies ganz praktisch für uns aussehen? Ich stellte fest, dass der »Einstieg ins Auto« bei meinen Gedanken und meiner inneren Haltung beginnt und letztlich der Schlüssel zur Endsituation ist. In den Gedanken wird die »Wieweit-kann-ich-gehen-Grenze« festgelegt. Ich bemerkte, dass wenn ich auch nur in den Gedanken den leisesten Kompromiss einging und dieses oder jenes nicht mehr als Sünde betitelte, die Latte schon
Was macht Frauen attraktiv? Fabian (19) aus Bonn // Offenheit, Ehrlichkeit, Ausstrahlung, innere und äußere Schönheit, Freude, Freundlichkeit, Güte, Warmherzigkeit, ein Lächeln, guter und liebevoller Umgang mit anderen Menschen und Anstand. Ein Lächeln wirkt anziehend und eine warmherzige Persönlichkeit segnet andere Menschen. Zu einer solchen Frau möchte man(n) gerne eine gute Beziehung haben, egal ob als guter Freund oder als Ehemann. Natürlich finden Männer auch gutes und gepflegtes Aussehen attraktiv, doch wichtiger ist, dass dies von guten Charaktereigenschaften abgerundet wird (vgl. Sprüche 11, 22). Innere Ruhe und Stabilität ist wichtig, denn daraus folgt das Alltagsleben. Der Rest ist wohl von Mann zu Mann sehr unterschiedlich. ///
tiefer gelegt war. Wir schossen über das Ziel hinaus und mit Sicherheit ging die Sache in die Preservativ-Hose. Stimmte die Einstellung soweit, brauchten wir nun Konkretes, woran wir uns halten konnten. Mein Verlobter und ich vereinbarten diese drei Leitplanken: 1. Wir legen uns nicht zueinander hin, 2. wir ziehen uns nicht voreinander aus bzw. um und 3. wir passen schon beim Küssen auf, dass sich unsere Gedanken nicht schon auf der Autobahn befinden. Ich mochte Gesetzlichkeit noch nie, denn meist setzt sie einen noch mehr unter Druck, aber nachdem wir das Leitplankensystem verstanden hatten und anwandten, lebten wir eine für uns neue, freimachende und schützende Herzensgesetzlichkeit. Ich verstand, welches gute »Ja« Gottes sich hin-
ter all seinen »Neins« wie dem »du sollst nicht bei deinem Freund übernachten« und ähnlichen Vorschriften befand. Gott sagt »Ja« zu Reinheit und Bewahrung und »Nein« zu Selbstverdammung und Eigenzerfleischung. Öffentlichkeitsarbeit Doch der eigentlich Durchbruch zu all der Weisheit und Einsicht kam erst, als der Heilige Geist mir half alle meine Scham und Selbstverdammung zu überwinden und ich mich meiner Freundin und Zweierschaftspartnerin anvertraute. Erneut lernte ich eine Wahrheit Gottes, dass nur durch Offenbarung und Öffnung eine Wende und ein Neuaufschwung möglich ist (vgl. Jakobus 5, 16). Ohne mich zu verdammen oder anzuklagen, richtete die Freundin mich auf und ermutigte mich, Schritte in Richtung der Leitplanken zu gehen. Am wichtigsten war für mich zu wissen, dass Gott mich nicht verworfen hatte und diese Bestätigung durch sie war mir Balsam auf meinem verschorften Herzen. In ihr fand ich eine treue Gebetsstütze. Wenn keiner von meinem Problem gewusst hätte, wer hätte für mich im Gebet einstehen können? Dank dieser Freundin hatten mein Verlobter und ich den Mut, uns unserem Pastor, der uns trauen soll, anzuvertrauen. Er machte uns liebevoll auf die schon bewährten Leitplanken aufmerksam. Mir wurde klar, dass Scham und ein schlechtes Gewissen letztlich immer nur zur inneren Trennung zwischen mir und Gott und meinen Mitmenschen führen. Nur aufrichtiges, mutiges Sich-öffnen vor einer Vertrauensperson, Enttabuisierung der ganzen »Kein-Sex-vor-der-Ehe-Kiste« und dem tiefen Vertrauen, dass Gott der Schutz unseres Herzens ist, machen es möglich, Licht in das Dunkel zu bringen. Der Leib Christi sollte der Ort sein, wo wir ohne Angst unsere Fehlbarkeit bekennen können, um aufgerichtet weiterlaufen zu können. Es wäre traurig, wenn wir in der Welt die notwendige Akzeptanz unserer Person fänden, und nicht die Gemeinde der Ort der starken Liebe ist, der uns hilft, wieder den richtigen Weg einzuschlagen. ///
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FRAU
OBJEKT TEXT: FRANZISKA ARNOLD // PROSA
// Er wird lieben, was ich heute trage. Gleich, wenn ich ihm entgegenstürme, ihm in die ausgestreckten Arme laufe, werde ich das überrascht vergnügte Funkeln in seinen Augen erhaschen können. Schmunzelnd wird er mich mustern, während ich mich mädchenhaft drehe, einen leicht misslungenen Knicks versuche und ihm stolz zulächle. Jede Faser meines Körpers werden seine erstaunten Augen aufsaugen. Die Tür knallt ins Schloss. Erschrocken zucke ich zusammen und wage kaum, mich aus dem Sofa zu schälen. Fahlblauem, allzu deutlichem Mondlicht ist inzwischen die wohlig warme Abendsonne gewichen. Der Schlüssel knallt klimpernd auf die Flurkommode. Zwei Schuhe landen ebenso dumpf in der Ecke wie ein tiefes Stöhnen den Raum erfüllt. Das Sommerkleid hat inzwischen harsche, unschöne Knitterfalten. Ich ziehe sie schüchtern glatt, während ich mich langsam in seine Richtung zu schleppen beginne. Vielleicht hätte ich eine andere Körperlotion auftragen sollen? Diese erscheint plötzlich sehr unangemessen. Fast verräterisch. »Wieso bist’n du noch auf?«, knurrt es mir aus dem dumpfen Flur entgegen. Ich sage
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nichts. Nichts vom neuen Kleid, nichts von der stillen Vorfreude, nichts von meinen Mädchenträumen. Stattdessen gähne ich und bin bemüht die perfekte Mischung aus unberührt und eigenständig sowie geheimnisvoll und begehrenswert im Ton meiner Stimme herzustellen. »Hättest doch einfach schlafen gehen können«, brummt er weiter, lässt die Badezimmertür aus der erstaunlich forschen Hand gleiten und ignoriert damit gekonnt meine Tonakrobatik, das Knitterkleid, mich. Dem Gegrunze unter Wassertropfen entfliehe ich. Wünschte, ich hätte in schalldichte Ohropax statt knittrige Kleider investiert. Erleichterung kommt erst mit der Decke überm Kopf. Dumpfes Ausblenden. Er meint es nicht so. Sei nicht so ekelhaft empfindlich, nur weil du mal eben aus dem Sofaschlaf geweckt wurdest. Streng wörtlich genommen, hat er gar nichts Schlimmes gesagt. Wie kannst du es nur immer so übertreiben? Im Flur war es zu dunkel, um neue Kleider zu sehen. Genau ... Während ich voll neuer Hoffnung die Bettdecke lüfte, höre ich nichts. Nichts als sein widerliches Schnarchen. ///
FRANZISKA ARNOLD (27) hat in ihrem Wunschberuf Lehrerin (Englisch und Deutsch) unsagbar viel Spaß und erfreut sich besonders daran, Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache zum Lernen zu motivieren. Im Leben jenseits der Schule gilt ihr Interesse verschiedenster Kunstformen, der Kultur im weitesten Sinne, ihren Freunden, anderen Ländern und Sprachen.
FRAU
// Schöner geht es kaum. Ich sitze mit einem vertrauten Freund, der gerade zu Besuch ist, bei herrlichem Frühlingswetter im Café der königlichen Gartenakademie. Um uns herum gut gelaunte Menschen und die Blütenpracht des Frühlings. Wir trinken Beerenprosecco und Latte Macchiato und freuen uns an der Verbundenheit und Wertschätzung, die wir füreinander empfinden. Als ich erwähne, dass ich mir hier noch einen Rosenstock für meinen Balkon kaufen will, weil meiner im langen Winter gestorben ist, reagiert mein Freund spontan: »Darf ich dir einen schenken? Ich wollte dir etwas mitbringen, aber ich habe nichts Passendes gefunden. Darf ich?« »Ja, klar!« Hier bin ich typisch Frau – Blumen kann man(n) mir immer schenken. Wenn es obendrein noch solche sind, die lange blühen und gedeihen und mich an den Geber erinnern – dann erst recht. Wir schlendern hinüber zu den Rosen – eigentlich gehen wir ziemlich zügig, weil wir nur noch wenig Zeit haben. Ich will unbedingt eine weiße Rose haben. Rot und Rosa finde ich kitschig. Gelb ist undenkbar. Weiß hat was. Die meisten Pflanzen sind viel zu hoch für meinen Balkon. Erst nach einer Weile werden wir fündig. Ich entdecke eine Rose, die genau passt. »Schau mal, was ich habe!« ruft im gleichen Moment der Freund und hält einen Stock in die Höhe. Auf dessen Etikett steht, dass die Rosen 50 cm hoch werden. Das ist okay. Aber wohl ebenso tief. Ich sehe: Der Blumentopf ist etwa 30 cm hoch – das ist viel zu tief für meinen Balkonkasten. Ich stelle meine Rose wieder zurück. Wir nehmen seine. Mir ist klar, dass sie nicht passen wird. Ich schweige. Ich bin ja lieb und nett. Will ihn nicht enttäuschen. Oder: Ich habe Angst davor, dass ich mich schlecht fühle, wenn ich Ent-
CHRONISCH NETT – TYPISCH WEIBLICH?
WARUM ICH MIR EINE NETTE ANGEWOHNHEIT ABGEWÖHNE TEXT: KERSTIN HACK
täuschung in seinem Gesicht sehe. Ich denke immer noch, dafür verantwortlich zu sein, dass es Menschen in meiner Umgebung nie schlecht geht. Wie doof! Zu Hause bestätigt sich der Verdacht. Immerhin – ich besitze noch einen großen, hohen Terrakottatopf, in den ich die Rose stelle. Dort sieht sie sehr schön aus. Das war aber nicht das, was ich wollte. An dem Platz, für den ich eigentlich eine Rose haben wollte, gähnt nach wie vor ein großes Loch. Schon unterwegs hatte ich mich über mich selbst geärgert und mich gefragt: Warum hatte ich nicht den Mut, einfach zu sagen, dass ich lieber »meine« Rose haben wollte? Wieso knicke ich so schnell innerlich ein, wenn jemand anderes einen Vorschlag macht? Wieso sage ich nicht: »Ich möchte lieber etwas anderes?« Warum fällt es mir so schwer, klar zu äußern, was ich will? Warum bin ich so lieb und nett? Aus meinem Regal mit ungelesenen Büchern hole ich das heraus, das gerade passt: »Sei nicht nett, sei echt!« Der Autor, Kelly Bryson, unterscheidet zwischen Menschen, die aus freien Stücken andere beschenken, also warmherzig, transparent und echt sind, und solchen, die »chronisch nett« sind. Damit meint er Menschen, die angepasst und lieb sind, weil sie Zurückweisung fürchten. Sie wollen letztlich durch ihr nett-Sein Liebe erkaufen oder haben Angst, abgelehnt und abgeschrieben zu werden, wenn sie mal nicht nett sind.
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CHRONISCH NETT – TYPISCH WEIBLICH?
Sie wollen letztlich durch ihr Nett-Sein Liebe erkaufen oder haben Angst, abgelehnt und abgeschrieben zu werden, wenn sie mal nicht nett sind.
Chronisch nette Menschen erkennt man unter anderem daran, dass sie ... • sich entschuldigen, wenn ein anderer ihnen auf die Füße tritt (Hilfe, das tue ich tatsächlich!) • Menschen viel zu lange zuhören, obwohl sie schon gar nichts mehr aufnehmen können oder ihre Zeit lieber anders verbringen möchten (Auch das passiert mir manchmal) • sich in unendlich lange Gespräche mit Telefonmarketingleuten verwickeln lassen (Puh, die Zeiten sind bei mir definitiv vorbei) • ständig darauf ausgerichtet sind, was die anderen wohl wollen (Hmm, hin und wieder!) • sich sofort schuldig fühlen, wenn es irgendjemandem in ihrer Umgebung nicht gut geht (Autsch, das kenne ich!) • 1000 Sachen nicht aus Freude tun, sondern aus Pflichtgefühl und es schaffen, selbst richtig angenehme Tätigkeiten als Pflicht darzustellen: »Ich muss jetzt ...« (Nee, das hab ich mir abgewöhnt.) • denken, sie müssten alle eigenen Wünsche zu Gunsten anderer hintenan stellen (Hmm, nur noch selten).
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Die Erziehung zum Nett-Sein, brav und pflichtbewusst, trifft Jungs wie Mädchen. 90 % aller zehnjährigen Schulkinder antworten auf die Frage, was es bedeutet, gut zu sein mit: »Ruhig sein!« Wir bringen Kindern oft schon früh bei, dass »gut sein« heißt, sich so zu benehmen, dass es keinen Erwachsenen stört. Wir bringen ihnen nicht bei, dass gut sein bedeutet, echt, authentisch und in Beziehung zu sich selbst und anderen zu sein. Echte Empathie zu entwickeln, Dinge aus Überzeugung zu tun, nicht als Pflichtprogramm. Kein Wunder, dass Pippi Langstrumpf seit Jahrzehnten die Heldin vieler Kinder ist – ein Mädchen, das es wagt, nicht nett und angepasst zu sein, sondern echt. Ein Mädchen, das stark und mutig ist und fähig, tiefe Gefühle zu empfinden und zu zeigen. Ein mutiges Menschenkind, das auch mal Ablehnung riskiert. Zu entfalten, wer und wie sie ist und was an göttlicher Kreativität in ihr steckt, hat
für sie einen höheren Wert, als von allen Menschen gemocht zu werden. Okay. Es gibt auch chronisch nette Männer. Ihr kennt sie. Die, die sich so weich anfüllen, wie ein Putzlappen, den man mit zu viel Weichspüler gewaschen hat. Ohne Profil. Nur »Ja, wenn du willst ...« Igitt! Aber nach meiner Erfahrung ist die Anzahl der »netten« Frauen weit höher. Kelly Bryson erklärt das so: »Unsere Kultur hält besonders Frauen dazu an, genau darauf zu achten, was andere wollen, statt die eigenen Bedürfnisse im Blick zu behalten. Die Fähigkeit, sich unterzuordnen wird, bezogen auf Frauen, romantisiert und erotisiert.«1 Kleine Mädchen werden besonders belohnt, wenn sie »lieb und nett« sind. Lächeln. Nichts sagen. Lieb, brav und schön sein. Das bringt Anerkennung. Kleinen Mädchen wird das Märchen von der klei1 Kelly Bryson, »Sei nicht nett, sei echt!«, Seite 23
FRAU nen Meerjungfrau erzählt, die – um die Liebe des Mannes zu gewinnen, in den sie sich verliebt hatte – ihre Form der seinen anpassen musste. Als Preis für die Liebe musste sie obendrein noch ihre Zunge hergeben und war zum ewigen Schweigen verdammt. Die Märchen-Botschaft unserer Kultur lautet: Während Männer stark sein müssen, für ihre Interessen kämpfen, sich durchsetzen, Mut und Heldenhaftigkeit beweisen, um die Liebe einer Frau zu gewinnen, muss eine Frau, um die Liebe eines Mannes zu gewinnen, ihre Form der seinen anpassen, sich zurechtstutzen, anpassen und verbiegen. Und vor allem verstummen. Was für eine Lüge!!! Wer behauptet denn, dass es wahr ist, dass Männer nur solche Frauen schätzen, die kein eigenes Profil haben, sich nicht äußern und zeigen können? Vielleicht ist das in der Realität tatsächlich so, aber wenn, dann nicht, weil das Gottes ursprüngliche Idee für menschliche Begegnung war. Sondern vielmehr, weil auch Männer von den Märchen unserer Kultur so verbogen und verformt wurden, dass sie denken, Stärke bedeutet, der einzige zu sein, der etwas zu sagen hat und sich durchsetzen kann. Weil sie nicht gelernt haben, dass Andersartigkeit stehen zu lassen und lieben zu können, der größte Ausdruck von Stärke und Reife ist. Derartige kulturelle Märchen sind alles Mögliche – nur nicht göttlich. Jesus war kein netter Mann. Er war klar, warmherzig und zugewandt. Er erkaufte sich die Liebe der Menschen nicht mit Nettigkeit. Er liebte, war zugewandt und echt – und auch manchmal konfrontativ. Auch die Frauen der Bibel sind weit entfernt von der schmachtenden HollywoodDiva, dem aufopfernden Hausweibchen oder dem anpassungsfähigen Fußabtreter. Die Bibel spricht von der Frau als von einem gleichberechtigten und gleichwertigen Gegenüber. Die geniale Power-Frau, die in Sprüche 31 beschrieben wird, ist eine, die so sehr auslebt, was ihren Interessen und Bedürfnissen nachkommt, dass ihr Mann und ihre Söhne vor Staunen den Mund nicht mehr zubekommen. Ja, sie sorgt sich um andere und tut Dinge
für sie. Aber sie tut es nicht aus Abhängigkeit, um deren Liebe zu erkaufen. Sie tut es als reicher Mensch, der viel zu geben hat und gerne gibt. Und ich? Ich bin ein chronisch netter Mensch (CNM) auf dem Weg der Heilung. Vor einigen Monaten habe ich in der Auseinandersetzung mit einem guten Freund (schön, dass es Menschen gibt, an denen ich mich reiben kann), zum ersten Mal tief im Inneren gespürt: »Meine Wünsche und Bedürfnisse sind ebenso wichtig wie seine.« Ich habe darum gekämpft, dass wir einen Weg finden, der auch für mich in Ordnung ist. Früher hätte ich vermutlich auch gesagt, dass meine Wünsche ihre Berechtigung haben, aber im Grunde doch gedacht, dass das, was der andere will oder braucht, wichtiger sei als meine Wünsche und Bedürfnisse. Oder ich hätte mich, falls ich meine Interessen doch geäußert oder gar durchgesetzt hätte, schlecht und schuldig gefühlt. Das ist vorbei! Aber in Momenten, wo ich denke, schnell reagieren zu müssen, wie beim Rosenkauf im königlichen Gartenparadies, rutsche ich in recht unkönigliches Verhalten zurück – werde zum kleinen Mädchen, das es allen recht machen will ... Selbst wenn der andere überhaupt nichts davon hat. Es hilft mir, mehr Zeit zu haben, um zu fragen und spüren: Was brauche ich? Dann sind die Chancen weit besser, dass ich meine Wünsche klar und offen äußern kann. Mich zeigen – mutig und kühn. Ja, ich habe einiges gelernt. Nicht zuletzt, dass es einen wichtigen Menschen gibt, zu dem ich zur Abwechslung mal besonders nett sein will: Ich selbst. Kürzlich habe ich mir bei einem Einkaufsbummel lauter überflüssiges Zeug gekauft: Ein Schneidbrett, das sich zusammenfalten lässt, sodass man das zerschnippelte Gemüse leichter in den Topf befördern kann, ein Paar Ballerinas (keine Sorge, Prinzessin werde ich trotzdem nicht) und eine Flasche Parfüm der Marke »Berlin« – was sonst! Das war anders als früher, da hätte ich immer gesagt »Ist ja nicht nötig. Ich brauch das nicht unbedingt.« Stimmt vollkommen. Aber es bereichert und ver-
schönert mein Leben. Und das ist okay. Nett zu mir geworden bin ich nicht nur in Bezug auf materielle Dinge – solche Tage wie jenen kann ich mir gar nicht ständig leisten. Es ist vielmehr so, dass meine inneren Dialoge sich ändern. Ich sage mir seltener Dinge wie »Mensch, stell dich nicht so an!« oder »Ist doch egal, ist nicht so wichtig, was du willst. Du brauchst dies oder jenes nicht.« Ich habe vielmehr gelernt – und lerne es immer noch – mir achtsam zuzuhören: »Was fühle ich gerade? Was brauche ich jetzt? Was wünsche ich mir?« Ich will weiter lernen. Ich will mich nicht mehr verbiegen, um dem vermeintlichen Bild der anderen von einem »netten Menschen« zu entsprechen. Stattdessen will ich mich Menschen zuzumuten. Männern und Frauen. Mich zeigen mit dem, wer und wie ich bin. Mit dem, was gerade in mir lebendig, wach und fröhlich ist – oder traurig, entsetzt und verwirrt. Ich will weiter lernen, anderen die Freiheit zu lassen, mich so zu sehen und zu mögen wie ich tatsächlich bin – oder auch nicht. Es war vorauszuahnen. Zwei Tage später bin ich noch mal ins königliche Gartenparadies gefahren, obwohl ich auf Grund vieler Projekte nur wenig Zeit hatte. Ich habe mir »meine« Rose gekauft und sie an den Platz gepflanzt, den ich für sie vorgesehen habe. Meine weiße Rose. Symbol für den Widerstand gegen die Anpassung; dagegen, es den anderen recht machen zu wollen, selbst wenn etwas überhaupt nicht in meine Lebens-Töpfe passt. ///
KERSTIN HACK (42) ist Autorin, Verlegerin und Coach und begleitet sich und andere Menschen dabei, ihr nett-Sein und andere Abhängigkeiten abzulegen und lebendig und echt zu werden. Sie liest, reist und begegnet gerne. Und entdeckt gerade, dass Kochen tatsächlich Spaß machen kann.
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