BUNDESINGENIEUR KAMMER
6-2014 Juni € 12,80
Nachhaltig planen und bauen
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Ästhetik und Nachhaltigkeit | Wellen | Forschungsneubau
Gebäude: Zertifizierte Nachhaltigkeit und Innovationsgehalt
Wissenschaftliche Ausildung: Auf breite Grundlagen setzen
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DLR-Kometenjäger sendet Beobachtungsdaten nach Göttingen
Alle Bilder: Jörg Stanzick, Carpus+Partner
Neubau für Sonnensystemforscher
Der Forschungsneubau des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) auf dem Campus Nord der Georg-August-Universität Göttingen.
##SUS##mnertd##1946##SUS##2013##HP_PORTAL## Seit Kurzem sendet Rosetta, die erste Kometensonde der Weltraumforschung, ihre Beobachtungen 800 Millionen Kilometer durchs All zur Erde. Für die Auswertung der Daten hat das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im Januar ein neues Forschungsgebäude bezogen. Das Besondere: Der Einzugstermin stand schon bei Planungsbeginn vor vier Jahren unaufschiebbar fest. | Heinz-Peter Frantzen, Ralf Walter, Albert Borucki
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Nur drei mal fünf Kilometer misst der Kern des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko. Dennoch interessieren sich die Weltraumforscher der ESA brennend für ihn. Denn seine Beschaffenheit soll Rückschlüsse auf die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems ermöglichen. Darum ist seit März 2004 die Sonde Rosetta – vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch Kometenjäger genannt – auf dem Weg zu ihm und schwenkte im Mai in die Umlaufbahn des Kometen ein. Zum Ende des Jahres ist erstmals die Landung auf der Oberfläche geplant. Die Vorbereitungen dazu laufen im All und auf der Erde auf Hochtouren. Nahezu zeitgleich mit dem Erwachen der Sonde aus ihrem energiesparenden Tiefschlaf im Januar sind die Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in einen eigens errichteten Forschungsneubau auf dem Campus Nord der Georg-August-Universität Göttingen umgezogen.
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Die Flugbahn gab den Zeitplan vor Der 29. Januar 2014 stand als Einzugstermin von Beginn des Projektes im Juni 2010 unumstößlich fest. Auch bei jahrelanger Erfahrung mit solchen Großprojekten ist für den Bauausführenden so eine Deadline schon eine Herausforderung: Alle Beteiligten – Planer, Architekten und alle Gewerke – mussten von Anfang an mit ins Boot geholt und auf den Termin eingeschworen werden. Am Boden wurden gemeinsam alle Hebel in Bewegung gesetzt – denn die Flugbahn eines Kometen lässt sich nicht beeinflussen. Ungewöhnlich: Auf das Vereinbaren von Vertragsstrafen bei Verzögerung, ansonsten durchaus üblich bei Projekten mit kritischen Zeitplänen, verzichteten der Bauherr, die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft, und der Generalplaner. Stattdessen zog man an einem Strang und arbeitete auf Augenhöhe. Eine große Herausforderung war der lange Winter im Frühjahr 2013
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– die Baustelle des Rohbaus musste gezwungenermaßen vier Wochen ruhen. Die Verzögerung ließ sich nur durch einen Mehrschichtbetrieb mit einem extrem gestrafften Zeitplan in den folgenden Wochen wieder aufholen. Heute beherbergt das barrierefreie Gebäude auf einer Fläche von circa 20.000 Quadratmetern neben Forschungslaboren und Büroarbeitsplätzen eine Bibliothek, Aufenthalts- und Kommunikationsbereiche, eine Cafeteria, ein erweiterbares Foyer für Veranstaltungen, eine Kindertagesstätte, einen Dachgarten sowie Gästezimmer für Besucher des Instituts.
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Schwingungsentkoppelte Reinraumlabore mit Überhöhe Entscheidend für die Auswertung der Rosetta-Signale sowie für die Entwicklung, Fertigung und Erprobung der optischen Geräte und Baugruppen des Instituts sind vor allem ein nachhaltiger Schwingungsschutz und Reinraumbedingungen in den jeweiligen Forschungsbereichen des Gebäudes. Vibrationen oder Partikelverunreinigungen würden die hochsensiblen Messinstrumente stören und die Daten der Kometensonde verfälschen. Die Anforderungen an die Schwingungsarmut liegen dabei deutlich höher als bei herkömmlichen Projekten. Bei den Berechnungen und Simulationen in der Entwurfsplanung zeigte sich, dass diese nur mit umfangreichen, kombinierten Maßnahmen zu realisieren war. Es galt, neben der Abschirmung vor externen##SUS##mnertd##1946##SUS##2013##HP_PORTAL## Störquellen wie Straßenverkehr oder Windrädern, vor allem interne Bereiche, die Schwingungen emittieren, konstruktiv von schwingungsempfindlichen zu trennen. Um Übertragungen zu vermeiden, sind etwa Versuchsstände, der hauseigene Werkstattbereich und die Anlagen der Technischen Gebäudeausrüstung schwimmend auf Bodenplatten mit Sylomerunterlagen gelagert und durch Dehnfugen von den Laborbereichen, in denen sich die optischen Geräte und Baugruppen befinden, entkoppelt. Diese wiederum verfügen über selbsttragende Bodenplatten auf Fundamenten aus verdichteten Kiesschotterpackungen sowie teilweise über Einzel- und Streifenfundamente mit Sylomerunterlagen. Der sehr starke Schwingungen erzeugende Vibrationsteststand, auf dem Belastungen für Sensoren und optische Geräte, z. B. beim Raketenstart, simuliert werden, ist zusätzlich durch Federdämpfungselemente entkoppelt. So bleiben die übrigen Labore vor seinem Einfluss geschützt.
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1 Die große Dachgartenanlage ist wesentlicher Bestandteil des Gebäudekonzepts. 2 Das barrierefreie Gebäude hat auf einer Fläche von circa 20.000 Quadratmetern neben Forschungslaboren und Büroarbeitsplätzen u. a. eine Bibliothek, Aufenthalts- und Kommunikationsbereiche, eine Cafeteria sowie Gästezimmer für Besucher des Instituts. 3 Eine eigene Kindertagestädte ist ebenfalls integriert. 4 Im dreigeschossigen gläsernen Gebäuderiegel befinden sich die Büroflächen für Forschung und Verwaltung.
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5 Für die Auswertung der Signale der Kometensonde stehen aktuelle Hochleistungsrechner zur Verfügung. 6 Ein Highlight für die Sonnensystemforscher ist der so genannte Hallenbereich mit Raumhöhen bis zu neun Metern. 7 Die Versorgungstechnik der Reinräume ist entkoppelt abseits der schwingungsempfindlichen Bereiche untergebracht. 8 Offene Strukturen erschaffen eine kommunikationsfördernde Arbeitsatmosphäre.
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Der größte Teil der insgesamt 2.500 Quadratmeter Reinraumlabore ist für physikalische, chemische und elektrotechnische Versuche vorgesehen. Ein Highlight für die ##SUS##mnertd##1946##SUS##2013##HP_PORTAL## Sonnensystemforscher ist der so genannte Hallenbereich mit Raumhöhen bis zu neun Metern. Zwei der insgesamt vier Hallen, mit jeweils 180 bis 240 Quadratmetern, sind als Reinräume der ISO-Klassen 6 und 8 ausgeführt. Da hier beispielsweise bis zu sieben Meter hohe Bauteile für Observatorien montiert werden, die dann zur Sonnenbeobachtung an Heliumballonen in die Stratosphäre aufsteigen, mussten die Hallen mit entsprechend großen Rolltoren verbunden werden. Eine durchgängige Kranan6 lage für den Transport ist keine Selbstverständlichkeit in einem Reinraum. Die dritte, die so genannte Ballonhalle, ist hingegen kein Reinraum, sondern ein kontrollierter Bereich mit Partikelmonitoring. Von hier aus können Komponenten auch für Tests unter Witterungsbedingungen ins Freie gefahren werden. Die vierte Halle dient als Lagerraum.
Variable Raumgeometrie im Laborbereich Die Reinraumhallen grenzen so an die übrigen Reinräume und den zentralen Reinraumflur (ISO-Klasse 8), dass man sich in dem gesamten Reinraumbereich bewegen kann, ohne ihn zu verlassen. Der Zutritt erfolgt durch eine zentrale Personenschleuse. Um bei der Nutzung langfristig flexibel zu bleiben, ist die Raumgeometrie im Laborbereich variabel, das heißt die Wände können einfach – auch ohne Veränderung der Deckenhöhe – verstellt werden. Eine besondere Rolle spielen die Bereiche, in denen Komponenten zum Nachweis von außerirdischem Leben hergestellt werden. Jegliche Verunreinigung mit zum Beispiel 7
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Kohlenwasserstoffen oder bioformen Molekülen muss hier vermieden werden, damit die Forschungsergebnisse brauchbar sind. Entsprechend ##SUS##mnertd##1946##SUS##2013##HP_PORTAL## sind diese Räume nach GMPStandard bis zur höchsten Klasse A ausgeführt.
Offene Kommunikationsarchitektur in den Bürobereichen An der den Laboren gegenüberliegenden Seite erhebt sich über dem Sockelbau der von außen auffälligste Gebäudeteil. Der dreigeschossige Büroriegel mit Glasfassade ragt an der Südseite weit über das Gebäude hinaus und scheint gleichsam darüber zu schweben. Im unteren Baukörper sind die wissenschaftlichen Forschungs- und die Allgemeinflächen untergebracht, außerdem die Cafeteria, verschiedene (durch variable Wände flexible) Seminar- und Konferenzräume sowie das Foyer mit einer Ausstellung und die Bibliothek. Im Glasquader befinden sich die Büroflächen für Forschung und Verwaltung. Die vielfältigen Anforderungen, die die Forscher an ihr neues Gebäude hatten, gehen weit über die technische Ausstattung hinaus: Die Arbeitsbereiche sind durch offene, die Kommunikation fördernde Strukturen geprägt. Kurze Wege und Begegnungsmöglichkeiten sollen – ergänzt durch Rückzugsmöglichkeiten – interdisziplinären Austausch und Vernetzung fördern. Dank einer Kindertagesstätte mit eigenem Außenbereich, Wohnungen für Gastforscher sowie der 2.000 Quadratmeter großen Dachgartenanlage entspricht das Gebäude auch den Ansprüchen sich wandelnder Strukturen in der heutigen Wissensgesellschaft. So haben die Max-Planck-Wissenschaftler einen Neubau mit einem hochwertigen planerischen Konzept erhalten, das optimale Arbeitsumgebungen für die nächsten Forschergenerationen schafft. ‹
Ralf Walter
Heinz-Peter Frantzen
› Dipl.-Ing. (FH) M. Sc.; Projektmanagement; Studium: Architektur Fachhochschule Köln und Bartlett School of Architecture London; seit 2006 Projektmanager bei der Carpus+Partner AG Aachen
› Dipl.-Ing. ; Bauleitung vor Ort; Studium: Bauingenieurwesen RWTH Aachen; seit 1999 Bauleiter bei der Carpus+Partner AG Aachen
Albert Borucki › Dipl.-Ing. Architekt ; Projektleitung Planung und Architektur; Studium: Architektur RWTH Aachen; seit 1997 Projektleiter Architektur bei der Carpus+Partner AG Aachen
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