Antibiotika
Unsachgemässe Verschreibungen tragen zu Multiresistenzen bei. Seite 21
Protestmarsch
Chilenische Studenten fordern eine Bildungsreform. Seite 18
Polizei im Kriegsmodus Wie vertrauenswürdig ist unser Rechtsstaat?
Seite 6
Ausgabe Nr. 18 | 1 / 2015 | CHF 6.00 (Schweiz) | CHF 9.00 (Ausland)
Wo Journalismus beginnt
Impressum Redaktion
Anita B辿guelin (Stv. Chefredaktorin) Lukas Blatter (Stv. Chefredaktor) Sandro Bucher (Chefredaktor) Sofiya Miroshnyk (Redaktionsleiterin Bern) Manuela Paganini (Leitung Layout und Bild) Kaspar Rechsteiner (Leiter Print) Text
Lukas Blatter Stephanie Bos Vivienne Kuster Vera Probst Tatjana P端rro Kaspar Rechsteiner Andreas R端egg Michael Scheurer Luzia Tschirky (Gast) Mira Weingart Segen Woldeyesus Bild
Silas Bitterli Katharina Good
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Yves Haltner Vivienne Kuster Manuel Lopez Thi My Lien Nguyen Andreas R端egg Katja Rutz Mira Weingart Layout
Daniel Barnbeck Katharina Good Yves Haltner Manuela Paganini Katja Rutz Korrektorat
Basil Koller Sofiya Miroshnyk Titelbild
Daniel Bader (Model) Daniel Barnbeck Manuel Lopez Editorialbild
Luca Diggelmann
Verlagsleitung
Daniel Barnbeck
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Hong Kong, Chile, Spanien, Frankfurt, Ferguson, der Berner Bundesplatz: Im letzten halben Jahr gingen rund um den Globus viele junge Menschen auf die Strasse. Ihre Ziele sind vielfältig: Die einen fordern politische Unabhängigkeit und freie Wahlen, andere finden, dass der Staat den Bundesplatz für eine «sexistische Privatparty» hergibt. Die Polizei reagiert – mit Schlagstöcken, Tränengas, Festnahmen. Immer seltener wird ein Dialog gesucht, weder von den Demonstranten, noch von der Polizei. Das gegenseitige Vertrauen schwindet. Woher kommt die beidseitige Radikalisierung? Die aktuelle Situation in Bern analysiert Michael Scheurer auf den nächsten Seiten. Segen Woldeyesus macht eine kleine Reise durch die Geschichte und zeigt die besten Beispiele für gewaltfreie Demonstrationen, die Wirkung hatten. Ausserdem besuchen wir die Studentenaufstände in Chile und die Münchner U-Bahn. Doch auch in der Schweiz tut sich einiges: Lukas Blatter beleuchtet die Hintergründe von Halsschmerzmitteln, die Antibiotika enthalten. Und falls dir das alles zu bunt wird und du lieber einen Film schauen möchtest, findest du auf Seite 24 den passenden Ratgeber dazu. Viel Spass! Anita Béguelin und Kaspar Rechsteiner Stv. Chefredaktorin Tink.ch Deutschschweiz, Leiter Print
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Inhalt
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2015
21 Polizeigewalt 6
Mitten in Bern wird ein Mann vom Pfefferspray der Polizisten niedergestreckt. Und das anscheinend ohne Grund.
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Demonstrieren - aber richtig!
Wie gelingt die Gratwanderung zwischen friedlicher und dennoch medienwirksamer Demonstration?
11 Meinungsfreiheit
Demonstrationen müssen bewilligt werden. Werden sie durch einzuholende Bewilligungen auf Sparflamme gedämpft?
12 Münchner «Metro»
Die drittgrösste Stadt Deutschlands umhüllt ihre junge U-Bahn mit blühenden Farben und leuchtender Kunst.
16 Keine Selbstverständlichkeit
Die Journalisten-Newcomerin des Jahres und ehemalige Tink-Reporterin, Luzia Tschirky, erzählt von der zebrechlichen Freiheit des Volkes.
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17 Konnichiwa!
Wo, wie und wann die Schweiz vom Reich der aufgehenden Sonne geküsst wird. Unsere Kurztipps.
Chilenische Proteste für Pädagogik 18 Das längste Land der Welt befindet sich inmitten eines bildungspolitischen Umbruchs.
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Versteckte Antibiotika
Herkömmliche Halsschmerzmittel enthalten Antibiotika - die Patienten wissen in der Regel nichts davon. Trotz zunehmender Antibiotikaresistenzen unternimmt Swissmedic nichts dagegen.
24 Grosses Kino 26 Leben in der Anonymität Wir sagen dir, welcher Film am besten zu dir passt.
Seit sechs Jahren in der Schweiz, den Schulabschluss in der Tasche, aber keine Aufenthaltsbewilligung: Das Leben einer jungen Sans-Papier.
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Willkürliche Polizei? Ein 32-Jähriger wird am Tanz dich frei 2013 von der Polizei anscheinend grundlos angegriffen. Ermittlungen gegen die beschuldigten Polizisten werden eingestellt. Kritiker sagen, dass Verfahren gegen Polizisten aussichtslos seien. Text: Michael Scheurer, Bilder: Manuel Lopez
Der Pfefferspray-Strahl trifft ihn unerwartet. Mitten ins Gesicht. Mauro Jäggi* schreit auf und geht zu Boden. Er hält sich sein Gesicht. Seine Augen brennen wie Feuer. Seine Lider schwellen an. Das Handy fällt aus Jäggis Hand und schlittert über den Boden davon. Für zwei Stunden wird es schwarz vor seinen Augen. Jäggi sieht nichts mehr. Der angehende Primarlehrer erzählt Tink.ch von dem Abend, der ihn seit zwei Jahren nicht mehr in Ruhe lässt. Es ist der Abend, der ihm das Vertrauen in den Schweizer Rechtsstaat entzogen hat. Die Geschichte erzählt er unermüdlich immer und immer wieder. Er teilt sie auf sozialen Medien, gehört wurde sie bisher kaum. Es ist seine eigene Sicht, wie sich damals alles zugetragen hat. Ein Blick in die mediale Berichterstattung zeigt aber: Jäggi ist nicht der einzige, der zweifelhafte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat. Immer wieder stellt sich die Frage, wer die Polizei kontrolliert und wie. Antworten von den Verantwortlichen gibt es nur zögerlich. Keine Hilfe von den Helfern Gerade eben war Mauro Jäggi unterwegs von der unteren Berner Altstadt Richtung Bahnhof gewesen und telefonierte mit einer Freundin. Vor dem Käfigturm trifft er unerwartet auf eine Polizistenkette in Vollmontur. Jäggi bleibt stehen, er ist auf sein Handygespräch konzentriert. Doch dann zielt plötzlich ein Polizist aus der Kolonne mit Pfefferspray auf Jäggis Gesicht und sprüht. Das
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Warum bleibt für den 32-Jährigen bis heute ein Rätsel. Beim Käfigturm ist es um diese Uhrzeit kurz vor 24 Uhr ruhig, in einer Nacht, in der Polizei und mehrere Dutzend gewaltbereite Vermummte heftig aneinander geraten. Es ist Tanz dich frei, die dritte Ausgabe vom 25. Mai 2013 in Bern. Auch Mauro Jäggi ist wegen Tanz dich frei in dieser Samstagnacht in der Berner Altstadt unterwegs – alleine. Als Mauro Jäggi zu Boden geht, eilen zwei junge Männer herbei. Sie schleppen ihn in verschiedene Restaurants, um seine Augen mit Wasser auszuwaschen. Von den Polizisten sei ihm niemand zu Hilfe gekommen, sagt Jäggi. «Die waren wahrscheinlich im Kriegsmodus.» Erst um zwei oder drei Uhr kann er wieder einigermassen sehen und will seine Bekannte aufsuchen. Jäggi ist wütend über das, was ihm an diesem Abend widerfahren ist. Doch der Abend sollte noch weit dramatischer werden. Auf dem Weg zu seiner Bekannten trifft Jäggi erneut auf eine Polizeikette. Als er einen der Polizisten nach dem Weg zum Hirschengraben fragt, habe dieser freundlich reagiert. Darum wollte Jäggi wissen, was er von dem halte, was einige Stunden zuvor passiert sei. Der Polizist zuckt mit den Schultern. Jäggi wird wütend und hakt nach. Seine Wortwahl wird deutlich: «Wenn ihr das in Ordnung findet, seid ihr genauso Arschlöcher», sagt er zum Beamten in Vollmontur. Ein weiterer Polizist mischt sich ein und sagt, Jäggi solle aufpassen, sonst käme
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er gleich nochmals drunter. «Wollen Sie mich verhaften, weil ich mit ihnen spreche?» – «Ja genau, das will ich. Auf drei bist du weg», soll der Polizist entgegnet haben. Jäggi wendet sich ab und erhält im gleichen Moment von hinten mit einem harten Gegenstand einen Schlag auf den Kopf. Einer der Polizisten packt Jäggi am Arm, ein anderer versetzt ihm einen Stoss in den Rücken, sodass er gegen einen Kastenwagen prallt. Dann tritt jemand Jäggis Beine auseinander. Er geht erneut zu Boden und schreit vor Schmerz auf. «Ich fühlte mich hilflos und dachte, dass das einem friedlichen Demonstranten bei den Studentenrevolten in Chile vielleicht passieren kann, aber nicht in der Schweiz.» Jemand kniet Jäggi in die Kniekehlen, dann auf den Rücken und schliesslich auf den Kopf. Plötzlich spürt er einen Finger mit Latexhandschuhen im Mund. Panik steigt in Jäggi auf. Zeitweise bekommt er kaum noch Luft. Später wird Jäggi von dem Polizisten
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wegen Körperverletzung angezeigt und von der Staatsanwaltschaft verurteilt, weil er den Polizisten gebissen haben soll. Polizisten als Zeugen Mit Kabelbinder gefesselt sitzt er wenige Minuten später auf den Knien mit dem Kopf gegen ein Schaufenster. Ein Polizist beleidigt ihn: «Du bist der dümmste Mensch, der mir je über den Weg gelaufen ist.» Namen und Dienstnummer verweigern die Polizisten auf Jäggis Nachfrage. Ein Kastenwagen bringt Jäggi in eine Zelle im Berner Neufeld zur temporären Verwahrung. Nach etwa zwei Stunden kann er seine Version zu Protokoll geben und wird nach einer Weile entlassen. Dann reicht Jäggi Anzeige wegen Amtsmissbrauch und Körperverletzung gegen Unbekannt ein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt Wochen später die beiden Polizeibeamten. Für Jäggi kaum zu glauben: Zwei weitere
Polizisten, die bei seiner Verhaftung involviert waren, werden als «Zeugen» einberufen. Eine Woche vor der Einvernahme erfährt Jäggi, dass die Polizei gegen ihn sechs Anzeigen einreichte – wegen einem Systemfehler werde er erst jetzt informiert, heisst es in einem Schreiben von der Staatsanwaltschaft. Aus praktischen Gründen würde Jäggi auch gleich am selben Termin verhört und nicht nur als Auskunftsperson befragt. Um einen Anwalt zu organisieren, reicht die Zeit nicht mehr. Monate darauf wird das Verfahren gegen die beiden Polizisten eingestellt. In der Begründung heisst es, die Polizisten hätten ihr Amt gemäss den geltenden Bestimmungen ausgeübt und verhältnismässig gehandelt. Das gehe aus den Aussagen hervor. Gleichzeitig erhält Jäggi von der Staatsanwaltschaft einen Straf befehl. Er wird wegen einfacher Körperverletzung, Gewalt und Drohung gegen Beamte, Ungehorsam gegen amtliche
Verfügungen und Hinderung einer Amtshandlung für schuldig befunden. Jäggi zieht den Entscheid an das Regionalgericht weiter. Dort treten die zuvor beschuldigten Polizisten nun als Zeugen auf, da ihnen erstinstanzlich kein Straftatbestand zu Lasten gelegt wurde. Bei der Verhandlung vor dem Richter können sich die beiden Polizisten aber an genaue Details nicht mehr erinnern - es geht um Widersprüche. Etwa, wer von beiden Jäggi über die rechtliche Situation belehrt habe, oder ob die Situation damals vor Ort ruhig gewesen sei oder nicht. Freigesprochen wird Jäggi vom Vorwurf der Hinderung einer Amtshandlung. In den restlichen Anklagepunkten wird er erneut für schuldig befunden.
Oktober 2014 stellten sich diese Fragen, als mehrere junge Aktivistinnen und Aktivisten – darunter auch Minderjährige – nach einem passiven Sitzstreik auf den Polizeiposten gebracht wurden und sich dort vor Beamten nackt ausziehen mussten. Das Vorgehen wurde von Medien und Politik aufgegriffen und heftig kritisiert. Die Polizei lenkte daraufhin ein und veranlasste eine Überprüfung des Polizeieinsatzes durch die Staats-
«Die meisten Verfahren gegen Polizisten werden eingestellt»
den. Unabhängig sei anders, so Thommen. Ihm falle auf, dass gerade die Polizei in Bern oft negativ auffällt. «Die Gründe sind aber nicht eindeutig erkennbar.» Bei der Kantonspolizei Bern betont Sprecher Christoph Gnägi indes, dass die Einhaltung der korrekten Abläufe laufend überprüft werde. «Die Mitarbeitenden der Kantonspolizei werden entsprechend ausgebildet, verhältnismässig zu handeln.» Dabei flössen auch laufend Erkenntnisse aus früheren Fällen in die aktuellen Weisungen und Schulungen ein. Kämen Zweifel an der Rechtsmässigkeit einer Handlung der Kantonspolizei Bern auf, so soll dies die Staatsanwaltschaft gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung untersuchen. Für Gnägi ist die Unabhängigkeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei durch den Grundsatz der Gewaltenteilung gewährleistet. «Die Kantonspolizei Bern steht zu diesem System», so Gnägi. Auch die Staatsanwaltschaft weist daraufhin, dass sich Betroffene bei den Behörden melden könnten: «Betroffene haben jederzeit die Möglichkeit, bei der Staatsanwaltschaft Anzeige einzureichen, beziehungsweise einen Strafantrag zu stellen», teilt Christof Scheurer, Sprecher der Berner Staatsanwaltschaft, gegenüber Tink.ch mit. Beim Anschein einer Befangenheit könne die Staatsanwaltschaft für besondere Aufgaben mit der Verfahrensleitung betraut werden: «Gegebenenfalls wird ein ausserkantonaler Staatsanwalt, beziehungsweise eine ausserkantonale Staatsanwältin eingesetzt.» Der Kanton Bern sei neben dem Kanton Zürich der einzige Kanton, der für solche Fälle über eine spezialisierte Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft verfüge, so Scheurer.
anwaltschaft. Was zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war: Am Abend der Misswahl bewilUnabhängige Staatsanwaltschaft ligte die piketthabende Staatsanund Polizei? wältin nach einer ausserordentDie Sicht der Kantonspolizei Bern lichen Anfrage eines Polizisten auf die Vorfälle ist anders. Me- die Entnahme von DNA-Proben diensprecher Christoph Gnägi be- der Demonstrierenden. tont, dass im Zuge der Anfrage von Tink.ch umfangreiche Abklä- «Polizeiwillkür» rungen getroffen wurden. Doch Für Christian Thommen, Vorman habe keine Kenntnisse von standsmitglied von grundrechte.ch, dem Pfefferspray-Vorfall am Kä- ist klar, dass in der Schweiz eine figturm. Grundsätzlich gelte aber, gewisse Polizeiwillkür herrscht. dass die Polizei verletzten Perso- Es sei zwar die Aufgabe der Genen helfe, so Gnägi. Was danach schäftsprüfungskommissionen der auf dem Bahnhofplatz geschah: Kantonsparlamente, die Polizei «Ein Mann widersetzte sich zuerst zu kontrollieren, «Diese beschäfder aus Sicherheitsgründen erteil- tigen sich aber lieber mit leichteten polizeilichen Anordnung, die rer Kost», so Thommen. Fehlbare Örtlichkeit zu verlassen und in der Polizisten könnten zwar angezeigt Folge auch der ihm eröffneten po- werden, man müsse aber mit Gelizeilichen Wegweisung.» Die Po- genanzeigen der Polizei rechlizisten entschlossen sich daher, nen - wie im Fall von Jäggi. «Die den Mann anzuhalten, der sich meisten Verfahren gegen Poliallerdings mit massiver Körper- zisten werden eingestellt», sagt gewalt zur Wehr setzte und einen Thommen. Polizisten gebissen und verletzt Er kritisiert auch die engen Verhabe, so Gnägi weiter. bindungen zwischen Staatsanwalt Der Fall von Jäggi wirft Fragen und Polizei: «Selbstverständlich auf: Wer kontrolliert Polizisten im sprechen sich Staatsanwaltschaft Einsatz und wie unabhängig ist die und Polizei bei Verfahren manchStaatsanwaltschaft, die eng mit der mal vorher ab.» Es komme hin- *Name von der Redaktion geändert Polizei zusammenarbeitet? Auch zu, dass Polizeieinsätze von der nach der Miss-Schweiz-Wahl im Staatsanwaltschaft untersucht wer-
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Gewaltfreie Nervensägen Transparente bemalen und friedlich marschieren: Eine «einfacheDemo wird oft als zu wenig wirksam empfunden. Kein Wunder, schlagen Kundgebungen deshalb schnell in wütende und bisweilen gewalttätige Demonstrationen um. Gewalt lenkt die Öffentlich jedoch von der eigentlichen Sache ab. Wie kann man friedlich und dennoch originell und effektiv demonstrieren? Text: Segen Woldeyesus, Illustration: Katharina Good
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Der Telefon-Terror-Protest der stillen Heldinnen «Schwarzmalerei» und 27 Jahre Gefängnis sind nicht jedermanns Sache. Und auch wenn Nelson Mandela die Symbolfigur der Anti-Apartheid schlechthin ist, gab es viele stille Helden, die ihn in seinem Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit unterstützten. Weiße Damen der Bürgerrechtsorganisation «Black Sash» betrieben tagelang charmanten Telefonterror bei südafrikanischen Politikern, um Druck auszuüben, damit sich endlich die Bedingungen für Schwarze verbesserten. (1955)
Der Blog-Protest von Malala Yousafzai Malala Yousafzai kämpfte frei nach Bruno Mars' Motto «I catch a grenade for you». Sie sprach sich in ihrem Blog für die Rechte von Mädchen, Kindern und für die Bildung aus. Als Antwort schossen Taliban in ihrem Schulbus auf sie. Sie überlebte. Und spricht heute vor der UNO, kritisiert Obama für sein Drohnenprogramm und hat den Friedensnobelpreis erhalten. Dazu meinte Ban Ki-moon: «Malala has shown what terrorists fear most: a girl with a book.» (2012)
Der Hunger-Protest von Gandhi Von Chicken Masala bis nichts auf dem Teller. Nach acht Monaten Gefängnis begann Mohandas Karamchand Gandhi einen Hungerstreik aus Protest gegen die britische Unterstützung für eine neue indischen Verfassung die Menschen aus der niedrigsten sozialen Kaste verstärkt marginalisieren würde. Sein friedlicher Protest für ein von der britischen Herrschaft unabhängiges, freies Indien und seine Beharrlichkeit für gewaltfreies Protestieren sind es, die Gandhi bis heute zu einem Urvater für gewaltfreie Resistance machen. (1932)
Der Einkaufs-Protest von Ferguson Im letzten Herbst marschierten Demonstranten in New York, Los Angeles, Ferguson und über 170 weiteren Städten friedlich gegen die übertriebene Polizeigewalt. Der Black Friday ist der Freitag nach Thanksgiving und markiert den Start des Weihnachtsgeschäftes in den USA. Um die Märsche zu untermauern, wurde dazu aufgerufen, an diesem Tag nicht einkaufen zu gehen und den Black Friday stattdessen zu boykottieren. (2014)
Pflicht zur Meinungsfreiheit Kommentar von Kaspar Rechsteiner
Wie lange ist spontan? Kommentar von Stephanie Bos
Die freie Meinungsäusserung gehört zur Schweiz wie das weisse Kreuz auf rotem Grund. Warum sollte sich die Bevölkerung also vorschreiben lassen, wo, wann und gegen was sie demonstrieren darf ? Das Weltgeschehen wartet nicht, bis sich die Bürokratiemaschinerie für oder gegen die Erteilung einer Bewilligung ausgesprochen hat. Drei Wochen kann dieses Verfahren dauern und beraubt das Volk damit der spontanen öffentlichen Meinungsäusserung. Nach dem Attentat auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo sind Tausende in ganz Europa auf die Strasse gegangen. Ob es für diese Art von Anteilnahme eine Bewilligung gab, interessiert niemanden. Menschen haben Meinungen, und diese sollen gehört werden. Wir sollten uns nicht abhängig machen von Verfahren, deren Absurdität sich bereits in den Antragsformularen zeigt: Frei nach dem Kantönligeist gibt es diese in Variationen. Während der Kanton Bern detaillierte Informationen einfordert und damit hohe organisatorische Anforderungen an den Veranstalter stellt, existiert in Basel-Stadt nicht mal ein solches Formular, das online zugänglich ist. Spontane Demonstrationen haben eine Energie, die nach drei Wochen Hin und Her mit den Behörden abhandenkommt. Die Kraft einer Menschenmenge, die sich zusammenschliesst, um ihrer Meinung auf der Strasse Gehör zu verschaffen, darf nicht unterschätzt und gebrochen werden.
Die Menschen auf dem Tahrirplatz zeigten ein neues Gesicht des Volkes. Die Mütter der Plaza de Mayo machten ganz Argentinien Mut. Solche Demonstrationen können grossartig sein. Bei Protesten gegen Mächtige fragt keiner nach einer Bewilligung. In einer Demokratie wie der Schweiz ist das Versammlungsrecht garantiert. Doch zu Rechten gehören Pflichten. Wer kümmert sich um die Sicherheit? Den Abfall? Die Verkehrslenkung? Wer zu einer gerechten Sache stehen will, muss Risiken und Folgen in Kauf nehmen – und einiges an Aufwand. Städte und Kantone helfen dabei. Die Zusammenarbeit beginnt mit einem Gesuch. Kein Regierungsrat darf aus politischen Motiven eine Kundgebung unterbinden. Die Polizei erteilt die Bewilligungen und kann sie nur aus verkehrspolizeilichen Gründen oder wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ablehnen. Deshalb stehen bewilligte Demonstrationen auch unter dem Schutz der Polizei. Am letzten «Tanz Dich frei» instrumentalisierte ein schwarzer Block den Anlass. Aus dem Engagement für ein tolerantes Nachtleben in Bern wurde ein Kampf gegen das System. Eine Handvoll Teilnehmende drückte allen andern ihre Meinung auf. Mit einem offiziellen Veranstalter wäre das zu verhindern gewesen. Wer eine Demonstration veranstaltet, mit einem Anliegen an die Öffentlichkeit tritt, und sich nicht zu erkennen gibt, verliert jede Glaubwürdigkeit – und die Sache mit ihr.
Bilder: Katharina Good
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1971: Die blauen Kacheln am Sendlinger Tor sind ein Merkmal von Paolo Nestler, der mehrere MĂźnchner U-BahnhĂśfe entwarf. Dieses Jahr werden die Kacheln verschwinden, denn der Bahnhof wird umgebaut und neu gestaltet.
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Münchens Farben im Untergrund Lange musste die drittgrösste Stadt Deutschlands auf eine U-Bahn warten. Während Berlin und Hamburg ihre ersten Strecken bereits 1902 und 1912 in Betrieb genommen hatten, begann in München vor erst fünfzig Jahren der Bau der ersten Linie. Text und Bilder: Vivienne Kuster
Bereits 1905 gab es erste Pläne für ein Streckennetz im Münchner Untergrund, die aber wegen zu geringer Notwendigkeit in Vergessenheit gerieten. Den nächsten Anlauf zum Bau einer U-Bahn nahmen die Verantwortlichen 1928. Auch dieser scheiterte in der frühen Planungsphase: diesmal aufgrund der Weltwirtschaftskrise. Zur Zeit des Dritten Reiches wurden dann erste Strecken gebaut, die aber wegen kriegsbedingter Knappheit von Ressourcen nicht betrieben werden konnten. Die Tunnel unter der Erde
dienten im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzkeller. 1972 trug München die Olympischen Sommerspiele aus. Das verhalf den U-Bahn-Plänen schliesslich zu einer schnelleren Umsetzung. 1971 fuhr der erste Zug im Untergrund der Stadt – rund 6,7 Millionen Fahrgäste wurden in diesem Jahr transportiert. Heute sind es jährlich 380 Millionen. Die U-Bahnhöfe sind bunt und erzählen Architekturgeschichte. Eine Geschichte, die mit dem Umbau zahlreicher U-Bahnhöfe Münchens stetig weitergeschrieben wird.
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1997: Mit regenbogenfarbiger Gestaltung werden am Candidplatz klare Linien durchbrochen.
1971: Der Marienplatz ist der meist genutzte U-Bahnhof Münchens. Alexander von Bianca wich mit seinem Entwurf 1971 von den anderen U-Bahnhöfen dieser Zeit ab, deren Wände oft in Grautönen gehalten und lediglich die Säulen in einer Farbe gestaltet sind.
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1997: Der säulenlose U-Bahnhof Wettersteinplatz ist mit nur 4.4 Metern Raumhöhe einer der niedrigsten. Das spiegelnde Aluminium an der Decke soll dies optisch ausgleichen.
1971/2009: Durch den Umbau des U-Bahnhofs Münchner Freiheit erhielt der Bahnhof 2009 ein neues und auffälliges Erscheinungsbild.
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Meine ist auch deine Freiheit Freie Medien und freier Zugang zu Information scheinen uns selbstverständlich. Wie zerbrechlich unsere Freiheiten aber in Wahrheit sind, zeigt sich erst in Zeiten der Bedrohung. Gastbeitrag: Luzia Tschirky, Bild: Thi My Lien Nguyen
Als im letzten Sommer das Flugzeug mit der Flugnummer MH17 über dem Osten der Ukraine abgeschossen wurde, sprach mich am nächsten Tag eine Bekannte in Moskau darauf an: «Das war doch die CIA, das habe ich in den Nachrichten gesehen!» Ich versuchte zu argumentieren, ihr zu erklären, dass es schlicht keine Fakten gäbe, die belegen würden, dass der amerikanische Geheimdienst hinter diesem Abschuss stehe. Doch meine Bekannte wollte davon nichts hören. Unter russischen Oppositionellen und Andersdenkenden wird der grösste staatliche Fernsehsender seit Jahren «Zombie-Channel» genannt, weil er
Informationen ohne Fakten verbreitet, als wären sie gewiss. In dem Moment, als ich meine Bekannte davon zu überzeugen versuchte, dass sie diesen Bericht kritisch hinterfragen müsse, begann ich zu verstehen, wie tief unfreie Medien eine Gesellschaft verändern können. Wenn Journalistinnen und Journalisten nicht das berichten können, was geschehen ist, oder zumindest etwas berichten müssen, das jeglicher Tatsachenbasis entbehrt, hat nicht nur die betreffende Journalistin oder der betreffende Journalist ein Problem, sondern die gesamte Gesellschaft. Unsere Unfreiheit wird zur Unfreiheit aller. Sind die Medien nicht frei, ist es niemand.
Journalistin zu sein bedeutet auch, sich bei vielen unbeliebt zu machen. Oft steht man mit Leuten in Kontakt, die nicht wollen, dass über das betreffende Thema berichtet wird. Es ist unangenehm für sie, schafft schlechte Öffentlichkeit oder widerspricht ihrer eigenen Weltanschauungen. Und trotzdem. Auch wenn ich manchmal denke, es gäbe auch einfachere Berufe. Es gibt meiner Meinung nach keinen spannenderen. Durch den Journalismus kann ich Leuten Gehör geben, die ansonsten keines bekommen würden. Ohne freie Journalisten hat bis jetzt noch kein Land als Demokratie bestehen können. Wir sollten unsere Freiheit zu schätzen wissen. Denn sie ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Luzia Tschirky (24) arbeitet zur Zeit als freie Journalistin. Zuvor war sie u.a. für die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens und das «Spiegel» Büro in Moskau tätig. Ihr Fokus auf Russland und Osteuropa ist älter als der Krieg in der Ostukraine.
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Aus dem Land der aufgehenden Sonne Fernsehstar Christine Haruka
steckt sich die exquisite Teestube der Designerin Sara Hochuli. Die RäumChristine aus Zürich beschloss mit lichkeiten sind eng, aber von einer Besechzehn Jahren, allein nach Japan haglichkeit, die dem eigenen Wohnauszuwandern. Als europäische Frau zimmer in nichts nachsteht. In einer ist es schwer, auf dem japanischen Ecke steht ein Regal mit MangahefArbeitsmarkt Fuss zu fassen. Chris- ten, an den Wänden kleben japanische tine schaffte es jedoch: Sie ist heute Weisheiten, alles wohlüberlegt und so eine bekannte Komikerin im japani- erlesen wie die Teesorten, die hier serschen Fernsehen. In europäischen Au- viert werden. Ausserdem kann man gen ist der Humor ihrer Sketche nur kleine Imbisse bestellen und Kuchen, schwer verständlich. Trotzdem sind die eine Augenweide und Gaumendie Filmchen der süssen Schweizerin schmaus zugleich sind. äusserst sehenswert. Ausflug Anime Alps no Shōjo Heidi – Alpenmädchen Heidi
Japanspaziergang mit Ronja Sakata
Durch Zürich bummeln, feinstes Essen schmausen und dabei noch einiges Wer kennt sie nicht – Heidi aus den über Japan lernen? Ronja Sakatas JaBergen, die mit ihrem Grossvater und panspaziergänge machen es möglich. dem Geissen-Peter Ziegen hütet, eines Die Schweizerin, die mit einem Japaner Tages nach Frankfurt zu ihrer Tante verheiratet ist, führt Interessierte an eiziehen muss und dort schrecklich un- nem Abend in die Kultur und Sprache glücklich ist. Die bekannte Roman- des fernöstlichen Landes ein. Auf ihrer vorlage von Johanna Spyri wurde von Homepage gibt es Tipps, Rezepte und einem japanischen Animationsstu- Geschichten rund um Japan. dio in eine Zeichentrickserie verwan- Anlass delt. Die ganze Szenerie wirkt äusserst JapAniMangaNight schweizerisch, die Zeichner reisten Zum 15. Mal findet dieses Jahr die Jatatsächlich in unser Alpenland, um pAniManga Convention statt. Dievor Ort zu recherchieren. Ein Stück ses Jahr findet sie in der KongresshalSchweiz im frühen Anime Stil des bele Davos statt, wo sich an den letzten kannten Regisseurs Hayao Miyazaki. zwei Tagen des Monats Mai wieÜbrigens: Das bekannte «Heidi, deider Anime-, Manga- und Japanfans ne Welt sind die Berge»-Lied ist Titeltummeln, um es am grössten Cossong der Serie.
play-Event der Schweiz so richtig krachen zu lassen. Im Vergleich zu den Cosplay Conventions in JaVon aussen unscheinbar in einer Sei- pan ist die JAN natürlich winzig, tengasse der Zürcher Innenstadt, ver- aber immerhin! Teestube Les Gourmandises de Miyuko
Tatjana Pürro studiert an der Universität Zürich Völkerkunde und Literatur. Wenn sie nicht mit dem Beobachten von Menschen und dem Tragen von Tropenhüten beschäftigt ist, nascht sie gerne Kuchen oder sieht sich asiatische Filme an, in denen alle Schauspieler gleich aussehen. Ihre Lieblingstiere sind Einhörner, sie sucht noch immer den Schrank nach Narnia und momentan lernt sie Indonesisch. Illustration: Yves Haltner
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Studenten-Märsche in Chile Nachdem sich die Studenten in Chile über Jahre hinweg mit jugendlicher Leidenschaft für Reformen im Sozial- und Bildungsbereich eingesetzt haben, stossen ihre Anliegen in der Politik mittlerweile auf Gehör. Die von Präsidentin Bachelet initiierten Bildungsreformen sollen die erhoffte Kehrtwende bringen. Text: Andreas Rüegg
Fünfspurig in beide Richtungen zirkuliert der Verkehr durch das Stadtzentrum von Santiago de Chile. La Alameda, die Strasse mit den Pappelbäumen; ein Nadelöhr im Verkehrskonzept einer in den letzten Jahrzehnten rasant in die Höhe gewachsenen Hauptstadt. Die Agglomeration mitgezählt, leben heute rund sechs Millionen Chileninnen und Chilenen in Santiago. Studenten mobilisieren Widerstand Die Konföderation Chilenischer Studenten (Confech) hatte am 21. August 2014 zum bereits dritten diesjährigen Studenten-Marsch entlang der Alameda aufgerufen. Deshalb wurde die Strasse, an der der Regierungssitz und die zwei wichtigsten Universitäten des Landes liegen, kurz vor Mittag für alle Fahrzeuge gesperrt. Der Bus, mit dem ich in Richtung Plaza
de Armas unterwegs war, fuhr, kurz bevor er die Alameda hätte überqueren sollen, an den Strassenrand. Der Chauffeur drehte sich zu den Fahrgästen um. Noch bevor er die Umstände erklären konnte, war das Ende der Fahrt gewiss – hielt er doch bereits seinen Pausenimbiss in der Hand. Zivilengagement oder Unruhestiftung? Im Gefolge der anderen Passagiere machte ich mich zu Fuss auf. Vorbei ging es an Kastenwägen der Polizei, die aus der Querstrasse hervorlugten. Während ich vorwärts schritt, hörte ich dem Gespräch zweier neben mir gehenden Damen zu. Missmutig hetzten sie über die Studenten her: «Die sollten besser in der Universität lernen, statt Unruhe zu stiften», sagte eine. Auf den ersten Blick schien mir die Meinung der Dame plausibel. Je mehr ich aber über die Gründe
«Studenten marschieren der Alameda entlang (2011) Bild: Wikipedia»
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der Stundenten-Proteste recherchierte, desto mehr ir- ungefähr hatte Bachelet mit Eyzaguirre einen Ökoritierte mich ihre Meinungsäusserung. nomen in das Amt des Bildungsministers gehievt. Neben erhöhten Investitionen in die Infrastruktur Drei Reformen für soziale Gerechtigkeit von Schulen und mehr staatlichen Stipendien, wird in Die Sozialistin Michelle Bachelet war 2006 als ers- beiden Parlamentskammern nun zuerst über bedeute Frau zur Präsidentin Chiles gewählt worden. Nach tende Vorlagen, die das Primarschulwesen betreffen, einer vierjährigen Amtszeit löste sie der konservative abgestimmt. Die Schulgelder auf Primarstufe sollen Milliardär Sebastián Piñera ab. Bachelet übernahm ganz aufgelöst werden, alle vom Staat mitfinanzierin Folge den Posten als Frauenbeauftragte bei den ten Bildungseinrichtungen dürfen keine Gewinne Vereinten Nationen in mehr schreiben und es New York. darf keine SchülerselekSpäter kehrte sie tion mehr stattfinden. pflichtergeben ihren Subventionen erhält nur Zielen gegenüber heim noch, wer sich daran hält und ihr gelang vor eiund als Institution das nem Jahr an der Spitgewünschte Niveau an ze der Mitte-Links-KoUnterrichtsqualität biealition Nueva Mayoría ten kann. Dies hört sich (dt. Neue Mehrheit) die an, als ob viele UnterWiederwahl. Die Wahlnehmer mit einem kleiversprechen, die Bacheneren Stück vom Kuchen let geäussert hatte, warechnen müssten. Als im ren ambitiös. Gleich drei Dezember bei ersten TeiReformen versprach sie labstimmungen im Parfür die kommenden Jahlament eine Mehrheit für re: eine Steuer-, eine Bildie Bildungsreformen dungs- und eine Verfasstimmte, liess Eyzaguirsungsreform. re verlauten, er sei stolz, Voller Tatendrang dass darauf, dass es Konliess die Präsidentin die sens gäbe, jetzt SchritSteuerreform im Konte vorwärts zu gehen und gress mit Dringlichkeit einen Paradigmenwechbehandeln, sodass diese sel einzuleiten. im September 2014 beFür die Studenten noch reits unterzeichnet werungenügende Reformen den konnte. Damit werden die Unternehmen in Die Bildung von Morgen beginnt heute (Nationaler Weniger rosig fassten es Marsch für die Bildung) Chile stärker besteuert die Studenten auf, als die und einige SteuerschlupfRegierung von Michellöcher geschlossen. Die Mehreinnahmen sollen die le Bachelet die konkreten Reformvorhaben verkündefür das Land wegweisende Bildungsreform finanzie- te Enttäuschung . herrschte über die in vieler Meinung ren. allzu abgeschwächten Reformen. Die Confech trat zeitweilig von den Dialoggesprächen mit der RegieBildung von Qualität für alle rung zurück. Viele Studenten nehmen heute, um erst Das Bildungssystem Chiles gehorcht heute – von der studieren zu können, einen Kredit bei einer Bank auf. Primarschule bis hin zur Universität – grösstenteils Dabei häufen sie Schulden an, die sie nachher noch Marktprinzipien. Die öffentlichen Schulen sind oft in jahrelang abbezahlen müssen. Nüchterne Zahlen saeinem desolaten Zustand und die Universitäten teuer. gen aus, wie die Realität aussieht: Der Mindestlohn Den seit 2011 im grossen Stil aufgekommenen Pro- beträgt in Chile umgerechnet 424 US-Dollar im Motesten von Studenten und Schülern ist es zu verdan- nat, ein Studium schlägt je nach Studiengang und ken, dass ein Diskurs um eine notwendige Bildungs- Universität mit bis zu 5 000 US-Dollar pro Semester reform einsetzte. zu Buche. Dass nur die Kinder von wohlhabenderen Familien Hatte Bachelet der Studentenbewegung mit ihren die Chance auf qualitative Bildung erhalten, sei eine Dialoggesprächen den Wind aus den Segeln genomVerschwendung von Talent, beurteilt Bildungsminis- men? Dem widerspricht die 26-jährige Camila Valter Nicolás Eyzaguirre die jetzige Situation. Nicht von lejo, ehemalige Sprecherin der Confech, die zum po-
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«Rebellische Jugend», die Spuren nach einer Demonstration.
pulären Gesicht der chilenischen Studentenbewegung wurde und hierbei auch im Ausland Berühmtheit erlangte: Die Zeitung Guardian wählte sie 2011 zur Person des Jahres. Sie stärkt der Präsidentin und ihren Reformen den Rücken. Camila Vallejo wurde unterdessen als Abgeordnete der kommunistischen Partei, Teil des Bündnisses der Nueva Mayoría, in den Kongress gewählt. Hinweg vom gewinnorientierten Bildungssystem Durch den Zugang zur Bildung für alle soll in Chile eine sozial gerechtere Gesellschaft aufgebaut werden. Um mehrheitsfähig zu sein, hatte die Regierung von Michelle Bachelet wohl entschieden, als erstes nur die Primarschulstufe zu reformieren. Die Damen aus dem Bus und ihre Sicht der Dinge scheinen mir widersprüchlich und für die Vorhaben der Regierung gefährlich. Wer in Santiago mit dem Bus fährt, der gehört für gewöhnlich nicht zu den Vermögendsten zehn Prozent und müsste die Studentenbewegung eigentlich unterstützen, damit in naher Zukunft die Enkelkinder einmal die Chance haben werden, eine Ausbildung mit Studium zu absolvieren. Ein Umbruch findet statt in dem Land, in dem nicht nur die klimatischen Unterschiede zwischen Feuerland und Salzwüste beträchtlich sind, sondern auch die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen, sich mit dem Höchstwert aller OECD-Länder hervortut.
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Umstrittene Mittel gegen Halsschmerzen Wer an Halsschmerzen leidet, greift zur Linderung zu Medikamenten wie Lutschtabletten. Viele wissen jedoch nicht, dass gewisse Präparate Antibiotika enthalten, obwohl Halsschmerzen mehrheitlich durch Viren verursacht werden, gegen die ein Antibiotikum nichts ausrichten kann. Während die Hersteller den Wirkstoff loben, widerspricht das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic sich selbst. Text: Lukas Blatter, Illustration: Silas Bitterli
Es ist eine beunruhigende Zahl, angesichts der zunehmenden Entdeckungen von multiresistenten Keimen: Laut neusten Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 40 Prozent aller Antibiotikaverschreibungen unsachgemäss. Dies sei «vor allem auf die Verschreibung von Antibiotika gegen Erkältungen und Halsschmerzen zurückzuführen, die meist durch virale Infektionen verursacht werden, gegen die Antibiotika nicht wirken», schreibt die WHO in einer Mitteilung von vergangenem November. Ein unsachgemässer Gebrauch von Antibiotika sei «die entscheidende Triebkraft für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen». Apotheker spielten gemäss der Studie der WHO eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Antibiotikaresistenz. Sie entscheiden, ob und wann ein Patient ein entsprechendes Medikament erhält. Etwa im Winter, wenn so mancher an einer laufenden Nase oder Halsschmerzen leidet. Betroffene besuchen dann oft die nächstgelegene Apotheke, um ein Mittel zur Schmerzlinderung zu finden. Viele verlassen die Filiale mit handelsüblichen Lutschtabletten, die ohne Rezept gekauft werden können.
80 Prozent der Fälle durch Viren verursacht werden, gegen die Antibiotika nichts ausrichten können.
Präparate schützen vor Superinfektion Sowohl Novartis als auch Melisana betonen auf Anfrage von Tink.ch, dass ihre Mittel behördlich zugelassen wurden und deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt sei. Bei einer viralen Infektion seien die Mund- und Rachenschleimhaut sowie das Immunsystem geschwächt, bösartige Bakterien könnten so die sonst intakte Barriere überwinden und eine Superinfektion auslösen, so Novartis. Das lokal wirksame Antibiotikum Tyrothricin sei dazu da, «die Anzahl Bakterien auf der Oberfläche der Schleimhaut zu reduzieren». Weil Tyrothricin nicht durch die Schleimhaut aufgenommen werde, habe das Antibiotikum keine systematische Wirkung. Auch Melisana weist auf die Gefahr einer zusätzlichen bakteriellen Infektion hin: So würden neben den Viren oft auch Bakterien «die Gelegenheit der Schwäche des Patienten opportunistisch nutzen und sich ebenfalls stark vermehren». Das Antibiotikum Tyrothricin wirke lokal gegen Bakterien. Weder eine Resistenzbildung von TyRezeptfreie Medikamente enthalten Antibiotika rothricin noch Kreuzresistenzen mit Bekannt ist etwa das Präparat von Novartis, das der anderen Antibiotika seien bekannt, Pharmakonzern unter dem Namen Mebucaïne f ver- schreibt Melisana. treibt und dafür derzeit auch kräftig die Werbetrommel rührt. In einem Werbevideo, das zur besten Sen- Flora werde durch die Mittel dezeit gespielt wird, rühmt der Pharmakonzern neben zerstört der schmerzlindernden und desinfizierenden auch die Doch gerade die Mittel von Noantibakterielle Wirkung des Medikaments. Das Mit- vartis und Melisana würden die tel wird auch kindgerecht in den Geschmacksrichtun- Mund- und Rachen-Flora ohne eigen Zitrone und Kirsche angeboten. Was viele aller- nen Nutzen zerstören, sagte Chrisdings nicht wissen: Den Lutschtabletten sind je vier toph Andreas Fux, Chefarzt InfekMilligramm des Antibiotikums Tyrothricin beige- tiologie am Kantonsspital mischt, die für die antibakterielle Wirkung sorgen. Aarau, bereits vor einem Auch die Lutschtabletten, sowie der Mundspray Jahr der «Schweiz am und die Mundspüllösung mit der Bezeichnung Sange- Sonntag». Eine ausgerol des Schweizer Pharmaunternehmens Melisana ent- wogene Flora stelle norhalten das Antibiotikum Tyrothricin. Bis zu zehn Mil- malerweise einen guten ligramm werden den Arzneimitteln dort zugefügt und Schutz dar. In Präparadies, obwohl bekannt ist, dass Halsschmerzen in über tenwie Mebucaïne f oder
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Der Kampf gegen Resistenzen ist eine der grössten medizinischen Herausforderungen dieses Jahrhunderts.
zen anpreist, schliesst die Zulassungs- und Kontrollbehörde Swissmedic diesen Gebrauch gänzlich aus: «Für virale Infekte ist Mebucaïne offenkundig nicht gedacht.» Das ist ein Widerspruch, denn in der Packungsbeilage von Mebucaïne – die durch Swissmedic genehmigt wurde – ist nirgends erwähnt, dass das Medikament nicht zur Behandlung von viralen Infekten gedacht oder gar zugelassen ist. Patienten erhalten es also auch weiterhin zur Behandlung von ebendiesen Halsschmerzen. Für die korrekte Abgabe des richtigen Heilmittels an den Patienten sei Swissmedic explizit nicht Nicht für virale Infektionen gedacht verantwortlich. «Dafür sind Ärzte und Apotheker Während Novartis das Antibiotikum in seinem Pro- zuständig.» Das sei vom Gesetzgeber ausdrückdukt als hilfreichen Wirkstoff zur Verhinderung von lich so vorgesehen. Damit wird die Verantwortung bakteriellen Infekten bei viral bedingten Halsschmer- ebenjenen überlassen, denen die WHO in ihrer zu
Sangerol sieht Fux zudem den Ursprung für die Zunahme von multiresistenten Keimen: «Die in Lutschtabletten enthaltenen Antibiotika sind mitverantwortlich für die zunehmenden Resistenzen». Zugelassen wurden die Präparate vom Schweizerischen Heilmittelinstitut «Swissmedic». Dort nehme man «das Problem der Antibiotikaresistenz» sehr ernst, wie man auf Anfrage von Tink.ch beteuert. Die Aussage von Fux, die Antibiotika in Lutschtabletten trügen zur Resistenzentwicklung bei, sei «im Licht der wissenschaftlichen Fakten allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit so nicht korrekt».
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Bedeutung von Antibiotika und Alternativen
Beginn erwähnten Studie grosse Verantwortung zurechnet. Antibiotika sind sehr starke und omnipotente Wirkstoffe. Ihre Wirkung verschmälert sich jedoch durch deren übermässigen Einsatz. Ein funktionierendes Gesundheitswesen soll die Genesung von Patienten vorantreiben. Die Abgabe von Antibiotika sollte allerdings nicht an wirtschaftliche Bedingungen geknüpft sein. «Wir müssen uns von dem Konzept der Apotheke als einem Geschäft abwenden und eine Kultur der pharmazeutischen Einrichtungen entwickeln», lässt sich auch die WHO-Regionaldirektorin für Europa, Zsuzsanna Jakab, in der zur Studie publizierten Mitteilung zitieren. Im Kampf gegen die Resistenzen steht der Wissenschaft eine grosse Herausforderung bevor.
Antibiotika haben in der Medizin bis heute eine grosse Bedeutung. Seit deren Entdeckung müssen einfache Infektionen nicht wie früher mit dem Tod enden. Doch die Bakterien sind sehr anpassungsfähig. Durch den übermässigen Einsatz von Antibiotika sind sie in der Lage, durch ihre rasante Fortpflanzung Resistenzen zu entwickeln. Weil viele Präparate bei Patienten heute nicht mehr wirken, kommen neu auch die vorerst nicht zur Behandlung vorgesehenen Reserveantibiotika zum Einsatz. Doch einige Keime sind unterdessen selbst gegen diese Mittel resistent. Einem Forscherteam unter Berner Leitung gelang anfangs November des letzten Jahres der Durchbruch in der Entwicklung einer neuen Alternative zu Antibiotika. Die sogenannten Liposomen sollen von Bakterien ausgestossene Giftstoffe einfangen, wodurch diese keinen Schaden an Körperzellen anrichten könnten, heisst es in der Mitteilung des Forscherteams. Da Liposome nicht gegen die Bakterien, sondern gegen deren Toxine wirkten, könnten laut den Forschern auch keine Resistenzen entstehen. Bereits vor den Antibiotika entdeckten Wissenschaftler die Bakteriophagen, eine Virenart, die sich Bakterien als Wirt zunutze machen, um sich schneller vermehren zu können. Dabei stirbt der Wirt ab und die bakterielle Infektion kann geheilt werden. Weil Antibiotika leichter anzuwenden sind, wurde die Forschung mit den Viren gestoppt. Erst seit dem Aufkommen von multiresistenten Keimen ist diese Therapiemethode wieder in den Fokus der Wissenschaft gerückt.
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Ja
Bist du über 18?
Shi!
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Nope.
Nein
Noch nicht
Ich rede nicht mit Fremden
Gefallen dir Asiatische Filme?
Fremde? So was gibts doch nicht.
Redest du gerne mit wildfremden Leuten über Gott und die Welt?
Text Vera Probst, Illustration Katja Rutz
Noch nie gehört
Ja schon
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Ja klar
Ja
Fünf Oscars lügen nicht.
Hat dir «American Beauty» gefallen?
Gehst du auch mal allein ins Kino?
Nein
Ja
Trauriger gehts doch nicht
Überhaupt nicht
Magst du Steve Buscemi?
Ach was.
Manchmal ist untertrieben...
Hast du manchmal das Gefühl, dass dich niemand richtig versteht?
Trinkst du gerne heisse Schokolade, während du mit deiner Katze kuschelst?
Welchen Film soll ich heute Abend schauen?
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Machst du dir gerne Gedanken über kontroverse Themen?
Blut? Wo? Argh!
Eigentlich nicht
Klar
Little Children 2006, Todd Field Möchtest Du wissen, was bei der perfekten Familie von neben an so abgeht, wenn niemand zu schaut? «Little Children» wirft einen Blick hinter die Kulissen eines ganz normalen Vororts. Spielplätze, Ehekrisen, Schwimmbäder, Kate Winslet, Untreue und Patrick Wilson. Viel Spass.
Wie bitte? Würgh!
Kannst du damit umgehen, wenn ein lebendiger Tinten fisch vor einen Augen geges sen wird?
Oldboy 2003 park Cahn-Wook Du hast also starke Nerven und magst asiatische Filme? «Oldboy» dreht sich um Rache und die Aufarbeitung der Vergangenheit. Dieser Film ist ein muss für jeden Filmfreak, aber Achtung: Er ist ab 18. Zu Recht.
Natürlich
Unbedingt!
Kannst du Blut sehen?
Nein
Jeden Tag
Her 2013, Spike Jonze Der schönste Liebesfilm über einen Mann und eine Maschine, den es gibt. Die absurde, aber nicht realitätsfremde Geschichte berührt und überzeugt. Getragen wird der Film von dem wunderbaren Joaqin Phoenix und der sehr charmanten Scarlett Johansson – ohne Körper...
Ja
Könntest du dich in Siri verlieben?
Fühls du dich manchmal so als würdest du nicht in diese Welt gehören?
Ghost World 2001, Todd Field «Ghost World» ist ein Film für diejenigen, die sich nicht gut an die oberflächliche Gesellschaft gewöhnen können und auch nicht Teil davon sein wollen. Der Film ist wunderschön, merkwürdig, lustig, frech – und nicht ganz normal.
Ja
narütlich nicht
Hast- du schon mal wäh rend dem Film das Kino verlassen?
Aufgeben liegt nicht drin Ein Leben in der Illegalität bedeutet oftmals ein unsichtbares Leben. Der Schritt an die Öffentlichkeit und somit die Chance auf Bildung ist nicht selbstverständlich. Die Geschichte einer jungen Sans-Papiers. Text und Bilder: Mira Weingart
Sans-Papiers in der Schweiz
Sans-Papiers sind, wie der Begriff bereits sagt, Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Experten gehen von bis zu 300 000 Menschen aus, die ohne geregelten Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben. Diese Schätzungen beruhen mehrheitlich auf der Zahl verhängter Einreisesperren und untergetauchter Asylsuchender. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, die einen illegalen Status haben, stösst das Gesetz in der Schweiz an seine Grenzen. Einerseits schreibt die Kinderrechtskonvention ein Recht auf Bildung, das auch einen Lehrabschluss beinhaltet, vor. Andererseits müssen, um dem Ausländergesetz gerecht zu werden, alle illegal anwesenden Ausländer ausgewiesen werden. Vor zwei Jahren wurde deshalb eine Gesetzesänderung vollzogen, die es jugendlichen Sans-Papiers unter gewissen Bedingungen erlauben soll, eine Lehre zu absolvieren.
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«Tut mir leid, ich muss um 17 Uhr schon wieder auf den Zug. Weisst du, den Kleinen abholen», die junge Frau lächelt entschuldigend. «Der Kleine» ist ihr Sohn, eineinhalbjährig. Die Mutter ist 18 Jahre alt. In der westlichen Kultur ist das eher ungewöhnlich, nicht so im Heimatland von Jamilia*. «In Kenia ist es normal, so früh Kinder zu haben. Meine Mutter war 16 Jahre alt, als ich zur Welt kam.» Als ihre Mutter ein zweites Mal schwanger wurde, liess sie ihre Kinder kurzerhand bei der Grossmutter: «Wir haben unser ganzes Leben lang gemeint, unsere Grossmutter sei unsere Mutter.» Bis diese starb. Jamilia und ihr Bruder hielten sich für Vollwaisen, bis sie von ihrer Mutter aufgesucht und in das vermeintliche Paradies mitgenommen wurden – die Schweiz. Nun leben die junge Frau und ihr Bruder bereits seit sechs Jahren hier, haben beide die Schule besucht, die Sprache erlernt und sich ein soziales Netz aufgebaut. Vor Kurzem ist Jamilia sogar in eine eigene Wohnung in der Nähe von Zürich gezogen – ohne den Vater ihres Kindes. Sie ist nicht mehr mit ihm zusammen. «Das ist schon toll, dass ich nun etwas Eigenes habe mit meinem Kind.» Zuvor hatte sie unter anderem in Asylzentren und Heimen gelebt. Trotz dieser Unstetigkeit ist für sie in der Frage nach Heimat sofort klar: «Natürlich fühle ich mich hier zu Hause!» Der Weg zu dieser Selbstverständlichkeit war lang und ist noch nicht zu Ende. Enttäuscht worden sei sie oft, seit sie hier lebe. «Du kommst in ein Land, hast Träume und versuchst, alles zu machen – die Sprache zu lernen, mit den Leuten zu kommunizieren.» Dann sei es umso schwieriger, wenn immer nur Briefe vom Migrationsamt kämen, die einen daran erinnerten, dass man das Land wieder verlassen müsse. Trotzdem sei es auch eine Erleichterung, in der Schweiz leben zu können: «Wir sind in einem Land, in dem du zur Schule gehen kannst, wo du ein Dach über dem Kopf hast, wo du Essen bekommst», erklärt Jamilia und fügt an: «Es geht kein Tag vorbei, an dem ich zu wenig Essen habe.» Einen kurzen Moment scheint sie nachdenklich zu werden und man kann sich vorstellen, dass sie in ihrer Vergangenheit
in Kenia einige Male mit einem leeren Magen zu Bett gehen musste. Doch diese Nachdenklichkeit macht wieder einem breiten Lächeln Platz. Jamilia wirkt aufgeweckt und lacht viel. Die Augen funkeln, wenn sie von ihrem Bruder oder ihrem Sohn erzählt, und sie gestikuliert oft wild mit den Händen, um zu veranschaulichen, was sie erklärt. Schulabschluss – und dann? Die junge Frau hat ihren Schulabschluss in der Tasche, doch weiter geht es noch nicht. Sie kenne die Gefühle der Perspektivlosigkeit, Angst und Unsicherheit nur allzu gut. Diese Empfindungen beschreibt Jamilia auf verschiedene Arten: «Du musst dich ständig fragen, für was du eigentlich lebst, wenn du nicht mal arbeiten kannst.» Das sei ein sehr schwieriges Gefühl und zeige sich oft darin, dass man ängstlich und depressiv werde. Manchmal macht Jamilia eine kurze Pause oder verspricht sich. Sie sucht nach den richtigen Worten. «Ich kann dieses Gefühl nicht beschreiben. Aber man fühlt sich einfach unsicher», hängt sie an und scheint zufrieden mit diesem Ausdruck. Dieses Unsicherheitsgefühl zeige sich oft im Alltag, vor allem wenn man sich in der Öffentlichkeit bewege. «Oft gibt es Kontrollen von der Polizei.» Das scheint bei ihr paranoide Gefühle auszulösen: «Ich habe ständig das Gefühl, alle Leute schauen mich an auf der Strasse.» Sie malt sich aus, was passieren würde, wenn sie auffliegt: «Wenn die mich nach Kenia schicken, bringe ich mich lieber selber um.» Die Angst – ein ständiger Begleiter Die Angst im Alltag ist auch in den Gedanken präsent. Gerade wenn die junge Frau an ihre Zukunft denkt: «Ich möchte etwas erreichen, weil ich weiss, ich habe nichts.» Aber so einfach sei das nicht, erklärt sie: «Immer ist etwas im Weg.» Diese Hindernisse können Angst vor der Öffentlichkeit sein oder eben die Zurückweisung. «Wenn du dich bewirbst und dann sagst, du hast keine Aufenthaltsbewilligung, sagen sie sofort Nein.» Vier Lehrstellen hätte Jamilia sofort gekriegt, wenn sie die gültigen Aufenthaltspapiere besessen hätte. Die junge Frau erkennt darin einen Teufelskreis: «Du darfst nicht arbeiten, wenn du keine Bewilligung hast. Aber du bekommst keine Bewilligung, wenn du keine Arbeit hast.» Aus diesem Teufelskreis auszubrechen ist schwierig. Mit der Geburt ihres Sohnes hat Jamilia wieder Hoffnung gefasst. «Er ist meine Motivation. Vor der Schwangerschaft war es mir egal. Ich hatte keine Freude am Leben.» Mit einem Kind habe man nicht mehr nur Verantwortung für sich selber. Darum ist für die junge Kenianerin klar, dass sie sich für ihre Zukunft einsetzen muss: «Ich möchte, dass mein Kind einmal sagen kann: ‹Wow, meine Mutter hat das gemacht, das studiert.›» Schliesslich könne sie ihren eigenen Sohn später nicht für die Schule motivieren, wenn sie selber nichts erreicht habe. Darum ist Aufgeben für sie keine Option.
«Natürlich fühle ich mich hier zu Hause!»
*Name der Autorin bekannt
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Ein Cover entsteht Text und Bilder: Daniel Barnbeck
Antibiotika
Unsachgemässe Verschreibungen tragen zu Multiresistenzen bei.
Seite 21
Protestmarsch
Chilenische Studenten fordern eine Bildungsreform.
Seite 18
Polizei im Kriegsmodus Wie vertrauenswürdig ist unser Rechtsstaat?
Seite 6
Ausgabe Nr. 18 | 1 / 2015 | CHF 6.00 (Schweiz) | CHF 9.00 (Ausland)
Wo Journalismus beginnt
Im Gegensatz zu den meisten Bildern, welche in unserem Magazin zum Einsatz kommen, dient das Cover-Bild mehr illustrativen als journalistischen Zwecken. Es soll symbolisch für das übergeordnete Thema der jeweiligen Ausgabe stehen und muss dabei dennoch eine ganze Reihe inhaltlicher und technischer Anforderungen erfüllen. So verfügt ein gutes Cover neben der reinen Information auch über ausreichend «Zugkraft» um vom ersten Blick an das Interesse eines potentiellen Lesers zu wecken. Am Anfang eines Covers steht immer ein gute Idee und ein daraus erarbeitetes Konzept. Um beim eigentlichen Covershooting Probleme vermeiden zu können wird jedes Detail im Voraus geplant. Erst dann geht es an die Umsetzung. Kostüme und Makeup werden organisiert, Fotografen und Models angefragt und schlussendlich findet das Shooting statt. Den letzten Schliff erhällt das Cover-Bild dann in der digitalen Nachbearbeitung. Hinter dem Cover steckt also nicht nur ein aufwändiger Prozess, sondern auch ein eingespieltes Team, welches Hand in Hand arbeitet um dem Tink.ch-Magazin zum richtigen Auftritt zu verhelfen.