Wenn Kinder sexy sind
Ein Pädophiler über sein Leben, Anstalten - und seine Nichte. Seite 26
Terror-Touristen
Wie in Brüssel Jugendliche für den Jihad angeworben werden. Seite 18
694 Kilogramm Wir Schweizer sind Europameister im Produzieren von Abfall.
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Ausgabe Nr. 17 | 4 / 2014 | CHF 6.00 (Schweiz) | CHF 9.00 (Ausland)
Wo Journalismus beginnt
Impressum Redaktion
Sandro Bucher (Chefredaktor) Kaspar Rechsteiner (Leiter Print) Anita Béguelin (Stv. Chefredaktorin) Tatjana Pürro (Stv. Chefredaktorin) Manuela Paganini (Leitung Layout und Bild) Text
Sofiya Miroshnyk Helen Dahdal Simon Keller Rade Jevdenic Basil Koller Thomas Widmer (Gast) Vera Probst Matthias Strasser Sandro Bucher Kaspar Rechsteiner Bild
Matthias Käser Jendrik Schréder Katharina Massmann
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Katharina Good Samoa Schorr Basil Koller Yves Haltner Silas Bitterli Layout
Manuela Paganini Anina Guntli Oliver Hochstrasser Katharina Good Daniel Barnbeck Yves Haltner Korrektorat
Anita Béguelin Titelbild
Gian-Luca Frei
Editorialbild Ice Graf
Verlagsleitung
Daniel Barnbeck
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Kennst du die Goldene Himbeere? Jährlich verleiht ein Komitee aus Filmkritikern, Journalisten und Filmschaffenden Plastikhimbeeren, die auf Super-8-Filmrollen geklebt und mit Goldfarbe überzogen werden. Was man für diese Ehre tun muss? Ganz einfach: Die schlechteste Leistung in einer der Kategorien erzielen. Auch Herr und Frau Schweizer sind unrühmliche Gewinner. Mit 694 Kilogramm Abfall pro Jahr und Kopf sind wir Europameister! Yeah..? Sofiya Miroshnyk beleuchtet die Hintergründe. Wie es ganz anders gehen könnte, zeigt das Startup «Original Unverpackt» aus Berlin. Helen Dahdal besucht den Supermarkt, der ganz ohne Einwegverpackungen auskommt. Gleichzeitig besucht Matthias Strasser das Brüsseler Quartier Molenbeek. Während alle paar Monate Fussball-Instruktoren den Alltag der Quartierjugend brechen, beginnt der Jihad. Jugendliche aus Molenbeek ziehen in den Nahen Osten, um sich dem Krieg zu verschreiben. In dieser Ausgabe berichten wir aus Deutschland, Belgien, der Türkei und der Schweiz. Unsere Reporterinnen und Fotografen waren vor Ort und haben Geschichten für dich festgehalten, und denen wollen wir dich nun überlassen. Bis zum nächsten Mal! Sandro Bucher und Kaspar Rechsteiner Chefredaktor Tink.ch Deutschschweiz, Leiter Print
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Inhalt
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2014
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19.4 Millionen Tonnen 6
Soviel Müll fällt jährlich in der Schweiz an. Was passiert damit? Und wer verdient daran?
«Original Unverpackt» 9
Sarah Wolf hat in Berlin den ersten Supermarkt ohne Einwegverpackungen eröffnet. Wir sprechen mit ihr über Bananen, Crowdfunding und die Zukunft.
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Recht auf Abfall
Was das ist und ob der Mensch eines hat? Zwei Autoren sind da unterschiedlicher Meinung.
12 Stillstehen
Im Ameisenhaufen Istanbul sind die ganz ruhigen Momente die seltensten – und vielleicht schönsten.
16 Tee mit einer Kaiserin
Journalist Thomas Widmer erzählt von seinem Treffen mit Farah Diba, der Witwe des Schahs von Persien .
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Cage kann alles
Egal ob zum Schauen, Lesen oder Hören: Nicolas Cage gewinnt immer. Unsere Kurztipps.
Jihad und Fussball 18
Im Brüsseler Quartier Molenbeek liegt beides nah beieinander.
22 Fundamentalismus
Radikale Strömungen erweisen sich als grösstes Problem des 21. Jahrhunderts.
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Gefährliches Pflaster
Solltst Du an die nächste Familienweihnachtsfeier gehen? Oder dich lieber verkriechen? Wir haben die Antwort.
26 Pädophilie
NewMan ist pädophil und spricht darüber. Wie er sich seiner Nichte gegenüber verhält und wo in Gesetzen Nachholbedarf besteht.
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Wegwerfgesellschaft Lassen Sie mich raten: Diese Zeitschrift landet, sobald sie zu Ende gelesen wurde, im Abfall. Sie werden diese nicht einfach in den Kehricht werfen, sondern sachgerecht als Altpapier entsorgen. Aber was geschieht mit Ihrem Abfall? Text: Sofiya Miroshnyk, Bild: Matthias Käser
694 Kilogramm Abfall produzieren Schweizerinnen und Schweizer pro Jahr und Kopf. Damit sind wir Europameister einer Abfallstatistik der europäischen Datenbehörde. Die Gesamtabfallmenge nimmt stetig zu, seit 1990 um 33 Prozent. Das Bundesamt für Statistik begründet dies durch das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Abfall scheint unvermeidlich zu sein. 19.4 Millionen Tonnen Müll sind in der Schweiz 2011 angefallen. Die eine Hälfte der Haushaltsabfälle wird rezykliert, die andere wird in den Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) verbrannt. Sonderabfälle werden ins Ausland exportiert. Gleichzeitig werden Abfälle aus dem Ausland importiert, um die Auslastung der KVA zu sichern. Das Import - Export - Geschäft mit unserem täglichen Müll boomt. 2013 wurden 32 744 Tonnen Sonderabfall in die Schweiz importiert. Laut Bundesamt für Umwelt landeten 32 041 Tonnen davon in Verbrennungsanlagen. Moderne Anlagen, wie beispielsweise das Forsthaus Bern, produzieren aus unserem und ausländischem Abfall Strom und Fernwärme. Strom, der über Umwege unter anderem an die Stadt Bern weiterverkauft wird.
Holzheizkraftwerk und dem Gasund Dampf-Kombikraftwerk in Fernwärme, Strom und Dampf um. Die Gewinne und Verluste aus der Kehrichtverwertung fliessen nicht ins Jahresergebnis von Energie Wasser Bern (ewb) ein. Hierzu wurde in der Sparte Kehrichtverwertung im Jahr 2012 eine Rückstellung «Spezialfinanzierung» gebildet. Die Bilanz wird durch diese Rückstellung ausgeglichen. Der produzierte Strom wird zu 50 Prozent durch den ewb- internen Stromhandel bewirtschaftet. Die anderen 50 Prozent gehen an das schweizerische Übertragungsnetz Swissgrid und werden mit der kostendeckenden Einspeisevergütung entschädigt. Die Aktiengesellschaft Swissgrid ist im Besitz der Mehrheit der Schweizerischen Übertragungsnetze. Einziger wiederverwertbarer Sekundärrohstoff der KVA ist das Alteisen, das an einen lokalen Schrotthändler verkauft wird.
Deutschland als Vorbild? Ein lukratives Geschäft macht die Abfallindustrie beispielsweise mit Zementfabriken. Deutschland gilt als Vorbild für Abfall trennung. Und doch wird Abfall, wenn besonders energiereich, an Zementhersteller verkauft. Dieser Forsthaus Bern Abfall wird verbrannt, auch wenn 115 000 bis 117 000 Tonnen Keh- man den Müll auf bereiten und richt pro Jahr wandelt die Ener- wiederverwenden könnte. Eine giezentrale Forsthaus mit der Win-win-Situation, denn die ZeKehrichtverwertungsanlage, dem mentfabrikanten ersparen sich so
Ein Blick in die Energieanlage Forsthaus: Die entstandene Schlake wird in eine Recyclinganlage gebracht und dort feiner getrennt.
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das vergleichsweise teure Erdöl oder Erdgas. Modernes Recycling Edmund Hillary, Erstbesteiger des Mount Everest, hat einmal gesagt: «Die Kletterer haben den Mount Everest in die höchstgelegene Müllhalde der Welt verwandelt.» Wo immer der Mensch hinkommt, hinterlässt er Müll. Die Einkäufe von heute sind Abfälle von Morgen. Wertvolle Abfälle. Allein die teilweise noch voll funktionsfähigen Handys, die alle in der Schublade auf bewahren, enthalten Edelmetalle im Gesamtwert von einigen Millionen Franken. Doch anstatt diese Schätze erneut einzusetzen, landen viele Elektroprodukte in der Dritten Welt, wo Kinder die Schätze wieder ausgraben. Für einen halben Beutel Eisen erhalten sie umgerechnet etwa einen Schweizer Franken. Die Metalle werden unter prekären und gesundheitsschädigenden Bedingungen wiedergewonnen und über Umwege an die Mobiltelefonhersteller weiterverkauft. Auch das ist eine Form von Recycling, ohne Spur von Nachhaltigkeit. Verpackungsindustrie Ist die Rede vom Abfall, darf die Verpackungsindustrie nicht vergessen werden: 230 Betriebe, 18 600 Angestellte, 6.5 Milliarden Franken Umsatz (Stand 2012). Seit einigen Jahren verzeichnet die Verpackungsindustrie einen leichten Rückgang. Wen wundert es also, dass sogar Verpackungen verpackt sind? An dieser Stelle könnte man sich fragen, ob sich die Verpackungsindustrie und die KVA gegenseitig den Ball zuspielen. Ein Argument dagegen ist die Kritik der KVA an der Herstellung der Verpackungen. Denn wenn eine einzige Shampooflasche drei verschiedene Kunststoffe enthält, stossen auch die modernsten Sortieranlagen an ihre Grenzen. Die Art der Verpackung wird jedoch selten von Verpackungsfirmen selbst bestimmt. Diese führen vielmehr den Auftrag der Designer
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aus. Für die Designer jedoch ist vor allem eines wichtig: Auffallen soll sie, die Shampooflasche.
behoben. Heute reicht ein angebrochener Nagel, um die gefühlt tausendsten Strümpfe zu zerstören. Und doch gehen wir raus und kaufen wieder ein. Das Konsumieren ist zu einem Erlebnis, einer Freizeitbeschäftigung, einer Sucht geworden. Die Kunden werden mit Pheromonen in die Läden gelockt. Luxus ist sexy, Luxus ist geil. Zum Luxus gehört aber auch, dass man sich über die Folgen seines Konsums keine Gedanken macht.
Alles bloss Luxus? Als eine vom Konsum geprägte Gesellschaft kennen wir alle möglichen Formen von Abfall: Von der eingepackten Gurke im Supermarkt über riesige Mengen an Elektroschrott bis hin zu radioaktiven Abfällen. Aber auch ein Drittel der produzierten Lebensmittel wird weggeschmissen. Haben wir das Recht auf Abfall, oder Cradle to Cradle sind wir einfach nur verwöhnt? Bevor sie den nächsten Artikel lesen, bevor das Magazin im Altpapier landet, bitte ich Sie, sich eine Jüngere und gebildete Welt ohne Abfall auszumalen. Die Menschen schmeissen Vorstellung aufleben zu lassen ist nicht einfach, denn schliesslich mehr weg. wird früher oder später alles zu Untersuchungen der deut- Abfall. schen Privathaushalte, durchCradle to Cradle hat sich diegeführt von TheConsumerView ser Utopie verschieben. Produkte GmbH, zeigen, dass die Jünge- sollen so hergestellt werden, dass ren und die gebildeten Menschen sie zu 100 Prozent wiederverwenmehr wegschmeissen. Diese Pro- det werden können. Flugzeugsitzblematik versucht der Historiker bezüge, Bürostühle, Unterwäsche Anselm Wagner zu begründen: und viele andere Projekte konn«Zum Luxus gehört, dass man aus te der Verein durch Zusammenardem Vollen schöpft und dass man beit mit der Industrie bereits reaauch Werte vernichtet.» Und wei- lisieren. Vielversprechend ist das ter: «Das Vernichten von Wert ist Projekt, weil es das Abfallproblem ein Ausdruck von Reichtum.» Was an der Ursache zu bekämpfen vernutzt aber die ökologische Bildung, sucht. Kritiker sagen dazu, dass wenn genau die Menschen, die komplett wiederwendbare Produkdiese erhalten, am meisten weg- te kaum mithalten können, wenn werfen? es um die Qualitätsstandards geht. Aber lohnt es sich nicht gerade desKonsumgesellschaft halb, in die Forschung und EntVor kurzem ist ein neues Smart- wicklung der Projekte zu invesphone auf den Markt gekommen. tieren? Wir fliegen auf den Mond, Obwohl das alte noch einwand- operieren Fische und lassen Blinde frei funktioniert, lechzen einige wieder das Tageslicht sehen. In Sabereits nach dem neuen Gerät. So chen Abfall meinen wir aber noch verhält es sich mit allen Konsum- zu oft: «Aus den Augen, aus dem gütern, ausser mit denen, die wir Sinn!» Demnach stellen wir wohl gerne noch länger brauchen wür- zu tiefe Ansprüche an die Techden: TV-Geräte, Glühbirnen oder nologie, biologisch abbaubare ProNylonstrumpfhosen. Diese haben dukte mit hoher Qualität herzustelnämlich eine Sollbruchstelle. Eine len. Womit sich auch die tiefen zur solche, die kurz nach Ablauf der Verfügung gestellten ForschungsGarantie ihre Wirkung entfaltet. mittel erklären. Aber im Ernst: Als Nylonstrümpfe erfunden und Wie schwer kann es denn sein, eizum ersten Mal verkauft wurden, nen Plastikbecher herzustellen, der waren diese so gut wie unzerstör- nicht an Qualität verliert und denbar. Schnell wurde das Problem noch biologisch abbaubar ist?
Die Revolution gegen den Müllwahn «Original Unverpackt» in Berlin-Kreuzberg ist der erste Supermarkt, der ohne Einwegverpackungen auskommt. Tink.ch sprach mit der Gründerin Sarah Wolf über ihre Vision, über das Thema Nachhaltigkeit und darüber, wie sich die Gewohnheiten der Gesellschaft verändern werden. Interview: Helen Dahdal, Bilder: Jendrik Schröder, Katharina Massmann
Sarah, du hast erst vor kurzem deinen Laden eröffnet. Du bietest Lebensmittel und Produkte «Original Unverpackt» an. Was war der auslösende Moment für deine Idee? Der war vor zwei Jahren mit meiner Mitgründerin Milena Glimbovski. Wir hatten einen schönen Abend mit viel Wein. Wir hatten viel gegessen und am Schluss war der Müll voll mit irgendwelchen Verpackungen. Wir haben uns dann überlegt, dass es doch auch ohne Verpackungen gehen sollte. Danach schrieben wir einen Businessplan und nahmen erfolgreich an Wettbewerben teil. Schliesslich entschieden
wir, unser theoretisches Kon- dann muss man es selbst in die zept auch umzusetzen. Hand nehmen. Woher kam die Motivation, die Idee zwei Jahre lang weiterzuverfolgen?
Wie soll man sich den Betrieb vorstellen?
Irgendwann haben wir erkannt, dass sich viele Leute einen solchen Laden wünschen. Man hatte nirgends die Möglichkeit, unverpackt einzukaufen. Es war ein Thema, das uns beschäftigt und auch genervt hat. Als normale Uni-Absolventin denkt man sich: «Wie soll ich denn jetzt einen Supermarkt aufmachen, das ist ja verrückt.» Aber wenn es sonst niemand in Angriff nimmt,
Wir haben einen Ladenbetrieb, der vom Produzenten bis hin zum Endverbraucher fast komplett auf Verpackungen verzichtet. Von der Lieferpalette bis zum Laden gibt es keine klassischen Einwegverpackungen. Wir benutzen «Umverpackungen», das heisst verschiedene Gefässe, Säckchen und Beutelchen. Man kann sich die Produkte dann in die selbst mitgebrachten Behälter abfüllen.
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Funktioniert das bei allen Produkten? Einige Lebensmittel sind sicher schwer, unverpackt anzubieten.
halb an, damit die Transportwege kurz sind und wir die Umwelt schonen können. So unterstützen wir zudem die Bauern hier in Eigentlich haben wir Lösun- der Gegend. Wenn es die Lebensgen für wirklich fast alles ge- mittel in Berlin gibt, warum sollfunden. Im Moment bieten wir te man sie von woanders holen? kein Fleisch an, aber das liegt am Platzmangel. Womit wir uns wirklich schwer tun, ist alles, Ihr habt euer Projekt unter anderem was normalerweise in Konser- mit Crowdfunding finanziert. 4000 ven angeboten wird. Auch für Unterstützer teilten eure Vision und die Ersätze von Milch suchen investierten über 100 000 Euro. Ist wir noch eine Lösung. Denn die- das ein Zeichen eines Umdenkens? se werden wirklich immer im Tetrapack produziert. Wir vermuten, dass die Leute vom jetzigen Einkaufsmodell genug und keine Lust mehr auf den Es gibt auch Lebensmittel, die man ganzen Abfall haben. Deswegen nur schwer umweltfreundlich ankonnten wir mit unserer Vision bieten kann. Das sind zum Beispiel viele Leute erreichen. Ja, durchAvocados, Kaffee oder Bananen. Wir bieten diese Lebensmittel trotzdem an. Für uns gilt die Devise, dass wir prinzipiell nichts gegen Welthandel haben und dass man schöne Produkte auch importieren und geniessen kann. Aber man muss eben nicht alles von überall herschicken. Bei uns kommt das Obst und Gemüse vor allem aus der Region, bis auf ein paar Ausnahmen, wie eben Bananen. Diese sind zwar nicht regional, aber dafür aus biologischem Anbau. Heisst das, ihr bietet mehrheitlich Bioprodukte an?
Hofft ihr, dass auch der Grosshandel zur Vernunft kommt und die «Verpackungssucht» überdenkt?
Das unverpackte Einkaufen hat viel Aufmerksamkeit erregt. Ich bin ziemlich sicher, dass diese Welle nicht so schnell wieder ab«Wenn es sonst niemand flachen wird. Die grossen Konin Angriff nimmt, muss zerne und Produzenten haben man es selbst in die Hand das sicher auch mitbekommen. Es ist ein Zeichen dafür, dass das nehmen.» Umdenken vorhanden ist und ein aus. Vor ein paar Jahren hat man weiteres Umdenken stattfinden angefangen, mit dem Stoffbeu- wird. Der Grosshandel hat damit tel einkaufen zu gehen, anstatt vielleicht auch bemerkt, dass die andauernd Plastiksäcke zu ver- Kunden die schrillen Verpackunwenden. Das Umdenken ist in- gen gar nicht unbedingt wollen zwischen überall. Man denkt in und dass es viel moderner ist, der Gesellschaft nachhaltiger mit wenig Verpackung zu produund damit auch an die Zukunft. zieren. Dies wird in Zukunft eine Man ist nicht mehr nur im Hier neue Marketingstrategie sein: und Jetzt. Wenig und umweltschonende Verpackung.
Das Weiterleben eures Ladens hängt auch vom Engagement der KunGenau, 80 bis 90 Prozent un- den ab. Man muss die Verpackungen seres Sortiments stammt aus selbst mitbringen, sich selbst bedienen biologischem Anbau. Doch die und sich das Ablaufdatum selbst nowichtigsten Produkte sind auch tieren. Für das schnelle Einkaufen konventionell im Laden vorhan- nach der Arbeit kann es für Viele zu den, weil wir wollen, dass jeder mühsam sein. sich etwas leisten kann. Tierische Produkte, Gemüse und Obst Das stimmt natürlich, aber das sind aber alle Bio, da machen verhält sich ähnlich wie mit dem wir keine Ausnahmen. Wir bie- Stoffbeutel: Fast niemand hätten regionale Produkte auch des- te vor fünf oder sechs Jahren ei-
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nen Stoffbeutel zum Einkaufen bereit gehabt, heute ist das Standard. Ich sehe fast nur noch Leute, die vorbereitet einkaufen gehen. Bei uns kann man sich auch Behälter und recycelte Taschen besorgen, in die man genauso gut Nudeln und Reis abfüllen kann. Wenn man das unverpackte Einkaufen für die Kunden attraktiv macht und sie begeistern kann, dann kommen sie auch wieder.
Was sind eure nächsten unmittelbaren Schritte? Wir wollen zuerst dafür sorgen, dass der Laden und die Prozesse perfekt laufen. Schliesslich sollen die Kunden rundum glücklich sein. Sobald wir dann finanziell am richtigen Punkt stehen, werden wir weiter expandieren und unseren nächsten Laden eröffnen.
Das Gesetz der Abfalllosigkeit Kommentar von Simon Keller
In der Natur gibt es keine Abfälle. Alles, was von Lebewesen produziert wird, wird auch früher oder später verwertet. Eine Ausnahme ist der Mensch. Er hat es geschafft, Stoffe zu entwickeln, die in der Natur nicht vorkommen und von keinem Lebewesen abgebaut werden können. Ein alltägliches Beispiel ist Plastik, gebraucht und dann weggeworfen. Auf diese Weise hat der Mensch das Gesetz der Abfalllosigkeit der Natur gebrochen. Sicherlich ist es eine schwierige Frage, inwiefern sich der Mensch den Gesetzen der Natur unterwerfen muss oder soll. Dennoch gibt es gute Gründe dafür, dass auch der Mensch abfalllos sein sollte. Denn auch wenn die moralischen Pflichten des Menschen gegenüber der Natur strittig sind, so scheint klar, dass der Mensch gegenüber anderen Menschen und auch leidensfähigen Tieren der Gegenwart und der Zukunft moralisch verpflichtet ist. Durch die Einfuhr von Abfall in die Natur werden Kreisläufe gestört und die Natur wird unberechenbar. Riesige Plastikinseln im Meer oder auch die Bildung des Ozonlochs durch FCKW-Stoffe sind Beispiele dafür, dass der Mensch durch Abfall Schaden angerichtet hat, der möglicherweise irreparabel ist. Der Mensch hat kein Recht auf Abfall. Ein solches Recht wäre verantwortungslos gegenüber anderen Menschen, Tieren und zukünftigen Generationen.
Illustration: Katharina Good
Verantwortung wahrnehmen Kommentar von Rade Jevdenic
Der Mensch hat das gleiche Recht auf Abfall wie jedes andere Lebewesen. Natürlich produziert der Mensch viele Stoffe, die sehr langsam zerfallen. Doch jeder Stoff zerfällt irgendwann. Die vielen Materialien, die die Menschheit heutzutage verwendet, sind darauf zurückzuführen, dass unser komplexes Leben eine Vielfalt an Werkstoffen verlangt. Es ist unmöglich, alle davon biologisch verträglich herzustellen. Und schliesslich wissen wir ja nicht, welchen Abfall andere Tierarten erzeugen würden, wenn sie eine so anspruchsvolle, weltweite Infrastruktur betreiben würden, wie es der Mensch tut. Hinzu kommt, dass der direkte Eingriff in bestehende Ökosysteme keine menschliche Erfindung ist - im Gegenteil. Zum Beispiel beeinflussen Biber durch ihre Staudämme genauso den Lebensraum anderer Tiere. In der Natur gilt nun mal das Gesetz des Stärkeren. Viel wichtiger als die Frage nach dem grundsätzlichen Recht auf Abfall ist, ob wir als Gesellschaft uns bewusst sind, welche Verantwortung wir dadurch tragen, dass wir langsam zerfallende Stoffe produzieren. Handeln wir im Rahmen unserer Möglichkeiten rücksichtsvoll und nachhaltig? Wir müssen statt bei Verboten viel eher bei der Sensibilisierung ansetzen. Denn Abfall zu verhindern, ist unmöglich. Die Menge und Zusammensetzung können wir jedoch beeinflussen. Wenn wir nur wollen.
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Viele Viertel in Istanbul beherbergen nur eine ein zige Sorte an Geschäften. So finden sich ganze Quartiere, in denen auss chliesslich Drucker verkauft werden.
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Der Grosse Bazar ist ein riesiger Marktkomplex, in dem mindestens 20 000 Menschen arbeiten.
Der ruhende Pol Istanbul ist eine Stadt voller Farben und Gerüche. Auf unzähligen Märkten werden Gewürze gehandelt und Textilien verkauft. Unser Fotograf hat Menschen entdeckt, bei denen die Zeit dennoch still steht. Text und Bild: Basil Koller
In Istanbul, der viertgrössten Stadt der Welt, ist es laut. Kaum jemand steht still. Da werden Waren auf Rollwagen durch die engen Gassen gekarrt, da wird emsig um potenzielle Kunden geworben und geschickt mit Gewichten und Massgrössen hantiert. Es scheint, als sei die ganze Stadt in Bewegung. Als hätten die fünfzehn bis zwanzig Millionen Einwohner – die genaue Zahl
kennt niemand – vergessen, was es heisst, still zu stehen. Aber es gibt sie: Menschen, die sich im türkischen Istanbul auch mal auf einen Stuhl oder eine Treppenstufe niederlassen, um sich eine Pause zu gönnen. Sie sind leicht zu übersehen in dem hektischen Treiben. Doch wenn man sich Zeit nimmt und innehält, sieht man sie, die ruhenden Pole in einer Stadt, die ständig in Bewegung ist.
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Das berühmte türkische Auge entspringt einem alten Aberglauben, der in Istanbul stark verbreitet ist. Das blaue Glasamulett soll den «bösen Blick» abwehren.
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Bei über 30 Grad wird auch gerne eine längere Pause eingelegt.
Im Juli wird im Islam der Ramadan gefeiert. Den Gläubigen ist es verboten, tagsüber Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
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Abenteuer in Virginia Beim Treffen mit der Schahwitwe fühlt sich der bravste Journalist wie ein Agent. Gastbeitrag: Thomas Widmer
Thomas Widmer, 52, ist Teamleiter (Hintergrund / Analyse) beim Tages-Anzeiger. Bild: zVg
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Beruflich würde ich mich als Höhlenbär bezeichnen. Mir ist es an meinem Schreibtisch am wohlsten, ich redigiere mit Freuden, schreibe gern Artikel über Historisches, analysiere in Ruhe Dinge, die draussen passieren. Einmal aber, im März 2004, war mein Journalistenleben kurz ein Agentenfilm. Ich hatte per Zufall einen Interviewtermin bei Farah Diba bekommen, der Witwe des Schahs und früheren Kaiserin von Persien. Per Mail wurde mir von einem amerikanischen PRBüro bedeutet, ich hätte mich an dem und dem Tag in dem und dem Hotel am Rande Washingtons bereitzuhalten. Man werde mich kontaktieren. Ich flog nach Washington, checkte in dem Hotel ein, schaute mir einen Film an, bestellte eine Pizza und schlief. Am nächsten Tag schrillte tatsächlich vormittags das Telefon. Ein Mann war dran. Er gab mir eine Adresse in Virginia. Es seien gut zehn Meilen vom Hotel, ich solle ein Taxi nehmen und um 15 Uhr dort sein. Das Taxi trug mich durch welliges Land; unübersichtliches Gelände, Buchenwald. Wir kamen zu einer riesigen Villa. Am Tor stan-
den bewaffnete Wächter. Ich zeigte meinen Pass, wir wurden eingelassen. Direkt vor der Villa der zweite Check. Zwei schwarze Riesenbodyguards, wie sie Michael Jackson hatte, durchsuchten mich und musterten eingehend mein Diktafon. Ich durfte eintreten. Man platzierte mich in einem Salon. Es gab Tee. Ich fühlte mich fremd in meinem Anzug. Schliesslich fuhr draussen eine Limousine vor. Die Kaiserin stieg aus, eine schöne, allerdings verhärmte Frau von 65 Jahren in einem edlen Deux Pièces. Sie gab mir die Hand, war liebenswürdig, man setzte sich, ich begann mit: «Majestät, wie sähe Iran aus, wenn der Schah noch an der Macht wäre?» Man kann das Interview nachlesen, es ist die Sicht einer traurig-tapferen Frau auf ihr verlorenes Land. Bei der Tür zum Garten wachte die ganze Zeit ein Mann mit einer Maschinenpistole. Ich war zufrieden, als ich ins Hotel zurückreiste, um mein Gepäck zu holen und heimzufliegen. Zurück an meinen Schreibtisch wo seither ein Journalist sitzt, der auch einmal etwas Spannendes erlebt hat.
Cage-Tipps Schauspieler Nicolas Cage (*1964) Ob als Magier mit Rockstarfrisur, wütender Autofahrer aus der Hölle oder im Körper von John Travolta: Cage kann aus jeder noch so bescheuerten Drehbuchidee eine unterhaltsame Show machen. Übrigens: Gerüchten zu Folge wurde für den Film «Ghost Rider» kein CGI benötigt, da Cage auf Kommando in Flammen aufgehen kann. Film Vampire‘s Kiss (1989) Nicolas Cage als psychopathischer Literaturagent, der sich einbildet, dass er von einem Vampir gebissen wurde? Perfekt! In dem Film kann man unter anderem bestaunen: Vampirzähne aus Plastik, Cage, wie er die Augen aufreisst und herumbrüllt und die beste Rezitation des ABCs, die die Filmgeschichte je gesehen hat.
und die Pflanzenbestäubung danken, auch für die Filmgeschichte hat die Biene Grosses getan. Einen seiner bekanntesten Auftritte hatte das Tier im Jahr 2006 im Film «The Wicker Man»: zweimal hintereinander wird Nicolas Cage fast von einem Bienenschwarm umgebracht. Der verzweifelte Aufschrei «Aaaaah, not the bees!» klingt uns immer noch in den Ohren.
Leben erwecken. Schade, dass der geplante Film «Superman Lives» nie gedreht wurde: Ein Drehbuch von Kevin Smith, Tim Burton auf dem Regiestuhl und Nicolas Cage als Superman. So hätten wir den Kryptonier bestimmt noch nie gesehen.
Buch Ghost Rider Ultimate Collection (2012) In den neunzehn Comicheften Superheld kann man die Abenteuer von JohnSuperman (Clark Kent) ny Blaze, dem Motorradfahrer, der Christopher Reeve, Henry Ca- seine Seele dem Teufel verkauft vill und Brandon Routh haben hat, nachlesen. Das brennende eins gemeinsam: Sie alle haben Skelett auf heissen Rädern schickt versucht, den Mann aus Stahl auf böse Dämonen zurück in die Hölle der grossen Leinwand darzustel- und verbringt ab und zu selbst Zeit len. Aber den Helden aller Hel- in der flammenden Unendlichkeit. den konnte keiner so recht zum Eine höllisch heisse Lektüre!
Lied Love Me Tender (Elvis, 1990) Zwölf Jahre bevor Nicolas Cage mit Lisa Marie Presley, der Tochter des King of Rock, für vier Monate verheiratet war, sang er im Film «Wild At Heart» von David Lynch den romantischsten aller Ohrwürmer: «Love Me Tender». Das perfekteLied für das Happy End während eines Sonnenuntergangs. Das Nuscheln von Cage stört nur ein bisschen. Tier Biene Dem fleissigen Arbeitstier können wir nicht nur für den Honig
Vera Probst (21) ist gelernte Rockträgerin, lebendes Filmlexikon, Technikmädchen im Jungen Theater Solothurn und selbsternannte Nicolas-Cage-Expertin. Momentan studiert sie Barologie in der Univer sität Landhaus Solothurn und leitet die Filmredaktion von Tink.ch. Illustration: Yves Haltner
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Im Herzen Europas beginnt der Jihad Brüssel ist das politische Zentrum der EU, des grössten europäischen Integrationsprojekts. Doch in der Stadt tun sich gewaltige soziale Gräben auf. In islamischen Quartieren sind Rekrutierungszellen für den Islamischen Staat aktiv. Die Integration scheint gescheitert, die Regierung machtlos zu sein. Text: Matthias Strasser, Bilder: Samoa Schorr
Es ist ein guter Samstag für die Jungen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Die Stadtverwaltung hat ein paar Fussball-Instruktoren angeheuert. Diese sollen eine Freizeitbeschäftigung in das Viertel bringen, das wahlweise als strukturschwach, multikulturell oder No-Go-Zone bezeichnet wird.
werke, die Van Ostaeyen mit Fakten abgleicht, die er über islamistische Gruppen in Belgien gesammelt hat. Ganze Datenbanken sind so mit der Zeit herangewachsen. Van Ostaeyen geht davon aus, dass auch die in Frankreich, Deutschland und Holland publizierten Zahlen nicht stimmen. Jene des ICSR seien nach wie Das europäischen Parlament um die Ecke vor deutlich zu tief, twitterte er nach dessen jüngsIrgendwo hier, in dem zentral gelegenen Brüsseler ter Publikation. Die unterschiedlichen Zahlen maStadtteil, nur vier U-Bahnstationen vom europäischen chen deutlich: Die Probleme, die durch islamistische Parlament entfernt, beginnt der Jihad. Das zumindest Kämpfer entstehen, beginnen schon bei der Erkensagt der belgische Arabist Pieter van Ostaeyen. Er nung ihres Ausmasses. Und sie gehen dort weiter, wo trägt Hinweise aus sozialen Netzwerken über islamis- es darum geht, die Wurzeln des Heiligen Kriegs in tische Bewegungen in Europa zusammen, speziell in Westeuropa zu lokalisieren. Belgien. Die Auswertungen zeigen, dass auch Kämpfer aus Molenbeek in den Kampf für den Islamischen Jihad-Rekrutierungen in Molenbeek Staat ziehen. Der Islam ist allgegenwärtig am Parvis St. Jean. Die Instruktoren haben auf dem zentralen Place de Aber von Islamismus oder gar Jihad ist nichts zu seParvis St. Jean-Baptiste in Molenbeek ein Strassen- hen an diesem Nachmittag in Molenbeek. Und trotzfussballfeld aufgebaut. Gespielt wird vier gegen vier. dem ist sich Van Ostaeyen sicher: «Wir haben einige Hakim möchte es lieber alleine mit seinen Gegnern aufnehmen. Er ist dreizehn, vielleicht vierzehn JahVor dem europäischen Parlament kennt re alt. Durchschnitt unter den Spielern. Die Apotheke auf der anderen Strassenseite ist in arabischen Let- kaum jemand den Weg nach Molenbeek. tern angeschrieben. Aus dem Fernseher in einem Café plärrt die arabische Übertragung eines Leichtathle- Hotspots in Brüssel identifiziert. Dort wird rekrutikwettkampfs. Frauen sind kaum zu sehen. Touristen tiert.» Rund um den Nordbahnhof etwa, oder eben kommen nur selten nach Molenbeek. in Molenbeek: Nach dem Niedergang des einstigen Handelsviertels zerfiel das Quartier. Bald zogen «Offizielle Zahlen gibt es nicht» Immigranten, überwiegend aus Marokko, nach MoBelgien gehört zu den bedeutsamsten europäischen lenbeek. Mittlerweile sind andere Nationalitäten dazu Herkunftsländern für ausländische Kämpfer, die für gekommen. den Islamischen Staat in den Krieg ziehen. Das International Centre for the Study of Radicalisation Fast 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit (ICSR) in London spricht von 296 belgischen Kämp- Quartiere wie Molenbeek sind innen heruntergekomfern, die nach Syrien gereist sind. «Offizielle Zahlen men und bieten aussen Raum für Stigmen und Spegibt es nicht», ist aus dem belgischen Aussenminis- kulationen. Die meisten Brüsseler fahren da nicht hin, terium zu erfahren, lediglich Schätzungen. Diese be- wenn sie es nicht müssen. Der von der Stadt bestellwegten sich zwischen 250 und 300 Kämpfern. te Fussballinstruktor auf der Parvis St. Jean kann das verstehen: Es sei halt ein «quartier pas très favorisé». Schätzungen sind deutlich zu tief In Reiseführern ist zu Molenbeek zu lesen, man solle Pieter Van Ostaeyen geht von knapp 400 Kämpfern das Gebiet auch tagsüber meiden. aus. Mindestens 36 von ihnen seien im Kampf geDurch diese soziale Grenze, die sich mitten durchs storben. Van Ostaeyen trifft diese Aussagen aufgrund Brüsseler Stadtzentrum zieht, entstand über die Jahre Auswertungen sozialer Netzwerke. Er freundet sich eine nahezu abgeschottete Parallelgesellschaft. Wähmit den Kämpfern unter falschen Namen an, tauscht rend der Anteil der Bevölkerung mit muslimischem Nachrichten mit ihnen aus. So ergeben sich Netz- Hintergrund in Belgien etwa vier Prozent beträgt, be-
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Strukturschwach, multikulturell, No-Go-Zone: Austausch zwischen Molenbeek und dem übrigen Brüssel gibt es kaum.
sprüngliche belgische Gesellschaft. Und auf der anderen Seite die Einwanderer.» Die Ghettoisierung der eingewanderten Bevölkerung ist der Nährboden für extremistische Bewegungen, die eine Abschottung nach aussen fördern wollen. Diese Bewegungen etablieren sich nicht nur als Sittenpolizei und Bierverbot moralische, sondern auch als ordnungspolizeiliche Die Abschottung des Quartiers zeigt sich nicht nur in Instanz. Reporter der Deutschen Welle berichten, sie nackten Zahlen. «Viele Belgier haben keinen Kontakt seien in Molenbeek bereits 2006 von einer Art Sitzur muslimischen Gemeinschaft hier im Land», sagt tenpolizei bedroht worden, weil sie einen öffentlichen Van Ostaeyen. «Auf der einen Seite haben wir die ur- Markt filmten. Ähnliche Gruppen dürften auch dafür trägt er in Brüssel nahezu einen Viertel, wie eine Statistik von NPdata zeigt. In Molenbeek dürfte der Anteil der muslimischen Bevölkerung indes noch viel höher sein. Brüssel gilt deshalb auch als Hauptstadt des Islams in Europa.
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Das Kopftuch ist für Frauen in Molenbeek eine Selbstverständlichkeit. Der Islam ist im Quartier allgegenwärtig.
verantwortlich sein, dass in den Cafés am Parvis St. Van Ostaeyens Nachforschungen wird dennoch eins deutlich: Es reisen nicht nur junge, abenteuerlustige Jean kein Bier ausgeschenkt wird. Männer nach Syrien. «Der Älteste, den wir identifiOpa und Enkel gemeinsam zieren konnten, war 64-jährig». Der Jüngste – ebenBis vor zwei Jahren war in Belgien die salafistische falls aus Molenbeek – sei seinem Bruder nachgeGruppe «Sharia4Belgium» aktiv. Ihr Sprecher, Fouad reist, der bereits in Syrien kämpfte. «Ein Rätsel» sei Belkacem, forderte die Todesstrafe für Homosexuel- das, «unerklärbar», wie er Syrien allein habe erreichen le und wollte in Belgien einen Islamischen Staat er- können – «er ist vor wenigen Wochen vierzehn Jahre richten. Offiziell hat sich die Gruppe 2012 aufgelöst, alt geworden.» Der Fall von Younes machte weit über Belkacem wurde wenig später verhaftet. Doch Pie- Belgien hinaus Schlagzeilen. Vierzehn Jahre, das ist so alt wie Hakim. Der verter Van Ostaeyen ist sich sicher, dass das Netzwerk im Untergrund weiter existiert, auch wenn die meisten sucht auf dem Parvis St. Jean gerade erfolglos, sich alMitglieder nach der Auflösung nach Syrien gegangen leine zum gegnerischen Tor durchzudribbeln. seien. «Die sind mit grosser Wahrscheinlichkeit immer noch dabei, in Belgien Leute für den Jihad an- Die Folgen: Unklar zuwerben.» Dazu kämen andere Gruppen, etwa die Pieter Van Ostaeyen sagt: «Wenn wir die ältesten und Resto Du Tawhid, welche von einem Brüsseler Kon- die jüngsten Kämpfer wegrechnen, kommen wir auf vertiten geleitet wird, und Hassprediger wie Angem ein Durchschnittsalter von etwa 21 Jahren.» Der soziChondary, die bereits eine neue Sharia4Belgium-Be- ale Hintergrund der Kämpfer ist uneinheitlich. «Wir wegung fordern. Erstaunlich offen treten die radika- wissen von Leuten mit hohen Abschlüssen, Ingenieulen Muslime dabei in sozialen Netzwerken auf. Das ren, einige haben ein Doktorat gemacht», so Van OstProblem dabei sei immer dasselbe, so Van Ostaeyen: aeyen. Ein Belgier sudanesischer Abstammung betrei«Man realisiert erst, dass die Kämpfer nicht mehr in be heute in der Nähe von Rakka ein Wasserkraftwerk Belgien sind, wenn sie beginnen, Nachrichten aus Sy- für den Islamischen Staat. rien zu versenden.» So werden sie für das kleine Land Und dann sind da noch die Kämpfer, wie sie sich zum Risiko, ohne dass sie greif bar sind. Ein klares, gerne inszenieren und inszenieren lassen. Van Osteinheitliches Profil haben die Abgereisten nicht. Bei aeyen nennt sie: «Die Psychopathen, die mit abge-
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westliche Staaten zum Thema. «Im schlimmsten Fall beginnen sie damit, den Westen mit Selbstmordattentätern anzugreifen», so Van Ostaeyen. Mit überfallartigen Angriffen einer Armee und Geländegewinnen, wie sie im Irak zu beobachten sind, sei dagegen nicht zu rechnen. Rückkehrer tauchen unter Ein eigentliches Rezept hat Belgien gegen diese Einzeltäter noch nicht gefunden. Viele Kämpfer werden nach der Rückkehr verhaftet und vom belgischen Sicherheitsapparat durchleuchtet. Aber der belgische Staat kenne nicht alle Rückkehrer, sagt Van Ostaeyen. Während das Aussenministerium von 70 Rückkehrern ausgeht – «wieder lediglich eine Schätzung»,
«Unerklärbar, wie er Syrien alleine erreicht hat. Er ist vor wenigen Wochen vierzehn Jahre alt geworden.» wie der Sprecher betont – zählt Van Ostaeyens Datenbank nur 27. Diese Datenbank sei zwar nicht vollständig. «Aber sie zeigt mindestens einen Rückkehrer, der noch nicht verhaftet wurde», so van Ostaeyen. «Der rennt jetzt irgendwo in Belgien rum.» Und ja, das bedeute, dass das Leben in Europa jetzt gefährlicher werde. Das Problem scheint zu gross zu sein, nicht nur für Belgien, sondern für die ganze westliche Staatengemeinschaft. Während die Integration am Rand von schnittenen Köpfen posieren.» Er kennt sie mit Na- Quartieren wie Molenbeek an ihre Grenzen stösst, men, tauscht mit einigen Nachrichten aus. «Die findet die Radikalisierung weit in den Hinterhöfen meisten wollen nicht zurückkommen.» Viele strebten und in sozialen Netzwerken statt. Dabei wäre die Inein Leben im Islamischen Staat an. Aber wenn doch tegration ein frühzeitiger Schutz. Die jedoch braucht einige zurückkommen, werden sie zum Risiko. «Ein Zeit, die in Molenbeek derzeit nicht vorhanden ist. Wie also auf die Schnelle mit den radikalisierten kleiner Teil davon ist gefährlich», so Van Ostaeyen. Muslimen umgehen? «Kann ich nicht beantworten», «Sie gehen nach Jerusalem» sagt auch Pieter van Ostaeyen. «Ich habe keine AhMomentan gehe die Gefahr vor allem von mehr oder nung, was zu tun ist. Ich weiss es nicht.» weniger unabhängigen Einzeltätern oder kleinen Gruppen aus, die nicht direkt mit den Kämpfern im Keine Rezepte vorhanden Islamischen Staat zusammen arbeiten. Wie gefährlich Auch der belgische Staat hat im Grunde keine Idee, sie werden können, zeigte sich im vergangenen Mai, wie er mit dem Problem umgehen soll. Die Polizisals ein Schütze im Jüdischen Museum von Brüssel mit ten, die den Posten nahe des Parvis St. Jean verlaseiner Kalaschnikow vier Menschen tötete. «Ich ken- sen, begegnen dem Problem mit dicken, kugelsichene nicht eine einzige direkte Verbindung zwischen ren Westen. Und die Stadtverwaltung organisiert alle dem Anschlag und dem Islamischen Staat», sagt Pie- paar Monate Beschäftigungsangebote für die Jungen in Molenbeek. Auf Presseanfragen, die im Rahmen ter Van Ostaeyen. So oder ähnlich werden laut Van Ostaeyen auch dieser Recherche gestellt wurden, möchte die Bürgerin Zukunft Angriffe in westlichen Staaten aussehen. meisterin lieber keine Antwort geben. Dies lässt sie Zwar gehe es dem Islamischen Staat vorderhand dar- über eine Pressesprecherin nach mehrmaliger Nachum, sein Territorium im Nahen Osten zu sichern. Der frage ausrichten. Vormarsch konzentriere sich auf die allawitischen Vielleicht wird in ein paar Monaten wieder FussGebiete in Syrien. «Dann werden sie nach Damas- ball gespielt auf dem Parvis St. Jean. Wenn das Wetkus gehen, am Ende nach Jerusalem.» Aber wenn das ter mitspielt und die Stadtverwaltung bei der FussKalifat den eigenen Grossmachtsansprüchen im Na- ballschule anruft. Wie viele Belgier bis dahin in den hen Osten genüge, würden koordinierte Angriffe auf «Heiligen Krieg» ziehen, weiss niemand.
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«Extremismus gibt es nicht» Tony Blair bezeichnete es als das grösste Problem des 21. Jahrhunderts: Fundamentalismus. Durch welterschütternde Ereignisse wie die Terroranschläge vom 11. September oder die Gräueltaten des IS wird oft nur von islamischem Fundamentalismus als neuzeitliche Erscheinung gesprochen. Dabei gab es diese Tendenzen schon immer – in allen Weltreligionen. Text: Sandro Bucher
Religiöser Fundamentalismus blickt auf eine lange Tradition zurück: Der siebte Kreuzzug nach Jerusalem nach Francesco Hayez (1838 - 1850). Bild: Palazzo Realo, Turin. Bild: malerei-meisterwerke.de
Die im wahrsten Sinne des Wortes mittelalterliche «Cruzada» der katholischen Kirche, antisemitische «Orthodoxie» im Namen des Kommunismus, «Gusch Emunim» im jüdischen Israel, «Bharatiya Janata» im hinduistischen Indien, der islamistische «Jihad» im Nahen und Mittleren Osten: Fundamentalismus hat seit jeher viele Namen. So vielseitig wie seine Bezeichnungen sind auch die für militante Menschen verlockenden Varianten seiner Vielfältigkeit.
te gilt diese Aussage als eines der berühmtesten Zitate des Protagonisten der Arbeiterbewegung. Dass die Wirkung der Religion nur bedingt Ähnlichkeit mit einem beruhigenden Schmerz- und Schlafmittel aufweist, glaubt nicht nur Wolfgang Wippermann, Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin: «Marx hatte mit seinem Vergleich nicht Recht. Religion kann schlimmer als Opium sein. Religion kann die Menschen wie die Drogen Kokain und Crack aufputschen und aggressiv ma«Das Kokain des Volks» chen.» Mit dieser These eröffnet Wippermann sein In seiner Schrift «Zur Kritik der Hegelschen Rechts- Buch «Fundamentalismus – Radikale Strömungen in philosophie» aus dem Jahr 1844 bezeichnete Karl den Weltreligionen». Tink.ch sprach mit dem FunMarx die Religion als Opium des Volks. Bis heu- damentalismus-Experten im Rahmen des «Extremis-
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mus-Schreibens» vom ehemaligen Premierminister des Vereinigten Königreichs, Tony Blair, das Anfang Jahr in der britischen Wochenzeitung «The Observer» veröffentlicht wurde.
fehlleitender Begriff: «Extremismus gibt es nicht. Bei diesem Konstrukt werden linke und rechte Bewegungen und Parteien, die sich zu weit von einer imaginären und niemals genau definierten Mitte entfernt haben sollen, kriminalisiert.» Wippermann betont, dass Islamistischer Splitter der Begriff weder in der deutschen Verfassung, noch Ein Grossteil der deutschsprachigen und amerika- in irgendeinem Gesetz des Landes auftauche. nischen Bevölkerung assoziiert Fundamentalismus ausschliesslich mit der islamistischen Ausrichtung Auge um Auge der falsche Ansatz und ignoriert dabei, dass die radikalen Strömungen Durch den unerbittlichen Vormarsch des Islamischen in sämtlichen Weltreligionen auftauchen. Das zei- Staats (IS) werden in der internationalen Gemeingen diverse Umfragen, die unter anderem in England, schaft unlängst wieder Stimmen laut, die WaffenlieDeutschland und den USA durchgeführt wurden. ferungen für die Kurden und militärische InterventiWippermann warnt vor dieser einengenden und engs- onen fordern. Wippermann ist sich sicher, dass damit tirnigen Sichtweise: «Es ist falsch, unter Fundamen- der falsche Ansatz gewählt wird: «Mit militärischen talismus nur den islamischen zu verstehen. Die Leute, Interventionen kann man weder den islamischen, die das machen, kritisieren den Splitter und überse- noch den christlichen, jüdischen, hinduistischen oder hen den Balken in ihren Augen.» einen anderen Fundamentalismus überwinden.» Das Debatten-dämpfende Definitions-Dilemma Um Fundamentalismus zu bekämpfen, muss man nicht nur verstehen, dass er in allen Weltreligionen auftaucht, sondern auch, dass seine Ursprünge genauso divers sind.
Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit des Anderen anfängt. Wegweisend ist demgemäss der regelmässige Aufruf, über religiösen Fundamentalismus zu reden. Dieser Appell ist nicht nur an sämtliche Glaubensgemeinschaften gerichtet, sondern an alle Menschen, die sich eine friedfertigere Zukunft ohne Hass und diskriminierendes Gedankengut erhoffen. So lobenswert der rege Austausch auch wäre: Oft werde bei dem Gespräch über Fundamentalismus unbewusst der falsche Ansatz gewählt, mahnt Wippermann. Definitorische Differenzierungen sind bei komplexen Themen wie Religion schwer einzuhalten, nicht zuletzt auch durch die in der Realität fliessenden Übergänge von einem Extrem ins andere. Denn extrem ist Fundamentalismus nicht. Der in den Medien oft erwähnte «Extremismus» ist, so Wippermann, ein
Gratwanderung der Toleranz Dass der Kampf gegen den Fundamentalismus nicht nur auf politischer, sondern hauptsächlich auch auf der theologischen Ebene geführt werden muss, zollt seinen Tribut: Eine neutrale Einschätzung des Themas ist nicht möglich, da die Gotteslehre seit jeher durch ideologische Wertvorstellungen eines jeden praktizierenden Gläubigen neu definiert wird. Das zeigt auch eine Studie des Schweizer Nationalfonds, die Ende Oktober 2014 veröffentlicht wurde: «Über das eigene Bild von Gott und das Praktizieren einer Religion entscheidet in der sogenannten Ich-Gesellschaft jede und jeder für sich alleine.» Trotzdem gilt in der Religion dieselbe Grundregel wie überall, wo sich demokratische und friedliebende Modelle aufzeichnen: Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit des Anderen anfängt. Wenn sich die Religionsfreiheit und die Rechts- und Verfassungsordnung anbellen, muss letztere gewissenlos zubeissen. Denn ob das militante Denken gestützt wird durch schriftliche Erzeugnisse, oder ob der Glaube nur als pervertierter Vorwand genutzt wird, um Mordaufrufe und Unterdrückung im Namen Gottes zu rechtfertigen: «Fundamentalismus», so Wippermann, «ist gefährlich und nicht zu tolerieren.»
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Nein
Ja
Nein
Machst Du mit?
Ja
Wird musiziert? Nein
Alle paar Monate
Bisschen singen halt
Nein, knapp nicht
Zählt rhythmisches Kopfnicken?
Ja...
Musst du alle Geschenke gleich als Pfand oder Rückzahlung wieder abgeben?
Ja
Wie oft siehst du deine Familie?
Hast du bei Familienmitgliedern Schulden?
Ich verschicke die Liedbüchlein
Zählt deine Familie mehr als zwölf Mitglieder?
Bist du bei der Feuerwehr und alle werden übermütig?
Nein
Ja
Erwarten alle Familienmitglieder Geschenke?
Oft.
Text: Kaspar Rechsteiner, Ilustration: Silas Bitterli
Ufff!
Nein
Ja, hab mein Studium geschmissen
Gibt es jemanden in einer schlimmen Situation?
Ja
Weiss deine Familie davon?
Ja, ich lebe jetzt mit einem pensionierten Swinger-Paar in einer WG
Ja, ich bin nach Jahren wieder Single
Hat sich viel verändert im letzten Jahr?
Nur an Weihnachten
Familienweihnachten - raus oder Schmaus?
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Ja Du armes Schwein.
Geh früh! Wahrscheinlich wird es gut. Wahrscheinlich. Damit die gute Tendenz zu Beginn der Feier nicht flöten geht: Geh früh. Dann plauderst Du zu später Stunde und vom Alkohol beseelt Zeug, dass Du eigentlich nicht solltest. Und wahrscheinlich hast Du Genossen, die das auch so sehen. Reserviert euch in einer Bar einen Tisch auf 23 Uhr – und geniesst Weihnachten fernab von Fettnäpfchen.
Ja
Das neue Gebiss von Oma
Ja
Ja
Geh nicht hin! Tu Dir selber einen Gefallen, und lass diese Weihnachten ausfallen. Wirklich, es ist besser so. Schick ruhig eine Karte – aber geh nicht hin. Ausser Du bist ziemlich masochistisch veranlagt. Dann nur zu.
Nein
Hast du mal unter den Baum gekotzt?
Nein
Deine arme Leber Wenn Du keine genetisch bedingt saugute Leber hast, kann die Feier doch ziemlich gefährlich werden. Solche Belastung Jahr für Jahr, und warscheinlich nicht nur an Weihnachten... Pass auf, ja?
Dein schlimmer Lebenswandel
Ui Überlegs Dir gut. Die Gefahr ist gross, dass Du dich mit mehr als unappetitlichen Themen befassen musst oder Du von zwielichtigen Familienmitgliedern angestarrt wirst. Wenn Du keinen echt triftigen Grund hast hinzugehen – tu`s nicht.
Exkremente des Familienbabys
Sexuell übertragbare Krankheiten
Der Getränkelaster kommt am 23.
Gibt es Alkohol?
Welches ist das potentiell schlimmste Gesprächsthema?
Nein
Dein armes Portemonnaie Die Chancen stehen hoch, dass Du nach der Feier Privatkonkurs anmelden musst. Tja.
Nein
Magst du ihn als einzigen?
Voll easy Na, da scheint ja keinerlei Gefahrenpotential vorhanden zu sein. Es Ja wird wohl wie immer – ganz OK und gut so. Du musst mit keiner Wagenladung an Geschenken auffahren und alles läuft rund.
Nein
Habt ihr einen schleimigen Onkel?
Ein Leben ohne Sex? NewMan ist pädophil. Mit Tink.ch spricht der in Deutschland wohnhafte Mann darüber, weshalb er einige der geltenden Gesetze im Kinderschutz für bedenklich hält. Text: Sofiya Miroshnyk, Illustration: Silas Bitterli
Sätze wie «Allen Pädophilen sollte man den Schwanz abschneiden» oder «Alle Pädophilen auf eine Insel!» sind der Grund, warum NewMan mit uns unter einem Pseudonym spricht. Als Jugendlicher merkt NewMan, dass er sich zu Mädchen mindestens genau so stark hingezogen fühlt wie zu Frauen. «Ich dachte, dass alle so fühlen, jedoch niemand darüber spricht.» Diese Wahrnehmungsverzerrung wird ihm später im Präventionsprojekt Dunkelfeld «recht unsanft» klar gemacht. Alles beginnt «zunächst harmlos», wie er sagt. NewMan interessiert sich für Frauen und Mädchen. Fifty-Fifty, glaubt er. Als er jedoch anfängt, sich auf Webseiten mit Frauen zu bewegen, merkt er bald, dass Frauen in ihm nur schwer einen Erregungshöhepunkt auszulösen vermögen. Er sucht weiter und stösst auf eine Webseite mit Mädchen in Unterwäsche. «Das war für mich wie ein Vollrausch», meint NewMan, der schliesslich die ganze Nacht auf diesen Webseiten verbringt. Danach gab es kein Zurück mehr. Es gibt diverse Arten von Kinderpornografie. Vom Posing, über virtuelle Pornografie (Zeichnungen, Computeranimationen, Geschichten), bis hin zu
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realen Missbrauchsdokumentationen. Nach Aussagen von NewMan wird viel Zeit und Geld dazu investiert Scheinpornografie (jugendlich aussehende Erwachsene), Jugendpornografie (Jugendliche an der Grenze zum achtzehnten Geburtstag) oder virtuelle Kinderpornografie strafrechtlich zu verfolgen. «Ich fände es wichtiger, dass man Folter- und Missbrauchsdokumente bekämpft, anstatt Ressourcen zu verschwenden, um aufzudecken, ob eine Person nun siebzehneinhalb oder achtzehn Jahre alt ist», sagt NewMan. Aus dem damals noch legalen Konsum von Posing-Bildern wird der illegale Konsum von Missbrauchsdokumentationen. Bis eines Tages die Polizei vor der Tür steht. Die Zeit während des Verfahrens nutzt NewMan, um sich in Form eines Briefes bei seiner Familie zu outen und sich erstmals mit den Folgen von Kindesmissbrauch zu konfrontieren. Seine Familie nimmt das Outing erstaunlich gut auf. Nach dem Verfahren folgt die Therapie im Präventionsprojekt Dunkelfeld, wo sich auch NewMans Familie beraten lässt. «Das schwierigste war für mich das Eingeständnis, dass ich zu 80 Prozent auf Mädchen und nur zu 20 Prozent auf Frauen stehe und die Tatsache zu
akzeptieren, dass ich so bin und bleiben werde», sagt NewMan.
das gezielte Downloaden aus dem Internet als Herstellungshandlung qualifiziert und hinsichtlich des Besitzes von harter Pornografie entschieden, dass die Kinderschutz Cache-Speicherung (wie sie etwa beim Betrachten eiWährend seiner Zeit im Präventionsprojekt Dunkel- ner Website oder beim Streamen erfolgen kann) unter feld erfährt NewMan, dass er bald Onkel wird. Heu- Umständen als Besitz qualifiziert werden kann.» Seit te ist seine Nichte in seinem Präferenzalter. «Ich habe der Ratifizierung der Lanzarote-Konvention und den kein sexuelles Interesse an ihr.» NewMan bemühe damit verbundenen Strafrechtsverschärfungen ist in sich «sehr erfolgreich», solche Gedanken und Gefühle der Schweiz neu bereits der Konsum von harter Porzu blockieren und Situationen mit seiner Nichte nicht nografie verboten. Als harte Pornografie gelten sexuzu sexualisieren. Würde er aber einmal zu weit gehen, elle Darstellungen mit Minderjährigen, Tieren oder so würden seine Verwandten reagieren. Sie sind sensibilisiert und wissen über NewMans Störung der Se«Ein Kind sollte möglichst unabhängig xualpräferenz Bescheid. Um ganz sicher zu sein, hält er sich aber auf Abstand zu seiner Nichte. «Ich habe sein dürfen und keine Angst davor haben, sie nie gebadet oder ihr die Windel gewechselt», sagt Nein zu sagen» NewMan. Vielmehr konzentriert sich NewMan darauf, dass das Kind mit ihm eine schöne und sinnvolle Zeit verbringt. Sollte seine Nichte einmal erfahren, Gewalt. Demnach macht sich jeder, der solche Dardass NewMan pädophil ist, möchte er, dass ihre Re- stellungen online betrachtet, straf bar. Egal mit welaktion darauf ist: «Echt? Davon habe ich ja nie etwas cher Absicht er oder sie das tut. Dies soll aber nicht Negatives gemerkt.» heissen, dass man solche Webseiten nicht melden soll. In NewMans Augen schützt man Kinder am bes- Stösst man zufällig auf solche Inhalte, gibt es Mögten, indem man ihnen als Eltern Liebe und ech- lichkeiten, diese Verbrechen zu melden (siehe Infote Aufmerksamkeit schenkt: «Wie oft wird einem box). Hier fügt NewMan aber an: «Meist sind solche Kind gesagt, es soll immer auf Erwachsene hören? Webseiten längst gelöscht und weitergewandert, bevor Ein Kind sollte aber möglichst stark und unabhängig sie von der zuständigen Behörde bearbeitet und die sein dürfen und keine Angst davor haben, Nein zu sa- Betreiber zur Rechenschaft gezogen werden konngen.» Eine selbstbewusste Ausstrahlung sei der bes- ten.» te Schutzschild. Nur würden heutzutage leider viele Kinder eher «schwachgeschützt» statt stark gemacht, Therapie und Diagnose meint NewMan. In der Schweiz bietet das Forensische Institut in Frauenfeld die einzige Anlaufstelle für Pädophilie. Der Kritik an der Rechtslage Stundenansatz beträgt um 170 Franken. Die PatienBedenklich erscheint NewMan die Tatsache, dass das ten bezahlen einen Selbstbehalt von zehn Prozent und Melden von Webseiten mit Missbrauchsdokumentati- die Franchise selbst. onen eine Anzeige wegen Konsums eben dieser InhalNebst langen Therapien und den damit verbundete nach sich ziehen kann. «Man will Missbrauchsfälle nen Anreisekosten stellt sich eine weitere Hürde dem aufdecken, bestraft aber diejenigen, die genau solche Kinderschutz entgegen. «Rund 60 Prozent der MissFälle melden», sagt NewMan. Nora Scheidegger vom brauchsfälle werden von so genannten ErsatzhandInstitut für Strafrecht und Kriminologie in Bern gibt lungstätern verübt.» Keine Pädophilen also, sondern Auskunft über die Lage in der Schweiz. «Das Bundes- Personen, die sich beispielsweise aus Frust oder mangericht hat die Begriffe «Herstellen» und «Besitz» je- gelndem Selbstbewusstsein an Kindern vergehen. Anweils sehr weit ausgelegt.» Und weiter: «So hat es den dere tun es, um ihre Machtgelüste zu befriedigen.
Kein Täter werden! NewMan betreibt zusammen mit Max die Webseite schicksalundherausforderung.de. «Wir helfen Pädophilen und anderen Betroffenen wo wir können, um Kindesmissbrauch zu verhindern und allen Betroffenen einen möglichst gesunden Umgang mit ihren Herausforderungen zu ermöglichen.»
Das Präventionsnetzwerk «Kein Täter werden» bietet ein kostenloses und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und deshalb therapeutische Hilfe suchen. (Quelle: www. kein-taeter-werden.de/)
Die Meldung von harter Pornografie ist an Opferstellen oder NAIIN.de möglich (Deutschland). In der Schweiz nimmt die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) beim Bundesamt für Polizei Hinweise auf und bietet Meldeformulare an.
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Kontroverses Stück Stoff Immer wieder flammt die Diskussion um muslimische Kleidungsformen auf. Ein Stück Stoff, eine endlose Debatte und die Toleranz, die ständig vergessen geht.