Tink.ch-Magazin 16: Schweizer Jugendfilmtage 2010

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34. Schweizer Jugendfilmtage Die Reportage zum Festival 2010


ALMOST FAMOUS

Die Jury lässt den Panther springen Folgende Filme wurden mit dem Springenden Panther ausgezeichnet. Die Jury begründet ihr Urteil. Von Martin Sturzenegger Die 34. Schweizer Jugendfilmtage sind zu Ende. Über 1500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben in diesem Jahr 264 Filme für den Wettbewerb eingereicht. Schon in der Vorselektion konnten sehr hochwertige Filme nicht berücksichtigt werden. Und ehrlich: Wie oft passiert es, dass sich etablierte Regisseure lachend an ihre Anfänge erinnern, wo sie an Filmfestivals einen Platz unter «Ferner liefen» belegten? Heute begeistern sie Publikum wie Kritik. Doch der Weg zu Ruhm und Annerkennung kann steinig sein. Ein Festival wie die Schweizer Jugendfilmtage soll den künftigen Regiestars helfen, sich kritisch mit ihrem Schaffen auseinanderzusetzen und sich so weiterzuentwickeln. Alle 17 Preisträger heben sich durch einzigartige Qualitäten hervor. Jeder einzelne Film ist so individuell wie das jeweilige Urteil der Jury.

«Shy Guy»

«50090»

Sandro Rossi, Marco Hunkeler, Nicola Bruni und Dominik Dellenbach. Thun,BE.

Jugendarbeit Meilen. Meilen, ZH.

«Der Sieger der jüngsten Kategorie besticht mit einem wunderbaren Drehbuch. Gepaart mit dem selbstironischem Spiel der Protagonisten trägt es mit Leichtigkeit über einzelne gestalterische Mängel hinweg. Die Geschichte beschränkt sich auf das Problem des schüchtern Verliebten und seines frechen Freundes, dafür klauen Regie und Schnitt ohne falsche Scham bei bewährten Vorbildern.Vielversprechendes Handwerk im Wachstum.»

«Der direkte Bezug von Konsumprodukten zur Menge des bei ihrer Herstellung verbrauchten Wassers wird überraschend und eindrücklich visualisiert. Die FilmemacherInnen haben es geschafft, die komplexe Themenvorgabe «Nachhaltige Entwicklung» nicht nur zu erfüllen und die Problematik aus dem eigenen Alltag heraus sichtbar zu machen, sie unterlaufen die Vorgabe zugleich mit Humor und unbändiger Energie.»

«Station Tösstal»

«Televator Feelings»

«Fragmented Rhythms»

Antonin Wittwer. Steg im Tösstal, ZH.

Augustin Rebetez. Merveiler, JU.

Cyril Gfeller. Biel, BE, HKB Bern.

«Ein Dokumentarfilm, der die männlichen Jugendlichen rund um ihren Treffpunkt an der Bahnstation herum nicht von aussen, sondern auf Augenund Ohrenhöhe betrachtet. Selbstbilder und Attitüden werden in «Station Tösstal» nicht in Frage gestellt, aber ohne Scheu hinterfragt. Gefilmt wurde mit vorhandenem Licht, Ausleuchtungsprobleme wirken sich positiv auf die intime Atmosphäre aus. Der Schnitt sorgt souverän für Struktur.»

«Der Siegerfilm der Kategorie für die 21- bis 25Jährigen ist eine improvisierte Wand-, Boden-, Raum- und Ganzkörperanimation mit Punkrock- und Graffiti-Attitüde. Die Energie der weder ästhetisch noch räumlich eingegrenzten Zeichen-, Knet- und Malbewegung ergänzt die aggressive Musik zu einer pulsierenden Implosion auf der Leinwand. «Televator ‹Feelings›» ist ein Film, der seinem eigenen Anspruch vollauf gerecht wird.»

«Das Porträt des Lucien Dubuis Trios und seiner Musik schafft den Spagat zwischen illustrierender Mimikry der Musik und ihrer visuellen Umsetzung und Weiterführung. Dabei spielt die Offenheit und gleichzeitige Erklärungsverweigerung der Musiker eine wesentliche Rolle. Der Film nähert sich ihrer Spiellust und dem Geheimnis der Kraft ihrer Musik mit verspieltem Witz, neuen Bildeinfällen und ebenso viel Neugier wie Begeisterung.»


DIE JURY

«Ich schaue gut 400 Filme pro Jahr» DRS 2 - Filmkritiker Michael Sennhauser über die Qualitäten, die es in seinem Beruf braucht. Was ist ein guter Film? Ein Film ist gut, wenn er seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird. Ein Genrefilm muss genau das leisten, was das Publikum von ihm erwartet - und das möglichst originell. Gelten für Kurzfilme besondere Kriterien? Kurzfilme müssen sehr schnell auf den Punkt kommen, mit Überraschungseffekten arbeiten und auf eine Pointe hinsteuern. Man sollte sich auf eine Idee begrenzen, die sich in zwei, drei Sätzen skizzieren lässt. Natürlich gibt es Langspielfilme, die genauso funktionieren, doch da kann man sich viel eher Zeit lassen, in schönen Bildern zu schwelgen oder Entwicklungen zu zeigen. Sind in längeren Filmen solche Entspannungsphasen vielleicht sogar nötig? Bestimmt. Das merkt man bei amerikanischen Teenagerkomödien oder Slasherfilmen. Die ziehen diesen Spannungsbogen gnadenlos durch. Da kommt man am Ende völlig erschöpft aus dem Kino raus. Wie hat die Jury die Filme beurteilt? Gehen Sie intuitiv vor oder

gibt es einen Kriterienkatalog? Beides. Das Tempo ist sehr hoch, wir müssen uns relativ schnell entscheiden. Die grobe Auswahl der Favoriten ist rein emotional. Jeder nennt ein paar Filme und danach wird argumentiert. Erstaunlicherweise ist uns diese engere Auswahl nie schwer gefallen. Es gibt aber immer wieder Ausreisser, die nur einem von uns besonders gefallen haben. Das macht es spannend. Was qualifiziert jemanden für den Titel «Filmexperte»? Haben Sie einen besonders scharfen Blick oder einfach schon unglaublich viele Filme gesehen? Filmanalyse kann man lernen. Aber eine gewisse Bandbreite hilft bestimmt. So weiss ich mittlerweile genau, was das Publikum von einem soliden Horrorfilm erwartet. Können Sie Ihre Quote noch schätzen? Grob gesagt sehe ich pro Jahr etwa 400 Filme, das macht auf mein Leben gerechnet also bald 15‘000. Will man da nicht mal eine Woche pausieren? Eine ganze Woche? Da kriege ich Entzugserscheinungen.

Filmkritiker Michael Sennhauser.

Foto: jdi

Wie schätzen Sie das Potential der gezeigten Filme ein? Einige Szenen werden mir sicher in Erinnerung bleiben. Aber gerade bei ganz jungen Filmemachern ist es schwierig zu beurteilen, ob sie sich der Grossartigkeit dieser grossartigen Momente überhaupt bewusst sind. Sie haben vielleicht etwas erreicht, das sie selbst gar nicht einschätzen können. Das ist Zufall, gekoppelt mit kindlicher Intuition. Bleibt zu hoffen, dass dieser besondere Blick auf die Welt nicht von der Schule totgeschlagen wird.

Alle Sieger im Überblick Tink.ch gratuliert: Spezialpreise Spezialpreis: Vas-y je t´aime UNICA-Medaille: Die Rose

Kategorie B / Wanted 1. Rang: 50090 2. Rang: NY 2157 3. Rang: Ein wirklich wertvolles Geschenk Publikumspreis: Wanted

Kategorie D 1. Rang: Televator Feelings 2. Rang: Die Terrassentüre 3. Rang: Scarlet with Shame Publikumspreis: Vivere i de Schwiiz

Kategorie A 1. Rang: Shy Guy 2. Rang: Le dessin 3. Rang: Premier vol Publikum:Hündchen +Rübchen = Prinzchen

Kategorie C 1. Rang: Station Tösstal 2. Rang: Alle!n 3. Rang: Die Rose Publikumspreis: Jäger und Sammler

Kategorie E 1. Rang: Fragmented Rhythms 2. Rang: Ich bin´s Helmut 3. Rang: Und das ist Belgrad Publikumspreis: Ich bin´s Helmut


DELIKATESSEN

Dein Freund, der Verräter

Foto: PD

Eine Geschichte, die unbeirrt ihrem brutalen Ende entgegensteuert. Von Peter Rothe und Melanie Pfändler Verbrecher oder Flüchtling? Mörder oder Held? Mit Sin Nombre wurden die 34. Schweizer Jugendfilmtage eröffnet. Der Film erzählt die Reise des Bandenverräters Casper und der unschuldigen Sayra über die mexikanische Grenze in die Vereinigten Staaten. Als der Anführer von Caspers Gang - der berüchtigten Mara Salvat-

rucha - versucht, dessen Freundin zu vergewaltigen und diese dabei stirbt, beginnt Caspers Loyalität zu bröckeln. Während eines Überfalls auf einen Zug mit illegalen Auswanderern hält er den Bandenführer davon ab, sich an Sayra zu vergehen und tötet ihn aus Rache. Damit ist die Jagd auf Casper eröffnet. Es beginnt ein Versteckspiel, bei dem sich das ungleiche Paar allmählich nä-

her kommt. Können Mörder Helden sein? Sicherlich können sie Menschen sein, und genau diese bringt uns Regisseur Cary Fukunaga in «Sin Nombre» berührend nahe. Sein Debütwerk ist ein tristes Drama mit starken Bildern, das den Zuschauer hoffen und mitfühlen lässt. Hoffnung besteht auch für Fukunaga: Am Sundance Festival 2009 war «Sin Nombre» für den grossen Preis der Jury nominiert und wurde in der Kategorie «Beste Regie» ausgezeichnet. Dass sich mit Gael García Bernal und Diego Luna zwei Grössen des südamerikanischen Kinos als Produzenten beteiligten, verdeutlicht, in welcher Liga der 32-jährige Fukunaga bereits spielt. Die Geschichte mag vereinfacht wirken, wird jedoch wunderschön erzählt. Mit einem dem Alltag entnommenen Humor wird der Film aufgelockert, die klare Handlung lässt jedoch wenig Überraschungen offen und steuert unbeirrt dem brutalen Ende entgegen.

Ein Hamster auf Reisen Nicht nur Jack Nicholson und Morgan Freeman haben eine Bucket List. Foto: PD

Von Michela Masiello & Melanie Pfändler

Aussenseiter Richard beschliesst, mit seinem krebskranken Freund eine Weltreise zu unternehmen. Ein allerletztes Mal soll Etienne die Welt sehen. Etienne ist ein Zwerghamster. Mit Rucksack, Fahrrad und Nagetier macht sich Richard auf den Weg entlang der nordkalifornischen Küste. Der scheue Student und sein Hamster treffen dabei auf die verschiedensten Leute. Manche zeigen sich überrascht über seinen sonderbaren Reisebegleiter, andere freuen sich über die niedliche Idee, mit einem Hamster zu reisen. Von Franzosen bis hin zu Musikern begegnet Richard auch einem Leidensgenossen - einem Tierliebhaber, der vergeblich seinen Pudel sucht. Schliesslich fällt Richard eine schwere Entscheidung: Er lässt Etienne im

Wald frei und schenkt ihm für die letzten Tage die Freiheit. Richard ist kein Mann der vielen Worte. Ungewohnt still ist deswegen das Roadmovie. Der preisgekrönte Film lebt nicht von der schauspielerischern Leistung - die Mimik des Hauptdarstellers bleibt meist dieselbe -, sondern von der emotionalen Beziehung zwischen dem Protagonisten, seinem Hamster und dem Rest der Welt. Obwohl man sich manchmal mehr Spannung herbeiwünscht, ist Jeff Mizushima eine witzige Komödie mit 70-er Jahre Look und emotionalem Tiefgang gelungen. Die amerikanische Produktion entstand mit Schweizer Beteiligung: Giacun Caduff ist ein junger Basler Produzent, der in Los Angeles die Filmschule besucht hat. Der Film war seine Abschlussarbeit.


AN INCONVENIENT TRUTH

Filme für eine bessere Welt Die Filme der Kategorie B standen unter dem diesjährigen Festivalmotto „What I want, what you want, what we need”.

Das Festival in der Box Das Konzept von «Box[ur]shorts» bringt den Kurzfilmgenuss ins Café und den Coiffeursalon.

Kurzfilme für den Klimaschutz: Kategorie B ist einem guten Zweck gewidmet.

Fotos: PD

Von Lars Vogler einigen sehr gut. So liess ein Team in Klimaschutz, Nachhaltigkeit und so- einer neuen Eiszeit die Mammuts aufziale Gerechtigkeit - damit setzten erstehen und die Weltherrschaft übersich die Filmemacher der Kategorie B nehmen oder füllte mit dem Wasser, auseinander. Sie alle hatten ihre Filme das man zur Herstellung eines Stücks im Rahmen des Projekts «Wanted» Fleisch braucht, ein Hallenbad. In eieingereicht. Dieses ist international nem Film wurden Berner Jugendliangelegt - die Filme che als Kinderarbeiter Ohne Mahnfinger, werden auf der ganzen dargestellt und eine dafür mit einem Welt ausgetauscht. Am Wasserpumpe zum Augenzwinkern für Donnerstagabend erGeburtstagsgeschenk hielt das Publikum mit nachhaltige Entwicklung umfunktioniert. Ein einen Kurzfilm aus Kepaar Gruppen vernia einen ersten Vorgeschmack. suchten es mit Singen und eine verDie Filme entstanden im Rahmen eines anstaltete gar einen Dancebattle. Alle Workshops, der von diversen Stiftun- Werke vermittelten eine klare Ausgen und Umweltorganisationen unter- sage, wirkten aber nicht zu ernst. Etstützt wurde. Im Vordergrund standen was humorloser, dafür mit beeindruThemen wie verstecktes Wasser, sau- ckendem Enthusiasmus, präsentierte bere Kleidung und Klimaschutz. Dabei eine Schulklasse einen thematischen sollten die Produzenten nicht morali- Vortrag. Der Vortrag erinnerte an Al sieren, sondern die Thematik mit einen Gores «Incovenient Truth» - einfach gewissen Humor angehen. Dies gelang ohne Humor.

Von Ruzica Lazic Im Lieblingscafé ist die Zeitung schon fertiggelesen, die Wähe schon weggeputzt. Was nun? Das Konzept Box[ur] shorts versüsst dem heutigen Schöngeist die kleine Langeweile mit knackigen Kurzfilmen aus der Box. Diese stehen an viel frequentierten Plätzen und wollen gesehen werden. Und wieso? Giacun Caduff, Projektgründer und Basler und Jungregisseur: «Ausser den Festivals gibt es fast keine Plattformen für Kurzfilme. Unser Ziel ist ein neues Netzwerk zu kreieren.“ Caduff liess sich von seinem malenden Onkel inspirieren. Der hatte seine Bilder auf Menutafeln von Restaurants - ebenfalls im öffentlichen Raum - installiert. Das Konzept von Box[ur]shorts war im Jahr 2006 noch rudimentäre Technik in einer Kiste und einem LCD Bildschirm vornedrauf. Inzwischen begann das Rezept zu greifen: Aufgestellt wurden die Boxen anfänglich in Los Angeles. Es folgten New York, Atlanta und das Sundance Festival in Park City. Jedes Jahr werden in den Boxen etwa fünfzig Filme gezeigt, die von Filmemachern aus der ganzen Welt eingereicht werden. Nicht jeder Film wird gezeigt - Klasse statt Masse heisst die Devise. Deshalb veranstaltet Box[ur]shorts jährlich eine Preisverleihung, an der eine goldige Boxershorts an den besten Film verliehen wird. «Meltdown», eine Komödie des amerikanischen Regisseurs David Green, gewann den ersten Preis vom vierten Box[ur]shorts. Im Podium der Jugendfilmtage feierte Box[ur]short Schweizer Premiere. Die Idee kam beim Publikum gut an: Ein witziger Film im richtigen Moment dürfte auch in der Schweiz gefallen.


KRIEG DER WELTEN

Breite Masse oder geistige Elite? Wie ist das Verhältnis zwischen Theater und Film? Eine Podiumsdiskussion sollte Antworten liefern.

Samuel Schwarz, Moderator Dieter Berner, Till Brockmann, Samir und Mani Wintsch (v.l.n.r.). Von Michela Masiello & Stefanie Pfändler

Ein Blick aus dem Kühlschrank, eine Schlacht aus dem Feuer heraus gefilmt – solche Szenen wird das Publikum auf einer Theaterbühne nie erleben. «Bei einem Film wird der Zuschauer mithilfe der Kamera gezwungen, sich auf bestimmte Dinge zu fixieren», erklärte Till Brockmann, Theaterfachmann von der ZHdK am Symposium der Jugendfilmtage. «Die Perspektive kann sich innert Sekunden ändern.» Die Diskussion widmete sich den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Film und Theater – und förderte allerhand Meinungsunterschiede zuta-

ge: «Filme sprechen die breite Masse an, das Theater hingegen nur die geistige Elite», provozierte Schauspieler und Regisseur Dieter Berner, der an der Hochschule für Film in Potsdam doziert. Diese Ansicht stützte der aus dem Irak stammende Regisseur Samir nur indirekt: «Die Theatersprache ist uns längst fremd geworden.» Mehr Tempo und Nähe Theaterregisseur Samuel Schwarz betonte vielmehr die Berührungspunkte beider Formen: «Der Film nutzt die Kraft der theatralen Effekte für eine direkte Konfrontation mit der Gesell-

Foto: Johannes Dietschi

schaft.» Obwohl ein Theaterstück ähnlich lange dauert wie ein Film, kann dieser seine Zeitsprünge, schnellen Orts- und Perspektivenwechsel Geschichten mit einer viel grösseren Geschwindigkeit erzählen. Vielleicht ist es diese Geschwindigkeit und Nähe, die Brockmann zum Urteil bewegt, dass sich die Schauspielerei im Film viel stärker an der Realität orientiert als auf der Bühne. Was nicht bedeutet, dass dies die Bühnenleistungen der Schauspieler schmälern würde. Im Gegenteil: Im Theater wartet auf die Künstler immerhin die direkte Konfrontation mit dem Publikum.

EYES WIDE SHUT Die Leinwand im Fokus Rund 3000 Besucherinnen und Besucher sahen an fünf Tagen 57 Kurzfilme von jungen Schweizer Filmschaffenden. Auch das Rahmenprogramm und die Atelierkurse fanden grossen Anklang. Fürs nächste Jahr hat sich der künftige Festivalleiter Urs Lindauer noch höhere Ziele gesteckt: «Das Festival soll sich weiter in den Köpfen der Leute festsetzen.» (mars)


THE BOSS OF IT ALL Patric Schatzmann, nach drei Jahren ist das Ihr letzter Auftritt als Festivalleiter. Kommt Wehmut auf? Nein, bis jetzt noch nicht. Kommen Ihnen spontane Anekdoten in den Sinn, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken? Während des Festivals bin ich eher auf die negativen Sachen fokussiert. Denke ich mit etwas Abstand zurück, ist es eine Ansammlung von spannenden Begegnungen, die mir hoffentlich in Erinnerung bleiben.

Foto: jdi

Wie hat sich die Filmbegeisterung bei den Jugendlichen in den letzten Jahren entwickelt? Mit der technischen Revolution, in der wir uns gerade befinden, hat sich das

ganze sehr gewandelt. Einst sehr teures Equipment wird auf einmal auch für Jugendliche erschwinglich. Ich hoffe es gibt eine ähnliche Revolution wie in den 1960er Jahren, als plötzlich alle zur Gitarre griffen und Rockmusik spielten: Alle sollen zur Kamera greifen und filmen! Wollen Sie der Filmjugend abschliessend etwas auf den Weg geben? Macht Kurzfilme, anstelle von einem langen Film - dafür gleich zehn pro Jahr! Oder, egal: Macht einfach Filme! Patric Schatzmann (45) war Mitbegründer von klipp&klang, Gassenarbeiter in Zürich und Jugendarbeiter im Aargau.

Ein neues Kapitel in der Festivalgeschichte Drei Jahre lang war Patric Schatzmann Leiter der Jugendfilmtage. Ab nächstem Jahr zieht Urs Lindauer ins Elfenbeinzimmer der Jugendfilmtage-Towers. Zwei unterschiedliche Charaktere mit ähnlichen Interessen äussern sich: Foto: jdi

Urs Lindauer, wie gefällt Ihnen die Qualität der Beiträge? Das hohe Niveau vom letzten Jahr konnte gehalten werden. Das Programm ist nicht nur hochwertig, sondern auch abwechslungsreich. Welche Filme schauen Sie privat? Ich mag Filme mit Originaltypen und gesellschaftlichen Aussenseitern. Die Handlung ist für mich weniger wichtig, als die Atmosphäre, die der Film aufbaut. Dem Regisseur Wes Anderson (The Royal Tennenbaums, Darjeeling Limited) gelingt dies hervorragend. Wie ist es um den Nachwuchs im Schweizer Film bestellt? Es gibt viele versteckte Talente. Festivals wie die Jugendfilmtage sind wichtig, damit diese entdeckt werden. Auch wenn sie nicht den ersten Preis holen, bringt ihnen der Austausch mit

anderen Filminteressierten wertvolle Erfahrungen. Zudem bewegen sich die Filme der Filmschulen auf sehr hohem Niveau und geben Hoffnung für die Zukunft. Das Problem ist, was passiert, wenn diese Talente nicht mehr unter der Obhut der Schulen sind. Das Filmbusiness ist hart. Ab nächstem Jahr sind Sie neuer Festivalleiter. Was wird anders? Im nächsten Jahr wird sich noch wenig verändern. Ich werde die gute Arbeit von Patric Schatzmann fortzusetzen. Wir wollen die Jugendfilmtage im Kalender von Zürich noch weiter etablieren. Das Festival soll sich in den Köpfen der Leute festsetzen. Urs Lindauer (31), hat an der Universität Zürich Filmwissenschaft studiert und ist seit 2008 bei den Jugendfilmtagen engagiert.


THE PRODUCERS

Aaron (21): «Träumereien»

Bigna (20): «Jäger und Sammler»

Luzi (19): «Direct Cause»

«Nach einer wahren Geschichte» – das kann man von meinem ersten Film nicht behaupten. «Nach einem wahren Traum» trifft es da schon eher. «Träumereien» handelt von einem Ausflug, der mit kleinen Unstimmigkeiten beginnt und immer bizarrere Züge annimmt. Der Dreh ist alles andere als glatt verlaufen: Die Temperaturen fielen schlagartig um 20 Grad und einige Darsteller fielen aus. Eigentlich wollte ich immer Schauspieler werden, doch mittlerweile fasziniert mich die Arbeit hinter der Kamera fast mehr. Am liebsten würde ich einmal einen Film produzieren, in dem ich gleich selbst eine Rolle übernehme.

Die Idee für meinen Film ist mir nachts gekommen. Soeben hatte ich das Buch «Stiller» von Max Frisch fertig gelesen. Das Buch handelt von einer Person, die nicht mehr weiss, wer sie selbst ist. Im Zentrum meines Films steht Thomas, der auch nicht mehr weiss, wer er ist. Nachdem er mit jemand anderem verwechselt worden ist, findet er sich in einer merkwürdigen Situation wieder. Am ersten Drehtag dachte ich. «Das klappt nie!» Aber schon am zweiten Tag war ich sehr motiviert. Der Titel “Jäger und Sammler” ist eine Anspielung auf Facebook. Heute sammelt man sich dort die eigene Identität.

Wenn ich an gewissen Orten vorbeilaufe, sehe ich Filmszenen vor mir. Ich setze mich dann mit dem Drehbuchautor zusammen und wir arbeiten dazu die Story aus. Mein jüngerer Bruder ist für das Sounddesign zuständig. Wir sind ein eingespieltes Team und wollen auch in Zukunft gemeinsam Filmprojekte realisieren. Im Moment besuche ich das letzte Jahr meiner Informatiklehre. Aber ehrlich gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, den Rest meines Lebens am Bürotisch zu verbringen. Meine Leidenschaft gehört dem Film. Ob ich später eine Filmschule besuche, weiss ich noch nicht – die machen einen auch nicht zwingend besser.

DER CLUB DER TOTEN DICHTER Weiterlesen auf Tink.ch

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Herausgeber: Tink.ch, Sandstrasse 5, 3302 Moosseedorf

Das Onlinemagazin Tink.ch publiziert ab morgen Montag weitere Inhalte zu den diesjährigen Schweizer Jugendfilmtagen. Nebst dem PDF-Download dieses Magazins, finden Sie einen Querschnitt durchs gesamte Festival: Interviews, kurze Radiobeiträge (in Zusammenarbeit mit Radio Stadtfilter), Filmreviews und Fotostrecken.

031 850 10 91, info@tink.ch, www.tink.ch Ausgabe: Nummer 16, 14. März 2010 Auflage: 250 Stück Redaktion: Martin Sturzenegger (Leitung), Elia Blülle, Ruzika Lazic, Michela Masiello, Sonja Nodup, Stefanie Pfändler, Melanie Pfändler, Peter Rothe, Tatjana Rüegsegger, Bigna Tomschin, Lars Vogler, Luzia Tschirky

Als besondere Highlights: Die auführlichen Interviews mit Sabine Timoteo und dem künftigen Festivalleiter Urs Lindauer: www.tink.ch (einfach auf den Springenden Panther drücken).

Layout: Melanie Pfändler Stefanie Pfändler Fotos: Johannes Dietschi (jdi) Martin Sturzenegger (mars) Audio: «Tinnitus», Radio Stadtfilter


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