Geheimarmeen in Europa

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13 Der geheime Krieg in Dänemark Die dänische geheime Stay-behind-Armee hatte den Decknamen »Absalon«. Nomen est omen. Der Deckname verdeutlichte die antikommunistische Aufgabe dieser Truppe, denn Absalon war der Name des mittelalterlichen dänischen Bischofs (1128-1201), der die Russen damals mit dem Schwert in der Hand besiegte. In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen steht immer noch eine große Bronzestatue von Absalon zu Pferde und in Rüstung. Diese erhielt ganz plötzlich eine gesteigerte Aufmerksamkeit, als die dänische Presse im November 1990 titelte, daß die Gruppe Absalon, eingerichtet von der CIA und unterstützt von der NATO, sich gegen eine kommunistische Machtübernahme in Dänemark vorbereitet hatte.1

Die Geschichte von Absalon bleibt lückenhaft, weil das dänische Parlament nach der Entdeckung des Netzwerks im Jahr 1990 entschieden hatte, die streng geheime Affäre hinter verschlossenen Türen zu diskutieren und die Öffentlichkeit nicht durch einen of­ fiziellen Bericht informieren wollte. Nach einem ehemaligen, nicht genannten Angehö­ rigen des Netzwerks wurde die Geheimarmee nach der traumatischen Besatzung wäh­ rend des Zweiten Weltkriegs geschaffen, und angeblich hatte sie nicht mehr als 360 Mitglieder. Wie in allen Stay-behind-Ländern hätte das Netzwerk im Fall einer Beset­ zung vergrößert werden sollen. Der ungenannte dänische Geheimsoldat verriet der Pres­ se: Die Organisation war natürlich eine Kopie der Widerstandsbewegung. Es gab zwölf Distrikte, strukturiert nach dem Zellenprinzip, doch nicht so eng organi­ siert wie während des Krieges. Jeder Distrikt hatte in seinem inneren Kreis bis zu 30 Mitglieder.2

Nach mehreren anonymen Quellen war E. J. Harder viele Jahre lang der Chef der däni­ schen Stay-behind-Geheimarmeen. Ein ehemaliges Mitglied der dänischen Stay-behind erzählte: Harder hatte den Spitznamen Bispen, das ist das dänische Wort für Bischof, im Gedenken an den mittelalterlichen Bischof Absalon.3

Neben der Leitung der dänischen Geheimarmee pflegte Harder enge Kontakte zur NATO. Er arbeitete von 1966 bis 1970 im NATO-Hauptquartier, also in jenem Zeit­ raum, als die NATO gezwungen war, in Belgien ein neues Hauptquartier aufzubauen, weil der französische Präsident de Gaulle die militärische Allianz aus Frankreich ver­ wiesen hatte. Der dänische Stay-behind-Direktor Harder war schon während der Zeit, als das NATO-Hauptquartier noch in Valenciennes in Frankreich war, wie auch wäh­ rend seiner eigenen Zeit im neuen Hauptquartier in Brüssel über Einzelheiten im Zu­ sammenhang mit der geheimen Kriegsführung der NATO informiert. Harder folgte einer rechtslastigen Ideologie, und für viele in Dänemark war er eine kompromittierte Person. Erik Ninn Hansen, Mitglied der konservativen Partei und däni­ scher Verteidigungsminister von 1968 bis 1971, versuchte sich vom Kommandeur der Stay-behind zu distanzieren, als er 1990 von der Presse interviewt wurde. Auf die Fra­ gen der Journalisten antwortete der ehemalige Verteidigungsminister vorsichtig: Nach dem Zweiten Weltkrieg formierten sich mehrere Gruppen. Es kann stim­ men, daß Absalon eine Gruppe war, die mit der Widerstandsbewegung in Ver­ bindung stand. Ich kann mich auch gut an Harder erinnern, der viele Vorträge gehalten hat. Wenn aber jemand glaubt, daß ich für seine Ideen Sympathien hat­ te, dann liegt er falsch. Für meinen Geschmack war er zu chauvinistisch. Ich habe nie geglaubt, daß Absalon viel Einfluß hatte, und nie gedacht, daß Absalon zur Arbeit der Geheimdienste irgendeine Verbindung hatte.

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Articles inside

Chronologie

9min
pages 251-255

17 Der geheime Krieg in der Türkei

53min
pages 225-245

Nachwort von Prof. Dr. Albert A. Stahel

2min
page 250

Schlußfolgerung

10min
pages 246-249

15 Der geheime Krieg in Deutschland

58min
pages 189-212

16 Der geheime Krieg in Griechenland

31min
pages 213-224

14 Der geheime Krieg in Norwegen

32min
pages 176-188

13 Der geheime Krieg in Dänemark

18min
pages 168-175

12 Der geheime Krieg in Luxemburg

6min
pages 165-167

10 Der geheime Krieg in Belgien

59min
pages 127-149

11 Der geheime Krieg in den Niederlanden

42min
pages 150-164

09 Der geheime Krieg in Portugal

25min
pages 117-126

07 Der geheime Krieg in Frankreich

47min
pages 89-106

08 Der geheime Krieg in Spanien

28min
pages 107-116

06 Der geheime Krieg in Italien

53min
pages 69-88

05 Der geheime Krieg in den Vereinigten Staaten von Amerika

29min
pages 58-68

04 Der geheime Krieg in Großbritannien

33min
pages 46-57

02 Ein Skandal schockiert Westeuropa

22min
pages 25-33

03 Das Schweigen der NATO, der CIA und des MI6

32min
pages 34-45

Einführung

3min
pages 12-13

01 Ein Terroranschlag in Italien

31min
pages 14-24

Abkürzungen

2min
pages 9-11

Inhaltsverzeichnis Vorwort von Prof. Georg Kreis

2min
page 4

Danksagung

9min
pages 5-8
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