14 Der geheime Krieg in Norwegen Hitlers Armeen marschierten im April 1940 in Norwegen ein und besetzten das Land für die nächsten fünf Jahre bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Ähnlich wie in den anderen Ländern Westeuropas beeinflußte diese traumatische Erfahrung das Verständ nis für Sicherheitspolitik in Norwegen grundlegend und führte direkt zur Einrichtung ei nes Stay-behind-Netzwerks nach dem Krieg. Die Norweger, die heimlich die Stay-be hind-Geheimarmee in ihrem Land aufbauten, waren zumeist Leute, die erlebt hatten, wie die Nazi-Truppen ihre schlecht vorbereitete Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg hinweggefegt hatten und nun befürchteten, daß der Kalte Krieg eine sowjeti sche Invasion mit sich bringen könnte. Für Norwegen war es überhaupt keine Frage, ob eine Stay-behind-Organisation eingerichtet werden muß oder nicht. Es war nur eine Frage des Timings,
beschrieben die norwegischen Stay-behind-Autoren Ronald Bye und Finn Sjue das Ge fühl zu dieser Zeit. Immerhin bestand auch die NATO auf einem geheimen Netzwerk. Mit Bezug auf eine nicht datierte »NATO/SACEUR Directive for Unorthodox Warfare«1 erklären Bye und Sjue: Wenn der Startschuß 1947/1948 noch nicht abgefeuert worden ist, dann sollte es mit dem Beitritt zur Nato im Jahr 1949 beginnen. Es war nämlich eine Bedin gung für die Mitgliedschaft in der NATO, daß das Mitglied schon Einrichtungen für verdeckte Kriegsführung errichtet hat oder es in Kürze tun würde.
Vilhelm Evang, der Direktor des norwegischen Geheimdienstes nach dem Zweiten Weltkrieg, und Jens Christian Hauge, der erste norwegische Verteidigungsminister nach dem Krieg, waren die beiden zentralen Figuren für den Aufbau der Geheimarmee und die Schaffung des Geheimdienstes Norwegian Intelligence Service (NIS) nach dem Krieg. Evang, ein Wissenschaftler, der in Oslo promoviert hatte, war dem kleinen Ge heimdienst der norwegischen Regierung schon 1942 im Exil in London beigetreten, während Hauge im Krieg die norwegische militärische Widerstandsbewegung geführt hatte. Zurück in Norwegen baute Evang mit der Unterstützung von Hauge nach dem Krieg im Jahr 1946 den NIS auf und leitete ihn 20 Jahre lang als Direktor. Die amerika nischen Geheimdienste standen Evang wegen seiner bekannten Sympathien zu linken Politikern und insbesondere wegen seiner Mitgliedschaft in der kommunistischen Be wegung »Mot Dag« in seiner Jugend in den 30er Jahren sehr kritisch gegenüber. 1966 mußte Evang nach der sogenannten Lygren-Affäre den Geheimdienst verlassen. 2 Um ihm seinen Abgang etwas zu erleichtern, versetzte der norwegische Verteidigungsminis ter Evang als nationalen militärischen Repräsentanten ins NATO-Hauptquartier nach Frankreich. Er diente zuerst in Paris und dann bis 1969 in Brüssel. Evang verließ den öffentlichen Dienst, als er das Ruhestandsalter erreicht hatte, und starb 1983 im Alter von 74 Jahren. Während seiner Zeit in London hatte Evang enge Bande zu den britischen Geheimdiens ten geknüpft. Er teilte die Überzeugung der MI6-Offiziere, daß Norwegen nie wieder unter eine feindliche Besatzung fallen sollte, ohne darauf vorbereitet zu sein. Als Evang im Februar 1947 das Stay-behind-Netzwerk aufbaute, besuchte ihn ein ungenannter Ge sprächspartner des MI6 mit »engen Beziehungen zu zentralen Verteidigungs- und Mili tärkreisen« – wahrscheinlich der Direktor des MI6 Sir Steward Menzies selbst – und präsentierte ihm den Stay-behind-Plan für Norwegen. Evang und Menzies stimmten darin überein, daß die Sowjetunion und die Verbreitung des Kommunismus in Westeu ropa eine reale und aktuelle Gefahr darstellten. In seinem Tagebuch notierte Evang: Daher waren die Engländer stark am Aufbau einer Verteidigung in Ländern un ter feindlicher Besetzung interessiert. Es hat den Anschein, als würden auch die
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