3 Das Schweigen der NATO, der CIA und des MI6 Zur Zeit der Entdeckung von Gladio in den 90er Jahren bestand die NATO, die größte militärische Allianz der Welt, aus 16 Staaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frank reich, Griechenland, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Norwegen, Portugal, Spanien, den Niederlanden, Türkei und den Vereinigten Staaten, wobei Letz tere eine dominante Position innerhalb der Allianz einnahmen. Die NATO reagierte mit Verwirrung auf die Enthüllungen des italienischen Premierministers Andreotti und fürchtete um ihr Image, als die Stay-behind-Armeen mit Massakern, Folter, Staatsstrei chen und anderen terroristischen Operationen in einigen Staaten Westeuropas in Verbin dung gebracht wurden. Nach fast einem Monat des Schweigens verneinte die NATO am Montag, dem 5. No vember 1990 kategorisch Andreottis Angaben hinsichtlich der Beteiligung der NATO an Operationen von Gladio und den geheimen Armeen. Der höchstrangige Sprecher der NATO, Jean Marcotta, sagte im SHAPE im belgischen Mons, daß »die NATO niemals einen Guerillakrieg oder Geheimaktionen in Betracht gezogen hat. Sie hat sich immer mit den militärischen eigenen Angelegenheiten und der Verteidigung der alliierten Grenzen« beschäftigt.1 Dann, am Dienstag, dem 6. November erklärte ein NATO-Spre cher, daß die Verneinung vom Vortag falsch gewesen sei. Der Sprecher hinterließ den Journalisten lediglich ein kurzes Kommuniqué, aus dem hervorging, daß die NATO nie mals zu geheimen militärischen Angelegenheiten Stellung nehmen würde und Marcotta überhaupt nichts hätte sagen sollen.2 Die internationale Presse protestierte angesichts der lausigen Kommunikationspolitik der militärischen Allianz und berichtete: Als über den ganzen Kontinent hinweg ein Schock dem anderen folgte, gab ein NATO-Sprecher ein Dementi heraus: Man wisse nichts über Gladio oder Stay-be hind. Daraufhin wurde ein Kommuniqué mit sieben Wörtern veröffentlicht, das lediglich besagte, daß das Dementi »falsch« gewesen sei. Nichts weiter.3
Als das Vertrauen in die NATO schwand, wurden die Schlagzeilen immer kritischer: Untergrundgruppen der NATO könnten Verbindungen zu Terroristen gehabt ha ben.4 Ein geheimes NATO-Netzwerk erwies sich als subversiv: Die Kommission findet heraus, daß Gladio, der Untergrundzweig der Allianz in Italien, zu einem Kon zentrationspunkt für faschistische Elemente wurde, den man gegen Kommuni sten einsetzte. So wurden etwa terroristische Angriffe angezettelt, um repressive Gesetze zu rechtfertigen.5 Die in Bologna verwendeten Bomben kamen von einer NATO-Einheit.6
Ein Diplomat der NATO, der unbedingt anonym bleiben wollte, erörterte vor der Pres se: Weil dies eine Geheimorganisation ist, würde ich nicht erwarten, daß man sehr viele Fragen beantwortet, selbst wenn der Kalte Krieg nun vorüber ist. Wenn es irgendwelche Verbindungen zu terroristischen Organisationen gab, so ist diese Art von Informationen vermutlich sehr tief begraben. Falls nicht, was sollte dar an falsch sein, wenn man Vorsichtsmaßnahmen ergreift für den Fall, daß die Sowjets angreifen würden?7
Unmittelbar nach dem PR-Debakel vom 5. und 6. November hielt der NATO-General sekretär Manfred Wörner am 7. November eine Konferenz zur Information über Gladio ab, die hinter verschlossenen Türen stattfand und an der nur die NATO-Botschafter teil nahmen. »Das SHAPE, das leitende Organ des militärischen Apparates der NATO, ko
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