4 Der geheime Krieg in Großbritannien Eine abschließende und genaue Darstellung über den Kalten Krieg wird wohl nie ver faßt werden, da sich Geschichtsbilder und Gesellschaften immer weiterentwickeln. Doch Wissenschaftler in zahlreichen Ländern stimmten überein, daß das auffälligste Charakteristikum des Kalten Krieges, soweit man es vom Westen her betrachtet, der Krieg gegen den Kommunismus auf globaler Ebene war. In diesem Kampf, der die Ge schichte des 20. Jahrhunderts charakterisierte wie wenige andere Ereignisse, verlor die ehemalige Supermacht der Welt, Großbritannien, die Führungsposition an die Verei nigten Staaten. Letztere nutzten ihren Kampf gegen den Kommunismus, um ihre Macht Jahrzehnt um Jahrzehnt zu vergrößern. Und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 und dem Ende des Kalten Krieges dominierten die USA die Welt wie nie ein anderes Imperium zuvor. Das konservative Establishment in Großbritannien war höchst besorgt, als im Jahr 1917 zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit in einem entfernten, jedoch sehr gro ßen Agrarland ein kommunistisches System entstand. Nach der Revolution in Rußland beschlagnahmten die Kommunisten ganze Fabriken und erklärten, daß die Produktions mittel von nun an im Besitz des Volkes seien. Die Investoren verloren in vielen Fällen alles. In seinem Buch ORIGINS OF THE COLD WAR beobachtete der Historiker Denna Frank Fleming viele der sozialen Veränderungen, die mit der russischen Revolution ein hergingen, einschließlich der radikalen Abschaffung sowohl der Kirchen als auch des Landadels, »könnten von den Konservativen der Welt akzeptiert worden sein, doch die Verstaatlichung der Industrie, des Geschäfts-Lebens und des Landes – niemals«. Das Beispiel der Russischen Revolution durfte nirgendwo jemals wiederholt werden. J. B. Priestley sagte einmal, daß der Verstand der Konservativen in England auf dem Höhepunkt der russischen Revolution plötzlich eingefroren ist und seither nicht mehr aufgetaut ist.1
Im Westen weitgehend unbekannt, begann der Krieg gegen den Kommunismus schon nach der Russischen Revolution, als Großbritannien und die Vereinigten Staaten Gehei marmeen gegen die neu gegründete Sowjetunion, einen Staat im »Babyalter«, schickten. Zwischen 1918 und 1920 ergriffen London und Washington Partei für die russische Rechte und finanzierten zehn militärische Interventionen gegen die UdSSR auf sowjeti schem Boden. Doch keine konnte die neuen Herrscher stürzen, sondern sie schufen bei der kommunistischen Elite und bei Diktator Stalin großes Mißtrauen, was die Motive des kapitalistischen Westens anbelangte.2 In den folgenden Jahren verstärkte die Sow jetunion ihren Sicherheitsapparat, wurde letztlich zu einem totalitären Staat und nahm routinemäßig Ausländer auf ihrem Territorium fest und bezichtigte sie der Spionage für den Westen. Als die Schwierigkeiten, den Kommunismus in Rußland zu stürzen, offen sichtlich wurden, konzentrierten sich Großbritannien und seine Verbündeten auf die Strategie, zu verhindern, daß der Kommunismus auf andere Länder übergriff. Im Juli1936 inszenierte der spanische Diktator Franco einen Staatsstreich gegen die linksgerichtete Regierung, und im darauf folgenden Bürgerkrieg besiegte er die Opposi tion und die spanischen Kommunisten, während er sich der stillen Unterstützung der Regierungen in London, Washington und Paris erfreute. Zu den Gründen, weshalb Adolf Hitler nicht schon sehr früh gestoppt wurde, zählte sicherlich, daß er den richti gen Feind hatte: den sowjetischen Kommunismus. Während des spanischen Bürger kriegs durften Hitler und Mussolini die spanische Opposition bombardieren. Nachdem Hitler den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, führte er in den Jahren 1941, 1942 und 1943 drei massive Offensiven gegen Rußland, die dem russischen Kommunismus fast den Todesstoß versetzten. Mit mehr Opfern als jedes andere Land im Zweiten Weltkrieg verlor die Sowjetunion über 15 Millionen Zivilisten und 5 Millionen Soldaten, während weitere 14 Millionen Menschen verwundet wurden.3 Russische Historiker haben später
46