6 Der geheime Krieg in Italien Der Antikommunismus der Vereinigten Staaten dominierte die tragische Geschichte von Italiens Erster Republik (1945-1993). Die Beweise, die während der letzten Jahre entdeckt wurden, zeigen auf, daß die Gladio-Armee des italienischen militärischen Geheimdienstes zusammen mit rechtsextremen Terroristen tief in diesen geheimen und nicht erklärten Krieg verwickelt war. Obschon es nie zu einer sowjetischen Inva sion kam, führte die geheime antikommunistische paramilitärische Einheit, aufgebaut von der CIA, inländische Operationen durch und manipulierte das politische System. Eine parlamentarische Untersuchung durch den italienischen Senat über Gladio und eine Serie von Terroranschlägen kam nach dem Ende des Kalten Krieges zu dem Schluß, daß in Italien »die CIA sich zu Friedenszeiten eines Maximums an Diskretion erfreuen konnte«, weil Italien während der Zeit der Ersten Republik »in einer schwie rigen und manchmal tragischen Grenzsituation lebte. Diese Grenze des Kalten Krieges markierte die Grenzlinie zwischen den sich bekämpfenden Ideologien. Auf der linken Seite dieser Grenze standen die außerordentlich populäre und starke kommunistische Partei PCI, unterstützt durch geheime finanzielle Zuwendungen aus der Sowjetunion, und die starke sozialistische Partei PSI. 1 Auf der rechten Seite der Grenze operierten die CIA und der italienische militärische Geheimdienst mit seiner Gladio-Armee und einer Reihe rechtsradikaler Terroristen, politisch unterstützt durch die konservative DCI.«2 Während des Zweiten Weltkriegs wurde Italien vom faschistischen Diktator Benito Mussolini geführt, dem Hitler zur Seite stand. Nach der Niederlage der Achsenmächte trafen sich der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premiermi nister Winston Churchill und der Führer der Sowjetunion Josef Stalin im Februar 1945 in der sowjetischen Stadt Jalta, um die künftige Form Europas zu diskutieren. In einer wichtigen Entscheidung über Italien wurde die Halbinsel unter den Einflußbereich der Vereinigten Staaten gestellt. Um die Stärke der italienischen Kommunisten zu begren zen, stellte sich die CIA an die Seite der Mafia und rechtslastiger Extremisten. Der CIAAgent Victor Marchetti erklärte: Die Mafia deshalb, weil ihre antikommunistische Art eines der Elemente ist, wel ches die CIA benutzt, um Italien zu kontrollieren.3
Bereits während des Zweiten Weltkriegs hatte Earl Brennan, der Chef des amerikani schen Geheimdienstes zu Kriegszeiten (OSS) in Italien, dem amerikanischen Justizmi nisterium geraten, die 50-jährige Gefängnisstrafe für den Mafia-Boss Charles »Lucky« Luciano zu reduzieren, um einen geheimen Deal zu ermöglichen: Im Tausch gegen sei ne Freilassung versorgte Luciano die amerikanische Armee mit Listen einflußreicher si zilianischer Mafiosi, welche die Vereinigten Staaten unterstützen würden, wenn die USArmee 1943 in Sizilien landen würde.4 Nach dem Krieg war die CIA »sehr glücklich darüber, die heimliche Freundschaft mit der sizilianischen Mafia weiter unterhalten zu können«. Wegen des Kampfes gegen den Kommunismus in Italien und auf Sizilien überlie ßen die Amerikaner die Insel tatsächlich der Herrschaft des Mobs, die noch bis heute besteht.5
Die amerikanischen Truppen, die dieses Land befreiten und die Diktatur in eine zer brechliche Demokratie umformten, wurden von den Italienern mit Flaggen, Brot und Wein willkommen geheißen. Dennoch wurden »die Alliierten wegen der Situation in der italienischen Politik, insbesondere wegen des starken kommunistischen Einflusses, der sich auch auf die Situation in Griechenland und Jugoslawien übertragen könnte, ner vös«. Deshalb wurde ein wohlüberlegter politischer Wandel vollzogen, als London und Washington plötzlich jeglichen Nachschub an die von Kommunisten dominierten Parti
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