7 Der geheime Krieg in Frankreich Die Invasion und die Besetzung Frankreichs durch die deutsche Armee im Zweiten Weltkrieg waren die traumatisierendsten Erfahrungen Frankreichs des letzten Jahrhun derts. Paris war schon am 14. Juni 1940 gefallen. Während rechtsgerichtete Teile der französischen Militärs und die politische Elite unter General Philippe Pétain mit Hitlers Besatzungsarmee kollaborierten und in Vichy eine faschistische Regierung einsetzten, floh General Charles de Gaulle nach London und erklärte der französischen Bevölke rung per Radio, daß er die legitime Regierung Frankreich repräsentiere. De Gaulle be stand darauf, daß der Krieg gegen die Besatzer fortgesetzt werden müsse und werde. Um in Frankreich geheimdienstliche Informationen zu sammeln, eine Verbindung mit der französischen Widerstandsbewegung aufzubauen und im feindlich besetzten Gebiet Sabotageoperationen durchzuführen, schuf er den französischen Geheimdienst BCRA (Bureau Central de Renseignement et dʼAction). BCRA-Agenten sprangen mit Fall schirmen über Frankreich ab und führten ihre geheimen Missionen unter sehr hohen Verlusten durch. Bei ihren Missionen, der Ausbildung und der Ausrüstung war das BCRA, das noch vor dem Kriegsende wieder aufgelöst wurde, ein Vorläufer der gehei men französischen Stay-behind-Armee, und viele geheime Soldaten des Kalten Krieges hatten zuvor als BCRA-Agenten gekämpft. Nach der Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 und der Befreiung Frankreichs, die von den Vereinigten Staaten angeführt wurde, kehrte General de Gaulle triumphierend nach Paris zurück und wurde Premier minister. General Péain, der mit Hitler kollaboriert hatte, wurde zum Tode verurteilt, später begnadigt und zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurteilt. Das Ende des Zweiten Weltkriegs war die Geburtsstunde der Vierten Französischen Re publik, die durch eine höchst instabile politische und militärische Situation gekenn zeichnet war und in der verschiedene Parteien um Einfluß rangen.1 Auf der linken Seite stand die französische kommunistische Partei PCF (Parti Communiste Français), die wegen ihrer Führungsrolle beim Widerstand gegen die faschistischen Kollaborateure von Vichy bei der Bevölkerung sehr beliebt war und die sich die Macht in der Nach kriegsregierung sichern wollte. Die PCF hatte enormes Ansehen und eine Art von Vormachtstellung gewonnen, weil sie die Speerspitze des Widerstands darstellte Ihre patriotische Glaubwür digkeit war unbestritten.2
Auf der rechten Seite des Parteienspektrums standen die militärischen Kollaborateure von Vichy und mächtige Gruppen der französischen Wirtschaft, die am vehementesten die Vorstellung ablehnten, daß Frankreich unter kommunistische Kontrolle geraten könnte, ganz gleich, ob eine solche Situation durch einen kommunistischen Staatsstreich oder durch eine demokratische Wahl mit einem Sieg der PCF entstünde. Besonders die Vereinigten Staaten, ebenso wie Großbritannien, waren strikt gegen die PCF, die sie als stark von Moskau abhängig betrachteten. Deshalb, ähnlich wie in Italien, wurde auch in Frankreich nach 1945 ein geheimer Krieg fortgesetzt, und zwar zwischen der PCF und kommunistischen Gewerkschaften auf der einen Seite und der CIA und Teilen des fran zösischen politischen, militärischen und polizeilichen Apparats auf der anderen Seite. Der ehemalige CIA-Agent Philip Agee kommentierte später diesen geheimen Kalten Krieg in Frankreich: Zu Beginn wollte sie [die CIA] die Linke daran hindern, an die Macht zu kom men, und vor allem wollte sie, daß die Kommunisten auf keinen Fall an einer Re gierung beteiligt würden. Für die CIA hatte dies offenbar allerhöchste Priorität – wie in allen Ländern der atlantischen Allianz.3
Denn nirgendwo in Westeuropa, mit Ausnahme von Italien, waren die Kommunisten in den Nachkriegsjahren so stark wie in Frankreich. Washington befürchtete, daß Moskau
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