Die neuen Leiden des jungen Kickers Philipp Lahms Co-Autor Christian Seiler Ăźber das laute Spektakel zum leisen FuĂ&#x;ball-Buch
Schumacher!
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Schumacher! V.i.S.d.P.-Herausgeber Hajo Schumacher über die Defizite der kleinen Parteien
Endlich mal wieder eine Sternstunde im politischen Fernsehen. Fernab des normalen Talks mit den gefühlten Wahrheiten alter Männer traute sich der RBB gestern Abend, 13 Kleinparteien vorzustellen, die zwar allesamt wenig Chancen haben, ins Abgeordnetenhaus einzuziehen, gleichwohl aber zur Wahl stehen. Der gute Demokrat hat gelernt, dass Parteien die politische Willensbildung in Deutschland maßgeblich organisieren, dass die 5-Prozent-Hürde ziemlich hoch ist und dass eine dynamische Demokratie nicht zum Ziel haben darf, die Etablierten möglichst ungestört unter sich zu lassen. Wenn nur noch jeder Zweite
wählt, wenn den Großen die Mitglieder weglaufen, dann wäre es zudem naheliegend, dass die Kleinen Zulauf haben. Also mehr Öffentlichkeit für die Unbekannten. Soweit die Theorie. Die Praxis allerdings war erschreckend. Was die ausgezeichneten Moderatoren Cathrin Böhme und Sascha Hingst da in angemessenem Tempo präsentierten, lässt schlagartig sogar die FDP wieder als seriöse Wahloption erscheinen. Es gab überwiegend extreme Linke, extreme Rechte, extrem Doofe oder Kombinationen, also ein ziemlich präzises Abbild der Profi-Empörer in der Haupt-
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Schumacher!
stadt. Entweder röhrten Schwachmaten wie NPD- Voigt herum ( Hingst : „Holocaust – gab‘s den eigentlich?“ oder „Warum haben Sie nicht den Mut zu sagen, dass Sie Adolf Hitler toll finden?“), die Dauer-Sektierer von BÜSo, wo die ewige Helga Zepp-LaRouche gerade parkt, es gab Tierschützer („Mehr Hundekotbeutelspender am Grunewaldsee“), die DKP („Wir stehen zur DDR“) sowie die Aktivistin der BIG, die sich sorgt, dass an Berliner Schulen im Unterricht „Darkroom“ gespielt wird. Da fiel der Satiriker Martin Sonneborn gar nicht mehr auf, der mit „Die Partei“ diesem Wahlkampf eine seiner wenigen tiefschürfenden Noten verleiht, weil er politische Rituale verschlingensieft und konsequenterweise gleich mit Fackeln durchs Brandenburger Tor marschiert. Es fehlten eigentlich nur Bier- und Hertha-Partei. Es ist schon faszinierend, dass keine der 13 Zwergsekten eine Antwort auf die Frage hatte, wo man denn mal sparen könnte, wie man die Wirtschaft nach vorn bringt oder Integration bewerkstelligt. Stattdessen waren alle groß im Geldausgeben, ob bei kosten-
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freiem Nahverkehr, Mehrwertsteuersenkungen oder Mietbremsen. Standardsatzbeginn: „In diesen Zeiten ...“, Standardszenario: Die Welt geht unter. Standardhaltung: dagegen. Also eine Versammlung aller mondsüchtigen Apokalyptiker, die sich sonst in Internet-Foren auskotzen. Größte Enttäuschung des Abends: die Piraten, die 63 Milliarden Schulden abbauen wollen, indem Schwarzfahrer nicht mehr eingeknastet werden, was erstens ohnehin nicht oft passiert und zweitens sicher keinen nennenswerten Beitrag zur Haushaltssanierung abwerfen wird. Wie gern würde man den Etablierten eine schlaue kleine Partei vorhalten, allein: Es gibt offenbar keine.
Update
„Das Vernünftigste wäre, wenn man die Sendung streichen würde. Alles hat ein Ende. Die Sendung hat die Substanz verloren.“ Helmut Thoma im ROLLING STONE über „Wetten, dass...?“
Update
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Das Tagebuch
Samstag
Freitag Montag
FREITAG: Apple-Chef Steve Jobs gibt aus gesundheitlichen Gründen seinen Job auf und löst damit eine Serie unterwürfiger ehrerbietender Huldigungen aus.
SAMSTAG: Ein Beitrag des RTL-Magazins “Explosiv” macht sich über die Szene der Computerspieler lustig, was zu einem explosiven GamerShitstorm im Internet führt. Schließlich entschuldigt sich FREITAG: DER FREITAG en- der Sender sogar. thüllt, dass die Wikileaks-Files des State Departement frei SAMSTAG: BILD erscheint zugänglich sind – ein GUARD- einmalig in einem sehr goßen IAN-Redakteur hat in seinem Format von 77,7 mal 52,8 Buch das Passwort verraten. Zentimeter. Es steht aber nichts Für die Enthüllungs-plattform Besonderes drin. ein Desaster, für Informanten lebensgefährlich.
MONTAG: Gruner+Jahr darf die Zeitschrift GRAZIA übernehmen. Das Bundeskartellamt und die österreichischen Kartellbehörden stimmen zu. DIENSTAG: Ringier übernimmt die kleine Zeitschrift LITERATUREN und macht sie zu einem Beileger von CICERO. Das Magazin war vor zehn Jahren von Sigrid Löffler gegründet worden (ja, die Dame aus dem “Literarischen Quartett”).
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Social Media Ranking Jede Woche misst V.i.S.d.P., wer in den deutschen Medien am besten in Facebook und Twitter kommuniziert. Die Top 10 der deutschen Sport-Seiten
Update
Sport-Seiten
1 18 Sportschau, ARD 78,5 2 34 Kicker Online
75.5
3 38 SPOX
75.4
4 45 Sport 1
72.2
5 54 11FREUNDE
72.0
6 61 ZDF Sport
71.3
7 97 BILD.DE Sport
67.7
8 110 Achim-Achilles.de
67.0
9 112 Eurosport Radsport On Tour
65.7
10 132 SPIEGEL Sport
64.6
Verlierer der Woche
Deniz Yücel
Ulrich Wilhelm
weil der TAZ-Kolumnist für seine brachialsatirischen Fußball-Kolumnen (Ihr Schlampen!) viel Dresche bezogen hat, jetzt aber auch völlig verdient den Kurt-Tucholsky-Preis bekommt. 3.000 Euro ist der wert.
weil der relativ neue BR-Intendant im ZEITInterview immer noch unfassbar langweilige Allgemeinplätze von sich gibt, ganz als ob er noch Regierungssprecher wäre. Bitte mal eine neue Platte auflegen, so langsam.
Fotos: TAZ, BR
Gewinner der Woche
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Update
Sat.1
Balla-balla Der SAT.1-Ball ver채ndert sich mal wieder. Die neueste Version darf wieder bunt sein. 2008/2009
2009 bis 2011
Fotos: SAT1 ,Archiv
seit August
1986 bis 2001
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Update
Top 7
Die Top 7 Medien-Themen, die Sie in diesem Sommer vielleicht verpasst haben
1.
Der Murdoch-Skandal
Das Königreich Britannien erhebt sich gegen seinen Knechter Rupert Murdoch, dessen Schundblätter ihre Skandale durch das Abhören der Telefone von Promis, Verbrechensopfern und Soldatenwitwen recherchieren.
2.
Der MDR-Skandal
Der bisher allmächtige MDR-Unterhaltungschef Udo Foht hat seine Stellung jahrelang genutzt, um Zahlungen von Produzenten und sonstigen Subunternehmern des Senders zu erlangen. Er wird gerade fristlos gekündigt.
3.
Die ARD-BILD-Kampagne
Nach Recherchen der BERLINER ZEITUNG bereitet sich die ARD auf eine Kampagne gegen die BILD-Zeitung vor, die offenbar ihrerseits eine Anti-ARD-Serie plant. Als öffentlich-rechtliches Propaganda-Institut setzten die Intendanten eine spezielle Recherche-Einheit ein.
4.
Die Weimer-Entmachtung
FOCUS feuert seinen Chefredakteur Wolfram Weimer. Die Markwort-Nomenklatura duldet keinen Reformer neben Statthalter Uli Baur.
5.
Der Vera-Skandal
BILD ONLINE zeigt per Video, wie sich Vera Int-Veen Zugang zum Haus einer Protagonistin ihrer Mietnomadenjäger-Show verschafft – und zwar gegen den Willen des minderjährigen Sohns, der eine Sonderschule besucht. Der Schnitt täuscht ein Einverständnis vor.
6.
Die BUNTE-Erpressung
BUNTE-Chefin Patricia Riekel entlässt ihrewn Politikchef und eine Redakteurin, die sich auf zweifelhafte Recherchemethoden eingelassen hatten. Der Informant hatte angeblich versucht, das unter einem früheren Spitzel-Skandal leidende Blatt zu erpressen.
7.
Der WAZ-Showdown
Seit Jahrzehnten schlagen sich Medienjournalisten mit den Intrigen der beiden am mächtigen WAZ-Konzern beteiligten Familien herum. Nun kauft Petra Grotkamp aus der Funke-Sippe der Brost-Seite die Mehrheit ab – für angeblich eine halbe Milliarde Euro. Danke.
Update
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Magazin-Kunst Wer es bis zum 22. Oktober nach New York schafft, darf sich eine Ausstellung der Society of Illustrators nicht entgehen lassen. Das Museum der Gesellschaft in Manhattan zeigt 80 Original-Illustrationen aus dem Plattenkritik-Ressort des ROLLING STONE.
Hanoch Piven zu Bob Dylan, “MTV Unplugged”, 1995
John Hendrix zu Beastie Boys, “To the Five Boroughs”, 2004
Leute
Tobias Frericks ist ab November neuer „Fashion Director“ von GQ. Nicht nett: Den Vorgänger Klaus Stockhausen warb ExCondé-Nast-Chef Bernd
Runge für sein MagazinProjekt INTERVIEW ab. Carolin Schuhler ersetzt Petra Winter als COSMOPOLITAN-Chefredakteurin, deren Stellvertreterin sie war, bevor sie zum Vision Media Verlag wechselte. Georg Streiter wird neuer Vize-Regierungssprecher,
vorgeschlagen von der FDP. Bisher leitete er das Büro von Silvana Koch-Mehrin. Seine bekannteste Zeile als BILD-Redakteur war: „Wir sind Papst“. Oliver Stock ist neuer Chefredakteur von HANDELSBLATT ONLINE. Zuvor leitete er die Ressorts Finanzen und Börsen.
RADIO BREMEN, G+J, ARD, MDR, PayPal
Max Boeddeker ist neuer Textchef von IN. Er stammt aus dem BRAVO-Universum und war zuletzt beim Egmont Ehapa Verlag.
Leute
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Foto: RTL / Stefan Gregorowius
Mehr Chefs beim SPIEGEL Klaus Brinkb채umer wird neuer stellvertretender Chefredakteur des SPIEGELS neben Martin Doerry. Erst Anfang des Jahres hatte ihn Chefredakteur Georg Mascolo zum Textchef gemacht.
r o t m h u a L s A o C p i l l Ph i
n S e i le r a i t s i r h C
Ăźber das laute Spektakel zum
leisen FuĂ&#x;ballbuch
Die neuen Leiden des jungen Kickers
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Das einzige Buch, das sich in diesen Tagen noch besser verkauft als die “Schoßgebete” von Charlotte Roche ist “Der feine Unterschied” des Fußball-Nationalspielers Philipp Lahm. Aufgeschrieben hat es der Journalist Christian Seiler. In V.i.S.d.P spricht er über Fluch und Segen einer Boulevard-Explosion, die Brisanz homöopathischer Kritik und den Preis des Fußball-Ruhms.
Interview: Sebastian Esser Illustration: Indi Davies
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Leiden
Herr Seiler, ist Philipp Lahm “erbärmlich”, “schäbig” und hat “null Charakter”, wie Rudi Völler findet? Philipp Lahm ist ein äußerst diskreter, freundlicher und sympathischer Mensch. Die Tatsache, dass die Rezeption des Buches in dieser Lautstärke und in dieser Undifferenziertheit begonnen hat, ist natürlich sehr schade. Philipps Wesen und seine Intention, dieses Buch zu machen, spiegelt sie in keiner Weise wider. Haben Sie erwartet, dass das Buch Verwerfungen wie zum Beispiel eine DFB-Krisensitzung nach sich ziehen würde? Natürlich nicht. Ich musste sehr lächeln, als ich die neue Ausgabe von 11FREUNDE gelesen habe. In Christoph Biermanns Rezension heißt es sinngemäß, wer dieses Buch nach brisanten Stellen durchforste, werde nicht fündig werden. Da hat er nicht mit seinen Kollegen von der BILD-Zeitung gerechnet. Philipp Lahm wollte keine Autobiografie schreiben, dafür hält er sich für zu jung. Er wollte ein Buch schreiben, das als Leitfaden für junge Fußballer dienen könnte und ihnen einen Eindruck davon vermittelt, wie das Leben eines Profis in Wirklichkeit aussieht. Lahm hatte aber doch sicher ein Mitspracherecht bei der Auswahl
der zu veröffentlichenden Stellen als Teil einer PR-Strategie. Daran bin ich nicht beteiligt, kann also nicht seriös Auskunft geben. Aber ich weiß, dass es ein paar Kurzschlüsse gab. Die Aufregung war auch von der BILD-Zeitung so nicht geplant. Die erste Folge sollte ursprünglich gar nicht die erste sein, hat aber zu heftigen Reaktionen geführt. Rudi Völler gab die Lautstärke vor, wie über dieses Buch gesprochen wurde. Dann ist von allen Seiten nachgelegt worden und plötzlich war der unglaubliche Krach da. Die Diskussion dreht sich nicht darum, was Sie geschrieben haben, sondern ob sich ein Spieler überhaupt darüber äußern darf, was Kritiker als Interna bezeichnen ... Dabei sind es ja keine Interna. Die Kritiker, die Philipp vorwerfen, er sei charakterlich nicht auf der Höhe, sollten mal in das Buch reinschauen. Darin sind keinerlei Interna ausgebreitet – das hat ja auch Joachim Löw festgestellt. Das, was darin über den zerstrittenen Haufen der EM 2008 steht, hat er damals selbst zu Protokoll gegeben. Der Vorwurf besteht darin, dass es Lahm gewagt hat, seine Trainer zu beurteilen. Das hat auch der Bundestrainer kritisiert.
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Die Kritik an seinen Trainern ist in homöopathischen Dosen über das Buch verteilt, immer in Relation zu dem, was Philipp eigentlich erzählen wollte. Er schreibt über das Jahr 2004 bei der Nationalmannschaft, dass wenig trainiert wurde und allgemein wenig systematisch gearbeitet wurde. Er vergisst aber nicht hinzuzufügen, dass die Modernisierung bei allen Nationalmannschaften erst im Anschluss an die EM 2004 begonnen wurde. Das gibt dem Statement, dass Völler nur eine Stunde am Tag trainieren ließ, einen ganz anderen Spin. Wenn man das aus dem Zusammenhang drechselt, ist es ein Anwurf gegen Völler. Eigentlich aber ist es eine Feststellung zu einer bestimmten Epoche des Fußballspiels. Zum Wandel des Fußballs gehört auch die Stellung des Spielers. Löw sagt, es stehe einem Spieler nicht zu, seine ehemaligen Trainer zu beurteilen. Finden Sie das auch? Als erwachsener Mensch darf Lahm doch sagen, was er will. Als Außenbeobachter dieser Szene kann man über die Durchhierarchisierung der Branche nur staunen. Jemand wie Philipp Lahm, der zu Beginn der Bundesligasaison in den großen Zeitungen noch als der „mächtigste Mann im deutschen Fußball“ beschrieben wurde, kriegt einen Maulkorb dafür, dass er Dinge
Lahms
sagt, die jeder Mensch im Stadion permanent ausspricht. Wenn man im Buch liest, dass Louis van Gaal den Bayern-Profis vorschreibt, wann sie aufstehen dürfen, um sich etwas vom Buffet zu holen, und in welcher Reihenfolge das zu passieren hat, dann versteht man, wie das Verhältnis zwischen den wirklichen Machthabern im Fußball und den Spielern aussieht. Nämlich so, wie es in keinem anderen Angestelltenverhältnis in Deutschland möglich wäre. Jeder Angestellte, dem sein Chef vorschreibt, wann er seine Banane essen darf, würde sich an den Kopf greifen und sagen: Hast Du keine anderen Sorgen? Dass Löw Lahm gesagt hat, er solle in Zukunft keine Trainer mehr bewerten, muss Philipp jetzt freilich zur Kenntnis nehmen, eine andere Chance hat er nicht. Aber Philipp Lahm hat sich auch für “Missverständnisse” entschuldigt. Haben Sie etwas missverständlich ausgedrückt? Der Text ist von allen Beteiligten vielfach durchgearbeitet und mit den entscheidenden Stellen abgestimmt worden. Ich glaube nicht, dass Philipp seine Meinung geändert hat – aber das Meinungsklima hat sich geändert. Jetzt gibt es klare Anweisungen, dass so etwas nicht zu erfolgen hat. Als Profi hält sich Lahm an die Regeln.
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“
Als Außenbeobachter dieser Szene kann man über die Durchhierarchisierung der Branche nur staunen. Jeder Angestellte, dem sein Chef vorschreibt, wann er seine Banane essen darf, würde sich an den Kopf greifen und sagen: Hast Du keine anderen Sorgen?
”
Christian Seiler, Philipp Lahms Co-Autor
Seit Tagen steht das Buch bei Amazon auf Platz 1, vor Charlotte Roche. Wie fühlt es sich an, einen Riesenhit zu landen? Ambivalent, wie auch die Rezeption. Einerseits freut es mich, das ist ja logisch. Ich hätte mich noch mehr gefreut, wenn der ganze Krach nicht gewesen wäre. Ich bin aber nicht so naiv zu glauben, dass unser Buch ohne Krach auch auf Platz 1 stünde.
Ich habe 19 Bücher von Ihnen gezählt und Sie bisher nicht als Sport-Autor wahrgenommen. Wie ist die Zusammenarbeit mit Lahm zustandegekommen? Im vergangenen Jahr habe ich zwei Bücher mit Sportlern gemacht, David Lama, einem jungen Kletterer, und mit Toni Innauer, der österreichischen Skisprung-Legende. Die haben dem Management von Philipp
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gefallen. Dann haben wir uns ein bisschen ausprobiert und entschieden, das Projekt gemeinsam zu machen. Interessieren Sie sich als Österreicher überhaupt für die Bundesliga? Ja, weil ich gerne guten Fußball sehe. Und dann interessieren Sie sich für die Bundesliga? Wenn Sie schon einmal österreichischen Fußball gesehen haben, wissen sie erst, wie großartig die Bundesliga ist. Ihr Buch zeichnet ein fast ernüchterndes Bild des Lebens eines Profifußballers. Ich hatte eine Vorstellung davon, wie Profifußball funktionieren könnte. Aber durch Philipp Lahm, der auch einer der großen Prominenten Deutschlands ist, bekommt man einen neuen Eindruck davon, wie anstrengend es ist, Spitzenfußballer zu sein. Und wie anstrengend es wirklich ist, habe ich erst begriffen, als das Buch vorab gedruckt wurde. Die ganze Diskussion ist eigentlich eine ganz große politische Geschichte. Es ist ein Kampf um die Deutungshoheit über ganz simple, einfache Sätze. Philipp Lahm hat nichts gesagt, was nicht jeder weiß. Allein die Tatsache, dass er es war,
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der es gesagt hat, hat zu diesen vielfältigen und in ihrer Form zum Teil absolut inakzeptablen Interpretationen geführt. Das ist nur noch mit der Politik vergleichbar. Es gibt eine Passage im Buch, die das illustriert: Philipp unterhält sich mit Angela Merkel. Sie erwähnt, sie habe ein Interview mit ihm gelesen und fühle sich dem, was er da ausgedrückt habe, sehr verwandt. Ich kann mir vorstellen, dass es in Deutschland wenige Menschen gibt, die mehr unter Beobachtung stehen als Spitzenprofis beim FC Bayern. Damit zu leben und ein Privatleben zu finden, das befriedigend und in irgendeiner Weise normal ist, das ist schon eine große Herausforderung – mit der Philipp sehr gut umgeht. Aber dass er sagt, dass alle seine Freunde Menschen sind, die er kannte, bevor er prominent wurde, lässt darauf schließen, was für einen Verschleiß an Vertrauen und Sentiment der Job mit sich bringt. Klar: Fußballprofis kriegen einen Haufen Geld dafür. Aber sie zahlen auch einen hohen Preis.
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Kolumne
Heidi
Ehe
KlatschAntje Tiefenthal ist unsere
Hochzeit
Charlotte Roche
Korrespondentin im Land der bunten Bl채tter. Jeden Monat berichtet sie 체ber die wichtigsten Klatschthemen, die schamloseste Schleichwerbung und die ewige Frage:
Sommerloch
Gala.de Wer schreibt bei wem ab?
Heizdecke
Posh
Jennifer Aniston
BUNTE
kritik Skandal
Sex
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Klatschkritik
Kleinkram
D
er goldene Pinocchio
für die dreisteste Lüge, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht diesmal an die GRAZIA, Ausgabe 35. Prinzessin Mary von Dänemark „mausert sich als royale Style-Stalkerin“ und kopiert von Kate Mountbatten-Windsor. Quatsch! Google verrät schnell und eindeutig, dass die Aufnahmen von Mary zum Teil fast ein Jahr älter sind als die von Kate. Wer klaut hier wohl von wem?
L
ieber zu spät als nie! Gala.
de erstrahlt in neuem Glanz und arbeitet endlich offensiver mit SocialMedia-Tools. Tweets von Prominenten haben ihren Platz nun direkt auf der
Startseite, und Facebook-User können sehen, welche Gala.de-Artikel ihre Freunde empfehlen. Jetzt muss nur noch jemand auf „Gefällt mir“ klicken!
S
ummer of Love! Soviel Hoch-
zeiten, Geturtel, Babys und Schwangerschaften wie diesen Sommer gab es noch nie. Erst trauen sich Charlene Witt-
Kolumne
stock und Fürst Albert von Monaco, am selben Tag sagen Kate Moss und Jamie Hince „Ja“, dann heiraten Zara Philipps, die Lieblingsenkelin der Queen, und Mike Tindall. Krönender Abschluss des Liebessommers (zumindest für den RBB): Die Hochzeit von Prinz Georg Friedrich von Preußen und Sophie von Isenburg wurde live im TV übertragen.
S
kandal des Sommers: Die
Bunte kündigte ihrem Politikchef Tobias Lobe und einer weiteren Mitarbeiterin wegen unlauterer Recherchen, bei denen ein Bundespolitiker in seinem Privatleben ausgespäht werden sollte, fristlos. Einen Nachfolger für Tobias Lobe
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gibt es bislang noch nicht, laut Impressum leitet Katrin Sachse, die zugleich auch Stellvertretende Chefredakteurin ist, das Politikressort kommissarisch.
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Klatschkritik
Heizdecke
Ehe
Sex
Provokation
Alice Schwarzer
Viva-Moderatorin
Christian Wulff
Skandal
Feministin
autobiographisch
Grimme-Preis
Masturbation
Auto-Unfall
Oralverkehr
Tabu-Bruch
Seelen-Striptease
Fotos: Getty
Bullshit Bingo
Kolumne
K
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ennen Sie Bullshit Bingo?
Nein? Das geht so: Sie benötigen ein Blatt Papier, auf das Sie vier mal vier Kästchen einzeichnen. Tragen Sie in jedes Kästchen ein Schlagwort ein, von dem Sie glauben, dass es in der nächsten langweiligen Redaktionssitzung/Arbeitsgruppenbesprechung/Telefonkonferenz genannt wird. Fällt in dem Meeting einer dieser Begriffe, kreuzen Sie das Kästchen an. Sobald Sie eine Reihe horizontal, vertikal oder diagonal gefüllt haben – herzlichen Glückwunsch! Gäbe es eine Bullshit-BingoMeisterschaft, ich wäre Landesmeisterin in der Kategorie Klatschblätter. Die Berichterstattung ist meist so vorhersehbar, dass mir der Sieg sicher ist. Ein Beispiel ist GALAS Serie „Hotspots des Sommers“. Teil 1, Sylt. Krebsessen? Sansibar? Pony Club? Magnum-Flasche? Bingo! Oder nehmen wir die Berichterstattung über Charlotte Roches neuen Roman „Schoßgebete“. Ganz gleich, ob COVER oder BUNTE, in den Redaktionen wird nur Einheitsbrei gekocht. Die immergleichen Textstellen werden zitiert, lesen müssen wir das Buch eigentlich nicht mehr. Niemand macht sich die Mühe, das Thema originell aufzubereiten. Sex? Provokation? Heizdecke? Feministin? Bingo!
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Klatschkritik
Fotos: Getty
Heidi läuft
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enn nichts mehr geht,
läuft Heidi Klum. Und zwar durch New York City, medienwirksam immer in Begleitung eines Promis. Gestern Designer Michael Kors, heute Model Miranda Kerr, morgen Reality-Soap-Star Kim Kardashian. GRAZIA & Co drucken fleißig die Bildchen ab. Sommerloch – was ist das? Unser Fräulein aus Bergisch
Gladbach sorgte dafür, dass sie in den letzten Monaten gefühlt mindestens einmal pro Woche auf dem Cover eines deutschen Klatschblattes landete. SexBeichte, Oben-Ohne-Fotos, Rausschmiss von Germany‘s-Next-Topmodel-Siegerin Jana Beller – dem OK!-Magazin war das aber immer noch nicht genug. Erst der Aufschrei „Heidi hungert sich dünn!“
Kolumne
(siehe V.i.S.d.P. #211), dann wird ein paar Ausgaben später der Spieß umgedreht: „Heidis Geheimprogramm – so schaffen wir es auch!“ Doch die INTOUCH brüllt heraus, was viele denken: „Heidi, du nervst!“. Hat leider nichts gebracht, die Heidi-Maschinerie läuft, und läuft, und läuft ...
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Posh Baby
A
m Montag startet wieder
„Wer wird Millionär?“ Wenn Sie mitmachen wollen, merken Sie sich Harper Seven! Das ist weder a) ein neuer Cocktail mit sieben Alkoholsorten noch b) eine Creme, die sieben Zeichen der Hautalterung aufhält und auch nicht c) der Name des größten karibischen Kreuzfahrtschiffes, sondern d) der Name der ersten Tochter von David und Victoria Beckham. Harper Seven wird eines Tages Mamas Millionen-Kleiderschrank erben und ist schon jetzt, erst wenige Wochen alt, die größte Konkurrenz von Tom Cruises Töchterchen Suri. Prognose: Spätestens ab nächstem Frühling wird Harper Seven, gekleidet in feschen Designerfummel, regelmäßig die Titelseiten
Klatschkritik
der Klatschpresse füllen.
Kolumne
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Klatschkritik
Kolumne
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COVE Rs Cover
orfreude, schönste Freude, Freude im Sommer! Mit Spannung habe ich auf die zweite Ausgabe von Cover, Burdas neuem Premium-Frauenmagazin, gewartet– nun liegt das Hochglanzblatt endlich am Kiosk. Von einem Magazin, das sich COVER nennt, darf man eine spektakuläre Titelseite erwarten. Und? Jennifer Aniston mit Hut, fotografiert von Brian Bowen Smith. Spektakulär geht anders, statt Cover könnte genausogut JOY, GLAMOUR oder JOLIE über dem Bild stehen. Bemerkenswert ist dagegen das Alter der Aufnahme: Brian Bowen Smith fotografierte Jennifer Aniston im Jahr 2008. 2008! Ein klarer Fall für die Rubrik „Geht gar nicht“.
Ende Verlosung
Nicht ganz dicht Florian Schröder macht zwar politisches Kabarett, ist aber erst 31. Sowas gibt’s! Sogar gedruckt. V.i.S.d.P. verlost drei Exemplare des Schröder-Buchs “Offen für alles und nicht ganz dicht” unter allen, die folgende Frage beantworten: In welcher Fernsehserie spielte Dieter Hildebrandt einen Pressefotografen? info@visdp.de
Der Tipp
Ein letzter Sonntag ohne Günther Nächsten Sonntag beginnt “Günther Jauch”, die neue ARD-Sendung von Günther Jauch. Nicht zu verwechseln mit “Anne Will” mit Anne Will oder “Sabine Christiansen” mit Sabine Christiansen. Nutzen wir also übermorgen die letzte Chance, nach dem Tatort eine gepflegte 11.-September-Doku zu schauen. In der kommenden Woche steht dann in V.i.S.d.P. alles Weitere zur neuen Talk-Schiene. Möglicherweise.
V.i.S.d.P. – Magazin für Medienmacher
Chefredakteur: Sebastian Esser Herausgeber: Dr. Hajo Schumacher Design: Markus Nowak, Supermarkt Studio Cover Illustration: Indi Davies Redaktion: Till Schröder, Wendelin Hübner, Susan Mücke, Frank Joung, Patrick Weisbrod Lektorat: Carla Mönig Anzeigen: anzeigen@visdp.de Mediadaten: http://www.visdp.de/magazin/mediadaten/ Adresse: Lietzenburger Straße 51, 10789 Berlin Telefon: 030 2196 27287 E-Mail: info@visdp.de