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1. Juni 2012

Antr채ge zur Tagesordnung


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Die Woche

3 Liebling der Woche

Der SPIEGEL-Chefredakteur sieht auf diesem neuen Anzeigen-Motiv aus wie ein Flottillenadmiral der Marine, der konzentriert mit seinen KanonenbootFachleuten die U-Boot-Missionen durchgeht. Fesch, aber schon ziemlich angsteinflößend. Das haben sie also hinbekommen. Aber was sagt uns diese Anzeige über die Zielgruppe des SPIE-

GELS? Vielleicht, dass die potenziellen Leser gern selbst mit an diesem Tisch sitzen und Angst und Schrecken verbreiten würden? Lesen diese grau melierten Leute, die Guido-Knopp-Dokus gucken, nicht sowieso schon jede Nazi-Titelstory des Magazins? Oder hofft die Werbeagentur, dass sich Frauen von so viel Männlichkeit magisch angezogen fühlen?


Die Woche

4 Gewinner der Woche

Günter Wallraff weil der Alte inzwischen zwar ein bisschen nervt. Aber das ist ja genau sein Job, das Nerven. Und es spricht für ihn, dass er sich nicht zu schade ist, bei RTL sein Publikum abzuholen, um auf die üble Situation im PaketzustellerGewerbe aufmerksam zu machen. Seine Filme und Texte sind etwas aus der Zeit gefallen; sein Einsatz ist es aber nicht. Verlierer der Woche

Stefan von Holtzbrinck

weil der Ex-Verleger (gerade hat er mit der SAARBRÜCKER ZEITUNG seine letzten Tageszeitungsbeteiligungen abgestoßen) nicht nur seine Familientradition in den Wind schießt, sondern auch seine Holzmedien-Angestellten in eine ungewisse Zukunft schickt. Ökonomisch mag die Entscheidung vernünftig sein, aber man muss sich nicht noch als Visionär (Studi VZ?) dafür feiern lassen.

vergangener Donnerstag

24.5.2012

Kein TITANIC-Scherz: Das Dossier der ZEIT besteht aus einem Gespräch zwischen Katrin Göring-Eckardt, Frank Schirrmacher und Giovanni di Lorenzo über alles an sich und überhaupt. Ein Auszug: Di Lorenzo: Ich bin seit mehr als 13

Jahren Chefredakteur. Erwischen Sie sich nicht bei dem Gedanken: Es gibt noch etwas anderes?

Schirrmacher: Oh, darüber denke ich

jeden Tag nach. Und das Tolle ist: Dieser Gedanke ist das Wesensmerkmal des Journalismus. Es gibt noch etwas anderes, und du darfst darüber schreiben. vergangener Freitag

25.5.2012

der DJV und Verdi verkünden Honorarbedingungen für freie Journalisten bei SPIEGEL ONLINE: 100 Euro Mindesthonorar, Mehrfachverwertungen nur nach Absprache. Klingt fair. Die Initiative ging aber von SPON-Mitarbeitern aus, die sich vor allem über den Freienverein „Freischreiber“ organisierten. Der sagt deswegen, der DJV schmücke sich mit fremden Federn. Dienstag

29.5.2012

Ein Moderator des Senders OSTSEEWELLE HIT-RADIO wird während der Frühsendung wegen dringenden Verdachts des mehrfachen sexuellen Kindesmissbrauchs von der Polizei verhaftet. Am Tag darauf findet sich sein Gesicht unverpixelt auf der BILD-Titelseite wieder.


Die Woche

Foto: Holtzbrink, GMP/Alpine/Nussli

Zitat der Woche

„14. Im April 2010 brach ein isländischer Vulkan aus, die Aschewolken beeinträchtigten Europas Flugverkehr. Bitte buchstabieren Sie den Namen dieses ... nein, kleiner Scherz. Aber: Es ist kein Zufall, dass Island vulkanisch sehr aktiv ist. Warum?“ Aus dem Allgemeinwissen-Fragebogen 2011 der Henri-Nannen-Schule. Die Antwort: „Sinngemäß: Island befindet sich genau über dem Mittelatlantischen Rücken, wo die nordamerikanische und die eurasische Platte auseinanderdriften.“

5 gestern

31.5.2012

Folgende Sätze von Franz Josef Wagner darf BILD nicht mehr verbreiten, weil das Landgericht Traunstein die Grenze zur Schmähkritik überschritten sieht: „Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft. Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.“ Gestern war‘s aber noch online. Sonnabend

25.5.2012

Irgendwo hinter Kleinasien findet ein europäischer Gesangswettbewerb statt. Sonntag

26.5.2012

Volker Weidermann schreibt im Feuilleton der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG, das GriechenlandEuro-Gedicht von Günter Grass, das die SZ veröffentlicht hatte, sei in Wirklichkeit ein TITANIC-Scherz gewesen. Dass dieser Text wiederum ein kleiner Scherz war, verstehen offenbar nicht alle FAS-Leser. Die SZ reagiert am Dienstag im „Streiflicht“ und behauptet, alle Weidermann-Texte seien in Wahrheit TITANIC-Scherze. Dabei gab es doch mal so schöne FAS-Persiflagen in der TITANIC. Echt jetzt!


Leute

Meredith Haaf (1) wird im Herbst feste Autorin bei NEON. Sie ist mit 29 Jahren schon eine renommierte Magazin-Autorin, hat zwei erfolgreiche Bücher verfasst („Heult doch“ und „Wir Alphamädchen“) und das einflussreiche feministische Blog „Mädchenmannschaft“ mitgegründet.

Christoph Minhoff (3), Phoenix-Programmgeschäftsführer, hat offenbar genug vom Journalismus und wird im Herbst Chef des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (BLL). Ein Nachfolger ist noch nicht bekannt.

Michael Suck (2) wird neuer Chefredakteur des PC MAGAZINS. Er folgt auf Wolfgang Koser.

Caroline Kunath (4) heißt die Moderatorin der SAT.1-Fälschung der RTL-Landwirt-Kuppelshow „Bauer sucht Frau“.

Fotos: WDR/Leidig, SAT1, DuMont, Phoenix, PC Magazin, Promo

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Leute

Die neue Sendung namens „Land sucht Liebe“ startet am Sonntag mit einer Auftaktfolge, der Rest kommt aber erst im Herbst, und das gleich täglich. Christoph Hauser (5), ARTE-Programmchef, soll laut FAZ neuer SWR-FernsehDirektor werden. Jan Büttner, den Leiter des Intendantenbüros, wünscht sich Peter Boudgoust als Verwaltungsdirektor und SWR 3-Programmchef Gerold Hug als

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Hörfunkdirektor. Damit das alles klappt, will es Boudgoust nicht zulassen, „dass mit verantwortungslosen Machtspielchen unser wichtigstes Gut in Frage gestellt wird: unsere Unabhängigkeit.“ Word! Uwe Vorkötter (6), Chefredakteur von FRANKFURTER RUNDSCHAU und BERLINER ZEITUNG, geht. Bei der BERLINER soll ihm offenbar Stellvertreterin Brigitte Fehrle folgen.


Anträge Tagesor 8

Titel

Die heute beginnende Jahreskonferenz des Netz-

werk Recherche (NR) soll ein Anfang werden. Der neue Vorstand will das Skandaljahr 2011 mit dem Rauswurf des Übervaters Thomas Leif möglichst rasch vergessen. V.i.S.d.P. liegen nun aber Dokumente vor, die Fragen aufwerfen: War Thomas Leif tatsächlich der einzige Verantwortliche für die finanziellen Unregelmäßigkeiten? Was wussten die übrigen Vorstandsmitglieder?


e zur rdnung Titel

„Der Verein ist über die Krise hinweg“, sagt der Netzwerk-Recherche-Vorsitzende Oliver Schröm in einem gestern veröffentlichten Interview mit KRESS. Nach dem Skandaljahr 2011, als der Vorstand nach finanziellen Unregelmäßigkeiten Übervater Thomas Leif mit Schimpf und Schande vom Hof jagte, hofft der neue Vereinsvorsitzende, Leiter investigative Recherche beim STERN, offenbar auf Ruhe und Hermonie bei der Jahreskonferenz, die heute im NDR-Konferenzzentrum in Hamburg beginnt. Den Gefallen werden ihm seine Mitglieder nicht tun. Seit Wochen kursieren Mails, aus denen wachsende Unzufriedenheit mit der

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Arbeit des im November neu gewählten Vorstands spricht. Zwar gibt es nach Angaben des Netzwerks mehr Ein- als Austritte, aber diese Austritte sind prominent. Darunter zum Beispiel HansMartin Tillack vom STERN, SWR-Chefredakteur Fritz Frey, Christoph Lütgert (NDR) und Ilka Brecht von „Frontal 21“. Mitglieder beklagen mangelnde Transparenz, den Unwillen zum kritischen Diskurs, aber auch handfeste, ungeklärte Fragen über die Arbeit des alten Vorstandes kommen immer wieder auf. Gestern morgen um 10:39 Uhr trifft in Dutzenden Mailboxen eine dieser Mails ein. Absender ist Rüdiger Pichler, Professor für Kommunikationsdesign an der


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Titel

Hochschule RheinMain und NR-Mitglied. Ihm geht es um Transparenz. Deswegen hatte er schon im Februar neun konkrete Fragen an den Vorstand geschickt, die teils gravierende Vorwürfe enthalten und grundlegende Probleme benennen. Auf eine Antwort wartet er bis heute.

MAGAZIN sagte der neu gewählte Vorsitzende Oliver Schröm im Dezember: „Die Transparenz, mit der die Sache dargestellt und vor allem aufgearbeitet wurde, war vorbildlich.“ Deswegen sei er nicht ausgetreten. Aber wie vorbildlich war diese Aufarbeitung?

Er sehe die Gefahr, so Pichler im Gespräch mit V.i.S.d.P., dass das NR zu einem Stammtischverein werde, statt sich seinem eigentlichem Zweck zu widmen: der Förderung des investigativen Journalismus. Denn von Transparenz und offener Diskussion könne keine Rede sein: Entgegen der Ankündigungen des neuen Vorstands werden seit November keine Protokolle der Vorstandssitzungen mehr versandt, wie es jahrelang üblich war. Auch der bereits beschlossene Entwurf einer Satzung für die geplante NetzwerkRecherche-Stiftung stehe den Mitgliedern bisher nicht zur Verfügung. Die turbulente Jahreskonferenz 2011 wurde zwar wie üblich in einer Dokumentation festgehalten, darin fehlen aber sowohl die Rede von Thomas Leif auf der ShowDown-Mitgliederversammlung als auch die des kritischen Redners Tom Schimmeck. Auch ein Brief des renommierten Hamburger Medienprofessors Michael Haller, der längst in den Branchendiensten und im Internet kursierte, und in dem er vor allem Hans Leyendecker scharf anging, wurde den Mitglieder nie zugesandt.

Aus einer internen Mail der ehemaligen Schatzmeisterin Tina Groll, die V.i.S.d.P. vorliegt, geht hervor, dass der NR-Vorstand über die umstrittenen Förderanträge der Bundeszentrale für Politische Bildung (BPB), die Thomas Leif zum Verhängnis wurden, früh informiert war. Wörtlich schreibt sie in einer RücktrittsMail vom 12. Oktober: „Dass wir nach außen erklärt haben, wir hätten von den falschen Zahlen erst im Mai 2011 im Zuge der Stiftungsgründung erfahren, war gelogen. Wie so vieles andere in der Kommunikation nach außen.“ Der Vorstand habe sehr viel getan, um sich selbst zu schonen. Denn schon in einer Vorstandssitzung im Mai 2009 in den Räumen der TAZ in Berlin soll das Thema ausführlich diskutiert worden sein. Der NR-Vorstand hatte im Juni/Juli 2011 aber mehrmals öffentlich mitgeteilt, man habe erst im Zusammenhang mit der Stiftungsgründung von den Unregelmäßigkeiten erfahren. Mit anderen Worten: Wir wussten von nichts, Thomas Leif ist schuld. Was stimmt?

Der Vorstand besteht inzwischen aus acht In einem Interview mit dem MEDIUM gewählten und acht „kooptierten“ Mit-


Titel

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gliedern. Aus dem alten Vorstand sind noch Markus Grill (SPIEGEL) als Stellvertretender Vorsitzender dabei, Beisitzer Gert Monheim und Kassenwart David Schraven (WAZ). Zu den kooptierten Vorständen – die also nicht von den Mitgliedern direkt, sondern vom Vorstand bestimmt worden sind – gehört für den Bereich Online-Recherche Marcus Lindemann, TV-Autor, Journalismus-Lehrer und Geschäftsführer der Berliner autoren(werk) GmbH. Slogan: „Wir

machen Fernsehen – besser.“ Als ihre Kunden nennt die Produktionsfirma unter anderen Marken wie Adidas, Becks, Henkel, Jacobs. Es spricht natürlich nichts dagegen, dass Autorenwerk PR macht – bis auf die Aufnahme-Richtlinien des Netzwerk Recherche: „Nicht aufgenommen werden Personen, die ganz oder teilweise in der Public-Relations-/Öffentlichkeitsarbeit tätig sind. Bei Mitgliedern, die beruflich


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in die PR wechseln, ruht die Mitgliedschaft.“ Wir erinnern uns: Ziffer 5 des NR“Medienkodex“ lautet: „Journalisten machen keine PR.“ Gilt diese Regel nicht für den Vorstand?

Titel

offenbar nicht zur Zufriedenheit des Vorstands erbrachten. Dennoch sei das Geld geflossen – indem der Vorstand „fingierte Rechnungen“ bezahlte, so Bahls Recherchen unter Vorstandsmitgliedern. Ein Link zu seinen Fragen an die KassenprüEin weiterer Brief eines NR-Mitglieds, fer ist auf unserer Seite visdp.de zu findiesmal an die Kassenprüfer, wirft noch den. gravierendere Fragen auf. Volker Bahl berichtet darin, es seien in der Vergangen- Fingierte Rechnungen, Pro-Forma-Honoheit wiederholt Gelder der Etatposition rarnoten und umgeleitete Spenden – soll„Honorare“ von Bildungsträgern, zum Bei- ten sich diese Verdachtsmomente als spiel der Friedrich-Ebert-Stiftung, ohne wahr erweisen, wäre die bisher verbreiGegenleistung an Vorstandsmitglieder tete Version des alten Vorstandes von der ausgezahlt worden sein, die diese dann an alleinigen Verantwortung Thomas Leifs das Netzwerk zurückgespendet hätten. nicht zu halten. Könnten Mitglieder des Diese Vorgänge hätten ihm Mitglieder des alten in diesem Fall glaubwürdig im ehemaligen Vorstands sicher bestätigt, neuen Vorstand Verantwortung übernehsagt Bahl auf Nachfrage von V.i.S.d.P. men und zur Aufklärung beitragen? Nach Bahls Recherchen soll unter denen, die auf diese Weise Geld zum NR umgelei- „Ja, wir haben einen blinden Fleck. Und tet hätten, auch ein Mitglied des alten der sind wir selbst“, heißt es in der Vorstandes gewesen sein, das auch zum Rückktrittsmail der ehemaligen Schatzneuen Vorstand gehört. Der Betreffende meisterin Tina Groll. Sie endet mit einem war von gestern Nachmittag bis zum Aufruf: „Wer es ernst meint mit dem NetzRedaktionsschluss nicht für eine Stel- werk Recherche, fasst sich selbst an die lungnahme zu erreichen. Nase. Vor allem auch jene, die seit zehn Jahren im Vorstand sitzen.“ Auch eine weitere Information habe er direkt aus dem Kreis der ehemaligen Vor- Sebastian Esser standsmitglieder erhalten, sagt Bahl: 2009 sei ein Vertrag mit einer „Sprosse GbR“ geschlossen worden, der vorsah, dass diese für 4.000 Euro ein Kommunikationskonzept für die zu gründende Netzwerk-Recherche-Stiftung erstellen würde. Hinter der Firma standen Studenten der Universität der Künste (UdK) Berlin, die die vertraglich vereinbarten Leistungen


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V.i.S.d.P. – Magazin für Medienmacher Redaktion: Sebastian Esser Herausgeber: Dr. Hajo Schumacher Beratung: Markus Nowak Lektorat: Carla Mönig Adresse: Lietzenburger Straße 51, 10789 Berlin Telefon: 030 2196 27287 E-Mail: info@visdp.de

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