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24. Februar 2012


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2 Die Woche


Die Woche

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Coverfoto: CDU

Liebling der Woche

Die Innenpolitik-Chefin der NÜRNBERGER ZEITUNG durfte in dieser Woche erleben, wie es ist, selbst auf der Titelseite zu erscheinen. Weil sie mit dem zukünftigen Bundespräsidenten zusammen ist, erfanden viele Medien eine angebliche Debatte darüber, ob nun eine Hochzeit her müsse. Gefordert hatte das genau

ein Mensch, nämlich der notorisch mit solchen Forderungen auffallende Bundestagsabgeordnete Geis. Eigentlich alle anderen, die sich anschließend zur „Debatte“ äußerten, waren anderer Meinung als jener Herr. Also, Kollegin Schadt, hätten Sie das Ganze in Ihrem Blatt als „Debatte“ charakterisiert?


Die Woche

4 Gewinner der Woche

Golineh Atai weil die Kollegin etwas ganz Ungewöhnliches getan hat: Sie hat im „Tagesthemen“Kommentar Klartext geredet. Statt die üblichen Phrasen herunterzuleiern („... bleibt abzuwarten!“ usw. usf.) nannte sie Jürgen Todenhöfer für seinen FAS-Text über Syrien einen „Abenteuertouristen“ und machte – mit freundlichem Gesicht – aus ihrer Genervtheit über den Herrn und seine merkwürdigen Thesen keinen Hehl.

Freitag

17.2.2012

Um elf Uhr tritt der Bundespräsident zurück. Die Berichterstattung habe ihn verletzt, sagt er noch und steigt ins Auto nach Großburgwedel. Am Wochenende stechen alle Seiten immer wieder Informationen über die Nachfolge-Verhandlungen durch. Die Parteien instrumentalisieren die Medien, besonders die großen Nachrichtenseiten, als Teil des politischen Kammerspiels. Die Journalisten machen bereitwillig mit. Samstag

18.1.2012

Verlierer der Woche

Ulrich Wilhelm

Texte?

weil der BR-Intendant bei seinen stets auf Ausgleich bedachten Verhandlungen mit den Verlegerverbänden das Interesse des ARD-Zuschauers aus den Augen zu verlieren scheint. Wer zahlt schon gern Gebühren für ein Online-Angebot ohne

SAT1 macht seinen Überraschungserfolg „Die Wanderhure“ mit Alexandra Neldel zur Serie. „Die Rache der Wanderhure“ kommt am Dienstag, der Drehbeginn für Teil 3 steht auch schon fest, und über einen vierten Teil wird verhandelt. Dienstag

21.2.2012

„Es gibt noch keine Festlegung“, sagt Noch-ZDF-Intendant Markus Schächter der MAINZER ALLGEMEINEN. Doch kein Lanz? bei „Wetten, dass ...?“


Die Woche Zitat der Woche

„Ich war keine Oppositionelle – ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich sei immer gegen das System gewesen.“ MDR-Intendantin Karola Wille spricht in der ZEIT angenehm offen über ihre Vergangenheit als SED-Mitglied und Juristin in der DDR. „Jeder der einst 17 Millionen DDR-Bürger hat das Recht auf eine historische und differenzierte Betrachtung seiner Biografie“, sagt sie.

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Fotos: RTL(3), MDR

Zahl der Woche

Millionen Euro zahlen ARD und ZDF für die Übertragung der Fußball-Em in der Ukraine und in Polen. Auch für die EM 2016 haben sie sich nun die Rechte gesichtert – der Preis ist unbekannt.

5 Mittwoch

22.2.2012

Die amerikanische Kriegsreporterin Marie Colvin, im Einsatz für die SUNDAY TIMES, und der französische Fotoreporter Rémi Ochlik kommen in Syrien bei einem Granatenangriff auf ein Pressezentrum der Opposition ums Leben. Edith Bouvier von LE FIGARO wird an den Beinen verletzt. Mittwoch

22.2.2012

Der RBB baut nach einem Bericht von SPIEGEL ONLINE sein Fernsehprogramm radikal um. Der Berlin-Brandenburgische Sender leidet sowohl unter Geld- als auch unter Zuschauermangel. Im Sender sei von einem „nie dagewesenen Kahlschlag“ die Rede. Die politische Talkshow „Klipp und klar“ mit Marco Seiffert (Foto) wird im Sommer eingestellt. Schade. War eigentlich immer nett da. Donnerstag

23.2.2012

RTL startet einen neuen über Satellit frei empfangbaren Nischensender: RTL NITRO soll alte und neue Krimis und Sitcoms zeigen.


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Talkshow-Leaks Die interne ARD-TalkkoordinierungsWebseite zeigt, wie die Redaktionen um Themen und Gäste kämpfen. V.i.S.d.P. veröffentlich exklusiv Screenshots daraus Als die ARD beschloss, an fünf Abendenden hintereinander Talkshows auszustrahlen, stellten sich grundsätzliche, aber auch sehr praktische Fragen: wie zu verhindern sei, dass die Talker sich gegenseitig Themen und Gäste wegschnappten. Also richtete man eine interne Seite ein, mit deren Hilfe seitdem all die Konkurrenz, die Eitelkeit und die Kreativität und deren Mangel in Bahnen gelenkt wird. Stattdessen war am Mittwoch eine interredaktionelle Aussprache bei Chefredakteur Thomas Baumann vonnöten. Exklusiv zeigt V.i.S.d.P. Screenshots der ARD-internen Gäste-Koordinierungs-Seite. Die Beispiele aus dem Dezember, Januar und Februar zeigen, wie die Konkurrenz um Themen und Gesprächspartner in Zickereien, Tricks und Chaos ausartet. Da werden Themen und Termine blockiert, Gaga-Gäste reserviert, und alle wollen Rudi Assauer. Die Screenshots selbst finden Sie auf unserer Webseite: www.visdp.de. Gute Unterhaltung.

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Wie ernst war es der „Hart, aber fair“Redaktion wohl mit diesem Vorschlag? Zu „Jetzt sage ich endlich die Wahrheit“ waren Mitte Dezember angeblich auch die Barone Guttenberg und Münchhausen geladen. Grün unterlegte Namen haben zugesagt, grau unterlegt sind angefragte Gäste.

Wer darf über das jeweils aktuelle Thema der erfolgreichen ARD-Reihe „Markencheck“ sprechen? Jauch am Tag vorher, oder Plasberg direkt nach der Ausstrahlung?

Alle wollen Assauer ...

... besonders Anne Will.


„Das große ProSieben Promiboxen“ findet am 31. März nicht wie in den vergangenen Jahren bei RTL, sondern bei PRO7 statt. Es treten an: Diskus-Olympiasieger Lars Riedel (199 cm, 95 kg) im Schwergewicht vs. Evil Jared Hasselhoff (190 cm, 91 kg) von der Bloodhound Gang. Sänger Jay Khan (187 cm, 82 kg) vs. Martin Kesici (174 cm, 88 kg). Micaela Schäfer (175 cm, 56 kg) (Foto 1) vs. Indira Weis (168 cm, 62 kg). 2001 hatte der Sender zum ersten Mal ein Promi-Boxen veranstaltet, setzt aber vor allem auf RTL-Dschungel-Personal.

Leute

Markus Peichl (2) soll „Gottschalk Live“ retten. Thomas Gottschalks Vorabend-Lateshow kommt nicht aus den miesen Quoten raus, auch ein Konzept ist immer noch nicht recht zu erkennen. Die Erfahrung des legendären TEMPO-Chefs mit Beckmann, Bio und Premiere-Talks soll helfen. Peichl überzieht übrigens gern – passt doch. Beate Wedekind (3) hat ein neues Magazin namens 365 ONEWORLD entwickelt; ein monothematisches Heft, das sich in der

Fotos: ZDF, Burda, Bauer, BR

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ersten Ausgabe, die im März erscheint, mit Äthiopien beschäftigt. Andreas Bartl (4), Fernsehchef von Prosiebensat1, geht – wie bereits kolportiert – zum 1. März und macht sich nach 20 Jahren selbstständig. Vorstandschef Thomas Ebeling übernimmt den Job zunächst selbst. Nikos Späth (5), ist seit Anfang des Monats neuer Chefredakteur des Schifffahrt-Fachmagazins HANSA.

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Birgit Wentzien (6) wird neue Chefredakteurin des DEUTSCHLANDFUNKS. Ihr Vorgänger Stephan Detjen wechselt ins Hauptstadtstudio. Außerdem wird Hans Dieter Heimendahl Leiter der Hauptabteilung Kultur bei DEUTSCHLANDRADIO KULTUR. Tom Junkersdorf (7), zuletzt BRAVO-Chef, brachte am Mittwoch ein neues wöchentliches People-Blatt namens CLOSER an den Kiosk, das sich vor allem um deutsche Prominente kümmern soll.


Fotos: Thomas Koy, C. Bertelsmann

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Die Vollstrecker Wir haben es immer geahnt: Nahkampferprobte PR- Spezialisten werden reich damit, Journalisten zu manipulieren. Unsere Autoren Christian Esser, Reporter bei „Frontal 21“, und BRIGITTE-Redakteurin Alena Schröder, haben ein Buch über solche Problemlöser geschrieben. Im folgenden Auszug erklären sie, wie Lebensmittelkonzerne PR-Strategen auf Verbraucherschützer hetzen. Über manche Preise und Auszeichnungen freuen sich Unternehmen in etwa so sehr wie über einen Dauerstreik der Belegschaft: „Der goldene Windbeutel“ ist so ein Preis, jährlich vergeben von Foodwatch für die dreisteste Werbelüge der Lebensmittelindustrie. Foodwatch ist eine Nicht-Regierungsorganisation, ein gemeinnütziger Verein für Verbraucherschutz – und inzwischen ein mächtiger Feind der Lebensmittelindustrie. Denn Foodwatch hat etwas, was Wiesenhof, Ferrero, Nestlé und Co nicht haben: einen Vertrauensvorschuss der Verbraucher. Die reagieren nämlich ungemein sensibel, wenn sie das Gefühl haben, bei einem so emotionalen Thema wie Essen über den Tisch gezogen und betrogen zu werden. Kein Wunder, dass die Bücher von Foodwatch-Gründer und Ex-Green-

peace-Chef Thilo Bode über die Tricks der Lebensmittelkonzerne zu Bestsellern werden und sich rund 120000 Verbraucher jedes Jahr an der Wahl zum „Goldenen Windbeutel“ beteiligen. Foodwatch hat sicher einiges dazu beigetragen, Verbraucher zu sensibilisieren und Werbelügen über gesunde Kinderbonbons und verdauungsfördernde Joghurtdrinks zu entlarven. Peta ist ebenfalls eine erfolgreiche Nicht-Regierungs-Organisation, die sich dem Wohl der Tiere verschrieben hat und – auch mit Guerilla-Methoden – gegen Massentierhaltung kämpft. Zu spüren bekommen hat das vor allem der Branchenriese Wiesenhof: Immer wieder dokumentieren Peta-Aktivisten unhaltbare Zustände in den Hühnerställen von Wiesenhof-Partnerbetrie-


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ben und spielen die Bilder der Presse zu. Ein enormer Imageschaden für den Konzern, der mit der Qualität seiner „in Bodenhaltung“ aufwachsenden Hühner wirbt – wobei sich Verbraucher unter Bodenhaltung sicherlich etwas anderes vorstellen als Tiere, die zusammen mit vierzigtausend Artgenossen eingepfercht in einer stickigen Halle unter künstlichem Licht in ihren eigenen Exkrementen stehen. Und wie reagieren die Lebensmittelkonzerne auf die Angriffe der NGOs? Bislang hatten sie nur die Möglichkeit, entweder demütig Fehler einzugestehen und ihre Werbestrategien zu ändern oder die Anwürfe der Verbraucher- und Tierschützer weitgehend zu ignorieren. Doch inzwischen gehen sie immer häufiger zu aggressiver Gegenwehr über

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und bedienen sich dabei der Hilfe kampferprobter PR-Spezialisten. Die Münchner PR-Agentur Engel & Zimmermann hat sich einen Namen darin gemacht, für ihre Kunden kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn es um den medialen Kampf gegen NGOs wie Peta und Foodwatch geht. Firmen wie Wiesenhof, Granini, Stockmeier und Underberg schätzen die markigen Statements von Agenturchef Peter Engel: „Die Zeit der Verständigungsversuche ist vorbei“, sagt Engel. Es bleibe nur, mit scharfer Klinge zu fechten und Transparenz in Bezug auf das Verhalten von Foodwatch und Peta zu schaffen. „Wer Emotionalisierung, Skandalisierung und Hysterisierung als Geschäftsmodell hat, braucht einen ebenso kampagnenfähigen Gegner, der auch die Geschäftsgeba-


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ren mancher NGOs thematisiert“, so Engel. Die Stoßrichtung ist klar. Wer gegen Foodwatch und Peta etwas ausrichten will, muss die Achillesferse einer jeden NGO angreifen: ihren Umgang mit Spendengeldern. Als Erste versuchte dies die Firma Storck, deren Produkt Nimm2 von Foodwatch für den „Goldenen Windbeutel 2011“ nominiert war: Foodwatch sei nichts anderes als eine „Marketingmaschine für die Alimentationsinteressen von Herrn Dr. Thilo Bode“, giftete Storck in einer Pressemitteilung. Den Vorwurf, Nimm2-Bonbons wider besseres Wissen als Vitaminlieferanten für Kinder zu bewerben, konnte Storck allerdings nicht wirklich entkräften.

Großspende von Alfred Ritter kein Problem gesehen. Erst nach und nach entwickelte sich Foodwatch zu einem Krit i k e r d e r g e s a m t e n Lebensmittelindustrie und nimmt deshalb heute keine Spenden aus der Lebensmittelbranche mehr an. Auch Thilo Bode nimmt die Angriffe auf seine Person gelassen: „Die persönlich verleumdenden Angriffe treffen mich deshalb nicht so hart, weil zahlreiche andere wichtige Player in der Branche und generell in der Industrie mich respektieren und die Auseinandersetzungen hart, aber rein fachlicher Natur sind“, erklärt er uns auf Anfrage. „Die Agentur Engel & Zimmermann fällt mir nicht durch durchdachte und faktisch zutreffende Analysen auf, sondern bedient emotionale Vorurteile ihrer zahlreichen, vorwiegend mittelständischen Kunden. Die Agentur berät aus unserer Sicht ihre Kunden schlecht. Große Konzerne haben sich längst auf vertrauliche, kontinuierliche Dialoge mit uns und anderen Nichtregierungsorganisationen eingelassen und nehmen unsere Kritik sehr ernst. Weil sie wissen, dass sie damit langfristig besser fahren.“

Auch die Agentur Engel & Zimmermann stößt im Kampf gegen Foodwatch ins selbe Horn und verbreitet gern die (von Foodwatch gar nicht geleugnete) Tatsache, dass Foodwatch bei seiner Gründung 2002 eine Anschubfinanzierung von Alfred Ritter erhalten habe, dem Erfinder von „Ritter Sport“. „Hätte Bode das Geld zurücküberwiesen, hätte ich Respekt“, sagt Engel. „Stattdessen läst er den Spender öffentlich mit der Aussage diffamieren, er würde das Geld heute nicht mehr nehmen. Thilo Bode Für ihren Kunden Wiesenhof nimmt die hätte den Windbeutel verdient!“ Agentur Engel & Zimmermann vor allem Peta ins Visier. „Das sind für mich Foodwatch kontert diese Anwürfe gelas- keine Tierschützer, sondern Tierfanatisen: Als der Verein im Jahr 2002 gegrün- ker, die keine Gerichtsbarkeit akzeptiedet wurde, habe in Folge der BSE-Krise ren“, sagt Sybille Geitel, die für die zunächst die Land- und Futtermittel- Agentur den Fall Wiesenhof betreut. wirtschaft im Mittelpunkt der Aktivitä- Auch hier sei dringend zu prüfen, wie ten gestanden. Deshalb habe man in der sichergestellt wird, dass all die Zwangs-


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gelder, die Peta schon aufgebrummt kriminellen Methoden tausende Arbeitsbekommen hat, nicht aus Spendengel- plätze in Gefahr bringen. dern bezahlt werden. Als bekannt wurde, dass Reporter des Immer wieder, so der Vorwurf der Agen- SWR eine Dokumentation mit dem tur, spiele Peta Medien wie dem Stern Titel „Das System Wiesenhof. Wie ein oder TV-Journalisten Bildmaterial zu, Geflügelkonzern Menschen, Tiere und das die Aktivisten unrechtmäßig erwor- Umwelt ausbeutet“ planten, startete ben hätten: „Wenn sie nachts in einen Wiesenhof ein entschlossenes KampfStall einbrechen und die Hühner auf- Programm. Seniorchef Paul-Heinz Wesscheuchen, dann bekommen die natür- johann stellte sich tapfer vor seine lich Angst, laufen vielleicht weg, über- Marke, die sein Vater einst ins Leben schlagen sich, kugeln sich Gelenke aus gerufen hatte: „Ich habe den Betrieb oder brechen sich was. Dann haben sie hier mit meiner Familie aufgebaut und natürlich ihre Bilder: panische Hühner, hatte schon als kleiner Junge mit Hüheng gedrängt. Und am nächsten Morgen nern zu tun. Nie habe ich ein Huhn kommt der Pächter in seinen Stall und gequält. Ich bin schließlich bekennenfindet dreißig tote Tiere – da muss man der Christ“, erklärte der Senior im Interdoch mal offen sagen, wer diese Hühner view mit der Frankfurter Allgemeinen in Wahrheit umgebracht hat“, klagt Sonntagszeitung. Tatsächlich sei WesjoSybille Geitel. hann Vorreiter, wenn es um die Verbesserung von Tiergesundheit und HaltebeWiesenhof ist der mit Abstand schwie- dingungen gehe, springt ihm auch seine rigste Kunde von Engel & Zimmer- Agentur bei. „Aber letztlich ist man als mann, denn Massentierhaltung lässt Unternehmer ja der Dumme, wenn man sich nun mal schwer sympathisch ver- den Tieren freiwillig mehr Platz im Stall kaufen. 240 Millionen Hühner lässt der einräumt als zum Beispiel die FranzoPHW-Geflügelkonzern, zu dem die sen oder die Holländer. Herr Wesjohann M a r k e W i e s e n h o f g e h ö r t , j ä h r l i c h macht es trotzdem, verfüttert kein Tierschlachten. 2,1 Milliarden Euro Umsatz mehl, keine antibiotischen Leistungsmacht der Konzern jedes Jahr, Tendenz förderer und kein Gen-Soja. Aber das steigend. Mit dem idyllischen Bauern- wird nicht gehört“, so Sybille Geitel. hof, den man auf den Wiesenhof-Verpa- Morddrohungen erhalte der Patriarch, ckungen sieht, haben die realen Tierfa- wenn wieder in irgendeinem TV-Beitrag briken nichts zu tun. Peta-Filmmaterial gesendet werde. „Die Familie ist zunehmend erschüttert und Auch deshalb bemühen sich die PR-Stra- hat auch schon daran gedacht, einfach tegen, Wiesenhof vor allem als sympa- ganz aus dem Geflügelgeschäft auszuthisches Familienunternehmen zu posi- steigen, um endlich aus der Schusslinie tionieren und die Kritiker als zweifel- zu sein. Aber was bringt das? Dann hafte Extremisten darzustellen, die mit kommen andere, die das Geschäft über-


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nehmen. Es kann doch nicht sein, das diejenigen am meisten geprügelt werden, die wirklich etwas verbessern wollen und viel für den Tierschutz tun.“ Wesjohann selbst gibt nun Pressekonferenzen, um sich gegen die Presse zu wehren. Seine Billighähnchen sind für ihn eine soziale Tat, schließlich könnten sich so auch Hartz-IV-Familien regelmäßig Geflügel leisten. Wenn es um die Vorwürfe der Tierschützer geht, spricht der Senior von „moderner Hexenverbrennung“, auch der Wiesenhof-Betriebsrat schaltet sich ein. In einem offenen Brief protestieren die Wiesenhof-Betriebsräte im Namen der Belegschaft gegen die negative Berichterstattung: „Wir wollen nicht mehr tatenlos zusehen, wie wir von einzelnen Medienvertretern und einer sogenannten Tierrechtsorganisation – die polemisch, effekthascherisch, theatralisch agiert – pauschal zu Tierquälern, Ökosündern und unqualifizierten Arbeitskräften abgestempelt werden. Wir können nicht verstehen, dass diverse Organisationen den Namen WIESENHOF in den Dreck ziehen und die Existenz von 5000 Arbeitsplätzen/Familien gefährden.“ Auch die Wiesenhof-Erzeugergemeinschaften wenden sich in einem offenen Brief an Politiker und Medien, mit der Forderung, „die Machenschaften dubioser Tierrechtsorganisationen kritisch zu beleuchten“. Schließlich seien NGO’s wie Peta darauf aus, „1000 bäuerliche Existenzen mit ihren Familien zu vernichten“.

Allzu große Angst müssen die Wiesenhofbauern wohl kaum um ihre Existenzen haben: Wiesenhof macht – allen Kampagnen zum Trotz – Jahr für Jahr mehr Umsatz. Und Engel & Zimmermann werden alles daran setzen, dass es den Spendentöpfen von Organisationen wie Foodwatch und Peta nicht genauso geht.

Christian Esser, Alena Schröder: Die Vollstrecker. Rausschmeißen, überw a c h e n , m a n i p u l i e r e n . We r f ü r Unternehmen die Probleme löst. 192 Seiten, € 14,99. C. Bertelsmann Verlag.


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V.i.S.d.P. – Magazin für Medienmacher Redaktion: Sebastian Esser Herausgeber: Dr. Hajo Schumacher Design: Markus Nowak Lektorat: Carla Mönig Adresse: Lietzenburger Straße 51, 10789 Berlin Telefon: 030 2196 27287 E-Mail: info@visdp.de

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