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16. M채rz 2012


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Die Woche

3 Liebling der Woche

Kai Diekmann schafft das Seite-1-Girl ab. Und zwar schon zum zweiten Mal. 2001, nach seinem Antritt als BILDChefredakteur, sollte die nackte Frau vorne drauf schon mal ins Innere umziehen, ein Signal des damals neuen Chefs für mehr Züchtigkeit. Oder so. Lange durchgehalten haben sie das nicht. Es

wäre auch schade gewesen, denn in diesen Jahren wurden die Billig-Pin-Ups noch mit kunstvoll bescheuerten Unterzeilen versehen. Texterin war Katja Kessler, Zahnärztin und BILD-Praktikantin. Heute ist sie die Ehefrau von Diekmann. Die Texte sind überhaupt nicht mehr lustig.


Die Woche

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Philipp Walulis weil der junge Mann mit einer medienkritischen Sendung, die bei TELE5 nach Mitternacht gesendet wird, und die sich über das Fernsehen lustig macht, gerade einen Grimme-Preis bekommen hat. „Walulis sieht fern“, eine Sendung unter dem Motto: „Fernsehen macht blöd, aber unglaublich viel Spaß“, lässt sich auch online anschauen und ist tatsächlich lustig und intelligent. Die anderen Gewinner: siehe Liste (rechte Seite). Verlierer der Woche

Uwe Vorkötter

weil der Chefredakteur der BERLINER ZEITUNG den Eindruck zulässt, ein kritischer Mitarbeiter werde kaltgestellt. Reporter Matthias Wolf warf hin, weil er nicht mehr über den 1. FC Union Berlin berichten sollte, dessen Präsidenten er Stasi-Dienst nachgewiesen hatte. Vorkötter sagt, Grund dafür seien Gegendarstellungen und faktische Fehler gewesen. Mehr Standhaftigkeit hätte trotzdem nicht geschadet.

Vergangene Woche

2. bis 9.3.2012

Während V.i.S.d.P. streikt, beschließt der Koalitionsausschuss, wie von den meisten befürchtet und von der Verlagslobby betrieben, ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse. Noch weiß allerdings niemand so genau, wie es praktisch funktionieren soll. Vergangener Mittwoch

7.3.2012

Apple stellt eine neue Version des iPad vor. Es heißt schlicht iPad, kostet das Gleiche, hat aber einen besseren Bildschirm, der Druckqualität ziemlich nahe kommt. Wegen der vielen Vorbestellungen beträgt die Lieferzeit inzwischen Wochen. Sonntag

28.2.2012

Der Münster- „Tatort“ mit dem Ermittlerteam Thiel und Boerne erreicht eine Fast-Rekord-Quote von 11,89 Millionen Zuschauern bei einem Marktanteil von 30,7 Prozent.

Fotos: Berliner VErlag, TELE5/afk tv, NDR, Apple, TAZ

Gewinner der Woche


Die Woche Zitat der Woche

„Ich muss jetzt erst mal wieder lernen, rückwärts einzuparken, denn mein Dienstwagen hat sich samt Fahrer erledigt.“ Markus Schächter, bis gestern noch ZDF-Intendant, klagt Thomas Gottschalk in der BILD-Zeitung sein Leid. Sollten ihm nicht lebenslang Büro und Fahrer zustehen? Liste der Woche

5 Montag

12.3.2012

Hammer: N-TV, der Nachrichtensender der RTL-Gruppe, macht Gewinn. Und zwar zum ersten Mal nach zwölf mageren Jahren und erst zum zweiten Mal in der Unternehmensgeschichte. Mittwoch

14.3.2012

Die TAZ ist neue Verlegerin des vierteljährlichen Umweltmagazins ZEO2, das bisher von der Deutschen Umwelthilfe finanziert wurde. Mittwoch

14.3.2012

Zum zweiten Mal verschieben die öffentDie Gewinner der Grimme-Preise: lich-rechtlichen Sender einen Termin zur Unterzeichnung einer „GemeinHomevideo (ARTE/NDR/BR) samen Erklärung“ mit den Verlegern. Die Hebamme (ZDF/ORF) Die soll eigentlich festhalten, wo die Liebesjahre (ZDF) Grenzen zwischen Zeitungen und FernEin guter Sommer (ARD/HR) sehsendern im deutschen Internet verDreileben (ARD/BR/Degeto/WDR) laufen. Am Sinn dieser Selbstkasteiung Geschlossene Gesellschaft (ARD/SWR/HR) zweifeln viele bei ARD und ZDF. The Other Chelsea (ZDF) Die Jungs vom Bahnhof Zoo (RBB/NDR) Mittwoch 14.3.2012 Alarm am Hauptbahnhof (ARD/SWR) Der Tatortreiniger (NDR) Walulis sieht fern (Tele5) Du bist kein Werwolf (KIKA/WDR) Mein Leben – Die Fotografin Sibylle Regierungs-Nachrichtensprecher Seibert Bergemann (ARTE/ZDF) hält per Twitter eine Fragestunde ab. Der Brand (SWR) Erkenntnis: Klappt irgendwie nicht.


Wolfram Weimer (1) CICERO-Gründer, verhinderter FOCUS-Retter, übernimmt den Verlagsbereich der Finanzpark AG mit 30 Mitarbeitern. Wichtigste Marke ist BÖRSE AM SONNTAG, ein PDF-Magazin mit mehr als 100.000 Abonnenten. Weitere Übernahmen seien geplant, heißt es in einer Pressemitteilung. Auch an einem Print-Magazin soll Weimer arbeiten. Christine Strobl (2), Fernsehspielchefin des SWR, soll Geschäftsführerin der ARD-Tochter Degeto werden, zuständig

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für Inhalte. Fun fact: Sie ist die Tochter von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Herbert Spies (3) leitet künftig das DAPDBüro Nordrhein-Westfalen. Bisher arbeitete er vor allem als Fernsehreporter im Westen. Spies hätte sich wohl keinen spannenderen Einstieg wünschen können: Innerhalb von 60 Tagen muss in NRW gewählt werden. Moritz Stranghöner (4) verantwortet künftig die letzte Seite der BILD-Zei-

Fotos: mchurek, SWR, DAPD, Axel Springer, BErtelsmann, Archiv

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tung. Zuletzt war er Unterhaltungschef. Stranghöner übernimmt von Alexander von Schönburg, der inzwischen Textchef des Blattes ist. Große Bellheims bei Bertelsmann: Bernd Kundrun (5) und Rolf Schmidt-Holtz (6), Ex-Chefs von Gruner+Jahr beziehungsweise Sony BMG, ziehen in den Verwaltungsrat der RTL Group ein. Wahrscheinlich sollen sie der neuen Geschäftsführung (Anke Schäferkordt und Guillaume de Posch) auf die Finger gucken.

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Ernsthaft? Ernsthaft. Markus Lanz (7) gibt nun auch öffentlich zu, dass er ab Herbst die Sendung „Wetten, dass ...?“ übernimmt. Immerhin: Lanz gibt seine Kochsendung am Freitag auf.


Feature

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Feature

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Luther an der Macht Vor der Wahl des Pfarrers Gauck zum Bundespräsidenten ist sich das Feuilleton sicher: Der ostdeutsche Protestantismus hat endgültig die Macht ergriffen. Das Identifizieren vermeintlich lebenslang bestimmender Prägungen ist ein unterhaltsames Spiel. Aber stimmt das Ganze überhaupt? Text: Jost Kaiser Wenn alles gesagt ist im politischen Klein-Klein, dann muss das politische Feuilleton ran. Denn das Festmachen von mentalen und ideengeschichtlichen Tiefenströmungen (übrigens auch negativen) gibt Sicherheit: Diese und jene Wirkkräfte spielten bei uns Deutschen schon immer eine Rolle. Ist es nicht so? Die neuste Großthese im feuilletonistischen Salon kurz vor der Wahl des Pfarrers Gauck zum Bundespräsidenten (und kurz nach dem Abgang des Katholiken Wulff ins Kloster): Der ostdeutsche Protestantismus hat in Deutschland endgültig die Macht ergriffen.

Da schreibt ein bekannter deutscher Feuilletonist auf Facebook, er wisse nicht, ob er es (als Katholik) so gut fände, wenn zwei Protestanten in Deutschland (Merkel und Gauck) die Staatsspitze besetzen. Und Dirk Kurbjuweit beschreibt im SPIEGEL das evangelische Pfarrhaus als aktuell erfolgreichste Kaderschmiede (ebenfalls mit Merkel und Gauck, zusätzlich noch mit Markus Meckel und der thüringischen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht als Referenz). Der SPIEGEL-Mann schlussfolgert gar: „Deutschland ist Pfarrhausland.“ Das Identifizieren solcher vermeintlich lebenslang bestimmenden Prägungen – und das Erklären der Person


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und ihres Erfolgs durch sie (bisher stand bei Merkel ja eher die Tatsache im Vordergrund, dass sie Physikerin sei), ist durchaus ein unterhaltsames Spiel. Aber ist es auch mehr? Stimmt das Ganze überhaupt? Kurbjuweit hat ja Recht: Das protestantische Pfarrhaus war eine exzellente Schule in Rhetorik und argumentativer Auseinandersetzung. In Standhaftigkeit und Geduld. Der ostdeutsche Protestantismus war darüber hinaus, aufgrund seiner Monopolstellung als oppositionelle Kraft in der Diktatur, eine Kaderschmiede in der Disziplin Kompromiss und kryptische Sprache, die nur andeutet, was andere schon verstehen.

Feature

„protestantische Arbeitsethik“ aus, Hellmuth Plessner sah im evangelischen Glauben Ursache für die deutsche „Innerlichkeit“ und damit einhergehend die Ablehnung westlicher Werte: Hier führt Luther indirekt sogar zu Adolf. Nach anderen Meinungen führte Luther zumindest nach Stammheim: In den Siebzigern sollte der Protestantismus als Erklärung des RAF-Terrorismus herhalten. Die Härteste der Harten, Gudrun Ensslin, kam aus dem härtesten der harten Milieus: dem – schwäbischen – Pfarrhaus, Ulrike Meinhof war Ziehtochter einer engagierten Protestantin.

Jetzt also Gauck und vorher schon Aber sind die ostdeutschen Protestan- Merkel. ten nicht deshalb schlicht statistisch überrepräsentiert, weil sich – aufgrund Es hat durchaus etwas für sich, nach des moralischen Bankrotts der DDR- kollektiven Prägungen nach Art des Elite – die einzige Quelle, aus der sich Protestantismus zu suchen, nach dem der Politikbetrieb 1989 speisen konnte, großen Generationserlebnis, nach die Opposition, fest in protestantischer Milieugemeinsamkeiten. Hand war (ohne, dass dort alle Protestanten waren)? Aber kann es vielleicht sein, dass es einfach interessanter ist zu behaupten, Würde man, wäre Wulff noch im Amt Martin Luther habe Joachim Gauck und Gabriel würde Kanzler, ebenfalls zum Bundespräsidenten gemacht und sagen: Die Niedersachsen aus schwieri- nicht Philipp Rösler? gem Elternhaus dominieren jetzt das Land? Oder hätte Gabriel größere Kanzler-Chancen, wenn sein Vater Pfarrer gewesen wäre? Die These mit dem Protestantismus hat Tradition: Max Weber machte die


Beilage

The European

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Bitte dieses Mal fünf Jahre!

Gauck, Wulff, Köhler

Drei Präsidenten in zwei Jahren. Man Die PDF-Edition von The European zum ist versucht, den Delegierten der Bundes- Präsidenten-Dreiklang finden Sie hier, unversammlung am 18. März zuzurufen: ter anderem mit Kommentaren von Heribert „Aber dieses Mal bitte für fünf Jahre!“ Prantl, Wolfram Weimer und Theo Waigel.

Kooperationspartner

Wie soll das ideale deutsche Staatsoberhaupt im 21. Jahrhundert denn aussehen? Horst Köhler wurde eine politisch nicht als klug gewertete Aussage zum Verhängnis: Er trat zurück. Er gilt seitdem als unpolitischer Präsident. Der Gegenentwurf dazu war der mit den Wassern des Parteienbetriebs gewaschene Christian Wulff. Nach seinem Rücktritt muss man sich fragen, wie wir es in diesem Land mit der Milde halten, wie mit der Schadenfreude und wie mit dem Neid. Die Causa Wulff hat, jenseits der berechtigen Anfragen an den 10. Präsidenten der Republik, ein grelles, hässliches Scheinwerferlicht auf die Gesinnung der Deutschen geworfen. Der Nachfolger hat jetzt jede Menge zu tun. Zum Glück ist er ein Prediger; Joachim Gauck wird den Deutschen ins Gewissen reden müssen.

Hier können Sie das PDF kostenfrei herunterladen.

Alexander Görlach ist Herausgeber und Chefredakteur von The European. www.theeuropean.de Foto: Lars Mensel


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„‎...Markus Lanz noch heute Hannelore Kraft ein unmoralisches Co-Moderations-Angebot macht?“ (Eingereicht von Torben Rosenbohm )

V.i.S.d.P. – Magazin für Medienmacher Redaktion: Sebastian Esser Herausgeber: Dr. Hajo Schumacher Beratung: Markus Nowak Lektorat: Carla Mönig Adresse: Lietzenburger Straße 51, 10789 Berlin Telefon: 030 2196 27287 E-Mail: info@visdp.de

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