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Magazin für Medienmacher

Der STERN wird modern

27 / 11 / 09

Brenders groSSe stunde heute tagt der ZDF-verwaltungsrat und wird den vertrag des chefredakteurs nicht verlängern. in v.i.s.d.p. erinnert sich nikolaus brender an die elefantenrunde 2005. er muss gehen, aber dieser wahlabend wird bleiben

! R E H C A M U H SC

Wir sind uns einig: Das Land braucht Qualitätsjournalismus, der Debatten im öffentlichen Raum organisiert, woraus politische Entscheidungen erst ihre Legitimation beziehen. Kann man Verlage auf diese demokratische Kernaufgabe verpflichten? Nein. Verlagsgeschäftsführer werden nicht für relevante Produkte bezahlt, sondern für schwarze Zahlen. Hält die Krise der Holzwirtschaft an, stellt sich die Frage, wie die demokratische Debatte fortan unabhängig von ökonomischen Schwankungen zu sichern ist. Eines nicht mehr fernen Tages wird ein öffentlich-rechtliches Modell für die deutschen Tageszeitungen diskutiert werden. Es ist jetzt an der Zeit, ein Expertengremium zu berufen, das Strategien entwirft für die Öffentlichkeit der Zukunft. Die 35 Verfassungsrechtler, die gegen Kochs ZDFShow protestierten, wären ein Anfang. Es gilt: Öffentlich-rechtlich 2.0 sollte sich möglichst wenig an der Praxis von ARD und ZDF orientieren. Back to Hugh Greene.


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Der von Politikern bevölkerte Verwaltungsrat des ZDF wird heute Nikolaus Brenders Vertrag als Chefredakteur nicht verlängern. Der wird‘s überleben, die politisch kontaminierte Gremienstruktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hoffentlich nicht. 2005 schilderte Brender für V.i.S.d.P. seinen Auftritt in der Elefantenrunde, die als der journalistische Glanzpunkt seiner Laufbahn in Erinnerung bleiben wird.

A

m Wahlsonntag wachte ich um sieben Uhr in meinem Hotelzimmer im Westin Grand auf, ganz in der Nähe des ZDF. Es war ein sonniger, kühler Tag. Ich machte einen Spaziergang zum Brandenburger Tor, bevor ich um zehn Uhr ins Studio Unter den Linden ging, um mich mit meinem ARD-Kollegen Hartmann von der Tann auf die „Berliner Runde“ am Abend vorzubereiten. Wir spielten verschiedene Varianten durch, spitzten die Fragen zu, verteilten die Rollen. Die Stimmung war locker und gelöst. Wir wussten,

es würde ein spannender Abend werden. Am Nachmittag hielt ich im Reichstag ein kleine Rede an unsere Techniker und Journalisten, danach schnell zurück ins Studio zur letzten technischen Probe um fünf. Anstelle von Angela Merkel saß eine Cousine meiner Frau am Tisch, ihr Mann gab den Bundeskanzler – allerdings sehr viel angenehmer als das Original ein paar Stunden später. Wir kannten zu dieser Zeit schon die ersten Zahlen, aber ich wusste: Alles war möglich. Der Bundeskanzler war gegen 19.45 Uhr angekündigt, kam aber etwas früher. Seine innere Spannung war zu spüren: Er lief im ersten Stock des ZDF-Studios auf und ab, mit mahlendem Unterkiefer und glasigen Augen. Er war zum Kampf gegürtet. Die Attacke stand kurz bevor.

In der Sendung eine halbe Stunde später ging es dann los. Wie der saß, seine Mimik und Gestik, erst recht was er sagte – alles deutete auf Krawall. Er griff die Medien massiv an, auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Ich konnte dem begegnen oder darüber hinwegsehen. Aber ich wusste: Würde ich jetzt nicht zugreifen, liefe die Runde aus dem Ufer. Ich wusste auch: Der Zuschauer bestraft den, der aus der Rolle fällt. Deswegen widersprach ich dem Bundeskanzler, so wie ich es bei jedem anderen auch getan hätte. Dabei war ich gar nicht be-

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sonders aufgebracht oder emotional – in der Redaktion bin ich da vehementer, fragen Sie die Kollegen! Dabei war nicht nur der Kanzler außer sich, auch die Kandidatin. Beide zeigten sich in dieser Sendung für kurze Zeit ohne ihre Politiker-Masken. Dass Schröder angetrunken war, glaube ich nicht. Für ihn war es die Niederkunft aus dem Orbit des Wahlkampfes. Da entlud

sich Einiges. Mich erinnerte er an einen Caudillo, wie ich sie als Korrespondent in Lateinamerika kennen gelernt habe: drohend, brutal im Angriff, aber schnell in sich zusammenfallend. Nach der Sendung winkte Schröder nur kurz und war dann verschwunden. Ich sprach noch mit Joschka Fischer, der nur die Augen rollte. Die Sendung hatte mich entwaffnet: Ich war wie ich bin. Ich lief zum Reichtag, ging aber früh ins Bett. Dort las ich ein Büchlein von Ralf Dahrendorf und freute mich an ein paar vergnüglichen Gedichten. Im Nachhinein denke ich, dass diese Berliner Runde einen besonderen Platz in meiner Karriere einnehmen wird – als das Aufeinandertreffen mit einem Amtsträger, der sich vergaß.

» Er erinnerte mich an einen Caudillo: brutal im Angriff, aber schnell in sich zusammenfallend «

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JOBWECHSEL DER WOCHE

t Peter Schmid REIn o v r u te k a d wird Chefre eitung Z e u e n ie D FENWELT. Jahr im l a m n h e z r a soll ab Janu ummis G r e b ü d n u erscheinen kommt t id m h c S berichten. IFEN E R , R E D Ä R von AUTO, NG. U IF E R E IB M - GUM

uch vera J L r T e R h t . frika Gün a d tor ü a S r e h d c o a izm u Q fährt n n men de m a t s e u t z h pflic WM l l ist a b h ß c u u F a für die en Klopp. J er von rg folg h c a mit Jü N e ch! s ndwi t e u g A r i . r o als erne K . B s e Johann

Bushido Bushido, Berlins härtester Rapper, geht unter die Zeitungsmacher und wird Chefredakteur des Magazins BUSHIDO. In BUSHIDO dreht sich alles um, genau, Bushido. BUSHIDO erscheint erfreulicherweise einmalig, als Sonderausgabe zum Kino-Film „Zeiten ändern Dich“, in dem es, wie könnte es anders sein, um Bushido geht, in der Hauptrolle Bushido. Ach, was soll‘s, hier nochmal: Bushido.

Sergej Loc hthofen Die WAZ ha t einen ihrer bekanntest Chefredakt en eure gefeue rt, der spric nun von Na ht zi-Methode n . Den Gründungschef d er THÜRIN GER ALLG MEINEN we Eicht Paul-Jo sef der BRAUN SCHWEIGE Raue von R ZEITUNG Wird die nu . n WAZ-Einh eitsbrei?

Peter Hummel verlässt EMOTIO N. Der Redaktio nsleiter will den U mzug von Münc hen nach Hamburg n icht mitmachen.

rt porte S h n c i e e d ill rR  Olive re DSF-Chef w mmer war he Im So . n erne Der frü f B u f a e k h n C nu von n e l h sender a en. Z d r r o e t w u g n er trotz ener entlasse rg u B d r a h


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DIE MEDIENWOCHE Die Seite 3 der SZ ist neuerdings die bessere Medienseite. Ein prima Stück über den ARD Milliardenladen Detego und gleich drunter Merkwürdiges über Kleber & Buhrow.

Das Medientagebuch  SONNTAG: Jede Menge in sich auskennenden Kreisen offenbar bekannte Staatsrechtler rufen in der FAS die Politik dazu auf, das ZDF in Ruhe zu lassen. Montag: „Outstanding leadership“ bescheinigen derweil die Amerikaner ZDF-Intendant Markus Schächter. Er bekommt einen „International Emmy“, überreicht durch Henry Kissinger, der dem ZDF eine „fantastische Zukunft“ prognostiziert.

Gewinner

Verlierer

Mittwoch: Alles offen nach der N24-Betriebsversammlung – produziert der Nachrichtensender bald keine Nachrichten mehr? Donnerstag: Der notorische Penisstreit zieht sich – Verzeihung – immer mehr in die Länge. Liebe TAZler, merkt Ihr nicht, dass Ihr vorgeführt werdet?

Liebling der Woche Jürgen Klopp, Deutschlands fidelster Fußballtrainer, feiert bei der Fußball-WM in Südafrika sein Comeback als TV-Experte. „Kloppo“ wird in bewährt heiterer Montagsmalermanier den RTL-Zuschauern erklären, wie Fußball funktioniert. Hoffentlich fällt auch mal irgendwo ein Tor um. Günther Jauch ist nämlich auch dabei.

Claus Kleber & Tom Buhrow, weil die beiden konkurrierenden Nachrichten-Nasen Interviewanfragen miteinander auskungeln (siehe SZ). Seid Ihr Politiker oder Journalisten?


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DIE MEDIENWOCHE

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Der STERN wird modern Der STERN erscheint nach Informationen von V.i.S.d.P. in Kürze auch in elektronischer Form. Gruner+Jahr setzt damit offenbar auf die zunehmende Verbreitung von E-Readern wie dem Kindle „In wenigen Monaten“ bringt der Verlag das Magazin auch elektronisch als kostenpflichtigen „eSTERN“ heraus. Die Planungen sind so konkret, dass man ein neues Honorarmodell für die Fotografen entwickelt und die Verträge angepasst hat. „Es wird ein Angebot, das den STERN mit allen Artikeln und Fotos umsetzt“, sagt

STERN-Fotochef Andreas Trampe im FREELENSMAGAZIN. Die Redaktion hoffe, dass das neue Format gut ankomme und neue Leser ansprechen werde, schreibt Trampe. Wie teuer ein eSTERN sein wird und ob er auch auf herkömmlichen Computern zu lesen sein wird, dazu mag sich Gruner+Jahr noch nicht äußern – bestreitet aber nichts: „Der STERN setzt sich intensiv mit Entwicklungen im Bereich der eReader auseinander, wir können aber noch nichts Konkretes vermelden“, teilt die G+J-Pressestelle mit.

Schnittmengen Politik

Medien

ZDF

Koch

Schächter

≠ Brender

kollegen im Knast Seit acht Jahren wird Dawit Isaac in Eritrea festgehalten. Wie viele andere Journalisten wird er verdächtigt, ein „Verräter“ und „Spion“ aus Äthiopien zu sein. Der Eigentümer der früheren Wochenzeitung SETIT wurde am 23. September 2001 festgenommen – nur wenige Tage nach der Aufhebung aller Bürgerrechte in Eritrea. Dawit Isaacs Aufenthaltsort ist unklar. Sein Gesundheitszustand ist bedenklich. Seit seiner Festnahme musste er mehrmals im Krankenhaus behandelt werden, unter anderem aufgrund von Misshandlungen im Gefängnis. Isaacs drei Kinder und seine Ehefrau leben in Schweden im Exil. Eritrea belegt auf der ROG-Rangliste zur Lage der Pressefreiheit weltweit zum wiederholten Male den letzten Platz.


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INFOGRAFIK DER WOCHE

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die brender-kurve ZDF-Promis solidarisieren sich öffentlich Roland Koch begründet seine Ablehnung

Heute ist Brender-Tag, Höhepunkt einer monatelangen Debatte. Unsere Grafik zeigt an, wie viele oft die Benutzer von Google den Begriff „Brender“ seit März 2009 eingegeben haben, verglichen mit der Anzahl aller Suchanfragen. Quelle: Google Insights.

100 Öffentlicher Druck auf Koch steigt vor entscheidender Verwaltungsratssitzung

Elefantenrunde nach der Bundestagswahl

80

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Intendant Schächter hält an Brender fest

20

0 Januar

April

Juli

Oktober


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STELLENANZEIGEN

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MITTWOCH POLITIKAWARD, Berlin

Alle streichen Stellen, Achim Achilles stellt ein. Für das Online-Portal Achim-Achilles.de sucht der Laufgott eine/n

Immer im grauesten Berliner November treffen sich Politikberater und Politiker zum Politikaward, den der ehemalige V.i.S.d.P.-Verlag Helios Media veranstaltet. Kongress und Fest werden gern kritisiert, weil Politiker, Lobby-Leute und Journalisten auf der gleichen Party sind und möglicherweise (!) sogar in Kontakt treten. So betrachtet sind diese Bilder Beiträge zur Aufklärung – wer mit wem quatscht, sehen Sie, liebe Leser, hier ganz öffentlich.

OnlineRedakteur/in

Wolfram Weimer, FOCUS-Chef in spe, Coordt v. Mannstein, Kai Diekmann mit RWE-Boss Jürgen Großmann und Walter Smerling

Weimer mit „Politiker des Jahres“ Guttenberg, Jürgen Trittin, Qualitäts-Moderator Steffen Hallaschka

Stellenanzeigen bei V.i.S.d.P.. Für nur 140 Euro die ganze Branche erreichen – Erfolg garantiert. info@visdp.de


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! E ND E N E H C WO Magazin für Medienmacher

langeweile? Dann gucken Sie sich doch mal an, wie in Amerika Online-Magazine aussehen, die diesen Namen auch verdienen. Testen Sie zum Beispiel Tina Browns (ja, die legendäre VANITY-FAIR-Chefin) THE DAILY BEAST – Motto: „Read this, skip that“. Oder lesen Sie bei NERVE.COM die Sex-Beratungen von Dan Savage. Oder stöbern Sie in den Weiten von SALON.COM. Wann gibt es bei uns endlich solchen modernen MagazinJournalismus im Internet?

inbox (1) Aus der Rubrik „Presse-Einladungen, über die wir uns echt gefreut haben“

IMPRESSUM

„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, anbei erhalten Sie unsere exklusive Presseinladung für den „Barbara Tag“. Schirmherrin des „Barbara Tag´s“ [sic!] ist Barbara Becker. Weitere Gäste sind u.a.: Janina Stopper, Frauke Ludowig, Franziska Knuppe, Stefan & Claudia Effenberg und Gundis Zambo uvm. Herzliche Grüße...“ Kolumnist Dr. Hajo Schumacher Redaktion Sebastian Esser (verantwortlich), Wendelin Hübner, Susan Mücke, Patrick Weisbrod

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zu gewinnen  „Polit-Talkshows – Bühnen der Macht“ herausgegeben von Sascha Michel und Heiko Girnth, sammelt Erfahrungsberichte von regelmäßigen Gästen in eben solchen. Wer wissen will, was Philipp Mißfelder, Walter Scheel oder Andrea Nahles hinter den Kulissen so treiben, ob die Schnittchen gut sind und wie Anne Will wirklich ist, beantworte bitte folgende Frage: Mit welchem Satz beendet Maybrit Illner traditionell ihre Sendung? info@visdp.de Gewinner von „Groschenroman“: Hein von Schassen aus Hamburg

FOTOS: S.1 ZDF; S.2/3: Archiv; S.4: RTL, WDR, DSF, G+J, Springer; S.5: ARD, ZDF, N24, www.kai-diekmann.de, BVB; S.8: Helios Media, S.9: VDZ, S10: privat.

Adresse V.i.S.d.P. Lietzenburger Straße 51 10789 Berlin Telefon: 030 2196 2728 7 info@visdp.de

Anzeigen Elke Barbara Hofsäß hofsaess@eebee.de Phone 030.68059707 Cell 0170.2056401


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