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Magazin für Medienmacher

AGENDA

2011

R E V O S

D R I W T RÜCK

R H A J EDIEN

M E U E DAS N

Texte: Wendelin Hübner

! R E H C A M U H C S

Was bleibt vom Medienjahr 2010: der Widerspruch. Zum Beispiel jener, dass der bisweilen hellsichtige Kurt Kister auf Seite 4 der SZ den Show-Auftritt von Guttenbergs Steffi monierte, auf Seite 5 nebenan gleichwohl ein postkartengroßes Werbefoto von der Frau im Karohemd prangte. Zum Beispiel jene Kollegen, die in der Bundespressekonferenz wie die Hyänen wieherten, als Finanzminister Schäuble seinen Sprecher Offer abkanzelte. Niemand stand auf und empörte sich über den Umgang. Ein, zwei Stunden später hatten die Kollegen sich dann eine Meinung überlegt und waren empört. Ach ja, und dann war da noch der Mann von der FDP. Wer die Amis mit Banalem versorgt, sei ein Spion, ein Spitzel, irgendwas zwischen Stasi und Guillaume, trötete es. In Wirklichkeit hat der Mann nur gemacht, wovon der Hauptstadtjournalist lebt: Er hat ein wenig gequatscht. Frommer Wunsch fürs neue Jahr: Zielfernrohre und Schusshaltung justieren. Zu viel ging dieses Jahr nach hinten los.


JIM RAKETE STAND DER DINGE 10.2. - 11.3.2011

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In der Silvesternacht schreibt Konstantin Neven DuMont auf FACEBOOK: „Mit gefiltertem Brunnenwasser ins neue Jahr gefeiert. Fühle mich irre kreativ. Los geht’s, Medienwelt retten.“ Wenig später verschickt TURI2 einen Sondernewsletter und enthüllt erste Details zu Neven DuMonts digitalem Großprojekt: Der Verlegersohn plane ein „Debattenportal für Medientheorie“, die Entwicklung koste „irgendwas zwischen zehn und 50 Millionen“ (Neven DuMont). Tatsächlich geht noch im Januar OEDIPUS.DE online, das Impressum liest sich illuster: Herausgeber: Konstantin Neven DuMont, Chefredaktion: Konstantin Neven DuMont, Chefreporter: Konstantin Neven DuMont. Zum Start gibt es einen runden Tisch mit Konstantin Neven DuMont, Konstantin Neven DuMont und Konstantin Neven DuMont.

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Januar


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Samstagabend, 20:45 Uhr, die ARD bricht nach einer halben Stunde die Live-Show „Verstehen Sie Spaß“ ab. ARD-Vorsitzende Monika Piel sagt in den „Tagesthemen“: „Die Witze von Guido Cantz waren so flau, wir konnten das Wohlbefinden der Zuschauer nicht mehr garantieren.“ Wenig später kündigt die ARD an, eine Kommission „hochkarätiger Humoristen“ (Piel) einzusetzen, die Cantz‘ Kalauer vorab prüfen soll. Den Vorsitz übernimmt Jux-König Dieter Nuhr – wen die ARD halt so für komisch hält.

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Februar


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In der FACEBOOK-Gruppe „SMS von gestern Nacht“ postet ein FDPMitarbeiter folgenden Dialog: Guido: „Du Angie, der Ahmadinedschad wollte doch zum Geburtstag diesen Panzer. Weißt Du noch welche Farbe, welche Bewaffnung?“ Angie: „Ja.“ Guido: „Ja, was jetzt? Farbe? Waffe?“ Angie: „Staubgrau, 73-mm-Glattrohrkanone.“ Guido: „Chefin, du weißt schon, dass man pro SMS bezahlt, nicht pro Buchstabe?!“ Angie: „Hab keinen Bock zu simsen. Bin doch keine 50 mehr.“

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März


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Thilo Sarrazin veröffentlicht Band zwei seiner Einwanderer-Saga: „Deutschland schafft sich Bis(s) zum Morgengrauen ab – Hummeldumm durch die, wenn ja wie vielen Feuchtgebiete des Jakobswegs“. Der Popliterat schreibt darin über eine junge, naive Sozialdemokratin, die sich vom türkischen Gemüsehändler an der Ecke ein Kopftuchmädchen machen lässt, später aber von einem überragend intelligenten Juden gerettet wird und mit ihm ein bestimmtes Gen teilen darf. Die SPD jauchzt und nimmt Sarrazin wieder auf.

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April


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Borussia Dortmund wird mit 61 Punkten Vorsprung und 223:11 Toren Deutscher Fußballmeister. Trainer Jürgen Klopp löst eine kurzfristige Staatskrise aus, als er in einem Fernsehinterview mit Arnd Zeigler ankündigt, nun Bundeskanzler werden zu wollen: „Einem Sauhaufen Beine machen, damit kenne ich mich aus.“ Angela Merkel nimmt die Ansage des Sympathieträgers für bare Münze und tritt sofort zurück. Mithilfe einer Kampagne von BILD und BUNTE schafft zu Guttenberg endlich die lästige Demokratie ab, ruft die Monarchie aus und besteigt als Karl-Theodor I. den Thron. Erste Amtshandlung: Haargel für alle.

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Mai


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Schon wieder wird das deutsche Fernsehen in seinen Grundfesten erschüttert: WIKILEAKS enthüllt, dass sich die „Tatort“-Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk an der Frittenbude am Kölner Rheinufer mit Altbier zuprosten. Die Berliner Kollegen Felix Stark und Till Ritter verhaften daraufhin Schauspieler Ben Becker – Verwechslung mit Julian Assange.

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Juni


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Deutschland jubelt über die Hochzeit des Jahres! Auf einem niedersächsischen Landgut schließen Christian Wulff und Lena MeyerLandrut den Bund fürs Leben. Hinterher gibt es eine Party, wie sie selbst für Hannover außergewöhnlich ist: Die „Scorpions“ spielen den Brautwalzer, und zu später Stunde fordert Trauzeuge Stefan Raab FOCUS-Chef Wolfram Weimer zum Mettbrötchen-Wettessen auf. Festrednerin Margot Käßmann mahnt bei Sonnenaufgang: „Auch Taxis sind Autos.“ Als Umarmungsgeste gegenüber dem Islam proklamiert Wulff übrigens die Vielehe und lässt für Lena und Zweitfrau Bettina auf Bellevue einen Harem anbauen.

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Juli


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Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister a. D., verteilt vor dem Haus der Bundespressekonferenz unaufgefordert Zettel mit seinen so genannten Zahlen. „Ich habe noch einigen Service dazu gegeben“, wirbt er. Michael Offer, zu Guttenbergs neuer Minister für Inszenierung und Eigen-PR, giftet: „Schäuble, reden Sie nicht, sorgen Sie dafür, dass die Zahlen jetzt verteilt werden. Das hatte ich Ihnen vor einer halben Stunde gesagt. Sorry! Ich hatte Ihnen die Wette angeboten, Sie werden sie nicht verteilt haben.“ Und lässig in Richtung der wartenden Journalisten: „Sie dürfen jetzt lachen.“

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August


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September

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Sonntagabend, 21:46 Uhr, Start des neuen ARD-Polittalks DMISBEKSBW („Dieser Mann ist so beliebt, er könnte sogar Bundespräsident werden“) mit Günther Jauch. Weil der Moderator zur Eigentümerversammlung nach Potsdam muss, werden alle 15 Talks, die bis zum Jahresende laufen sollen, an einem Stück aufgezeichnet. Studiogast Hans-Olaf Henkel ist praktischerweise gleich mit einem Koffer voll Krawatten angereist, so dass die Mogelei niemandem auffällt. Weil Henkel aber jedes Mal an der 50-Euro-Frage scheitert, erreichen die Quoten nicht mal „Stern TV“-Niveau.


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Nach der überfälligen Ehrung mit dem Friedensnobelpreis („Befreier Schwarzafrikas und Schlüsselfigur für Frieden in Nahost“) legt Sepp Blatter sein Amt als FIFA-Chef nieder. Zum neuen Paten des Weltfußballs steigt Ante Sapina auf – ja genau, der vom Café King. Die internationale Sportpresse feiert die Personalie als „wichtigen Schritt“ hin zu einem transparenteren Sport: „Die Heuchelei hat ein Ende“, schreibt KICKER-Kopf Rainer Holzschuh in einem Anfall von Klarsichtigkeit, „der Fußball zeigt sich jetzt endlich so, wie er schon lange war: geldgeil, skrupellos, korrupt.“ Wetten auf den Austragungsort der Fußball-WM 2026 (Libyen oder Nordkorea) werden nicht mehr entgegen genommen.

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Oktober


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November Johannes B. Kerner wechselt zurück ins ZDF, woraufhin Markus Lanz zu RTL flüchtet, was wiederum Marco Schreyl nicht gut findet und als Nachfolger von Matthias Opdenhövel zu PROSIEBEN geht, wo neuerdings aber auch Jörg Pilawa moderiert, zumindest kurz, denn bei SAT1 wird ja jetzt wieder was frei, wenigstens bis Kerner zurückkehrt. Ach egal.

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Dezember

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RTL gibt bekannt, wer sich 2012 im „Dschungelcamp“ daneben benehmen darf: Helene Hegemann (Favoritin in der Disziplin AxolotlFuttern), Sascha Lobo (wird wegen seines signalroten Irokesen vermutlich schon am ersten Tag von irgendeinem Ungeheuer gefressen), Horst Köhler (ist gut im Wegrennen), Stephanie zu Guttenberg (besteht auf Komplett-Verpixelung) und Franz Josef Wagner („Liebe Krokodile, Ihr seid wie ich: große Klappe und eine Zahnlücke. Die Natur hat uns so gewollt. Wir werden uns gut verstehen. Herzlichst, Euer F. J. Wagner“). Wir freuen uns!


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POSTSCRIPTUM Magazin für Medienmacher

FOCUS erklärt Verteidigungsminister zu Guttenberg zum „Mann des Jahres“ und feiert ihn auf vielen Seiten. Die Lobeshymne hat Chefredakteur Wolfram Weimer selbst verfasst. Er griff dabei offenbar auf ein Manuskript aus dem vergangenen Jahr zurück. Im November 2009 hielt Weimer auf dem Politikkongress eine dem FOCUS-Text sehr ähnliche Laudatio auf zu Guttenberg – der als „Politiker des Jahres“ ausgezeichnet worden war. (Der Politikkongress wird vom Verlag Helios Media veranstaltet, in dem V.i.S.d.P. früher erschien.)

UNd, wie waren wir? Danke für den Ausblick, liebe Kollegen (auch wenn ich eine Pointe nicht verstanden habe). Tolle Werbung am Rand, falls man das sagen darf. Schöne Feiertage und ‘nen guten Start ins neue Jahr!

IMPRESSUM

Hier bitten wir Cheflektorin Carla Mönig um Ihre Meinung zur aktuellen Ausgabe. Sagen Sie uns Ihre: www.facebook.com/visdp.

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die  nächste Ausgabe von V.i.S.d.P. erscheint am 17. januar 2011  ANZEIGE

Alle Jahre Wieder

info@visdp.de

Herausgeber Dr. Hajo Schumacher Chefredakteur Sebastian Esser Stellvertreter des Chefredakteurs Wendelin Hübner Stellv. Chefredakteure Susan Mücke, Frank Joung Leitender Redakteur Patrick Weisbrod Leiterin Lektorat Carla Mönig Adresse Lietzenburger Straße 51, 10789 Berlin Telefon 030 2196 27287

FOTOS: S.2: DuMont; S.3: WDR, SWR; S.4: www.marco-urban.de (2); S.5: Bundesbank; S. 6: BVB, www.marco-urban.de; S.7: WDR; S.8: Screenshot, BPA; S.9: WDR, RTL; S. 10: FIFA, Archiv; S.11: Screenshot, www. marco-urban.de; S. 12: ZDF(2), SAT1, RTL, PRO7;S.13: WDR, BPA.


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