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Trastuzumab-Deruxtecan – eine neue Option zur Behandlung des HER2-positiven Mammakarzinoms

In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 70.000 Frauen an einem Mammakarzinom und etwa 20.000 versterben jährlich daran. Die 5-Jahres-Prävalenz wird mit etwa 300.000 angegeben [1]. Damit ist das Mammakarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Etwa eines von 5 Mammakarzinomen ist HER2-positiv [2]. HER2 ist ein Tyrosinkinase-Wachstumsfaktor-Rezeptorprotein, das vermehrt auf der Oberfläche von bestimmten Krebszellen exprimiert wird, einschließlich Mamma-, Magen-, Lungen- und Kolorektalkarzinom [3]. Die HER2-Überexpression kann die Folge einer spezifischen HER2-Genamplifikation sein, die beim Mammakarzinom oft mit einem aggressiven Wachstum der Tumorzellen und mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist [4]. Trotz einer initialen Behandlung mit Trastuzumab und einem Taxan erleiden Patientinnen mit einem HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom oftmals eine Krankheitsprogression [5]. Außerdem entwickeln geschätzte 30–50% der Betroffenen Hirnmetastasen und obwohl sich die Therapiemöglichkeiten durch HER2-basierte Therapien verbessert haben, ist die Prognose für Patientinnen mit Hirnmetastasen nach wie vor schlecht [5, 6]. Daher besteht bei Patientinnen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom ein hoher Bedarf an weiteren Behandlungsoptionen. Ein neues Medikament ist Trastuzumab-Deruxtecan. Das gegen HER2 gerichtete AntikörperWirkstoff-Konjugat hat auf Basis der positiven und überzeugenden Ergebnisse der Studie DESTINYBreast01 im Januar 2021 in der Europäischen Union (EU) die

Trastuzumab-Deruxtecan – eine neue Option zur Behandlung des HER2positiven Mammakarzinoms

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bedingte Zulassung erhalten. Unter dem Handelsnamen Enhertu® ist Trastuzumab-Deruxtecan seit Anfang Februar 2022 in Deutschland kommerziell verfügbar. Somit kann der Wirkstoff ab sofort von allen Ärzten, die über Erfahrung mit der Anwendung von Krebsmedikamenten verfügen, als Monotherapie bei erwachsenen Patientinnen mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom eingesetzt werden, die bereits mindestens 2 gegen HER2 gerichtete Vortherapien erhalten haben. Enhertu® wird von

Trastuzumab-Deruxtecan

Trastuzumab-Deruxtecan (Enhertu®) ist ein Antikörper-WirkstoffKonjugat (ADC), das zielgerichtet HER2-positive Krebszellen attackiert. Es besteht aus einem monoklonalen Anti-HER2-IgG1-Antikörper mit einer zu Trastuzumab identischen Aminosäuresequenz, der über einen Tetrapeptid-basierten, enzymatisch spaltbaren Linker an den Topoisomerase-I-Inhibitor Deruxtecan gebunden ist. Dieser zytotoxische Wirkstoff wird als sog. Payload an die Krebszelle abgegeben. Der Antikörper hemmt selektiv die HER2-vermittelte Signalkaskade und induziert die Antikörper-abhängige zelluläre Toxizität. Deruxtecan wird intrazellulär aus dem Konjugat durch Cathepsine abgespalten, die in Tumorzellen hochreguliert sind, und führt zur Apoptose der Tumorzelle. Das Verhältnis zwischen dem Chemotherapie-Payload und dem gegen HER2 gerichteten Antikörper (Drug-Antibody-Ratio, DAR) beträgt ca. 8 : 1. Diese hohe DAR gilt als ausschlaggebend für die überragende Wirksamkeit von Trastuzumab-Deruxtecan. Außerdem weist das ADC einen sog. Bystander-Antitumor-Effekt auf: Der Chemotherapie-Payload kann die Zellmembran überwinden und so auch unabhängig von der HER2-Expression auf Nachbarzellen im Tumor zytotoxisch wirken. Trastuzumab-Deruxtecan (5,4 mg/kg) ist in über 40 Ländern zugelassen als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Brustkrebs, die bereits mindestens 2 gegen HER2 gerichtete Vorbehandlungen erhalten haben. Die empfohlene Dosis von 5,4 mg/kg wird intravenös einmal alle 3 Wochen infundiert.

den gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet.

DESTINY-Breast01: Überzeugende Ergebnisse bei intensiv vorbehandelten Patientinnen

Die Zulassung von TrastuzumabDeruxtecan durch die EMA basierte auf den positiven und überzeugenden Ergebnissen der einarmigen Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 [7, 8]. Eingeschlossen wurden 184 Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem und/oder nicht resezierbarem Mammakarzinom, die intensiv mit einer gegen HER2 gerichteten Therapie vorbehandelt waren, u.a. mit Trastuzumab, Trastuzumab Emtansin und Perzuzumab. Sie bekamen Trastuzumab-Deruxtecan als intravenöse Infusion (5,4mg/ kg) alle 3 Wochen. Primärer Studienendpunkt war die objektive Ansprechrate, sekundäre Endpunkte umfassten die Dauer des Ansprechens, die Krankheitskontrolle, den klinischer Nutzen sowie das progressionsfreie und das Gesamtüberleben. Nach einem medianen Follow-up von 26,5 Monaten erreichten die mit Trastuzumab-Deruxtecan behandelten Patientinnen eine objektive Ansprechrate von 62,0% und eine mediane Dauer des Therapieansprechens von 18,2 Monaten [9]. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 19,4 Monate. In einer explorativen Analyse des Gesamtüberlebens bei rund 35%iger Datenkomplettierung waren geschätzte 75% der Patientinnen nach 18 Monaten noch am Leben. Das mediane Überleben belief sich auf 29,1 Monate [7, 8]. Das Risikoprofil von TrastuzumabDeruxtecan erwies sich als gut handhabbar und es kam nur zu wenigen durch unerwünschte Ereignisse bei der Langzeitbehandlung bedingten Therapieabbrüchen. Aufgrund der überzeugenden Ergebnisse von DESTINY-Breast01 wurde in den am 19. Oktober 2021 aktualisierten Leitlinien der ESMO zu Diagnose, Staging und Behandlung von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom Trastuzumab-Deruxtecan bereits als neuer Standard in der Behandlung von HER2-positiven Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs genannt [10].

DESTINY-Breast04: Signifikante Überlegenheit gegenüber Chemotherapie

Mittlerweile wurden die Daten einer weiteren Studie zu Trastuzumab-Deruxtecan publiziert. DESTINY-Breast04, eine pivotale, randomisierte open-label PhaseIII-Studie [11], verglich die Wirksamkeit und Sicherheit des gegen HER2 gerichteten AntikörperWirkstoff-Konjugats mit der einer Chemotherapie (nach ärztlichem Ermessen mit Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin, Paclitaxel oder nab-Paclitaxel) bei 540 Patientinnen mit nicht resezierbarem und/ oder metastasiertem HER2lowMammakarzinom, die entweder Hormonrezeptor-positiv (HR+; n=480) oder -negativ (HR–; n=60) waren und zuvor 1 oder 2 Therapielinien einer Chemotherapie erhalten hatten. Alle Studienteilnehmerinnen wurden auf HER2 getestet und diese Ergebnisse zentral bestätigt. Der Status „HER2low“ wurde dabei definiert als ein immunhistochemischer Score (IHC) von 1+ oder 2+ bei gleichzeitig negativem In-situ-Hybridisierungs-Score (ISH) (Einzelheiten siehe Insert).

HER2-Expression und HER2-Status

Das Tyrosinkinase-Wachstumsfaktor-Rezeptorprotein HER2 wird vermehrt auf der Oberfläche von bestimmten Krebszellen exprimiert, einschließlich Mamma-, Magen-, Lungen- und Kolorektalkarzinom. Die Bestimmung des HER2-Status ist eine etablierte Methode, um die passende Therapiestrategie bei metastasiertem Brustkrebs festzulegen. Die HER2-Expression wird als positiv oder negativ bewertet und entweder durch einen IHC-Test bestimmt, der die Menge an HER2-Proteinen in der Krebszelle misst, oder durch einen ISH-Test, der die Anzahl der Kopien des HER2-Gens in der Krebszelle ermittelt [3]. HER2-positive Karzinome werden definiert als IHC 3+, IHC 2+/ISH+, HER2-negative Karzinome als IHC 0, IHC 1+ oder IHC 2+/ISH–. Bis zu 55 % aller Brustkrebs-Patientinnen haben einen Tumor mit einem HER2-IHC-Score von 1+ oder 2+ in Kombination mit einem negativen ISH-Test und qualifizieren sich damit (bislang) nicht für eine gegen HER2 gerichtete Therapie [2, 12]. Der für die DESTINY-Breast04-Studie relevante Status „HER2low“ wurde definiert als ein immunhistochemischer Score (IHC) von 1+ oder 2+ bei gleichzeitig negativem In-situ-Hybridisierungs-Score (ISH). Dieser Status kommt sowohl bei Hormonrezeptor-positiven (HR+) als auch -negativen (HR–) Karzinomen vor [13].

Die in DESTINY-Breast04 eingeschlossenen Patientinnen erhielten randomisiert im Verhältnis 2:1 entweder Trastuzumab-Deruxtecan (5,4mg/kg) oder eine Chemotherapie, die den aktuellen Behandlungsstandard in dieser Situation darstellt. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben bei Patientinnen mit HR-positiver metastasierte HER2low-Erkrankung; die wichtigsten sekundären Endpunkte umfassten das Gesamtüberleben bei HR+ Patientinnen sowie das progressionsfreie und Gesamtüberleben aller randomisierter Patientinnen unabhängig vom HRStatus. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: Unter TrastuzumabDeruxtecan erreichten signifikant mehr Patientinnen mit einem HR+, metastasierten HER2lowMammakarzinom ein progressionsfreies Überleben als unter der Standard-Chemotherapie. In einer Zwischenauswertung wurden auch die sekundären Endpunkte Gesamtüberleben bei HR+ sowie progressionsfreies und Gesamtüberleben unabhängig vom HR-Status erreicht. Diese Ergebnisse, wonach Patientinnen, deren HER2-Status im niedrigen Bereich lag, auch unabhängig davon, ob sie HR+ oder HR– waren, signifikant von der Behandlung mit Trastuzumab-Deruxtecan profitierten, könnten sich als wegweisend für die zukünftige Brustkrebs-Kategorisierung und -Behandlung erweisen [14]. Denn Trastuzumab-Deruxtecan könnte basierend auf den Studiendaten auch gezielt bei den Patientinnen angewandt werden, die bislang als HER2-negativ gelten, sowie bei den HR-positiven Patientinnen, bei denen nach einer endokrinen Therapie die Erkrankung fortschreitet – eine Gruppe, für die aktuell die Chemotherapie die einzige Behandlungsoption darstellt. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur

1 Brustkrebs (Mammakarzinom) 2018.

Zentrum für Krebsregisterdaten – Robert

Koch Institut; https://www.krebsdaten.de/

Krebs/DE/Content/Krebsarten/Brustkrebs/brustkrebs_node.html 2 Ahn S et al. J Pathol Transl Med 2020; 54:34-44 3 Iqbal N et al. Mol Biol Int 2014; 2014:852748 4 Pillai R et al. Cancer 2017;123:40994105 5 Barok M et al. Breast Cancer Res 2014; 16:209 6 Garcia-Alvarez A et al. Cancers 2021;13: 2927 7 Modi S et al. N Engl J Med 2020;382: 610-621 8 Manich CS et al. Ann Oncol 2021;32 (Suppl 5):S457-S515; ePoster 279P 9 Saura C et al. ESMO 2021; 16.–21.09. 2021; Poster 279P 10 Gennari A et al. Ann Oncol 2021;32: 1475-1495 11 ClinicalTrials.gov (NCT03734029) 12 Tarantino P et al. J Clin Oncol 2020;38: 1951-1962 13 Matutino A et al. Curr Oncol 2018;25 (Suppl 1):S131-S141 14 Eiger D et al. Cancers 2021;13:1015 Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wurden aktuelle Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten zur Langzeittherapie mit dem vollhumanen AntiCD20-Antikörper Ofatumumab (Kesimpta®) und dem Modulator des Sphingosin-1-Phosphat-(S1P)Rezeptors Siponimod (Mayzent®) präsentiert [1, 2]. Ofatumumab ist in der EU zur Therapie erwachsener Patienten mit aktiver schubförmiger Multiplen Sklerose (RMS) zugelassen [3], Siponimod zur Behandlung der sekundär progredienten Multiplen Sklerose (SPMS) bei Erwachsenen mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität [4].

Ofatumumab bei RMS

Für Ofatumumab wurden über eine Gesamtdauer von 3,5 Jahren die Serum-Immunglobulinspiegel (IgG und IgM) von Patienten mit RMS ausgewertet, die in die placebokontrollierte Ofatumumab-Zulassungsstudien ASCLEPIOS und deren offene Verlängerungsphase ALITHIOS eingeschlossen waren [5, 6]. In diesen beiden Studien überzeugte Ofatumumab durch eine überlegene Wirksamkeit sowie ein Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil auf dem Niveau der Erstlinientherapie Teriflunomid. Die Langzeitdaten zeigen stabile IgG-Spiegel über den gesamten Untersuchungszeitraum, unabhängig von der Dauer der Therapie (durchgehend Ofatumumab oder Switch nach Teriflunomid-Therapie in den ASCLEPIOS-Studien). Auch der mediane IgM-Spiegel bewegte sich im Betrachtungszeitraum im Normbereich. Bei 1,5% bzw. 23,1% der Studienteilneh-

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