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Estrogene in der kombinierten oralen Kontrazeption: Bioidentisches Estetrol macht den Unterschied

Kombinierte orale Kontrazeptiva zählen trotz eines wachsenden Angebots an estrogenfreien Pillen aktuell zu den meist verordneten hormonellen Verhütungsmitteln in Deutschland: 81% aller Pillenanwenderinnen erhalten eine Estrogen-GestagenKombination [1] – und das aus gutem Grund. In der Kombinationspille unterstützt das Estrogen nicht nur die ovulationshemmende Wirkung der Gestagenkomponente, sondern sorgt auch für die den Anwenderinnen wichtige Zyklusstabilität und verringert unerwünschte Durchbruch- bzw. Zwischenblutungen. Eine neue estrogene Option für die Verhütung ist das bioidentische Estetrol (E4). Das erste Kontrazeptivum, das E4 enthält, ist die monophasische Kombinationspille Drovelis® (14,2mg E4, 3mg Drospirenon) [2].

Suche nach besser verträglichen Estrogenkomponenten

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Die Estrogenforschung hatte in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts mit der Entdeckung von Estron (E1), Estradiol (E2) und Estriol (E3) sowie der Entwicklung von synthetischem Ethinylestradiol (EE) ihren Höhepunkt. Seit der Einführung der Pille Anfang der 1960er Jahre enthalten orale kombinierte Kontrazeptiva als Estrogenkomponente fast ausschließlich Ethinylestradiol. Damit verbundene unerwünschte Nebenwirkungen sowie ein mögliches Risiko für venöse Thromboembolien [3] ließen den Bedarf an besser verträglichen Kombinationspräparaten steigen. Strategien zur Reduktion unerwünschter EEbedingten Nebenwirkungen waren bislang nur eingeschränkt erfolgreich: Eine stufenweise Dosisreduktion auf 20mg führte zu einem weniger günstigen Blutungsprofil [4, 5]. Der Einsatz von Estradiol (E2) bzw. Estradiolvalerat (E2V) als Estrogenkomponente scheint sich zwar günstig auf das kardiovaskuläre Risiko auszuwirken [6, 7], ist in Bezug auf die Zyklusstabilität aber ebenfalls nicht zufriedenstellend [8, 9]. Heute stehen neben der Verhütungssicherheit die Verträglichkeit und das Wohlbefinden der Frauen im Fokus, beispielsweise durch einen stabilen Zyklus oder auch ein verbessertes Hautbild.

Estetrol – die zusätzliche Hydroxylgruppe ist entscheidend

Estetrol (E4), das jüngst wiederentdeckte Estrogen in der Familie der natürlichen Estrogene, ist aufgrund seiner besonderen Eigenschaften eine neuartige estrogene Option in der Kombinationspille. Seit seiner ersten Erforschung 1965 durch Egon Diczfalusy am Karolinska Institut in Stockholm, Schweden, steht fest: Jeder Mensch synthetisiert Estetrol – und zwar in der sensibelsten Phase seines Lebens: Das natürlich vorkommendes Steroidhormon wird nur während der Schwangerschaft, ab der 9. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt, von der Leber des Fötus produziert und gelangt über die Plazenta in den mütterlichen Kreislauf. In seiner chemischen Struktur unterscheidet sich Estetrol mit einer zusätzlichen a-Hydroxylgruppe an Position 15 des Moleküls von den anderen Estrogenen. Daraus resultiert sein spezifisches endokrines und metabolisches Profil [10, 11].

Gewebeselektive Wirkung, geringe Affinität zu Estrogenrezeptoren

Estetrol verfügt über einen einfachen Stoffwechselweg und wirkt selektiv in verschiedenen Geweben: In Leber und Brust ist die estrogene Wirkung schwach ausgeprägt, stark dagegen in Uterus, Vagina, Gehirn und Knochen. Estetrol zeichnet sich durch eine hohe Bioverfügbarkeit und Halbwertszeit von rund 24 Stunden

Drovelis®

Die monophasische Kombinationspille Drovelis® ist das erste Kontrazeptivum, das den bioidentischen Estrogen-Wirkstoff Estetrol (14,2 mg) enthält. Dieses dient primär der Stabilisierung des Menstruationszyklus, um unerwünschte Blutungen zu verhindern. Kombinationspartner ist das dem Progesteron ähnliche Gestagen Drospirenon (3 mg), das durch seine ovulationshemmende Wirkung die Empfängnis verhütet [2]. Drovelis® folgt dem 24/4-Einnahmeschema, das heißt, auf 24 aktive Filmtabletten (rosa) folgen 4 Placebos (weiß). Beginnend mit dem ersten Zyklustag wird an 28 aufeinanderfolgenden Tagen jeweils ungefähr zur gleichen Uhrzeit eine Tablette eingenommen. Das Präparat ist als Ein-, Drei- oder Sechsmonatspackung (also mit 28 [N1], 84 [N2] oder 168 [N3] Tabletten) erhältlich [2]. Elisabeth Wilhelmi, München

aus. Damit gilt es als sehr stabiles Steroid mit einer langen Wirkdauer. Der Hauptunterschied zu Estradiol, Estriol und Ethinylestradiol: Estetrol bindet nicht an Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) und induziert die hepatische SHBG-Synthese nur geringfügig [12]. Sein Einfluss auf Gerinnungsfaktoren, das Lipidprofil sowie den Leberstoffwechsel ist gering. Da das Hormon nicht über Cytochrom-P450-Enzyme metabolisiert wird, ist das Risiko für Wechselwirkungen von E4 mit anderen Medikamenten niedrig [2].

Studie belegt Zyklusstabilität und stabiles Blutungsmuster

Einer der Vorteile von kombinierten oralen Kontrazeptiva gegenüber reinen Gestagenpräparaten ist die Zyklusstabilität. Dass ein stabiles und vorhersehbares Blutungsmuster bei gleichzeitig sicherer Kontrazeption mit der neuen Kombinationspille erreicht werden kann, zeigen die Ergebnisse der multizentrischen Phase-III-Studie E4 FREEDOM mit 1553 gesunden Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren aus Europa und Russland [13]. Die Teilnehmerinnen erhielten das neue Kombinationspräparat über ein Jahr (13 Zyklen in einem 24/4-Einnahmeschema). Die Wirksamkeit wurde mittels Pearl-Index gemessen. Dieser bewertet die Effektivität einer Verhütungsmethode anhand der Zahl der Schwangerschaften, die auftreten, wenn 100 sexuell aktive Frauen ein Jahr lang mit einer Methode verhüten. Der Pearl-Index betrug in der Gruppe der 18- bis 35-jährigen Frauen (n=1.353) bei sachgerechter Anwendung des Kontrazeptivums 0,44 und die kontrazeptive Wirksamkeit von Drovelis® lag damit bei einer Anwendungsdauer von einem Jahr bei 99,6% [13]. Als sekundärer Endpunkt wurde der Einfluss von Drovelis® auf das Blutungsmuster untersucht. Während der 12-monatigen Studie berichteten mehr als 93% der Frauen über regelmäßige Blutungen. Das Blutungsmuster war stabil und vorhersehbar. Die mediane Blutungsdauer lag bei 4–5 Tagen pro Zyklus. Die Blutungen setzten mehrheitlich zwischen Tag 26 und Tag 3 des darauffolgenden Zyklus ein. Der Anteil der Frauen mit ungeplanten Blutungen verringerte sich im Studienzeitraum von 23,5% im ersten Zyklus auf unter 16% ab Zyklus 6 und 12% in Zyklus 12. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Metrorrhagie (4,3%), Kopfschmerzen (3,2%), Akne (3,2%), vaginale Blutungen (2,7%) und Dysmenorrhö (2,4%) [13].

Literatur

1 IQVIA-Daten 06/2021. Die Zahlen beziehen sich auf alle Frauen in Deutschland, die eine Pille erhalten. 2 Fachinformation Drovelis®; Stand: 05/2021 3 Lidegaard O et al. Contraception 2002; 65:187-196 4 Archer DF et al. Contraception 2012;85: 595-601 5 Gallo MF et al. Cochrane Database Syst

Rev 2011;1:CD003989; Update in: Cochrane Database Syst Rev 2013;8:

CD003989 6 Dinger J et al. Contraception 2016;94: 328-339 7 Reed S et al. Eur J Contracept Reprod

Health Care 2021;26:439-447 8 Westhoff C et al. Obstet Gynecol 2012; 119:989-999 9 Mansour D et al. Eur J Contracept Reprod Health Care 2011;16:430-443 10 Gurpide E et al. J Clin Endocrinol Metab 1966;26:1355-1365 11 Zucconi G et al. Acta Endocrinol (Copenh) 1967;56:413-423 12 Douxfils J et al. Contraception 2020; 102:396-402 13 Gemzell-Danielsson K et al. BJOG 2021; 129:63-71

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