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Triple-negatives Mammakarzinom: Signifikanter Überlebensvorteil durch Sacituzumab Govitecan

Das triple-negative Mammakarzinom (TNBC) macht etwa 15% aller Brustkrebsfälle aus [1, 2]. Charakterisiert ist es durch eine fehlende Expression des Östrogen- (ER) und Progesteronrezeptors (PR) sowie des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors 2 (HER2) [1]. Damit entfallen wichtige Targets für die Tumortherapie. Ein hohes Metastasierungs- und Rezidivrisiko sprechen für die besondere Aggressivität sowie die schlechte Prognose im Vergleich zu anderen Brustkrebsarten [1, 2, 3]. Die hohe Resistenzrate unter Chemotherapie, die genetische Diversität und immunhistochemische Heterogenität der Erkrankung haben zur Entwicklung zielgerichteter Therapien, wie etwa Immuncheckpoint- und PARP-Inhibitoren, geführt [1]. Diese sind jedoch nicht bei jeder Subgruppe wirksam, sodass ein hoher Bedarf an innovativen Ansätzen insbesondere zur Behandlung des fortgeschrittenen oder metastasierten triple-negativen Mammakarzinoms in der Zweitlinie besteht. Mit Sacituzumab Govitecan (Trodelvy®) steht seit November 2021 eine neue Behandlungsoption zur Verfügung. Zugelassen ist das Medikament als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem TNBC, die zuvor zwei oder mehr systemische Therapien erhalten haben, darunter mindestens eine gegen die fortgeschrittene Erkrankung [4].

Antibody Drug Conjugate wirkt zielgerichtet gegen Trop-2

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Sacituzumab Govitecan ist eine zielgerichtete Therapie gegen TNBC, die zur Arzneimittelkategorie der Antikörper-WirkstoffKonjugate (Antibody Drug Conjugates, ADCs) gehört [4]. Diese bestehen aus einem monoklonalen Antikörper, der über einen Linker mit einem zytotoxischen Wirkstoff verbunden ist. Sacituzumab ist der gegen das Trophoblast-Oberflächen-Antigen-2 (Trop-2) gerichtete Antikörper, Govitecan die aus Linker und SN-38 bestehende chemische Einheit [4, 5]. SN-38 ist der aktive Metabolit von Irinotecan, einem Topoisomerase-I-Inhibitor [6, 7]. Verglichen mit anderen ADCs weist Sacituzumab Govitecan besonders viele zytotoxische Moleküle pro Antikörper auf. Das Verhältnis beträgt hier 7,6:1 (Abb. 1). Sacituzumab Govitecan ist das erste und damit First-in-Class ADC, das sich gegen das Oberflächenantigen Trop-2 richtet [6], das bei vielen soliden Tumoren überexprimiert wird [8]. Nach Bindung an Trop-2 wird das gesamte ADC internalisiert. Durch hydrolytische Spaltung wird SN-38, ein Topoisomerase-I-Inhibitor, freigesetzt und gelangt in den Zellkern. Der Topoisomerase-I-Inhibitor verhindert die Reparatur von DNA-Schäden

Abbildung 1: Das Antibody Drug Conjugate Trodelvy® besteht aus dem Antikörper Sacituzumab, der hochspezifisch gegen das Oberflächenmolekül Trop-2 gerichtet ist, und Govitecan, einer aus dem Linker und SN-38, dem aktive Metabolit des Topoisomerase-I-Inhibitors Irinotecan, bestehenden Einheit [7].

Abbildung 2: Wirkmechanismus von Sacituzumab Govitecan (nach [7]).

und leitet somit den programmierten Zelltod ein [7]. Eine weitere Rolle spielt der sogenannte „bystander effect“: Durch Hydrolyse liegt SN-38 auch extrazellulär vor. Es reichert sich in der Mikroumgebung des Tumors an und induziert nach Permeation der Zellmembran auch in benachbarten Tumorzellen die Apoptose – selbst wenn diese kein Trop-2 exprimieren (Abb. 2) [5, 7]. Durch diesen Effekt scheint Sacituzumab Govitecan für Tumoren mit heterogenen Oberflächenantigenmustern eine effektive Therapiestrategie darzustellen.

Signifikante und klinisch relevant Überlebensverlängerung

In der zulassungsrelevanten randomisierten Phase-III-Studie ASCENT wurde Sacituzumab Govitecan mit einer Monochemotherapie nach Wahl des Arztes (Eribulin, Capecitabin, Vinorelbin oder Gemcitabin) verglichen [6]. Insgesamt wurden 529 vorbehandelte mTNBC-Patientinnen in die Studie eingeschlossen, davon 468 ohne Hirnmetastasen. Die Vorbehandlung bestand aus mindestens zwei chemotherapeutischen Standardregimen. 1:1 randomisiert erhielten die Studienteilnehmerinnen entweder Sacituzumab Govitecan in der Dosierung 10mg/kg KG (an Tag 1 und 8 eines 21-tägigen Zyklus) oder eine vom Arzt gewählte Monochemotherapie. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) der Patientinnen ohne Hirnmetastasen zum Studieneinschluss, sekundäre Endpunkte waren das PFS der Gesamtpopulation, das Gesamtüberleben (OS), die objektive Ansprechrate (ORR), die Dauer des Ansprechens (DOR), die Zeit bis zum Wirkungseintritt (TTR) sowie die Sicherheit und Verträglichkeit der Medikation in der Gesamtpopulation und in der Gruppe ohne Hirnmetastasen. Bei den Patientinnen ohne Hirnmetastasen betrug das mediane PFS unter der Behandlung mit Sacituzumab Govitecan 5,6 Monate verglichen mit 1,7 Monaten in der Kontrollgruppe (HR=0,41; 95%KI: 0,32–0,52; p<0,001). Auch das mediane OS war mit 12,1 vs. 6,7 Monaten signifikant besser (HR=0,48; 95%-KI: 0,38–0,59; p<0,001). In der Gesamtpopulation lag das mediane PFS der Patientinnen unter Sacituzumab Govitecan bei 4,8 Monaten verglichen mit 1,7 Monaten in der Kontrollgruppe (HR=0,43; 95%-KI: 0,35–0,54) (Abb. 3). Damit reduzierte das ADC das Risiko für Krankheitsverschlechterung oder Tod hier um 57%. Hervorzuheben ist, dass das mediane PFS in allen Subgruppen im Vergleich zu den Kontrollen besser war – sowohl bei Patientinnen über 65 Jahren als auch bei solchen mit mehr als 3 Vorbehandlungen oder einer verabreichten Immuntherapie. Beim medianen OS zeigte sich ebenfalls eine signifikante Verbesserung mit 11,8 vs. 6,9 Monaten (HR=0,51; 95%-KI: 0,41–0,62) (Abb. 4) [6]. Überlegen war Sacituzumab Govitecan auch hinsichtlich der ORR, die Auskunft über die klinisch relevante Reduktion der Tumorgröße gibt: Mit 31% vs. 4% war sie signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Gleiches gilt für die DOR mit 6,3 vs. 3,6 Monate [6].

Abbildung 3: Ergebnisse der ASCENT-Studie für das progressionsfreie Überleben in der Gesamtpopulation [6].

Abbildung 4: Ergebnisse der ASCENT-Studie für das Gesamtüberleben in der Gesamtpopulation [6].

Gut handhabbares Nebenwirkungsprofil

Die Struktur von Sacituzumab Govitecan sorgt für hohe Wirkstoffkonzentrationen sowohl in den Zielzellen als auch in der Mikroumgebung des Tumors [7]. Entsprechen sind das verbesserte Ansprechen sowie die signifikant besseren Werte für PFS und OS gegenüber der Vergleichstherapie mit stärkeren unerwünschten Ereignissen assoziiert. Therapieassoziierte Nebenwirkungen vom Grad 3 und höher waren in der ASCENT-Studie Neutropenie (51% vs. 33%), Diarrhö (10% vs. <1%), Leukopenie (10% vs. 5%) und Anämie (8% vs. 5%). Eine febrile Neutropenie trat bei 6% vs. 2% der Patientinnen auf. Die Nebenwirkungen entsprachen dem für den Wirkstoff SN-38 bekannten Spektrum, sind jedoch dank bewährter Supportivtherapeutika gut behandelbar [6]. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur

1 Gupta GK et al. Cancers 2020;12:2392 2 https://www.cancer.org/cancer/breast- cancer/about/types-of-breast-cancer/triple-negative.html 3 https://www.breastcancer.org/symptoms/ types/triple-negative 4 Fachinformation Trodelvy®; Stand: November 2021 5 Nagayama A et al. Oncology 2021;35: 249-254 6 Bardia A et al. N Engl J Med 2021;384: 1529-1541 7 Rugo HS et al. Future Oncol 2020;16: 705-715 8 Goldenberg DM et al. Oncotarget 2018;9: 28989-29006

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