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Upstaza™ – die erste krankheitsmodifizierende Gentherapie für den AADC-Mangel

Am 20. Juli 2022 erhielt Upstaza™ (Eladocagene exuparvovec) von der Europäischen Kommission die Marktzulassung für die krankheitsmodifizierende Behandlung des auf einem Gendefekt beruhenden Mangels an Aromatischer L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC), eines Enzyms, das L-Dopa in Dopamin umwandelt. Bei Eladocagene exuparvovec handelt es sich um eine Gentherapie, bei der eine funktionsfähige Kopie des menschlichen AADCGens mithilfe eines Vektors gezielt in eine bestimmte Region des Gehirns eingespritzt wird und dort die Dopaminsynthese in Gang setzt, sodass die Entwicklung motorischer Funktionen möglich wird. Upstaza™ wird nur einmal verabreicht und kann bei Patienten ab 18 Monaten angewendet werden [1].

Verheerende Erkrankung mit lebensbedrohlichen Komplikationen

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Der AADC-Mangel ist eine tödlich verlaufende, sehr seltene genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die schwere Entwicklungs- und Bewegungsstörungen verursacht [2]. Ursache ist eine Mutation des DopaDecarboxylase(DDC)-Gens, das die Aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase kodiert, die L-3,4-Dihydroxyphenylalanin (LDOPA) in Dopamin umwandelt. Die Mutationen am DDC-Gen führen zu einer Verringerung oder einem Ausbleiben der AADC-Enzymaktivität, wodurch zu wenig Dopamin, Serotonin und Katecholamine synthetisiert werden. Der Mangel an diesen Botenstoffen führt bereits in den ersten Lebensmonaten zu tiefgreifenden Entwicklungsverzögerungen und schweren Behinderungen infolge einer extrapyramidalmotorischen Bewegungsstörung mit Hypo- oder Akinesie, Dystonien und rumpfbetonter muskulärer Hypotonie. Die an AADC-Mangel erkrankten Kinder müssen rund um die Uhr betreut werden und häufig ins Krankenhaus bzw. in die Notaufnahme eingeliefert werden, denn ihr Leiden wird häufig durch schwere Symptome verschlimmert: Episoden anfallsartiger okulogyrer Krisen, die täglich auftreten und stundenlang andauern können und dazu führen, dass die Augen krampfartig verdreht werden, häufiges Erbrechen, Verhaltensstörungen, Schlafprobleme, ständig verstopfte Nase und lebensbedrohliche Komplikationen wie Atemwegsinfektionen und MagenDarm-Probleme. Die Kinder benötigen eine fortlaufende Physio-, Ergo- und Sprachtherapie sowie

Eladocagene exuparvovec

Eladocagene exuparvovec (Upstaza™) ist eine Genersatztherapie, die für die Behandlung von Patienten ab 18 Monaten mit einer klinisch, molekularbiologisch und genetisch bestätigten Diagnose eines Aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC)-Mangels mit einem schweren Phänotyp indiziert ist. Bei dem Genersatztherapeutikum handelt es sich um einen nicht replizierenden rekombinanten Vektor auf Grundlage des Adenoassoziierten Virus vom Serotyp 2 (AAV2), der die cDNA des humanen Dopa-Decarboxylase (DDC)-Gens enthält und unter der Kontrolle eines Zytomegalievirus (CMV)-Promoters ist. Upstaza™ soll den zugrunde liegenden genetischen Defekt korrigieren, indem ein funktionierendes DDC-Gen direkt in das Putamen eingebracht wird, wodurch das AADC-Enzym exprimiert und die Dopaminproduktion wiederhergestellt wird. Die einmalige intrazerebrale Applikation von Upstaza™ erfolgt durch einen stereotaktischen neurochirurgischen Eingriff mit bilateraler Platzierung zweier Kanülen in 2 Bereichen pro Putamen. Pro putaminaler Infusionsstelle werden 0,08 ml Upstaza™ infundiert, bei insgesamt 4 Infusionen mit einem Gesamtvolumen von 0,320 ml [1].

Motorische Meilensteine

Vor der Behandlung (n=20)

0–3 (n=20) 3–12 (n=17) 12–24 (n=17) 24–36 (n=13) 36–48 (n=8) 48-60 (n=6) 60 Monate (n=20)

Kopfkontrolle 0 1 5 6 2 0 0 14 (70%) Sitzen ohne Unterstützung 0 1 2 6 2 1 1 13 (65%) Stehen mit Unterstützung 0 0 0 4 1 1 0 6 (30%) Gehen mit Unterstützung 0 0 0 0 2 0 0 2 (10%)

Tabelle 1: Ergebnisse der beiden zulassungsrelevanten Studien zu Upstaza™ [3, 4] für den primären Wirksamkeitsendpunkt, das Erreichen von mororischen Meilensteinen, gemessen mithilfe der Peabody Developmental Motor Scale, Version 2 (PDMS-2*). Angegeben ist jeweils die Anzahl der Patienten, die nach der Behandlung mit Eladocagene exuparvovec neue motorische Meilensteine der PDMS-2 erreichten. Die kumulative Spalte umfasst alle Studienteilnehmer, die den bestimmten Meilenstein zu irgendeinem Zeitpunkt während der klinischen Studie innerhalb von 60 Monaten erreichten. Die Patienten mussten mit einem Score von 2 (Hinweis auf eine Beherrschung der Fähigkeit) in Bezug auf einen Meilenstein bewertet werden, um den Meilenstein erreicht zu haben [1].

* Die PDMS-2 ist eine Beurteilung der motorischen Entwicklung des Kindes bis zum Entwicklungsalter von 5 Jahren und bewertet sowohl die Grob- als auch die Feinmotorik mit speziell auf das Erreichen motorischer Meilensteine bezogenen Aspekten. Die Aspekte der motorischen Fähigkeiten der PDMS-2 wurden ausgewählt, um die Anzahl der Patienten zu bestimmen, die mindestens die folgenden motorischen Meilensteine erreichten: 1. vollständige Kopfkontrolle, 2. Sitzen ohne Unterstützung, 3. Stehen mit Unterstützung und 4. Gehen mit Unterstützung [1]. Baseline Zeitintervall nach der Behandlung (Monate) Insgesamt (kumulativ) nach der Behandlung

eine Betreuung durch ein multidisziplinäres Team hochqualifizierter Spezialisten. Der Erfolg der konventionellen, medikamentösen Behandlung mittels Kombinationen aus Vitamin B6, Dopaminagonisten und Monoaminoxidaseinhibitoren ist besonders bei schweren Verläufen nur sehr limitiert, sodass viele Patienten bereits im Kindesalter versterben. Mit der intrazerebralen Applikation von Eladocagene exuparvovec steht erstmals ein kausaler Therapieansatz zur Verfügung.

Klinisch relevante Verbesserungen

Die Gentherapie mit Upstaza™ kann die Prognose für Kinder verbessern, die mit einem AADCMangel geboren wurden: In den beiden zulassungsrelevanten klinischen Studien mit Upstaza™ [3, 4] erreichten die Patienten bereits 3 Monaten nach der einmaligen Injektion von Upstaza™ klinisch relevante motorische Fähigkeiten (Tab. 1). Bei allen behandelten Kindern verbesserten sich die kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten. Upstaza™ reduzierte auch Symptome, die potenziell lebensbedrohliche und krankhafte Komplikationen verursachen. In einer weiteren Studie setzten sich die Verbesserungen sogar bis zu einem Beobachtungszeitraum von 10 Jahren fort [5]. Die beobachteten Nebenwirkungen waren moderat. Fast alle Behandelten litten nach dem Eingriff unter Dyskinesien, die nach einigen Wochen nachließen. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur

1 Fachinformation Uptaza™. https://ec. europa.eu/health/documents/community-register/2022/20220718156036/anx_ 156036_de.pdf 2 Opladen T et al. Die intrazerebrale Gentherapie des Aromatischen-L-Aminosäure-Decarboxylase-Mangels mit Eladocagene exuparvovec. Monatsschr Kinderheilkd 2021;169:738-747 3 Hwu WL al. Improved motor function in children with AADC deficiency treated with eladocagene exuparvovec (PTC-

AADC): interim findings from a phase I/

II Study. Poster presented at the 23rd

ASGCT Annual Meeting, May 12–15 2020 4 Tseng CH et al. Gene therapy improves brain white matter in aromatic l-amino acid decarboxylase deficiency. Ann Neurol 2019;85:644-652 5 Hwu WL et al. Gene therapy for aromatic

L-amino acid decarboxylase deficiency.

Sci Transl Med 2012;4:134ra161

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