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Neurogene Detrusorüberaktivität: Hoher Druck in der Blase = hoher Leidensdruck für die Patienten Brigitte Söllner

Die neurogene Detrusorüberaktivität (Neurogenic Detrusor Overactivity, NDO) aufgrund von Störungen des zentralen und/oder peripheren Nervensystems ist eine große Herausforderung in der Urologie, da die zugrunde liegenden Pathomechanismen komplex sind und die Behandlung der NDO in das Management einer Multisystemerkrankung integriert werden muss. Verursacht werden kann die chronische Blasenfunktionsstörung durch eine Rückenmarksverletzung oder eine Spina bifida sowie unterschiedliche Grunderkrankungen (z.B. Schlaganfall, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose), die das Nervensystem betreffen, wobei die Intensität von der Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems abhängt. Die Inzidenz- und Prävalenzraten der NDO sind schwer zu ermitteln, da es nur wenige valide epidemiologische Berichte gibt. Eine systematische Untersuchung der Epidemiologie zeigte z.B. durchschnittliche Prävalenzraten für die NDO von 49,7% nach einer Rückenmarksverletzung, 58,2% für Patienten mit MS, 64,7% nach einem Schlaganfall und 58,6% für Patienten mit Morbus Parkinson [1]. Nur ca. 12% der Neugeborenen mit einer Meningomyelozele haben post partum keine neurogenen Störungen des unteren Harntrakts [2].

Eine Erkrankung mit schwerwiegenden Folgen

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Die NDO geht mit einem erhöhten Risiko schwerwiegender Folgeerkrankungen einher [3]. Unregulierte, ungedämpfte Kontraktionen des Detrusormuskels und der Anstieg des intravesikulären Drucks verur-

Neurogene Detrusorüberaktivität: Hoher Druck in der Blase = hoher Leidensdruck für die Patienten

Brigitte Söllner, Erlangen

sachen die Kardinalsymptome der NDO: Pollakisurie, Nykturie und Urgency (häufiges bis ständiges und äußerst unangenehmes Harndranggefühl). Harnwegsinfekte und unkontrollierter Harnabgang sind darüber hinaus die häufigsten klinischen Symptome einer NDO. Der erhöhte Blasendruck gefährdet den oberen Harntrakt, da er infolge eines vesikoureteralen Refluxes zu einem irreversiblen Nierenschaden bis hin zum Nierenversagen führen kann [4]. Für die Betroffenen bedeutet das eine signifikant reduzierte Lebensqualität und bei nicht optimaler Therapie auch eine verkürzte Lebenserwartung [5].

Diagnose der NDO

Die Diagnostik umfasst neben der klinischen Untersuchung des Patienten die laborchemische Überprüfung der Nierenwerte, mikroskopische und mikrobiologische Urinkontrollen, Ultraschall des gesamten Urogenitaltrakts sowie eine Nierenfunktionstestung (Nierenszintigraphie). Wichtig ist der Ausschluss nicht neurogener Ursachen der Blasenfunktionsstörung. Entscheidend für die Diagnose der NDO ist unter anderem die Blasendruckmessung, idealerweise mit simultaner röntgenologischer Darstellung des unteren Harntrakts (Videourodynamik) [6, 7]. Die urodynamische Untersuchung ist essenziell für den Nachweis einer Funktionsstörung und dient dazu, auf Basis der urodynamischen Zielgrößen die Therapie einzustellen und den Therapieerfolg zu kontrollieren. Dabei gilt die Videourodynamik als Goldstandard und wird von den Leitlinien sowohl für die Diagnostik als auch für die Therapieeinstellung und Therapiekontrolle der NDO empfohlen [2, 6, 7, 8].

Empfehlungen der S2k-Leitlinie zur Therapie der NDO

Therapieziele sind die Schaffung einer ausreichenden Speicherfunktion, eine Reduzierung der Harnwegsinfekte sowie der Schutz des oberen Harntrakts mit Erhalt der Nierenfunktion [5]. Die Optimierung der Blasenentleerung und der Harnkontinenz führt insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität. Als Erstlinientherapie bei neurogener Überaktivität des Detrusors empfiehlt die aktuelle S2k-Leit-

Abbildung 1: Mögliches Vorgehen bei der Therapie der NDO im Einklang mit den Leitlinien (mod. nach [2, 7, 8]). * Voraussetzung für die intravesikale medikamentöse Therapie mit Vesoxx® ist der aseptische intermittierende Katheterismus [9].

linie [7] die orale Gabe von Antimuskarinika (Anticholinergika) wie Oxybutynin, Propiverin oder Trospium (Abb. 1). Für diese Medikamentengruppe gibt es eine lange Anwendungserfahrung. Werden die Therapieziele, wie Schutz des oberen Harntrakts, Verbesserung der Kontinenzsituation und der Lebensqualität, damit nicht zufriedenstellend erreicht oder treten nicht tolerierbare Nebenwirkungen auf, sollten Patienten, die ihre Blase mittels aseptischer intermittierender Katheterisierung (ISK) entleeren, als Zweitlinientherapie intravesikales Oxybutynin (Vesoxx®) erhalten, bevor minimalinvasive und operative Verfahren eingesetzt werden (Abb. 1) [7]. Um den Therapierfolg zu überwachen, müssen urodynamische Parameter in regelmäßigen Abständen gemäß den Vorgaben des behandelnden Urologen kontrolliert werden. Die S2k-Leitlinie schätzt die Wirksamkeit und Sicherheit der intravesikalen Gabe von Oxybutynin als erwiesenermaßen effizient, sicher und gut tolerabel ein. Die Dosierung soll sich laut Leitlinienempfehlung an der klinisch überprüften Wirksamkeit (z.B. Blasenentleerungsprotokoll) und/ oder der urodynamisch überprüften Wirksamkeit sowie der individuellen Verträglichkeit orientieren. Darüber hinaus empfiehlt die Leitlinie eine Kombination von Instillation und oraler antimuskarinerger Therapie, sofern sich diese als effektiv erweisen und weniger unerwünschte Nebenwirkungen zeigen [7].

Einschätzung der S2k-Leitlinie zur oralen vs. intravesikalen Gabe von Oxybutynin

Die Autoren der Leitlinie weisen in ihrem Report auf folgende Vorteile der intravesikalen im Vergleich zur oralen Gabe von Oxybutynin hin: • Unter der intravesikalen im

Vergleich zur oralen Gabe zeigte sich eine signifikant höhere

Bioverfügbarkeit (294%; 90%-

KI: 211–408) bei geringerer

Nebenwirkungsrate [10]. • Die höhere Bioverfügbarkeit des aktiveren Oxybutynin-R-

Enantiomers kann zu einer höheren Effizienz führen [11]. • Die Vorteile der intravesikalen

Applikation sind durch die Umgehung des First-Pass-Effektes in der Leber und nachfolgend durch die geringere Konzentration des aktiven Metaboliten NDesethyloxybutynin (NDEO) im Serumplasma zu erklären, da dieser hauptsächlich für die

Entstehung von Nebenwirkungen verantwortlich gemacht wird [12]. Daher kann der frühzeitige Wechsel auf die intravesikale Therapie bei zu starken Nebenwirkungen oder nicht ausreichender Wirksamkeit eine sinnvolle ZweitlinienOption darstellen [7].

Klinische Überlegenheit von intravesikalem Oxybutynin

Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit der intravesikalen Oxybutynin-Behandlung wurden im Vergleich zur oralen Gabe in einer randomisierten, prospektiven, aktiv kontrollierten, offenen, multizentrischen Studie mit 35 erwachsenen Patienten mit NDO untersucht [13]. Die Patienten mit intravesikaler Behandlung (n=18) erhielten 3× täglich 10ml 0,1% Oxybutyninhydrochlorid (Vesoxx®) intravesikal, die oral behandelten Patienten (n=17) 3× täglich 5mg Oxybutyninhydrochlorid oral über einen Zeitraum von 28 Tagen. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung der maximalen Blasenkapazität zwischen dem Beginn der Studie und nach 4 Wochen, bewertet mittels urodynamischer Untersuchungen. Die intravesikale Applikation führte zu einer Steigerung der maximalen Blasenkapazität um 117ml nach 28 Tagen Behandlungszeit versus 18ml bei der oralen Applikation. Die Differenz erwies sich als statistisch signifikant (p=0,0086) (Abb. 2). Unerwünschte Ereignisse (UEs) wurden von 10 Patienten (55,6%) mit intravesikaler und von 14 Patienten

Signifikanter Unterschied der Blasenkapazität zwischen beiden Behandlungsarmen

Abbildung 2: Die intravesikale Applikation von Oxybutynin (Vesoxx®) war der oralen Gabe hinsichtlich des primären Wirksamkeitsendpunkts, der maximalen Blasenkapazität nach 28-tägiger Behandlung, signifikant überlegen (mod. nach [13]). # Differenz der maximalen Blasenkapazität von Visite an Tag 28 und Visite an Tag 0.

Intravesikales Oxybutynin

0,1 % Oxybutynin-HCl (Vesoxx®) ist das erste in Deutschland zugelassene Arzneimittel zur intravesikalen Therapie der neurogenen Detrusorüberaktivität infolge einer Rückenmarksverletzung oder Meningomyelozele (Spina bifida). Es wird angewendet bei Kindern ab 6 Jahren und Erwachsenen, die ihre Blase mittels aseptischer intermittierender Katheterisierung (ISK) entleeren und die nicht adäquat mit oralen Anticholinergika eingestellt sind. Intravesikales Oxybutynin verfügt über einen multimodalen Wirkmechanismus: Der Wirkstoff blockiert die Muskarinrezeptoren und verringert dabei auch die präsynaptische Ausschüttung von Acetylcholin, was zu einer Entspannung der glatten Blasenmuskulatur führt. Außerdem wirkt Oxybutynin durch seinen kalziumantagonistischen Effekt spasmolytisch am Detrusormuskel, sodass sich die Anzahl der Kontraktionen und damit der Detrusordruck signifikant verringert. Indem es am Urothel afferente C-Fasern inhibiert, hat es auch eine lokalanästhetische Wirkung [9].

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Multimodaler Wirkmechanismus von intravesikalem Oxybutynin (mod. nach [18]). (82,4%) mit oraler Verabreichung berichtet. Signifikante Unterschiede zugunsten der intravesikalen Instillation wurden bei UEs beobachtet, die das Sehvermögen (1/10 vs. 9/14), den Gastrointestinaltrakt (8/10 vs. 14/14), das Nervensystem (2/10 vs. 8/14) und die Haut und Unterhaut (1/10 vs. 6/14) betrafen. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf [13].

Wirksamkeit und Verträglichkeit von intravesikalem Oxybutynin bei Kindern

In einer prospektiven Open-LabelStudie mit 15 Kindern erzielte intravesikales Oxybutynin (0,1%) eine signifikante Erhöhung der Blasenkapazität von 114±15,2ml auf 161±26,6ml nach 4 Monaten (p<0,01) bzw. auf 214±21,7ml nach 24 Monaten (p<0,01) [14]. Gute Ergebnisse bei pädiatrischen Patienten lieferte auch eine retrospektive Kohortenstudie mit 10 Kindern, die die Wirkung von intravesikalem Oxybutynin (0,1%) nach 15-jähriger Therapie untersuchte. Die Kinder wurden vor Studienbeginn ±2 Jahre lang mit oralem Oxybutynin behandelt. Die Blasen-Compliance hatte sich nach 15 Jahren signifikant verbessert und der mittlere Blasendruck bei voller Blase verringerte sich von 52,5±24 auf 24,5±14,4 cmH2O. Die Behandlung wurde insgesamt gut vertragen und die jungen Patienten zeigten sich zufrieden mit ihrem Kontinenzstatus [15]. In einer Meta-Analyse wurde die Wirksamkeit von intravesikalem Oxybutynin bei 297 Kindern mit neurogener Blasenfunktionsstörung überprüft, die refraktär gegenüber oralem Oxybutynin waren oder dieses nicht vertragen hatten.

In den 8 eingeschlossenen Studien (2 prospektiv, 6 retrospektiv) hatten fast alle Kinder eine Meningomyelozele und wurden mit einer durchschnittlichen Dosis von 10mg/d Oxybutynin intravesikal behandelt. Die mittlere Veränderung der Blasen-Compliance mit intravesikalem Oxybutynin wurde lediglich in 2 Studien gemessen: jeweils 7,4ml/cmH2O und 7,5ml/ cmH2O, die gepoolte mittlere Differenz der maximalen Blasenkapazität zeigte eine Verbesserung um 78ml. Die gepoolte durchschnittliche Veränderung des Blasendrucks bei terminaler Kapazität reduzierte sich um 16,4cmH2O und die Inkontinenz verbesserte sich in den meisten Studien, mit Trockenheits-/Besserungsraten von 61–83%. Die Inzidenz von Nebenwirkungen unter intravesikalem Oxybutynin war geringer als die veröffentlichten Inzidenzwerte unter Anwendung oraler Antimuskarinika. Lediglich 9% der Patienten brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab [16].

Einfache Anwendung und Integration in die tägliche ISK-Routine

Patienten, die ihre Blase mittels aseptischer ISK entleeren, können die Behandlung mit intravesikalem Oxybutynin (Vesoxx®) einfach in ihren Alltag integrieren (Abb. 3). Das Anticholinergikum wird nach der Katheterisierung ein bis mehrmals täglich in die Blase instilliert. Dazu wird nach der vollständigen Blasenentleerung ein separater Stufenkegeladapter auf eine Fertigspritze geschraubt, welche die Oxybutynin-Lösung enthält, und anschließend mit dem Katheter verbunden. Nun kann die erforderliche Dosis direkt in die Blase appliziert werden. Die einfache Anwendung fördert die Therapietreue und damit den Therapieerfolg. Für die Patienten bedeutet eine erfolgreiche Therapie eine erhebliche Erleichterung ihres Alltags, vor allem durch geringeren unwillkürlichen Urinverlust, weniger Harnwegsinfekte und größere Blasenvolumina. Intravesikales Oxybutynin hilft den Betroffenen nicht nur, die Blasenentleerung zu kontrollieren, sondern reduziert auch das Schmerzempfinden in der Blase [17]. Durch die Unterdrückung der Detrusorüberaktivität werden das Auftreten von Harnwegsinfektionen und das Risiko einer Nierenschädigung reduziert – eines der wichtigsten Ziele im Therapiemanagement von Patienten mit neurogener Detrusorüberaktivität.

Abbildung 3: Unkomplizierte Anwendung von intravesikalem Oxybutynin im Rahmen der täglichen ISK-Routine. Mit einer Konzentration von 0,1% Oxybutyninhydrochlorid kann durch die Instillation von nur 10ml eine Dosis von 10mg erreicht werden [9].

Literatur

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Leitlinie der AWMF: Diagnostik und

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Behandlungsmöglichkeiten. Teil 1: Konservative und minimal invasive Therapie.

ASBH Brief 2012;04:34-41 6 Haensch CA, Jost W, Kaufmann A et al.

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Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (Hrsg.): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online:

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AWMF-Register-Nr. 043–053 8 EAU Guidelines on Neuro-Urology 2020.

Online: https://uroweb.org/guidelines/ neuro-urology 9 Fachinformation Vesoxx®; Stand: Juli 2020 10 Krause P, Fuhr U, Schnitker J et al. Pharmacokinetics of intravesical versus oral oxybutynin in healthy adults: results of an open label, randomized, prospective clinical study. J Urol 2013;190:17911797 11 Kretschmar M, Suleiman AA, Krause P et al. A population pharmacokinetic model of (R)- and (S-) oxybutynin and its active metabolites after oral and intravesical administration to healthy volunteers. J Clin

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Intravesical oxybutynin for neurogenic bladder dysfunction: less systemic side effects due to reduced first pass metabolism. J Urol 1998;160:892-896 13 Schröder A, Albrecht U, Schnitker J et al.

Efficacy, safety, and tolerability of intravesically administered 0.1% oxybutynin hydrochloride solution in adult patients with neurogenic bladder: A randomized, prospective, controlled multi-center trial.

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Urol 1998;160:1084-1087 15 Humblet M, Verpoorten C, Christiaens

MH et al. Long-term outcome of intravesical oxybutynin in children with detrusor-sphincter dyssynergia: with special reference to age-dependent parameters.

Neurourol Urodyn 2015;34:336-342 16 Guerra LA, Moher D, Sampson M et al.

Intravesical oxybutynin for children with poorly compliant neurogenic bladder: a systematic review. J Urol 2008;180:10911097 17 De Wachter S, Wyndaele JJ. Intravesical oxybutynin: a local anesthetic effect on bladder C afferents. J Urol 2003;169: 1892-1895 18 Reitz A, Schurch B. Intravesical therapy options for neurogenic detrusor overactivity. Spinal Cord 2004;42:267-272

Anschrift der Verfasserin:

Brigitte Söllner Medizinjournalistin und Wissenschaftliche Lektorin Lärchenweg 10 91058 Erlangen brigitte.soellner@online.de

Zulassungserweiterung für Enhertu® erlaubt früheren Einsatz beim HER2positiven metastasierten Mammakarzinom

Im Juli 2022 hat die Europäische Kommission die Zulassung für Enhertu® (Trastuzumab-Deruxtecan, T-DXd) erweitert: Das gegen HER2 gerichtete Antikörper-Wirkstoff-Konjugat kann nun als Monotherapie bei erwachsenen Patientinnen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom, die zuvor mindestens eine gegen HER2 gerichtete Vortherapie erhalten haben, eingesetzt werden. Die Zulassungserweiterung basiert auf den Ergebnissen der PhaseIII-Studie DESTINY-Breast03, in der T-DXd das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod im Vergleich zu Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) um 72% reduzierte (HR: 0,28; 95%-KI: 0,22–0,37; p<0,000001). Untersucht wurden Patientinnen mit HER2-positivem nicht resezierbarem und/oder metastasiertem Mammakarzinom, die zuvor mit Trastuzumab und einem Taxan behandelt worden waren. Das mediane progressionsfreie Überleben wurde von den Patientinnen unter T-DXd-Therapie nicht erreicht (95%-KI: 18,5 – n.e.), im Vergleich zum T-DM1-Arm mit einem PFS von 6,8 Monaten (95%KI: 5,6–8,2). Da es trotz einer initialen Therapie mit Trastuzumab, Pertuzumab und einem Taxan bei zahlreichen HER2-positiven metastasierten Patientinnen dennoch zu einer Krankheitsprogression kommt, bietet die erweiterte Indikation für die Betroffenen die Chance, noch früher im Krankheitsverlauf mit T-DXd behandelt zu werden, was ihre Chancen auf bessere Therapieergebnisse erhöht. Zusätzliche Auswertungen von sekundären Endpunkten von DESTINY-Breast03 zeigten einen starken Trend hin zu einem verbesserten Gesamtüberleben im T-DXd-Arm (HR: 0,55; 95%-KI: 0,36–0,86) – diese Daten sind zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht abschließend beurteilbar, und ein weiteres Follow-up ist notwendig. Nach 9 Monaten waren unter T-DXd noch nahezu alle Patientinnen am Leben (96,1%; 95%KI: 92,8–97,9), im Vergleich zu 91,3% im T-DM1-Arm (95%-KI: 87,1–94,2). Die bestätigte objektive Ansprechrate war unter TDXd mehr als doppelt so hoch wie unter T-DM1 (79,7% vs. 34,2% [n=208; 95%-KI: 74,3–84,4 vs. n=90; 95%-KI: 28,5–40,3). Auf Basis der DESTINYBreast03-Ergebnisse wurden die ESMO-Leitlinien im Oktober 2021 überarbeitet und empfehlen jetzt Enhertu® als die zu bevorzugenden Zweitlinientherapie für Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom, wenn diese nach einer Taxan- und Trastuzumab-Therapie progredient sind. Als Bestandteil dieser Zulassung hat die Europäische Kommission den Patentschutz für Enhertu® in diesem Setting auf Basis des signifikanten klinischen Nutzens im Vergleich zu bestehenden zugelassenen Therapien um ein weiteres Jahr verlängert.

B. S.

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