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Tezepelumab – ein Anti-TSLP-Antikörper zur gezielten Therapie des schweren Asthmas unabhängig von Biomarkerwerten
Etwa 60% der Menschen mit schwerem Asthma weisen mehrere Entzündungstreiber auf – ein Hinweis auf verschiedene, gleichzeitig vorhandene pathologische Mechanismen [1]. Da bisherige Therapieoptionen lediglich einzelne Entzündungstreiber adressierten und die Entzündung daher oft nur nur unzureichend kontrolliert werden konnte, bestand bislang ein ungedeckter therapeutischer Bedarf [2]. Mit der Zulassung von Tezepelumab (Tezspire®) lässt sich diese Therapielücke bei schwerem Asthma nun erheblich verkleinern. Denn der humane monoklonale Antikörper blockiert gezielt die Aktivität des epithelialen Zytokins Thymus-Stroma-Lymphopoietin (TSLP), das Entzündungsreaktionen – ausgelöst durch Verletzungen des Atemwegepithels – auf vielfältigen Signalwegen vorantreibt [3]. Da TSLP an der Spitze mehrerer Entzündungskaskaden steht, spielt es eine entscheidende Rolle in der Pathophysiologie des schweren Asthmas. Im Vergleich zu gesunden Personen wird es in den Atemwegen von Patienten mit schwerem Asthma vermehrt exprimiert. Die TSLP-Expression korreliert dabei mit der Schwere der Erkrankung, der Beeinträchtigung der Lungenfunktion sowie der bronchialen Hyperreagibilität [4, 5]. Indem Tezepelumab die Wirkung von TSLP an der Spitze der Entzündungskaskade blockiert, kann es alle nachgeschalteten Signalwege und Entzündungstreiber beeinflussen [3] und damit die beiden Hauptmerkmale des schweren Asthmas verringern: die Atemwegsentzündung [6–9] und die Hyperreagibilität der Atemwege [10]. Tezepelumab ist seit September 2022 als Add-on für die Therapie von Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit schwerem Asthma zugelassen, das trotz hochdosierter inhalativer Kortikosteroide plus eines weiteren Arzneimittels zur Erhaltungstherapie unzureichend kontrolliert ist [3].
Tezepelumab – ein AntiTSLP-Antikörper zur gezielten Therapie des schweren Asthmas unabhängig von Biomarkerwerten
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Signifikante Reduktion der jährlichen AsthmaExazerbationsrate
Die Zulassung von Tezepelumab beruht auf den Daten der PhaseIII-Studie NAVIGATOR [8]. Die 52-wöchige randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Tezepelumab bei erwachsenen (18–80 Jahre) und jugendlichen Patienten (12–17 Jahre) mit schwerem unkontrolliertem Asthma, die mittel- oder hochdosiertes inhalatives Kortikosteroid (ICS) plus mindestens eine zusätzliche Kontrollmedikation mit oder ohne orale Kortikosteroide (OCS) erhielten [8]. Insgesamt wurden 1.061 Patienten randomisiert und der Behandlung mit Tezepelumab 210mg s.c. alle 4 Wochen (n=528) oder Placebo s.c. (n=531) über 52 Wochen zugewiesen. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die jährliche Asthma-Exazerbationsrate (AAER, Annualized Asthma Exacerbation Rate) während der 52-wöchigen Behandlungsphase. Wichtige sekundäre Endpunkte umfassten die Veränderung der FEV1-Werte vor der Bronchodilatation, des ACQ-6Scores, des AQLQ[S]+12-Scores und des wöchentlichen Mittelwerts des ASD (Asthma Symptom Diary). In der gesamten Patientenpopulation kam es unter der Behandlung mit Tezepelumab gegenüber Placebo zu einer statistisch signifikanten und klinisch relevanten Reduktion der AAER: Nach 52 Wochen betrug die AAER bei den mit Tezepelumab behandelten Patienten 0,93 gegenüber 2,10 in der Placebo-Gruppe (RR: 0,44; 95%-KI: 0,37–0,53; p<0,001). Diese Verbesserung war unabhängig von Biomarkerwerten wie der Eosinophilenzahl im Blut, dem FeNO (Fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid)-Wert sowie dem Allergiestatus [8]. Außerdem bestätigte eine vorab spezifizierte explorative Analyse von NAVIGATOR die konsistente Wirksamkeit über das gesamte Jahr hinweg: Tezepelumab reduzierte die AAER im Vergleich zu Placebo um 63% im Winter, um 46% im Frühling, um 62% im Sommer und um 54% im Herbst.
Tezepelumab
Tezepelumab (Tezspire®) ist ein First-in-Class humaner monoklonaler Antikörper, der mit einem neuartigen Wirkmechanismus die Interaktion von TSLP (Thymus-Stroma-Lymphopoietin) mit seinem heterodimeren Rezeptor blockiert. Da dieses epitheliales Zytokin Entzündungsreaktionen auf vielfältigen Signalwegen vorantreibt, setzt Tezepelumab an der Spitze der Entzündungskaskade bei Asthma an. Tezepelumab ist angezeigt als Add-on-Erhaltungstherapie bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit schwerem Asthma, das trotz hochdosierter inhalativer Kortikosteroide plus eines weiteren Arzneimittels zur Erhaltungstherapie unzureichend kontrolliert ist. Das empfohlene Dosierungsschema von Tezepelumab sieht 210 mg als subkutane Injektion alle 4 Wochen vor [3].
Tezepelumab gebunden an TSLP (© AstraZeneca)
Der Anteil der Patienten mit einer Exazerbation war über alle Jahreszeiten hinweg geringer [11]. Auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte schnitt Tezepelumab signifikant besser ab [8]: • In Woche 52 war die Verbesserung der FEV1 vor der Bronchodilatation unter Tezepelumab signifikant größer als unter Placebo (230 vs. 90ml; Differenz: –130ml; 95%-KI: 0,08–0,18; p<0,001). • Beim Asthma-spezifischen ACQ6-Score betrug die Veränderung gegenüber dem Ausgangswert unter Tezepelumab –1,55 versus –1,22 unter Placebo (Differenz: –0,33; 95%-KI: –0,46 bis –0,20; p<0,001), beim AQLQ(S)+12-
Score 1,49 bzw. 1,15 (Differenz: 0,34; 95%-KI: 0,20–0,47; p<0,001) und beim ASD-Score –0,71 bzw. –0,59 (Differenz: –0,12; 95%-KI: –0,19 bis –0,04; p=0,002).
Gepoolte Daten bestätigen Wirksamkeit bei einer breiten Patientenpopulation
In einer gepoolten Analyse der Phase-III-Studie NAVIGATOR [8] und der Phase-IIb-Studie PATHWAY [12] konnte Tezepelumab im Vergleich zu Placebo die AAER um 60% reduzieren (RR: 0,40; 95%-KI: 0,34–0,48). Darüber hinaus nahmen schwere Exazerbationen, die eine ambulante oder stationäre Behandlung erforderten, unter Tezepelumab gegenüber Placebo um 79% ab (RR: 0,21; 95%-KI: 0,13–0,35). Diese klinisch relevanten Verbesserungen wurden bei den mit Tezepelumab behandelten Patienten unabhängig von Biomarkerschwellenwerten (Eosinophile, IgE, FeNO) beobachtet [12]. Bei Patienten mit allergisch-eosinophilem Mischtyp sank die Exazerbationsrate unter der Behandlung mit Tezepelumab um 71% gegenüber Placebo (RR: 0,29; 95%-KI: 0,21–0,41). Auch bei geringen Eosinophilen-Werten (<300 Zellen/μl und <150 Zellen/ μl) kam es unter Tezepelumab zu einer deutlichen Reduktion der Exazerbationen um 48% [12].
Vergleichbare Sicherheitsergebnisse unter Tezepelumab und Placebo
Die Behandlung mit Tezepelumab wurde von den Studienteilnehmern gut vertragen. Das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil wurde in der Extensionsstudie DESTINATION über einen Zeitraum von 2 Jahren bestätigt [13]. Es ergaben sich keine klinisch bedeutsamen Unterschiede bei den Sicherheitsergebnissen zwischen der Tezepelumab- und der Placebo-Gruppe. 77,1% der Patienten unter Tezepelumab zeigten Nebenwirkungen im Vergleich zu 80,8% in der Placebo-Gruppe. Die häufigsten beschriebenen Nebenwirkungen waren (Tezepelumab vs. Placebo): Nasopharyngitis (21,4% vs. 21,5%), Infektion der oberen Atemwege (11,2% vs. 16,4%) und Kopfschmerzen (8,1% vs. 8,5%) [13].
Fazit für die Praxis
Aufgrund seiner Zielstruktur TSLP, das in den Atemwegen von Asthma-Patienten als Reaktion auf Trigger wie Allergene, Viren und andere aerogen übertragene Partikel freigesetzt wird und die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine durch Immunzellen triggert, hat das Biologikum Tezepelumab das Potenzial, bei vielen Patienten mit schwerem Asthma unabhängig von der Art der zu-
grunde liegenden Entzündung wirksam zu sein. Wie die Zulassungsstudie bestätigt, lassen sich durch die Blockade von TSLP bei Patienten mit trotz umfassender Medikation schwerstem unkontrolliertem Asthma und niedrigem Biomarkerspiegel Asthma-Exazerbationen signifikant verringern. Brigitte Söllner, Erlangen
Literatur
1 Denton E et al. J Allergy Clin Immunol
Pract 2021;9:2680-2688.e7 2 Menzies-Gow A et al. Respir Res 2020; 21:268 3 Fachinformation Tezspire®, aktueller
Stand 4 Ying S et al. J Immunol 2005;174:81838190 5 Shikotra A et al. J Allergy Clin Immunol 2012;129:104-11.e1-9 6 Gauvreau GM et al. Expert Opin Ther
Targets 2020;24:777-779 7 Porsbjerg CM et al. Eur Respir J 2020; 56:2000260 8 Menzies-Gow A et al. N Engl J Med 2021;384:1800-1809 9 Ishmael FT. J Am Osteopath Ass 2011; 111:11-17 10 Diver S et al. Lancet Respir Med 2021;9: 1299-1312 11 Hoyte F et al. Tezepelumab reduces exacerbations across all seasons in patients with severe, uncontrolled asthma: results from the Phase 3 NAVIGATOR study.
Präsentiert im Rahmen des Annual Meetings der American Academy of Allergy,
Asthma & Immunology (AAAAI) am 24.–27. Februar 2022 in Phoenix/USA,
Abstract 188 12 Corren J et al. N Engl J Med 2017;377: 936-946 13 Menzies-Gow A et al. DESTINATION: tezepelumab long-term safety and efficacy versus placebo in patients with severe, uncontrolled asthma. Präsentiert im Rahmen des Kongresses der European Respiratory Society (ERS), 4.–6. September, 2022 in Barcelona, Spanie
40 Jahre Arlevert®
Im Oktober 2022 ist das Schwindelmedikament Arlevert® bereits 40 Jahre auf dem Markt. In dieser Zeit konnten mehr als 24 Millionen Patienten mit Schwindelbeschwerden erfolgreich therapiert werden. Eine aktuelle Metaanalyse [1] zeigt erneut eine klare Empfehlung für die First-Line-Therapie von Schwindel mit der Fixkombination aus Cinnarizin und Dimenhydrinat. Aufgrund des dualen Wirkansatzes und des schnellen Wirkeintritts eignet sich Arlevert® insbesondere auch für die Behandlung des sehr häufigen Schwindels im Alter.
Hochsignifikante Überlegenheit gegenüber Vergleichsmedikation
Für die Fixkombination aus 20mg Cinnarizin und 40mg Dimenhydrinat liegen insgesamt 10 randomisierte Doppelblindstudien vor. Für eine aktuelle Metaanalyse wurden 4 davon mit nahezu identischem Studiendesign ausgewertet. Sie umfassen 795 Patienten (61% Frauen, mittleres Alter 52,1 Jahre) mit zentral- und/oder peripher-vestibulärem Schwindel. Vergleichsmedikationen waren die Einzelsubstanzen Cinnarizin und Dimenhydrinat in unterschiedlichen Dosierungen sowie Betahistin als Dimesilat bzw. Dihydrochlorid und Placebo. Hauptzielkriterium für die Beurteilung der Wirksamkeit war der Rückgang der Schwindelsymptomatik im Verlauf einer vierwöchigen Behandlung, wobei die Schwindelbeschwerden anhand des validierten Schwindelscores MVS (Mittlerer Vertigo Score) quantitativ erfasst wurden. Unter der Behandlung mit der Fixkombination aus Cinnarizin und Dimenhydrinat konnten die Schwindelbeschwerden hochsignifikant stärker reduziert werden als unter den Vergleichsmedikationen, sowohl nach 4 Wochen als auch bereits nach einer Woche der Behandlung. Der p-Wert lag in allen Fällen unter 0,001. Knapp ein Viertel der Patienten in der Arlevert®-Gruppe waren nach 4 Wochen völlig beschwerdefrei, ein signifikant höherer Anteil als in allen Vergleichsgruppen. Nahezu alle Patienten (97,9%) beurteilten die Verträglichkeit von Arlevert® als gut oder sehr gut und nur 12 Patienten (3,9%) berichteten über Nebenwirkungen.
First-Line-Therapie bei Schwindel im Alter
Die breite antivertiginöse Wirksamkeit und der schnelle Wirkeintritt machen die Fixkombination aus Cinnarizin und Dimenhydrinat zum Therapeutikum der ersten Wahl insbesondere auch für ältere Patienten mit chronischem Schwindel. Störungen des Gleichgewichtssystems führen aufgrund der Sturzgefahr zu einer ähnlichen Mortalitätsrate wie Bluthochdruck und Diabetes. Folglich muss der Schwindel im Alter ebenso konsequent und dauerhaft behandelt werden. Eine praxisorientierte Studie von Plescia et al. [2] bestätigt die Ergebnisse der Metaanalyse und zeigt die hohe Wirksamkeit und Verträglichkeit einer langfristigen Behandlung älterer Menschen mit Arlevert®
S. M.
Quellen 1 Scholtz AW et al. Clin Drug Investig 2022;42:705-720 2 Plescia F et al. Int J Environ Res Public
Health 2021;18:4787