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Sandsteinsichtigkeit als Gestaltungsmittel

frühe Bauten, wie zum Beispiel Teile des Klosters Corvey, das im Mittelalter errichtete Abtshaus von Amelungsborn oder die Klosterkirche in Kemnade, nachträglich sandsteinsichtig gemacht worden. Der Putz der Hämelschenburg ist erst im Jahre 1887 in mühevoller Arbeit entfernt worden. Spätere Bauwerke, wie beispielsweise das 1909 gebaute ehemalige Krankenhaus Charlottenstift oder der 1863 bis 1865 errichtete Bahnhof in Stadtoldendorf wurden von vorneherein auf Sandsteinsichtigkeit gebaut — exakt bearbeitete, gleichmäßige Sandsteinblöcke bilden das Material der Mauern, das sauber gefugte Quadermauerwerk vermittelt ein homogenes Bild.

Die Kirche von Bodenwerder stellt eine Besonderheit dar: Sie ist eine Mischung aus einem sandsteinsichtig gebauten Gebäude und aus ehemals verputztem Bauwerk.

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Die Denkmalpflege geht heute wieder dazu über, das freigelegte Mauerwerk — aus historischen sowie aus Gründen der Haltbarkeit — neu zu verputzen. Der Denkmalpfleger Dr. Thomas Kellmann sagt dazu: „So wie es auch in der alten Klosterordnung von Amelungsborn steht — die verputzten Gebäude sind verputzt zu erhalten — ist der Putz als Schutz für das Mauerwerk wichtig. Allzuoft wurde den Baudenkmälern eine am Zeitgeschmack orientierte Ästhetik verordnet. Wir haben aus diesen Fehlern gelernt. Wichtig ist, dass das Gebäude technisch funktioniert.“ So müsste das Kantoreigebäude von Kloster Amelungsborn eigentlich wieder verputzt werden.

Kantoreigebäude Amelungsborn mit dem neu angelegten Klostergarten

Leitzenhaus in Stadtoldendorf

Rechts: Schloss Fürstenberg

DER VIERSTÄNDER — TYPISCHES HAUS DER REGION

Vielerorts finden Sie in dieser Gegend noch alte Fachwerkhäuser — meist mit Sandsteindach oder Fassadenbehang aus Sandsteinplatten — die zum Teil liebevoll restauriert und kleinen Schmuckstücken gleich, zum Teil hoffnungslos vernachlässigt und dem Verfall preisgegeben, die Dörfer und alten Stadtkerne prägen. Das Vierständerhaus war das Haus der „gemeinen Leute“, ob Bauer, Waldarbeiter oder Steinhauer.

Ein für den „Braunschweigischen Weserdistrict“ charakteristisches Haus hat es allerdings nicht gegeben, da sich der reiche Bauer in der Weseraue ein anderes Haus bauen konnte als der Waldarbeiter in den steilen Hanglagen des Sollings oder Voglers. Außerdem gab es nie eine einheitliche charakteristische Hauslandschaft, die Region befand sich immer im Überschneidungs- und Grenzgebiet zwischen niederdeutschem Hallenhaus und einer quergeteilten mitteldeutschen Hausform. Auffällig ist eine gewisse Vielfalt der vorkommenden Hausformen.

Wir wollen Ihnen das üblicherweise gebaute Vierständer-Durchgangsdielen

Gegenüberliegende Seite: Haus in Scharfoldendorf: Der Wohnraum, neben der Küche gelegen und damit rauchfrei beheizbar, wurde im frühen 17. Jahrhundert häufig durch einen zweiständigen Ständerwerkvorbau, der sogenannten „Utlucht“ erweitert

haus, eine Sonderform des niederdeutschen Hallenhauses, vorstellen. Um die Konstruktion dieses Haustypus besser zu verstehen, sollten Sie sich zunächst die einzelnen „Bausteine“ des ungewöhnlichen Namens vor Augen führen.

Der mehrschiffige Grundriss des Hallenhauses besteht aus einem tragenden Innengerüst, in dem sich als Hauptraum eine befahrbare, zentral gelegene Diele befindet. Diese wird giebelseitig durch ein Tor erschlossen.

Der sogenannte Vierständer weist vier tragende, parallel angeordnete Holzständerreihen in Firstrichtung auf, aus der eine Mittellängsdiele resultiert. Beim typischen Durchgangsdielenhaus kann die durch ein Tor erschlossene Diele (im Unterschied zur Längsdurchfahrtsdiele) nur einseitig befahren werden, daneben befindet sich ein fußläufiger Weg. Im rückwärtigen Giebel ist lediglich eine Tür als Durchgang. Setzen wir die Bausteine nun zu dem vorherrschenden Vierständer-Durchgangsdielenhaus zusammen, ergibt sich eine Hauskonstruktion, die als tragendes Gerüst vier parallel angeordnete Holzständerreihen in Firstrichtung aufweist. Das Besondere dabei ist, dass eines der beiden Seitenschiffe immer etwas breiter ausgelegt ist. Auf dieser breiteren Seite birgt das Durchgangsdielenhaus die Wohnräume, der

Reich verziertes Haus in Arholzen

Bauernhaus in Arholzen

Ehemalige Gaststätte in Linse

schmalere Teil auf der anderen Seite ist für das Vieh vorgesehen. Unter einem Dach befanden sich also Wohnungen für den Menschen und die Stallung für das Vieh. Dazwischen war die auffallend schmale, nur einseitig befahrbare, sehr hohe Diele. Bereits im 16. Jahrhundert setzte sich das Vierständer-Durchgangsdielenhaus im Weserbergland als dominante Bauform gegenüber den Zweioder Dreiständerbauten durch. Zahlreiche Mischformen und Abwandlungen dieses Haustypus werden Sie jedoch überall finden.

Alles unter einem Dach

Bis in das 18. Jahrhundert waren diese Wohnwirtschaftsgebäude überwiegend Rauchhäuser, der Qualm der offenen Herdstelle wurde nicht über Schornsteine nach außen abgeleitet, sondern zog frei durch die Räume. Zur Straße ausgerichtet, befand sich vor der Küche der Wohnraum. Über eine Stiege in der Stube erreichten die Bauern ihre oben gelegenen Schlafräume.

Lediglich durch einfache Leitern wurden die Gesindekammern und Bansenräume auf der anderen, kleineren Seite über dem Vieh erschlossen. Aber auch das ungedroschene Korn benötigte Platz zur Lagerung und Nachreifung. Genügend Raum dafür bot der Dachboden mit einem altertümlich wirkenden, kräftig ausgebildeten Spitzsäulendachwerk.

Erstaunliche Vielfalt

Ab dem 17. Jahrhundert wurde die Weichdeckung der Dächer mehr und mehr durch Sandsteindächer ersetzt. Die ursprünglich durch eine Verbretterung geschützten Giebeldreiecke des Dachbodens wurden allerdings erst im letzten Jahrhundert durch einen Behang aus Sandsteinplatten ersetzt. Im ganzen Gebiet finden Sie noch wenige alte Fachwerkhäuser, die mit dem typischen HolzDeckel verschalt sind.

Aus Ständern, Schwellen und Riegeln aufgebaut, allenfalls von gelegentlich notwendigen Streben unterbrochen, ist das Balkenwerk auf seine schlichteste Form gebracht, bei näherem Betrachten greifen mehrere Formenkreise des Fachwerks ineinander über und bilden zum Teil eine erstaunliche Vielfalt. An den Häusern in den kargen Mittelgebirgen können Sie jedoch heute noch die — im Gegensatz zu den Dörfern und Städten der fruchtbaren Weseraue und Vorländern — Einfachheit des Balkenwerks sehen. In weiten Teilen wurden fast aus - schließlich senkrechte und waagerechte

Balken verwendet. Ein altes Sprichwort sagt: „Je fetter die Gegend, desto üppiger das Fachwerk.“

Vor allem in den Städten wird der Unterschied von Bauern- und Bürgerhaus deutlich. Ausgesprochene Geschäfts-, Handels- oder Handwerkerhäuser unterschieden sich manchmal durch das Fehlen des großen Dehlentores von den typischen Bauern- und Ackerbürgerhäusern.

Im Solling, Vogler und Hils gibt es als Besonderheit die einfachen Häuser der Glashütten- und Waldarbeiter sowie Tagelöhner und Hirten. Unter dem Sammelbegriff „Sollinghaus“ haben diese Bauten ein mit einem starken Sockel — meist aus Sollingsandsteinen — versehenes massiges Erdgeschoss für Ziege,

Schwein und Kuh. Darüber befinden sich die in Fachwerk gehaltenen Wohngeschosse, die über eine Außentreppe erreichbar sind. Da die Häuser häufig am Hang gebaut sind, liegt der Eingang aber auch oft direkt an der Straße. Der Sandstein ist hier — wie auch bei den Fachwerkhäusern — nicht nur als Mauerwerk, sondern auch auf dem Dach, an der Fassade und innen als Fußbodenbelag zu finden.

Vom Wert alter Substanz

Die Denkmalpflege versucht bei besonderen Kulturdenkmälern den Erhalt der Sandsteindächer, -fußböden und -behänge zu fördern. Ohne die Aufgeschlossenheit der Bewohner wäre dies nicht möglich. „Berührungsängste“, wie sie Denkmalpfleger Dr. Thomas Kellmann nennt, „werden im Gespräch oft überwunden. Auch der Sandstein erhält dadurch seine ihm gebührende Wertschätzung. Ich mache immer die Erfahrung, dass diejenigen, die am meisten auf die Denkmalpflege schimpfen, am wenigsten mit ihr in Berüh rung gekommen sind. Stattdessen werden leider allzu oft auch von Politikern und Presse Vorurteile kultiviert. Dies schadet der Sache sehr, denn Denkmalpflege ist zu einem großen Teil Vertrauensarbeit. Nicht Auflagen und Bußgelder, sondern Aufklärung und Beratung bestimmen den Alltag der staatlichen Denkmalpflege.“ Der engagierte Denkmalpfleger bedauert, dass „im Namen einer falsch verstandenen Fassadenpolitik viel historische Bausubstanz zerstört wird. Viele Bauschäden — nicht nur beim Sandstein — wurden und werden durch falsche Sanierungsmethoden noch verstärkt“.

Eher niederschmetternd und vielleicht ein wenig resigniert, ist die Antwort von Dr. Thomas Kellmann auf die Frage, welche Zukunft er dem Sandstein als Baumaterial gibt: „An den Lärmschutzwänden und Brückenpfeilern von Autobahnen wird der Sandstein sicherlich weiterhin in riesigen Mengen verbaut werden, aber an Gebäuden und Kulturdenkmälern ist es schon schwierig, wenn es darum geht, eine Behangplatte zu ergänzen.“

Arbeiterhäuser in Holzminden

Es klapperte die Duhne-Mühle über neunhundert Jahre lang, versorgt aus dem Quellwasser der unweit gelegenen Ortschaft Negenborn.

Die Duhne-Mühle ist alles, was vom ehemaligen Dorf Duhne, welches etwa einen Kilometer vor Negenborn gelegen war, übrig geblieben ist. Und die Turbinen der Mühle stehen seit Jahrzehnten still. Ein Nachfahre des letzten Müllers hat das Gebäude inzwischen liebevoll und aufwändig restauriert. Die nachfolgende Reportage entstand kurz nach der endgültigen Stillegung in den 1990er Jahren.

Als ein zweigeschossiger, leicht gedrungener Sandstein-Bau duckt sich die DuhneMühle am Fuße des Kleinen Ebersteins gelegen, in die von Wiesen und Hecken durchzogene Landschaft. Im Innern der Mühle ist es dunkel und die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die tiefliegenden, kleinen Fenster hineingelangen, werfen lange Lichkegel auf den mit Dehlenplatten aus Sandstein ausgelegten

Fußboden des Kellergeschosses. Die Luft riecht — fünf Jahre nach dem letzten Mahlgang — immer noch nach dem Staub des hier lange Zeit gemahlenen Korns. Stockwerk für Stockwerk — mit Dachboden und Keller sind es immerhin vier — erklärt der alte Müller Otto Krause, mit leuchtenden Augen den kompletten Mechanismus der Technik: „Früher waren hier drei Wasserräder hintereinander, die pro Tag ca. zweiein-

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