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Amelungsborn und Corvey— das klösterliche Leben

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Das Weserbergland

Das Weserbergland

mittelalterlichen Klosteranlage verbergen, finden Sie hinter der mindestens ebenso beeindruckenden Mauer Kloster Corveys heute einen barocken Residenzbau.

Auf dem Odfeld

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In Kloster Amelungsborn beherrscht der Sandstein das Bild der gesamten Klosteranlage. Sämtliche Wirtschaftsgebäude, Stallungen, Scheunen und sogar die kleineren Schuppen sind aus Sandstein gebaut. Der Fußboden ist innen wie außen mit Platten und Pflastersteinen unterschiedlicher Größe belegt. Wenn Sie die teilweise sehr großen Mauersteine und den riesigen Sandsteintrog betrachten, werden Sie über die Kraft und Geschicklichkeit der Mönche staunen, die das tonnenschwere Material aus den Brüchen des Hooptales ohne Hilfe moderner Maschinen gewonnen haben. Die Arbeit der Zisterzienser im Kloster Amelungsborn unterschied sich ganz wesentlich von den anderen Mönchsorden. Als Sproß der Benedektiner suchten sie eine Rückbesinnung auf die strengen, auf Abgeschiedenheit und Askese ausgerichteten Regeln des alten Mönchstums. Tägliche, gemeinsam abgehaltene Gottes

dienste, missionarische Tätigkeiten und schwere körperliche Arbeit bestimmten das Leben der Zisterzienser. Sie machten die karge Hochfläche des Odfeldes urbar und erweiterten ihren Grundbesitz durch die Umwandlung von Ödland, das der Orden geschenkt bekam, zur landwirtschaftlichen Nutzfläche. Um 1500 besaß das Kloster überall in der Gegend Besitzungen. Weit reichten die zinspflichtigen Außenhöfe. Mehrere Mühlen und Mergelgruben, Brauereirechte in Einbeck und Salzeinkünfte in Lüneburg, eigenes Vieh in großer Zahl, Forellen aus dem Forstbach, Karpfen aus Teichen bei Negenborn sowie Hirsche, Wildschweine und Rehe aus dem wildreichen Gebiet des nahegelegenen Sollings ermöglichten den Amelungsborner Mönchen die Selbstversorgung. Aus den nahegelegenen großen Forsten bekamen die Mönche Holz als Baumaterial.

Die heutigen Bauten um die 800jährige Klosterkirche, stammen wahrscheinlich alle noch aus dem 14. Jahrhundert.

Die Kirche entspricht durch die Klarheit ihrer Architektur sowie einem weitgehenden Verzicht auf Verzierungen dem asketischen Stil der Zisterzienser. Zudem stellt sie als Bauwerk eine Besonderheit

Säulenhalle im Westwerk der Klosterkirche Corvey

Säule vor dem Westwerk

dar: Sie besteht aus einem romanischen, dreischiffigen Langhaus und einem romanisch-gotischen Chor. Als die Zahl der Klosterbewohner ständig wuchs, wurde der romanische Chorraum unter Abt Engelhard Mitte des 14. Jahrhunderts teilweise abgebrochen und zu einem gotischen Querhaus erweitert.

Auch der Anblick der Kirche wird außen wie innen von dem Solling-Sandstein dominiert. Neben den hochaufra

genden Kirchenmauern aus Sandstein ist der Fußboden mit Solling-Sandsteinplatten belegt. Die neun Arkaden, auf denen die oberste Wand des Langmittelhauses ruht, bestehen aus romanischen Säulen, die sich mit Pfeilern abwechseln, die jeweils aus einem einzigen großen Stück Sandstein gearbeitet sind. Sogar einige von den mächtigen, mit Verzierungen versehenen Grabplatten bedeutender Äbte sind aus großen Sandsteinblöcken erstellt worden.

Durch die spärliche Beleuchtung im Innern erscheint Ihnen die Kirche beim Eintritt duster. Die Schlichtheit und Größe des mächtigen Bauwerkes verstärkt diesen Eindruck. Lediglich durch die mit farbigen Glas versehenen Rundfenster wirft die Sonne am Tage einzelne Lichtflecken in das romanische Längsschiff. Das Anfang des 14. Jahrhunderts erweiterte gotische Hochtor mit den hohen Fenstern wirkt lichter und einladender. Hier sind in neuerer Zeit, in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts, ebenfalls aus Sandstein der Altartisch und die Kanzel errichtet worden.

In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges wurde Amelungsborn — und vor allem die Klosterkirche — durch amerikanische Bomben schwer beschädigt, weil sich ein SS-Trupp in der Anlage verschanzte. Die Einschusslöcher können Sie in der gesamten Außenanlage finden.

Während der Reformation wurde im Jahre 1569 eine Klosterschule mit zwölf Zöglingen eingerichtet, die im Jahre 1760 nach Holzminden verlegt wurde – das heutige Holzmindener Campe-Gymnasium konnte deshalb 2019 auf eine 450jährige Geschichte zurückblicken. Das Kloster blieb zwar bis zum Jahre 1912 bestehen, die klösterlichen Gebete endeten jedoch schon mit der Verlegung der Klosterschule. Fünf Jahre wurde die stark zerstörte Klosterkirche restauriert. 1959 erstrahlte sie in alter Schlichtheit, ein Jahr später wurde der knapp 40 Jahre verwaiste Abtstuhl wieder besetzt.

Im Jahre 2007 musste die barocke Turmhaube aus statischen Gründen abgebaut werden. Es dauerte dann bis zum Jahre 2016 bis ein neuer Turm, der ursprünglichen Zisterziensernadel nachempfunden, errichtet werden konnte.

Zu unwirtlich war’s im Solling

Als kleine sächsische Missionszelle eines Benedektiner Vorzeigeklosters wurde in der Nähe der jetzigen Ortschaft Neuhaus, von Mönchen aus dem Gefolge Karls des Großen bereits im Jahre 816 das Kloster Hethis gegründet. Dort sollte mit den nicht erbberechtigten Herrschaftssöhnen eine neue Elite geschaffen werden. Die Ausübung eines harten Mönchtums erwies sich für die verwöhnten Söhne unter den Umständen des unwirtlichen Waldgebietes allerdings als

unzumutbar. So wurde das Kloster bereits einige Jahre später nach Corvey in die fruchtbare Weseraue verlegt. Die Entscheidung der Mönche, dem dunklen Solling den Rücken zu kehren, verwundert einen nicht, wenn man eine Beschreibung dieser Zeit aus dem Jahre 1826 liest: „Der Boden wollte keine Früchte tragen, ein Erdbeben, begleitet von einem fürchterlichen Wetter, erstickte im Jahre 819 größtentheils die Quelle und verschüttete den Bach. Die Mönche zogen nach drei Jahren mit ihren Habseligkei

Das 882 errichtete Westwerk der Klosterkirche Corvey

ten in feierlicher Prozession ab, pflanzten das Kreuz auf die Stelle, wo jetzt Corvey steht, und die Gegend um Neuhaus wurde öde.“

Das an der Weser neu gegründete Kloster Corvey muss für die damalige Zeit ein mächtiger Sandsteinbau gewesen sein. Aus der unmittelbaren Umgebung des Klosters, nämlich aus Brüchen von der gegenüberliegenden Weserseite, gewannen die Mönche das Material. Die roten Brüche in der Landschaft sowie die rote Farbe der Häuser, Kirchen und Mauern waren von weither zu sehen. Die Corveyer Steinbrüche sind heute nicht mehr zu sehen. Beim Eisenbahnbau Ende des 19. Jahrhunderts sind sie verbaut worden.

Von Höxter führt von jeher eine Allee zum ehemaligen Klosterkomplex. Über die Schlossbrücke gelangt man durch das barocke Portal in eine weiträumige, streng rechtwinklig gestaltete Anlage. Die etwas nach hinten versetzte, ausladende Front des Schlosses ist schlicht, aber dennoch vornehm. Sie treten in eine repräsentative ehemalige fürstäbtliche Residenz ein. Der Sandstein ist allgegenwärtig, er wirkt jedoch stark zurückgenommen und setzt lediglich

Amelungsborn:

Oben: Sandsteingedeckter Holzschuppen

Mitte: Pfeilerdetail am Kircheneingang

Unten: Tor in der Umrandungsmauer

architektonische Akzente. In der barocken Anlage ist seine Sichtigkeit als Gestaltungsmittel reduziert und nur für die Eckquadrierung bestimmter Gebäude, Fenster- und Türfaschen sowie Dächer und Fußbodenbeläge ist er sichtbar verwendet worden. Die restlichen Gebäudeteile sind verputzt, häufig ist das Mauerwerk aus schlechterem Material und nicht restlos aus Sandstein. Zwischen dem bis zu 1,80 Meter dicken Mauerwerk sind lockere Steinschüttungen, einer Trockenmauer gleich, einge

fügt worden. Lediglich bei den Wirtschaftsgebäuden, die sich um die barocke Anlage gruppieren, sind die massiven Bruchsteinaußenmauern sichtbar.

Beeindruckend sind die massigen Bodenplatten aus Sandstein in den Gängen des Schlossgebäudes. Von Fürsten, Äbten und Mönchen durchschritten, ist das Material abgewetzt, teilweise abgesprungen.

Von jeher wurden hier die Wissenschaft und die schönen Künste gepflegt. In Corvey galt das Prinzip der sogenannten „Herrenbürtigkeit“. Um Mönch zu werden, musste man blaues Blut vorweisen. Kein schlechtes Leben führten die nichterbberechtigten Söhne des Adels in diesen Mauern. Der zu Macht und Ansehen gelangte Benedektinerorden schrieb ihnen tägliche Gebete vor, die Vorschriften des klösterlichen Lebens wurden jedoch meist weniger streng ausgelegt. Der Adel umging so eventuelle Erbfolgestreitigkeiten und das Kloster wurde mit

Ländereien und Gütern ausgestattet. So hatten beide Seiten ihren Vorteil.

Von Plünderungen und Bränden im dreißigjährigen Krieg nicht verschont, ist von der ehemals mittelalterlichen Klosteranlage heute nur noch das Westwerk der Abteikirche erhalten. Es gehört zu den ältesten bedeutenden Sandsteinbauten in dieser Gegend und ist heute noch im Originalzustand zu bewundern. Große Teile der ehemals umfangreichen Bibliothek fielen den Flammen Tillys zum Opfer. Hoffmann von Fallersleben, der seine letzte Ruhe auf dem Corveyer Friedhof fand, war am Wiederaufbau der Bibliothek beteiligt. Bis zu seinem Tode im Jahre 1874 konnte er wieder 65 000 Bände und Handschriften in Corvey verwalten. 2014 wurde die gesamte ehemalige Klosteranlage Corvey von der UNESCO unter dem offiziellen Titel „Das Karolingische Westwerk und die Civitas Corvey“ als Weltkulturerbe anerkannt.

Außen: Westfront der Klosteranlage Corvey

Karolingische Weihetafel vom Westwerk Corveys mit der Inschrift: „Beschirme Herr diese Stadt und lass die Engel Dein die Wächter ihrer Mauern sein.”

Gegenüberliegende Seite: Weidefläche innerhalb der ummauerten Klosteranlage Amelungsborn

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