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Erweiterung der Bundesautobahn A 1 in Hamburg

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Impressum

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Ganzheitliche Gestaltung einer Verkehrsanlage Erweiterung der Bundesautobahn A 1 in Hamburg

von Gregor Gebert, Helge Lezius

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Das Projekt »Achtstreifiger Ausbau der Bundesautobahn A 1 zwischen dem Autobahndreieck ›Hamburg Südost‹ und der Anschlussstelle ›Hamburg Harburg‹« bietet die große Chance, den 8,20 km langen stadtnahen Abschnitt nach einheitlichen Kriterien zu erneuern und auszubauen. Das Projekt beinhaltet mit der Norderelb- und der Süderelbbrücke zwei bedeutende Großbrücken, mit der Galerie Kirchdorf das am weitesten gespannte Galeriebauwerk Deutschlands und darüber hinaus eine Vielzahl typischer Standardbauwerke sowie bis zu 8 m hohe Lärmschutzwände, welche den Streckenabschnitt zukünftig stark prägen werden. Wie es gelingen kann, diese Vielfalt zu einem gestalterischen Ganzen zu verbinden, das für die Straßennutzer und Anlieger gleichermaßen nachvollziehbar bleibt, ist Gegenstand der folgenden Darstellung.

1 Zur Historie der A 1 im

Hamburger Stadtgebiet

Der erste Spatenstich für die Autobahn A 1 erfolgte 1934 bei Oyten, in der Nähe von Bremen. Nach zwei Jahren Bauzeit wurde bereits ein 71 km langer Abschnitt zwischen Oyten und Dibbersen, südlich von Hamburg gelegen, für den Verkehr freigegeben. Ein Jahr später, im Mai 1937, folgte der Abschnitt von Hamburg-Ost nach Lübeck. Hamburg selbst wurde 1939 durch die Süderelbbrücke in Richtung Süden an die A 1 angeschlossen. Die sogenannte Hansalinie von Hamburg nach Bremen wurde bis 1939 mit 120 km Autobahn fertiggestellt und sollte Richtung Ruhrgebiet erweitert werden. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeiten unterbrochen und erst Mitte der 1950er-Jahre fortgesetzt. 1963 wurden die Autobahnstrecken Hamburg–Lübeck und Hamburg–Bremen durch die 13 km lange sogenannte südöstliche Umgehung Hamburgs miteinander verbunden. Das bedeutendste Bauwerk dieses Abschnitts war die Norderelbbrücke mit ihrer damals innovativen Schrägseilkonstruktion. Mit dem Bau der Umgehung erfolgte 1965 auch die Verbreiterung der Süderelbbrücke durch einen neuen, zweiten Überbau. Ende der 1980er-Jahre wurde in diesem Abschnitt die A 1 durchgehend sechsstreifig ausgebaut, die originären Unterführungsbauwerke aus den 1930er- bzw. 1960erJahren wurden dazu verbreitert. Die Norderelbbrücke wurde umgebaut und für eine sechsstreifige Verkehrsführung ertüchtigt. Seitdem haben die Verkehrszahlen erheblich zugenommen, so dass nun, nach weiteren rund 40 Jahren, die nächste Ausbaustufe der A 1 erforderlich wird. Dem stetig steigenden Schwerlastverkehr geschuldet, haben insbesondere die beiden Großbrücken das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht und müssen durch zeitgemäße Neubauten ersetzt werden.

2 Aktuelle Ausbauplanung

Im Jahre 2016 wurde die DEGES von der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Planung und Baudurchführung für die achtstreifige Erweiterung der A 1 zwischen dem Autobahndreieck (AD) Hamburg-Südost und der Anschlussstelle (AS) Hamburg-Harburg beauftragt. Inzwischen ist die Zuständigkeit von Hamburg auf die Autobahn GmbH des Bundes übergegangen. Die achtstreifige Erweiterung ist in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 eingestuft. Wegen der dringend zu erneuernden Süderelbbrücke ist der Streckenabschnitt zwischen dem AD Süderelbe und der AS HH-Harburg dem Projekt angegliedert worden. Das Projekt umfasst damit drei Planungsabschnitte: – Nordabschnitt: zwischen AD HH-Südost (A 1/A 25) bis nördlich AD Süderelbe (A 1/A 26) – Mittelabschnitt:

Bereich des neuen AD Süderelbe (A 1/A 26) – Südabschnitt: südlich AD Süderelbe (A 1/A 26) bis südlich AS HH-Harburg (A 1)

1 Lage des Planungsbereichs © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

2 3 Norderelbbrücke: Bestandsbauwerk aus zwei Perspektiven © DEGES GmbH

4 Siegentwurf für den Ersatzneubau der Norderelbbrücke © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH/Leonhardt, Andrä und Partner AG

Aufgrund ihrer Lage im Stadtgebiet von Hamburg hat die A 1 neben ihrer überregionalen Funktion als Bundesfernstraße auch eine wichtige innerstädtische Bedeutung. Sie trägt zur Entlastung des nachgeordneten Netzes im östlichen Stadtgebiet von Hamburg bei und bündelt die Verkehrsströme in Nord-SüdRichtung. Die Umgebung der Trasse ist im nördlichen und mittleren Bereich durch die anstehende Bebauung beidseitig der Autobahn geprägt. Entlang der querenden Wasserläufe von Norder- und Süderelbe haben sich biotopartige Strukturen ausgebildet, die auch der Naherholung dienen. Im südlichen Teil der Baustrecke lockert die seitliche Bebauung im Bereich der Elbmarsch auf, beidseitig der Trasse schließen sich Grünlandbereiche an.

3 Ingenieurbauwerke 3.1 Nordabschnitt

Das prägende Bauwerk im Nordabschnitt ist die Norderelbbrücke. Aufgrund der großen gestalterischen Bedeutung wurde für den Ersatzneubau 2018/2019 ein Realisierungswettbewerb durchgeführt, über den bereits auf dem »Symposium Brückenbau« im Jahr 2020 berichtet wurde [1]. Der Siegerentwurf von der Planungsgemeinschaft aus Leonhardt, Andrä und Partner und gmp Generalplanungsgesellschaft sieht als Konstruktion eine asymmetrische Schrägseilbrücke vor, für die aktuell die Entwurfsplanung erstellt wird. Das im Planungsabschnitt befindliche AD Hamburg-Süd wird aufgrund der veränderten verkehrlichen Bedeutung umgestaltet und es wird eine durchgängige Linienführung der A 1 hergestellt, was bisher, historisch bedingt, nicht der Fall war. Der Knotenpunkt wird mit seinen Bauwerken komplett neugestaltet und dann den Namen AD Norderelbe erhalten. Im Weiteren ist dieser Abschnitt geprägt durch zahlreiche einfache Unterführungsbauwerke für Straßen, Wege und Kleingewässer, die im Zuge der Autobahnverbreiterung komplett durch Neubauten ersetzt werden.

5 Typisches Unterführungsbauwerk © DEGES GmbH

6 Galeriebauwerk zum Schutz der Wohnbebauung: Visualisierung des aktuellen Arbeitsstands © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 7 Komplexität am Autobahndreieck Süderelbe als Visualisierung © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

3.2 Mittelabschnitt

Der Ausbau der A 1 erfordert in diesem Abschnitt aufgrund der naheliegenden Hochhaussiedlung Kirchdorf umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen, die für die Richtungsfahrbahn Bremen die Errichtung eines ca. 950 m langen Galeriebauwerks bedingen. Darüber hinaus ist der Mittelabschnitt geprägt durch die zukünftige Anbindung der neuen A 26, die als sogenannte Hafenpassage eine Querverbindung zwischen der A 7 im Westen und der A 1 im Osten herstellt. Die A 26 wird in diesem Bereich in Tunnellage geführt. Das Ostportal des ca. 1,50 km langen Wilhelmsburgtunnels ist gestalterisch in das neue AD Süderelbe zu integrieren, ebenso zahlreiche Rampenbauwerke, Lärmschutzwände und Verkehrszeichenbrücken.

3.3 Südabschnitt

Dieser Abschnitt wird durch die im Bestand ca. 350 m lange Süderelbbrücke geprägt. Darüber hinaus gibt es hier, analog zum Nordabschnitt, einige Unterführungsbauwerke. Für die Süderelbbrücke, die zweite Großbrücke im Planungsbereich, wurde aufgrund der damals noch unklaren Randbedingungen entschieden, keinen Realisierungswettbewerb durchzuführen, sondern den Planungsauftrag zusammen mit der Streckenplanung und den weiteren Bauwerken im Ergebnis eines VgV-Verfahrens an eine Ingenieurgemeinschaft zu vergeben. Für die Süderelbbrücke wurde anschließend eine umfassende Variantenuntersuchung durchgeführt, in der mehrere Tragwerksvarianten miteinander verglichen wurden: gevoutete Deckbrücke in Stahlverbund bzw. Spannbeton, Balkenbrücke in Stahlverbund analog dem Bestand, Fachwerk-Bogen-Brücke, Zügelgurtbrücke und Bogenbrücke. Die Bewertung in Bezug auf statisch-konstruktive, funktionale, verkehrliche, bauliche, gestalterische, umweltbezogene und wirtschaftliche Aspekte ergab die Variante »Stabbogen« als Vorzugslösung. Die architektonische Bewertung wurde zunächst offengehalten, weil dafür der für die gestalterische Beratung noch zu beauftragende Architekt hinzugezogen werden sollte. Im Rahmen des Auswahlverfahrens zur baugestalterischen Beratung wurde gleich von zwei Teilnehmern ebenfalls eine Stabbogenbrücke vorgeschlagen. Nach Beauftragung von gmp, die schließlich den Zuschlag erhielten, erfolgte eine nochmalige Bewertung der Varianten in Bezug auf die Gestaltung, und dies ohne Wissen um die getroffene Vorauswahl aus technischer Sicht. Auch danach blieb der Stabbogen die klare Vorzugslösung. In den anschließenden Abstimmungen mit der Stadt Hamburg, dem Bundesverkehrsministerium und der Autobahn GmbH konnte diese Lösung schließlich als Vorzugslösung festgelegt werden. Im Vergleich zum Realisierungswettbewerb der Norderelbbrücke wurde hier ein anderer Weg zur Bestimmung einer Vorzugslösung eingeschlagen, der aber gleichermaßen zu einem sehr guten Ergebnis führte.

3.4 Lärmschutzwände

Der Ausbau von Autobahnen ist heutzutage immer auch mit umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen verbunden. Die aufwendigste Maßnahme im Planungsbereich ist das bereits erwähnte Galeriebauwerk im Mittelabschnitt. Darüber hinaus sind im Streckenverlauf nach derzeitigem Planungsstand auf einer Länge von insgesamt ca. 7 km Lärmschutzwände zu errichten, teilweise auf Erdwällen, zum überwiegenden Teil aber auch als freistehende Wände mit einer Höhe bis 8 m. Diese Anlagen prägen unsere heutigen Autobahnen in besonderem Maße, so dass viel Sorgfalt auf ihre Gestaltung zu legen ist. Wichtig ist hierbei insbesondere auch die harmonische Einbindung der Brücken und sonstigen Ingenieurbauwerke, wie zum Beispiel der Verkehrszeichenbrücken.

4 Gestalterische

Begleitung der Planung

Neue Verkehrsanlagen und der Ausbau der A 1 in Hamburg – sie stellen in ihrer Dimension quasi eine neue Verkehrsanlage dar, auch wenn die Trasse schon vorhanden ist – sind heute unter gesamtheitlichen Gestaltungsaspekten zu planen. Derartige Verkehrsanlagen mit ihren Ingenieurbauwerken werden unsere Landschaft für die nächsten Jahrzehnte prägen. Es ist Teil der kulturellen Verantwortung der Planer, sie so zu gestalten, dass sie sich verträglich in unsere Umwelt einfügen. Ausgangspunkt dieses Bestrebens war der erfolgreich durchgeführte Realisierungswettbewerb für die Norder-

8 Erscheinungsbild der bestehenden Süderelbbrücke © DEGES GmbH 9 Süderelbbrücke: Vorzugslösung des Ingenieurbüros © DEGES GmbH/Schüßler-Plan GmbH

elbbrücke. Der nächste Schritt war, ein Architekturbüro zu finden, das die ganzheitliche Gestaltung aller drei Planungsabschnitte begleitet. Der Fokus lag auf der Gestaltungsidee, die zusammen mit den planenden Büros weiterentwickelt werden sollte. Die Federführung für die Bauwerksplanung verblieb dabei bei den Ingenieurbüros. Im Rahmen eines beschränkten Ideenwettbewerbs wurden drei Architekturbüros, die bereits am Wettbewerb Norderelbbrücke beteiligt waren, eingeladen, ihre Ideen zu entwickeln und zu präsentieren. Dies erfolgte für ausgewählte Ingenieurbauwerke wie die Süderelbbrücke, das Galeriebauwerk, aber auch für kleine Unterführungsbauwerke und typische Lärmschutzwandabschnitte. Die eingereichten Beiträge wurden durch ein Fachgremium aus Vertretern der Stadt Hamburg und der DEGES in Bezug auf Gestaltung und Einpassung in die Umgebung, aber auch in Bezug auf Funktionalität und Wirtschaftlichkeit bewertet. Im Ergebnis des Verfahrens wurde der Auftrag schließlich im September 2019 an gmp erteilt.

5 Zusammenspiel von

Tragwerksplanung und Gestaltung

Das Zusammenwirken von Tragwerksplanung und Gestaltung soll beispielhaft am Galeriebauwerk Kirchdorf illustriert werden. Die Galerie überspannt bis zu sechs Fahrstreifen und hat eine rekordverdächtige Deckenspannweite von ca. 30 m. Ursprünglich war geplant, die Stützen in die Decke einzuspannen, um zum einen Lager zu vermeiden und zum anderen eine höhere Steifigkeit des Systems zu erzeugen. In der weiteren Planung zeigte sich aber, dass die erforderliche Rahmenbewehrung an den Stützen problematisch war, mit der Folge, dass zum einen der Stützenabstand immer enger und zum anderen die Stützenabmessungen immer größer wurden. Weder gestalterisch noch in Bezug auf die bautechnische Umsetzung und die Wirtschaftlichkeit war dies ein zufriedenstellendes Ergebnis. Daraufhin wurde als Alternative ein System mit gelenkig-verschieblicher Auflagerung der Decke auf den Stützen untersucht. Dies führte zwar erwartungsgemäß zu einer größeren Durchbiegung der Decke, die allerdings durch eine Vorspannung weitgehend kompensiert werden konnte. Bei der Spannweite der Decke ist eine solche Lösung auch wirtschaftlich sinnvoll. Weil die Stützen nur noch Normalkräfte aufnehmen müssen, kann ihr Abstand vergrößert und können die Abmessungen gleichzeitig verringert werden. Zudem lassen sich die Stützen als Fertigteile ausführen, was im Hinblick auf die Qualität, die Kosten und eine kurze Bauzeit vorteilhaft ist. Das Ergebnis spricht für sich.

6 Architektonische Gestaltung der Ingenieurbauwerke 6.1 Annäherung an die Aufgabe

Die Gestaltung von Verkehrsinfrastruktur wird von vielfältigen Parametern beeinflusst. Gestalterisch herausfordernd ist, dass die Streckenführung dreiachsige Krümmungen aufweist. Besonderen Einfluss haben einzuhaltende Trassierungsparameter in Bezug auf die Verkehrssicherheit und Sichtweiten, aber auch Themen wie Sichtachsen, Orientierung, Seitenwind, Lichtblendung usw. Wie schon erwähnt, werden die neuen Lärmschutzmaßnahmen mit Lärmschutzlinien bis 8 m über der Fahrbahn und mit der neuen Lärmschutzgalerie unübersehbar sein. Auch Naturschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Über- und Unterquerungen für Flora und Fauna, sind unter vielem anderen zu berücksichtigen. Unterschiedliche Wahrnehmungsweisen kennzeichnen den Umgang von Menschen mit solchen Verkehrsbauwerken. Durchreisende erleben sie nur sequentiell, als Bestandteile eines geschwindigkeitsabhängigen Zeitraums. Für Anwohner hingegen sind sie Bestandteile der teilweise urbanen Landschaft. Weniger abgestimmte Gestaltungsansätze aus verschiedenen Jahrzehnten haben in anderen Bereichen der Verkehrsinfrastruktur zu einer Mischung der Formen und Farben geführt, die häufig ihrer landschafts- und stadtprägenden Wirkung nicht gerecht wurde. Aber Bundesautobahnen mit ihren Brücken, Unterführungen und Lärmschutzbauwerken sind in ihrer Gestalt maßgeblicher und unübersehbarer Bestandteil unserer Umgebung und sollten als Teil der Baukultur betrachtet werden.

10 Querschnitt des Galeriebauwerks © DEGES GmbH/Schüßler-Plan GmbH

11 Gestaltungsoptionen bei eingespannten Stützen (oben) und gelagertem System (unten) © DEGES GmbH/Schüßler-Plan GmbH

12 Dreidimensionales Entwurfsmodell der Anschlussstelle Norderelbe © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 13 Auszug aus dem Gestaltungskatalog © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

14 Prinzip des Konzepts © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

15 Gerundete Widerlager mit Backsteinverkleidung © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

6.2 Bestandsaufnahme und Analyse

Die Bestandsanalyse zeigte eine große Vielfalt an ortsbestimmenden Faktoren. Bei Befahrungen des Streckenabschnittes und dessen Umgebung entstanden eine Fotodokumentation und erste Skizzen. Es wurden sechzehn größere Bestandsbauwerke erfasst, digitale Geländemodelle wurden dann bearbeitet, vereinfacht und zusammengefügt. Aufgrund der Erfahrung aus vorherigen Planungsprojekten wurde früh in BIM-kompatiblen 3-DModellen gearbeitet, die sich später als hervorragende Entwurfs- und Kommunikationswerkzeuge herausstellten. Der Streckenabschnitt westlich des AD Hamburg-Südost bis AS Hamburg-Harburg verläuft durch eine Landschaft, die von Wasser geprägt und geformt ist. Das Wasser dient als Schifffahrtsweg und ist das Element, das den weiten Raum topographisch geformt hat, mit angrenzenden Deichen und Naherholungsgebieten. Sogenannte »Wettern«, Kanäle zur Be- und Entwässerung, teilen hier den weiten, flachen Raum. Ein in Teilen ausgewiesenes Flora-FaunaHabitat und ein Vogelschutzgebiet befinden sich ebenfalls im Bereich der Baumaßnahme. Die an den Streckenabschnitt angrenzende Bebauung wirkt sehr heterogen, teils ist es Einzelbebauung, teils hat sie dörflichen Charakter. Auch urbaner bzw. suburbaner Geschosswohnungsbau ist hier angesiedelt. Backstein als Fassadenmaterial findet sich bei zahllosen Bauten. Am östlichen Ende der Wilhelmsburger Insel gibt es eine Ansammlung von Gewerbebauten, Energie- und Logistikzentren. An der durch die Schifffahrt geprägten Norderelbe sind nahe der Norderelbbrücke Anlegestellen für Binnengüterschiffe anzutreffen. Mit dem Überfahren der Süderelbe von Süden oder der Norderelbe von Osten erreicht man die Insel Wilhelmsburg. Dort befindet sich der südliche Hauptzugang zur Hamburger Innenstadt. Bei der Anfahrt von Süden, über die heutige Süderelbbrücke, erfolgt diese Querung eher unbemerkt, ohne baulichen Akzent.

6.3 Entwurf

Der Entwurf ist von der sequentiellen Wahrnehmung der Reisenden inspiriert. Die Bauwerke verändern mit der Geschwindigkeit des Reisenden nachvollziehbar die wahrnehmbare Bauhöhe, in Form einer autobahnbegleitenden Linie, entstehend aus Schwung und Gegenschwung der Brückenbögen, von den oberen Abschlüssen der Lärmschutzwände und den Portalen der Lärmschutzgalerie. Die Vermeidung plötzlicher Seitenwinde am »abrupten« Ende einer Lärmschutzwand, die statische Sinnhaftigkeit des Bogens, Aufweitungen des Straßenraums, langsame Zunahme des Lichteinfalls etc. als Kennzeichen der gewählten Linie unterstützen Funktion und Sicherheit. Diese Linie trennt auch Materialien und unterschiedliche in sich vertikal monotaktische Anordnungen. Sinnvolle Elementgrößen, Stützweiten und angreifende Lasten bestimmen die Abstände. Die Unterquerung eines Bauwerks soll fließend und leicht stattfinden. Vertikale Kanten der sichtbaren Bauwerke werden abgerundet und zitieren damit auch den jetzigen Bestand. Detailreiche, sichtbare Elemente an den Bauwerken und deren Scharfkantigkeit im Transitraum werden verringert. Sichtbare Bauwerkselemente wie Widerlager setzen sich durch eine Sockelzone von mindestens 80 cm vom Erdreich und von angrenzenden Bodenbelägen ab. Das Materialkonzept sieht robuste, wartungsarme Baustoffe vor, deren Eigenfarbigkeit für sich spricht, die wertig altern und ein harmonisches Einfügen der Bauwerke in die umgebenden Natur- und Kulturlandschaften begünstigen. Klinker- bzw. Backstein-Fassadenmaterial prägt seit langem das Hamburger Stadtbild und macht einen großen Teil des baukulturellen Erbes aus. Dieses Baumaterial hat eine generationenübergreifende Bedeutung über die erlebbare Architektur hinaus und trägt damit die Identität der Freien und Hansestadt Hamburg mit. Backstein kommt an Widerlagern und Stützwänden zum Einsatz und differenziert somit das »Unten« der Bauwerke vom »Oben«.

16 Neue Süderelbbrücke als Visualisierung © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

17 Süderelbbrücke aus Nutzerperspektive © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH 18 Querschnitt der Süderelbbrücke © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

6.4 Süderelbbrücke

Die A 1 trifft im Südabschnitt nicht nur auf die Süderelbe mit ihrer schutzwürdigen Flusslandschaft, sondern das Überfahren der Brücke markiert auch die nahe Landes- und Stadtgrenze zwischen Hamburg und Niedersachsen. Der Entwurf sieht zum einen vor, für den Fahrer diese bedeutsame Querung erlebbar zu machen, zum anderen wird in den Naturraum ein dem Momentenverlauf folgendes, sinnhaftes Ingenieurbauwerk, inspiriert von den Bogenbrücken der Speicherstadt, eingebracht. Die Hauptträger gehen durchlaufend fugenlos mit einem Gegenschwung in die Bögen über. Die Bauhöhe der Längsträger im Bereich der Bögen ist kleiner als außerhalb und stärkt so den »Fenstercharakter« der Bogenöffnung. Die Bogenkonstruktion erlaubt eine Spannweite von 134 m oberhalb der schiffbaren Süderelbe und eine signifikante Erhöhung des Lichtraumprofils im Vergleich zum Bestand. Auch durch die Verschiebung der Pfeilerstandorte gegenüber dem Bestand ergibt sich ein größerer Raum entlang der Flussachse. Nahtlos geht das Bauwerk in den bewusst schlicht gehaltenen Vorland- und nicht schiffbaren Flussbereich mit konstanter Bauhöhe über. Die Hauptträger- und Bogenprofile sind im sichtbaren Bereich gefast, um einerseits die Ansichtsfläche scheinbar zu reduzieren und andererseits die Linienführung zu betonen.

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Auf der östlichen Seite des Bauwerks befindet sich ein Fußgänger- und Fahrradweg, angebracht mit nur wenigen Querschwertern alle ca. 12 m und einem lichten Abstand von 1,50 m zum Längsträger. Dem Nutzer soll durch diese Maßnahme neben dem Graffitischutz und durch die leicht unterhalb des Notgehweges der A 1 verlaufende Gradiente auf östlicher Seite ein Abstand und Sicherheitsgefühl gegenüber dem Autobahnverkehr geboten werden. An der Süderelbbrücke sind Geländer mit vorgespannten Edelstahlnetzen geplant, da sich Füllstabgeländer auf solchen längeren Strecken für den Nutzer perspektivisch zu einer Wand verdichten. Eine helle metallische Beschichtung des Bauwerks spiegelt durch die gebrochenen Ansichtsflächen facettenartig die Farben des umgebenden Naturraums und des Wassers wider – im obenliegenden Tragwerk die Farbe des Himmels. Die Widerlager entsprechen dem bereits erwähnten Prinzip.

6.5 Unterführungen

Die Durchquerung eines Unterführungsbauwerks hinterlässt eine andere Wahrnehmung als die Nutzung der Bundesautobahn nur wenige Meter höher. Sie werden aus der Fußgänger- und Fahrradfahrerperspektive mit entsprechend langsamer Geschwindigkeit passiert. Der Übergang von der Widerlager- zur Flügelwand von Unterführungen wird auch hier als Rundung ausgebildet. Ähnliche Radien an unterschiedlichen Bauwerken können angeglichen werden, damit so wenig wie möglich unterschiedliche Klinker-Formsteine benötigt werden. Die Kappe wird ohne zusätzliche Kantung in der Ansichtsfläche mit einem durchgehenden Winkel von 3–7° aus der Vertikalen ausgeführt. Bevor Kappe und Böschung aneinanderstoßen, trifft ein Kappenschlussstein in 90° auf die Böschungspflasterung aus Bruchstein.

6.6 Lärmschutz

6.6.1 Lärmschutzwände Es sind Lärmschutzmaßnahmen mit einer Länge von insgesamt ca. 7 km vorgesehen. Natürliche Gestaltungselemente und Materialien wie Pflanzen, Erdmaterial, Holz und Glas sollen bevorzugt und standortgemäß eingesetzt werden. Bei fahrbahnnahen Wänden wird im unteren Bereich durchgefärbter Porenbeton verwendet. Ein Schwerpunkt liegt auf der anliegerseitigen Gestaltung. Die Anwohner erleben die Lärmschutzeinrichtung als festen Bestandteil ihres unmittelbaren Umfeldes. Für sie stellt die Anlage positiven Lärmschutz und negative Sichtbehinderung dar. Glatte Wandflächen sind zudem Vandalismus und Graffitikunst ausgesetzt. Dort wo die Platzverhältnisse es zulassen, bieten Grün- und Steilwälle einen Vorteil in puncto Vandalismus. Außerdem erzeugt ein Wall mit Steigungsverhältnissen von 1 : 1,50–1 : 2 insgesamt weniger Eigenverschattung und fügt sich organischer in die Landschaft ein. Anliegerseitige opake Wandflächen erhalten eine vorgesetzte, vertikale Lärchenholzlattung. Die Latten werden mit einer Unterkonstruktion zueinander und zur Wand auf Abstand gehalten, so dass es keine planare Angriffsfläche für Graffitis gibt.

19 Exemplarischer Schnitt einer Unterführung © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

Der zweite gestalterische Schwerpunkt ist der sequentielle Blick der vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer. In erster Linie wird die fahrbahnseitige Grobgestaltung der Lärmschutzmaßnahmen wahrgenommen. Um die Konzentration des Autofahrers nicht zu stören, gilt es hier die Waage zwischen überinstrumentalisierter Gestaltung und einschläfernder Monotonie zu finden. Als Teil der autobahnbegleitenden Linie laufen die Lärmschutzwände mit geschwungener Oberkante im Verhältnis von 1 : 8 aus. Bei den bis 8 m hohen Wänden erfolgt auf den oberen 2 m ein Materialwechsel: Bei Abfahrten sowie den beiden Autobahndreiecken und nahegelegenen Siedlungen kommt transparenter Lärmschutz und an den übrigen Wänden Holzlärmschutz zum Einsatz, an Unterführungen weitet sich der transparente Anteil auf. Ergänzt werden die Lärmschutzwände durch dunkelgrau durchgefärbte Betonsockel, Kopfbleche und Abschlüsse.

20 Ansicht einer Lärmschutzwand © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

6.6.2 Lärmschutzgalerie Die Lärmschutzgalerie im Mittelabschnitt, in Fahrtrichtung Bremen, wird gestalterisch als Teil des neu entstehenden Dreiecks konzipiert und ist mit ca. 950 m das längste Bauwerk der gesamten Maßnahme. Ziel der Gestaltung ist es, mit der dynamischen Linie hier eine optische Leichtigkeit und Durchlässigkeit zu vermitteln. Die geschwungenen Portale teilen, ähnlich wie bei der Süderelbbrücke, die Ostansicht in eine obere und eine untere, fensterhafte Rahmung. Dank des optimierten statischen Systems mit gelenkiger Lagerung der Decke und den neuen Stützenabmessungen und -abständen ergibt sich ein fast quadratisches Lichtmaß der Öffnungen. Sockel und Fries fassen die helleren Stützen und zeigen sich in der Ansicht mit ähnlichen Breiten. Die Westseite des Bauwerks wird teilweise angeschüttet, teilweise begrünt und teilweise mit vertikaler Lärchenholzlattung verkleidet.

7 Fazit

Mit dem nahezu fertiggestellten Gestaltungskatalog »Achtstreifiger Ausbau der Bundesautobahn A1 zwischen dem Autobahndreieck ›Hamburg Südost‹ und der Anschlussstelle ›Hamburg Harburg‹« ist eindrucksvoll dokumentiert, wie die ganzheitliche Gestaltung einer grundhaft zu erneuernden und auszubauenden Autobahnstrecke gelingen kann – anstatt der Summierung zahlreicher Einzelmaßnahmen von unterschiedlicher Qualität und Erscheinung. Es ist das Ergebnis eines teils auch anstrengenden und iterativen Prozesses, der das verständnisvolle Zusammenwirken von Architekt, Bauherrn und Ingenieurbüros erfordert. Das Ergebnis spricht für sich. Die detailgenaue Ausarbeitung der unterschiedlichen Bauwerkstypen wird in den nächsten Phasen vertieft.

Autoren: Dipl.-Ing. Gregor Gebert DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin Dipl.-Ing. Helge Lezius gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, Hamburg 21 Perspektivische Darstellung der Lärmschutzgalerie © DEGES GmbH/gmp Generalplanungsgesellschaft mbH

Bauherr Autobahn GmbH des Bundes, Berlin

Projektdurchführung DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Planung Norderelbbrücke Planungsgemeinschaft: Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Hamburg gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, Hamburg

Planung Nordabschnitt Bung GmbH, Heidelberg Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hamburg Böger + Jäckle Gesellschaft Beratender Ingenieure mbH & Co. KG, Henstedt-Ulzburg Planung Südabschnitt Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg Inver Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen GmbH, Erfurt IBV Bockhold und Vossen Beratende Ingenieure PartGmbB, Marl

Planung Mittelabschnitt Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg Inver Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen GmbH, Erfurt Rambøll Group, Hamburg

Baugestalterische Beratung gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, Hamburg

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