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Kunst im Brückenbau oder Brückenbau in der Kunst

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Impressum

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Das Riff, PD#18245 in der niederländischen Provinz Flevoland Kunst im Brückenbau oder Brückenbau in der Kunst

von Andreas Galmarini, Bob Gramsma

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Das Riff, PD#18245 ist ein Landschaftskunstwerk, das von der niederländischen Provinz Flevoland anlässlich des 100. Jahrestags des Gesetzes über die Abtrennung der Zuidersee beim Künstler Bob Gramsma bestellt wurde. Als Bestandteil der international beachteten Landart Flevoland Collection steht das 37 m lange und 7 m hohe Kunstwerk aus Beton auf Pfählen auf dem Marschland Flevolands. Seine Form entwickelte sich als Grabung in einer künstlichen temporären Schüttung aus lokalem Boden. Für die Realisierung wurden in einer inspirierenden Zusammenarbeit von Künstler, Ingenieuren und Unternehmern verschiedene bauliche Lösungen aus dem Brücken- und dem Hochbau in einen neuen Kontext gestellt und an die spezifischen Bedürfnisse der Kunst angepasst.

1 Einleitung

Am 14. Juni 1918 wurde in den Niederlanden das Gesetz über die Abtrennung der Zuidersee (Zuiderzeewet) verabschiedet. Damit war der Grundstein gelegt, die ambitionierten Pläne des niederländischen Wasserbauingenieurs Cornelis Lely umzusetzen und dem Meer eine zusätzliche Provinz abzugewinnen. Die Trockenlegung des mehrere Meter unter dem Meeresspiegel liegenden Bodens in sogenannten Poldern dauerte einige Jahrzehnte. So entstand mit Flevoland die zwölfte und jüngste Provinz der Niederlande, welche nicht nur durch die Namensgebung der Hauptstadt Lelystad nach einem Wasserbauingenieur tief mit der Ingenieurskunst verbunden ist. Noch während des Baus entwickelte sich die Idee, anstelle eines Kunstmuseums den Umgang mit der Natur bzw. die menschlichen Eingriffe in die Landschaft zu thematisieren und eine Sammlung von Landschaftskunstwerken zu schaffen. Damit wurde an die in den 1960er Jahren in Amerika entstandene Bewegung in der bildenden Kunst, die Land Art, angeknüpft und über die Jahre neun monumentale Werke teils weltberühmter Künstler wie Robert Morris, Richard Serra, aber auch vom bekannten Architekten Daniel Liebeskind realisiert, welche heute als Land Art Flevoland Besucher aus aller Welt anziehen. Alle Werke nehmen dabei Bezug auf oder thematisieren das dem Meer abgewonnene Bauwerk Flevoland. Zur Feier des 100. Jahrestags des Zuiderzeewets wurde ein internationaler Kunstwettbewerb ausgeschrieben, den der Schweizer Künstler Bob Gramsma 2018 mit seinem monumentalen Vorschlag »Riff, PD#18245« (Bild 1) für sich entscheiden konnte. Gramsma sah vor, einen Hügel aus Acker- und Zuiderzeeboden zu errichten und in diesen einen großen Hohlraum zu graben, selbigen mit Beton auszukleiden, ihn nach oben mit einer flachen, glatten Deckenplatte abzuschließen und danach das Erdreich wieder abzutragen, um einen mit Zuiderzee-Bodenresten vermischten Betonguss zu hinterlassen. Riff, PD#18245 ist sowohl ein skulpturales Objekt als auch eine Restform. Das Werk ist ein Abdruck von Gramsmas Grabungen im Boden von Flevoland und spiegelt die Urbarmachung und die Künstlichkeit des Polders wider. Wie ein gigantischer aufgeworfener Lehmbrocken steht es in Dronten auf dem landwirtschaftlich genutzten Marschland nahe einem Deich. Der Besucher kann eine Treppe hinaufgehen und auf einer Plattform von oben einen Blick auf das alte Land bei Elburg und die neue, künstliche Landschaft des Polders mit ihren Deichen, Straßen und Gräben werfen. Die Skulptur stellt aber auch eine visuelle Verbindung zwischen dem Veluwemeer und dem Flevopolder dar. »Ich versuche, das Unfassbare erfahrbar zu machen. Durch die elementare Freilegung der Erde, durch das fehlende Material und die Vergangenheit, die sie verkörpert, werden wir daran erinnert, dass die Erde und ihre Geschichte – ebenso wie die kosmischen Kräfte oder Energien, die sie formen – jenseits der menschlichen Verständlichkeit liegen. Aber wir können versuchen, ihre unergründliche Präsenz in der historischen Zeit zu verstehen oder zu würdigen, wenn wir uns Zugang zu diesem exhumierten Überbleibsel verschaffen«, meint Gramsma zu seinem Werk.

1 Riff, PD#18245, Wettbewerbseingabe von Bob Gramsma © Bob Gramsma

In der Bauterminologie wirkte Gramsma für die Erstellung des Kunstwerks als Totalunternehmer, der sowohl die Planung als auch die Ausführung übernahm. Für die Entwicklung seiner Riff-Idee in ein konkretes Projekt und dessen Umsetzung in ein Bauwerk arbeitete Gramsma eng mit den Ingenieuren von WaltGalmarini zusammen. Während der Künstler es gewohnt ist, alles von der Idee bis zum fertigen Werk als kreativen Schaffensprozess zu verstehen, bei dem das Objekt ständig angepasst, moduliert und handwerklich-künstlerisch bearbeitet wird, sind Ingenieure es gewohnt, die Ideen in Konzepte zu überführen und die Konzepte in Plänen zu konsolidieren, worauf die Realisierung dann gerne mit möglichst wenig Abweichungen den Plänen zu folgen hat. Zudem sollten die Geometrie und Materialisierung der tragenden Elemente sowie der Kraftfluss gerne so weit definiert sein, dass ein Tragwerk mittels Nachweisen auf Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit verifiziert werden kann. Aufgrund der Größe der 37 m langen, bis zu 13 m breiten und 7 m hohen Skulptur, welche zudem noch punktgestützt über dem Marschland schweben sollte, war es nicht möglich oder sinnvoll, diese unterschiedliche Prozessauffassung durch »konservatives Bereitstellen von Tragwiderstand überall und für alles« zu übertünchen. Vielmehr wurde in einem intensiven Prozess gemeinsam identifiziert, welche Aspekte und Bereiche vorrangig »ingenieurmäßig« definiert werden können sowie wo und inwieweit während der Errichtung »künstlerische Freiheit« gelebt werden kann. Nachfolgend werden Aspekte des realisierten Bauwerks beschrieben, ohne auf die vielen während dieses Prozesses verworfenen Konzepte und Lösungen einzugehen, obwohl auch diese einen wesentlichen Einfluss auf das gebaute Werk haben.

2 Tragwerkskonzept und Konstruktion

Zu Beginn der ingenieurmäßigen Bearbeitung stellte sich erst einmal die Frage, wie das Kunstwerk dimensioniert werden soll: Für Brücken wie für Gebäude existieren Normen, welche Einwirkungen und deren Kombinationen sowie Tragsicherheits- und Gebrauchstauglichkeitsanforderungen weitgehend definieren, und oft finden sich Behörden, die recht genaue Vorstellungen davon haben, welche Prozesse und Dokumentationsschritte zu durchlaufen und welche Vorgaben zu erfüllen sind, damit eine Brücke oder ein Gebäude gebaut werden darf – aber für ein Kunstwerk auf dem freien Feld? So wurde vieles nach »engineering judgement« festgelegt. Das Kunstwerk wurde zum Beispiel für Windlasten wie bei einem Gebäude und für eine einem Balkon entsprechende Flächenlast auf der Deckenplatte ausgelegt und die Deckenplatte mit einem großzügigen Gefälle geplant, so dass Regenwasser nicht liegen bleibt. Es wurden aber keine expliziten Verformungskriterien aufgestellt und die Betonüberdeckung wurde nach den Normwerten für bewitterte, aber ungesalzene Außenflächen gewählt. Ausgehend von der künstlerischen Idee, einer groben Form des Riffs mit einer mergelstein- oder brekzienartigen Oberfläche auf Pfählen, wurde für das Tragwerk die Idee vom Schiff, das zur Brücke wird, entwickelt. Im Bauzustand »schwimmt« das Riff im tonigen Boden, im Endzustand spannt sich das Riff brückenartig von Pfahlgruppe zu Pfahlgruppe.

2 Riff, PD#18245, Übersichtsplan: Prinzip und Struktur © WaltGalmarini AG

3 Riff, PD#18245, Schema der Querschnitte © WaltGalmarini AG

Das Tragwerkskonzept baut dementsprechend auf einer durch Spanten und Kiel ausgesteiften Außenhaut, auf aufgelösten Längs- und Querschotten und Pfählen mit entsprechenden Pfahlkopfplatten auf. Da die künstlerische Idee von Anfang an eine Stoßrichtung und nicht das fertige Kunstwerk darstellte, musste in einem intensiven Prozess früh geklärt werden, welche Bauelemente bzw. Geometrien wann und wie zu definieren waren. Die Hauptachsen mit den vertikalen und horizontalen Positionen der Zentren der Pfahlgruppen wurden so sehr früh im Planungsprozess festgelegt, während die Außenhaut erst auf der Baustelle während der Herstellung ihre finale Form erhielt. Bei allen grundsätzlichen Freiheiten musste jedoch auch diese Form überall dort planmäßigen geometrischen Anforderungen genügen, wo Übergänge zu in den vorhergegangenen Phasen realisierten Bauteilen vorhanden waren. Eine große Hilfe bei der Entwicklung zusammen mit dem Künstler, aber auch für die Verständigung auf der Baustelle waren die vom 90-jährigen Walter Bolliger handgezeichneten Pläne, welche ohne viel Text Klarheit schafften, siehe Bild 2 und Bild 3. Die Umsetzung des Tragwerkkonzepts wurde nebst dem Bestreben, die künstlerische Freiheit so lange und so weit wie möglich zu bewahren, maßgeblich durch die Zwänge eines vorgegebenen, knappen Budgets und der bauhandwerklichen Fähigkeiten und Präferenzen der örtlichen Unternehmer beeinflusst. So war zum Beispiel bald klar, dass vorfabrizierte und im Spannbett vorgespannte Betonpfähle mit quadratischem Querschnitt zum Einsatz kommen würden, weil diese zu tausenden Verwendung finden und dadurch sehr günstig und flexibel erhältlich sind. Eine der wenigen Vorgaben, welche seitens der Behörde gemacht wurde, war, dass Pfahlarbeiten wegen der Brutzeiten verschiedener Vogelarten nur in bestimmten Zeitfenstern erfolgen durften und bis Ende August abgeschlossen sein mussten. Da das Kunstwerk im Zusammenhang mit den »100-Jahre-Feierlichkeiten« eingeweiht werden sollte, mussten die Pfähle 2018 gerammt werden. Dies führte zu einer rollenden Planung, bei der die Pfähle zu definieren und zu erstellen waren – weit vor der Fertigprojektierung des Gesamtwerks (Bild 4). Durch die erzwungene vorgezogene Herstellung der Pfähle ergaben sich auch neue, einschneidende Randbedingungen für den Bauablauf: Trotz einer künstlerischen Arbeitsweise, bei welcher von oben nach unten gegraben wird, mussten nun die Pfahlgruppen recht genau getroffen werden. Da die eingesetzten Pfähle zudem durch die Bagger beim Graben leicht hätten beschädigt werden können, wurde entschieden, die Pfahlköpfe in klassische Pfahlkopfplatten einzubinden und diese ebenfalls vorgezogen auszuführen. Die drei Pfahlkopfplatten stellen den Kraftfluss von der Skulptur in die 18 Pfähle sicher. Sämtliche Pfähle sind geneigt, um als Pfahlgruppe auch Horizontallasten als Pfahlnormalkräfte abtragen zu können.

4 PRiff, PD#18245, Rammpfähle als eigenständige Installation im Marschland © Bob Gramsma

Auf den Pfahlkopfplatten bilden aufgelöste Querschotten sowie ein geknicktes Längsfachwerk, welches zwischen den Pfahlkopfplatten spannt bzw. darüber hinausragt, zusammen mit dem Treppenhaus das Rückgrat des Tragwerks. Das Vorziehen der Pfahlkopfplatten ermöglichte, diese Elemente schon früh zu realisieren und damit die übergeordnete Geometrie mit den wichtigsten Fixpunkten vor Ort eindeutig zu definieren, was entsprechende Fehlerquellen auszuschließen half (Bild 5). Auch während der formbildenden künstlerischen Grabungsarbeiten dienten diese Elemente als Orientierungshilfe, um am richtigen Ort zu landen. Entlang der Enden der Querschotten unter der Deckenebene sichert ein Randbalken die Spritzbetonschale im Bau gegen ein Abrutschen und dient im Endzustand der einachsig tragenden Decke als Auflager. Die Querschotten bestehen aus verschweißten RRW-Profilen und wurden mittels einbetonierter Gewindestangen auf die Pfahlkopfplatten gespannt. Die beiden kleineren konnten vollständig im Werk vorgefertigt werden, die größeren beiden sind durch geschraubte Montagestöße in transporttaugliche Teile gegliedert worden. Aufgeschweißte IPE-Profile stellen als Schubnocken die Krafteinleitung aus dem Randbalken sicher, gegen die Decke ermöglichen Kopfbolzendübel eine Verbundwirkung. Das Längsfachwerk wird durch unter der Deckenebene angeordnete HEB-Träger, vertikale HEB-Pfosten, Zugstreben aus Spannstangen mit zentralen Spannschlössern und den als Balken ausgebildeten, vor Ort betonierten untersten Teil der Außenform gebildet. Die HEB-Träger sind mit Kopfbolzendübeln ausgestattet und wirken im Bauzustand als Auflager für die vorfabrizierten Deckenträger sowie im Endzustand im Verbund zur Längsverteilung der Lasten und als Obergurt des Fachwerks. Da der den Untergurt bildende Betonbalken stark gekrümmt ist, war vorauszusehen, dass er je nach Steifigkeitsverhältnissen und definitiver künstlerischer Formgebung auch mehr oder weniger als Bogen tragen würde.

5 Riff, PD#18245, Stahlfachwerke und Treppenwände während der Schüttarbeiten © Bob Gramsma

6 Riff, PD#18245, Auszug aus dem Werkstattplan: Isometrie der Stahlkonstruktion © Ackermann Konstruktiebedrijf Im Sinne der Robustheit wurden die Elemente so dimensioniert, dass sich beide Tragweisen einstellen können. Das Treppenhaus besteht aus einer am unteren Ende auskragenden und am oberen Ende in ein Podest übergehenden Treppe, welche zwischen zwei Längswänden eingelassen ist. Das Podest stützt sich auf einem Querschott ab, unter der Treppe sichert eine Tür den Zugang zum Innern für Inspektion und Unterhalt.

Nach anfänglicher Absicht des Unternehmers, das Treppenhaus in Elementen im Werk vorzufabrizieren und vor Ort zusammenzusetzen, wurde es zu einer schlaff bewehrten Ortbetonkonstruktion umgeplant, bei der zuerst die Längswände, an welche die Außenform und die Deckenplatte anschließen, hergestellt werden und erst ganz zum Ende, nach der Freilegung der Skulptur, die Treppe betoniert wird. Ein Querträger unterhalb der Treppe erlaubt Kräfte in der Ebene der Außenform durchzuleiten. Die Deckenplatte stellt die Formstabilität im oberen Bereich mittels Scheibenwirkung sicher. Der Randbalken (Bild 7) hat einen planerisch-statischen Querschnitt von b × h = 30 cm × 75 cm, welcher konventionell bewehrt ist. Effektiv hat er gegen die gegrabene Skulpturaußenseite ein Übermaß, um sich der künstlerischen Form anzupassen, wobei die äußere Oberfläche zusätzlich mit einem Netz analog der Außenform bewehrt ist. Die Außenform wurde als in zwei Phasen gespritzte und mit einem 75-mm-Netz (d = 5 mm) bewehrte Konstruktion geplant und als zweilagig stabbewehrte Spritzbetonkonstruktion mit einer Dicke von 15–25 cm ausgeführt. Alle ca. 3 m ist die Spritzbetonform mit Rippen ausgesteift. Die konventionell bewehrten und mitgespritzten Rippen schließen oben an den Randbalken und unten an das Längsfachwerk an. Die 24 cm dicke Deckenplatte besteht aus Leichtbeton-Hohlsteinelementen, welche zwischen spannbettvorgespannte Rippenelemente gelegt und mit einer zweilagig bewehrten, 8 cm dicken Ortbetonschicht übergossen wurden. Die Rippenelemente sind zwischen 2 m und etwas über 5 m lang und spannen parallel zu den Querschotten vom zentralen

7 Riff, PD#18245, Randbalken während der Grabungsarbeiten © Bob Gramsma

HEB-Träger bis zum Randbalken in einem Achsabstand von 63,50 cm. Entlang der Obergurte der Querschotten dienen zwei parallele Rippenelemente als seitliche Begrenzung für den verbundbildenden, bewehrten Bereich, der zusammen mit dem Überbeton gegossen wurde (Bild 8). Die Planung des Bauablaufs mit vielen Schnittstellen von noch zu realisierenden zu bereits realisierten Elementen und mit dem »Richtungswechsel« des Bauens von unten nach oben zu von oben nach unten sowie der planerischen Berücksichtigung der künstlerischen Freiheit erforderte einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand in der Koordination, der Statik und der Konstruktion. Als zentral erwies es sich, jede Person, die neu ins Projekt eintrat, und zwar unabhängig von ihrer Funktion, sehr gründlich einzuführen, sie mit den Eigenheiten und Zielen des Projekts vertraut zu machen und anschließend eng zu begleiten, weil sonst sehr schnell aus Gewohnheit Arbeit in Lösungen gesteckt wurde, welche gar nicht eingesetzt werden konnten.

8 Riff, PD#18245, Hohlsteindecke: Verlegen der Elemente © Bob Gramsma

9 Riff, PD#18245, Spritzbetonarbeiten an der mittleren Pfahlkopfplatte © Bob Gramsma

3 Bauausführung

Nach dem Rammen der Pfähle wurde so weit geschüttet, dass die Form der Pfahlkopfplatten ausgegraben werden konnte. Auf die Pfahlkopfplatten wurden die Stahlbauteile gestellt, die dann ausgerichtet und verspannt wurden. Anschließend konnten parallel die Treppenhauswände erstellt und der temporäre Hügel geschüttet werden. Nach dem Ausschalen wurden die Wände horizontal gesprießt, um dem Erddruck der Schüttung standzuhalten. Eine intensive Regenperiode führte, auch wegen nicht optimaler Berücksichtigung des Ober-flächenwasserablaufs bei der Schütt-geometrie, zu einer Durchnässung und einer Verzögerung der Arbeiten. Zudem erwies sich die Gewohnheit des Unternehmers, großzügigen Arbeits- und Manövrierraum zu schaffen, für dieses Projekt als doppelt ungünstig: Erstens musste mehr Boden vom Bauern angemietet werden und zweitens erfordert mehr Schütten auch mehr Zeit. Aufgrund des hohen Grundwasserspiegels konnte nur die oberste Bodenschicht verwendet werden und jede weitere benötigte Menge führte zu einer größeren Entnahmefläche und zusätzlichen Wegen. Insgesamt wurden ca. 15.000 m3 Boden für die temporäre Schüttung verwendet. Oben angekommen, wurde die Grobform ausgesteckt und unter Anleitung Bob Gramsmas deren Außenseite auf Höhe des Randbalkens abgegraben. Nach dem Bewehren wurde die Innenseite zugeschalt und der Balken gegossen. In Etappen wurde danach die Außenform weiter abgegraben, bewehrt und gespritzt. Nach einer Einübungsphase erwies sich dieser Prozess inklusive des Mitspritzens der Rippen als sehr effizient. Das trockene Wetter und die hohe kurzzeitige Standfestigkeit der Schüttung, welche fast vertikale Abgrabungen ermöglichte, erlaubten einen schnellen Baufortschritt. Unten angekommen mit der Außenform, wurde wieder nach oben gewechselt und die Deckenplatte erstellt. Dass für diese Deckenart keine auf den Boden abgesprießte Schalung erforderlich ist, war angesichts der unebenen und stark variierenden Außenform ein großer Vorteil. Die Oberfläche des Überbetons wurde abgeflügelt, nicht aber zusätzlich abgedichtet. Ähnlich einem Geschenk konnte das Kunstwerk anschließend ausgepackt werden: Der geschüttete Boden wurde wieder abgetragen, an seinen Platz zurückgebracht und erneut seiner ursprünglichen landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt.

10 Riff, PD#18245, »Auspacken« durch Abtrag © Bob Gramsma

11 Riff, PD#18245, Treppenhaus vor dem Einbau der Treppe © Bob Gramsma

12 Riff, PD#18245, verwischte Grenzen: Integration des fertiggestellten Kunstwerks in die Landschaft © Andreas Galmrini

Die gegen das Erdreich betonierte Oberfläche wurde mit Wasser gereinigt, die Treppe erstellt und der Zugang ins Innere unter der Treppe mit einer Tür gesichert, bevor das Kunstwerk der Gemeinde übergeben werden konnte.

4 Zusammenfassung und Rückblick

»Riff, PD#18245 besitzt einen im Grundriss gekrümmten, 37 m langen, mehrzelligen geschlossenen Kastenträger mit aufgelösten Verbundfachwerksschotten und einem variablen Querschnitt, der als Durchlaufträger das Marschland überspannt. Die Breite der leichten, quertragenden Deckplatte variiert und beträgt bis 13 m. Der Träger ist über Pfahlkopfplatten direkt auf Rammpfahlgruppen gelagert, wobei die nördliche Gruppe den Fixpunkt bildet. An diesem Ende ermöglicht eine in den Träger eingelassene Treppe den Besuchern, das Riff zu besteigen und die Umgebung aus 7 m Höhe zu erleben.« Dies beschreibt aus der Sicht eines Ingenieurs das gleiche Bauwerk wie in den Worten eines Künstlers: »Wie eine archäologische Entdeckung ragt Riff, PD#18245 aus der künstlichen Topographie des Ijsselmeerpolders und des Zuiderzee-Bettes heraus. Es knüpft an den Geist der Land Art an und etabliert eine neue Wahrnehmung. Das mächtige Volumen erinnert an die Charakteristika des Polders, gleichzeitig ragt die Skulptur aus der Landschaft und wirkt in dieser Umgebung fremd. Riff, PD#18245 wurde zu einem Raum, in dem das Publikum sein Verständnis des Ortes, seiner Geschichte und Geschichten und seiner Gegenwart projizieren und reflektieren kann. Das Werk visualisiert sowohl Abwesenheit als auch Anwesenheit. Durch den Gestus des Grabens und der Materialisierung der geformten Leere wird der Entstehungsprozess als Spur erfahrbar und Verborgenes sichtbar gemacht. Riff, PD#18245 manifestiert sich als skulpturale Setzung, die Raum eröffnet, um die Beziehung zwischen Material und Erinnerung neu zu denken. Entstanden im Kontext seiner Umgebung und Produktion, aktiviert Riff, PD#18245 Öffnungen zwischen Erinnerung und Projektion, indem es die Vergangenheit ehrt und der Gegenwart dient.« So unterschiedlich diese Beschreibungen sind, so unterschiedlich ist der Zugang bei der Erschaffung des Kunst-Bau-Werks. Es bedingt einen Willen aller, sich auf die andern einzulassen und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dies ergibt sicherlich überall am Bau die besten Resultate und ist im Grunde nichts Neues, aber die Ausgangspositionen liegen weiter auseinander und es fehlt eine etablierte gemeinsame (Fach-)Sprache. Die noch größere Herausforderung war jedoch das Nebeneinander von »plangemäß definiert« und »künstlerisch vor Ort zu bestimmen«.

13 Riff, PD#18245, fertiggestelltes Werk aus nördlicher Blickrichtung © Andreas Galmarini

»Wie sollen wir das bauen, wenn auf dem Plan nichts definiert ist?« und »Das darf man nicht bauen, auf dem Plan ist es anders definiert!«, waren tägliche Themen auf der Baustelle zwischen dem Künstler und den Bauarbeitern und zwischen Künstler wie Ingenieur und den Behörden während des Bewilligungsprozesses. Für Riff, PD#18245 hat sich glücklicherweise schnell eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Hauptpersonen etabliert, dank derer das Landschaftskunstwerk innerhalb des Budgets erstellt und am 12. Oktober 2019 feierlich eingeweiht werden konnte, um dann sowohl in der Kunstwelt als auch in der breiten Bevölkerung rege diskutiert zu werden. Den Beteiligten selbst bleibt das Projekt als eine intensive Zeit in Erinnerung, die sowohl fachlich bereichernd als auch horizonterweiternd war und in der nicht nur physisch, sondern auch im übertragenen Sinn Brücken geschlagen wurden.

Autoren: Dr. Andreas Galmarini WaltGalmarini AG, Zürich, Schweiz Bob Gramsma Zürich, Schweiz

Besteller Provinz Flevoland, Niederlande

Künstler Bob Gramsma, Zürich, Schweiz

Tragwerksplanung WaltGalmarini AG, Zürich, Schweiz Kinkel + Partner Gesellschaft Beratender Ingenieure GmbH, Dreieich

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