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Talbrücke Langer Grund im Zuge der A 44

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Konvention trifft Innovation Talbrücke Langer Grund im Zuge der A 44

von Stefan Franz

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Am Beispiel einer üblichen Talbrücke, wie sie aktuell im Zuge des Neubaus der A 44 errichtet wird, zeigt dieser Beitrag das Potential einer innovativen Vorschubrüstung auf. Mittels einer Unterspannung kann nicht nur das Gesamtgewicht der Gerüstkonstruktion signifikant reduziert werden, sondern lässt sich während des Betoniervorgangs auch die Traggerüstdurchbiegung über hydraulische Pressen nachsteuern. Der Erfolg zeigt sich in der zielgerichteten Herstellung der Sollgradiente: Weder Fräs- oder Spachtelarbeiten noch eine Ausgleichsgradiente waren erforderlich.

1 Einführung

Verkehrsanlagen werden für eine sehr lange Nutzungsdauer hergestellt. Aufgrund der weitgehenden Unveränderlichkeit werden an Brückenbauwerke besonders hohe Anforderungen gestellt. Die Schnittstelle der Nutzer zum Bauwerk ist die Fahrbahn. Der Bauherr formuliert seine hohen Anforderungen an die Herstellgenauigkeit der Fahrbahn von Brückenbauwerken in der ZTV-ING Teil 1, Abschnitt 4. Ein wesentlicher Hintergrund der hohen Anforderungen ist der Wunsch nach einer ähnlich glatten und damit fahrdynamisch unbedenklichen Fahrbahnoberfläche wie in den angrenzenden Streckenbereichen. Gelingt dies nicht, hält der Unmut genauso lange an wie die Nutzung. Jede Strategie, mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu der bestellten Fahrbahnoberfläche zu kommen, liegt daher im Interesse des Bauherrn und des Betreibers.

2 Das konventionelle

Bauwerk und sein Umfeld 2.1 Allgemeines

Die Talbrücke Langer Grund wird im Zuge des Neubaus der A 44 zwischen Kassel und Herleshausen errichtet. Von den ca. 65 km des vierstreifigen Autobahnneubaus ist DEGES seit dem Vorliegen bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse für die östlichen ca. 30 km verantwortlich. In diesem Abschnitt, der in fünf Verkehrseinheiten gegliedert ist, werden sieben Tunnel und acht Talbrücken sowie insgesamt etwa 150 weitere kleinere Ingenieurbauwerke errichtet. Die Talbrücke Langer Grund befindet sich in der östlichsten Verkehrseinheit C241 in der Nähe von Unhausen nahe der heutigen B 400 (Nr. 15 in Bild 1). Die A 44 stellt einen Lückenschluss auf der West-Ost-Achse über die Städte Rotterdam, Dortmund, Kassel, Erfurt, Chemnitz, Dresden, Prag, Budapest und Bukarest zum Schwarzen Meer dar. Weite Streckenabschnitte gehören damit zu europäischen Korridoren (TEN). Der Neubau der A 44 ist ferner Bestandteil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 15. Die Lage im Mittelgebirgsraum des WerraMeißner-Kreises stellte hohe Anforderungen an eine verträgliche Trassenwahl, zumal sich durch die 40 Jahre währende Teilung Deutschlands in diesem sogenannten Zonenrandgebiet ein Refugium für schützenswerte und bedrohte Arten entwickeln konnte. In der Folge windet sich die Trasse um ökologisch wertvolle und schützenswerte Zonen oder unterquert sie in Form von Tunneln. Die bewegte Topologie erfordert wegen dieser Zwangsbedingungen zahlreiche Ingenieurbauwerke. Dies schlägt sich in einer ungewöhnlichen Kostenstruktur nieder: ca. 3/4 der Herstellungskosten entfallen auf Ingenieurbauwerke (zum Vergleich: beim Neubau der A 20 war es etwa 1/5). Aktuell werden die Herstellungskosten der 29,40 km der A 44 zwischen Waldkappel und dem Wommener Dreieck bei Herleshausen mit 1,43 Mrd. € veranschlagt.

1 Übersichtskarte zur A 44 © DEGES GmbH

2 3 Grundriss und Ansicht © DEGES GmbH

Die Talbrücke Langer Grund unterführt zwei Wirtschaftswege und einen namenlosen Bachlauf, der wenig später in den Breitzbach mündet, der sich letztlich in die Werra ergießt. Die flache Talregion »Langer Grund« ist namensgebend für die Talbrücke. Die Bauwerksachse liegt langgestreckt im Bereich eines Übergangsbogens (Klothoide) mit A = 1.000, ausgehend von einem Radius R = 2.400 m, ca. 25 m westlich des Bauwerks. Im Aufriss liegt das Bauwerk in einer leichten Wannenlage mit einem Längsgefälle von West nach Ost zwischen 2,50 % und 1,20 %. Die Querneigung der Fahrbahnen beträgt im gesamten Bauwerksbereich 3,50 % in südlicher Richtung.

2.2 Baugrund

Der Baugrund ist im Bauwerksbereich von einem 3–8 m unter Gelände befindlichen Felshorizont des Unteren Buntsandsteins gekennzeichnet. Der Fels ist aufgrund einer globalen Grabenstörung tektonisch vorbeansprucht (Schichtflächenneigungen zwischen 10° und 90°) und stark geklüftet. Die darüberliegenden Zersatzzonen, Fließerden mit Lößlehmüberdeckung und Auensedimente stellen keine ausreichend tragfähigen Böden dar. Es kommt daher in allen Achsen eine Tiefgründung zur Ausführung. Da die Trasse den Talgrund spitzwinklig kreuzt, ergeben sich senkrecht zur Bauwerksachse signifikant unterschiedliche Höhenlagen des Felshorizontes, was ebenfalls zur Favorisierung einer generellen Tiefgründung gegenüber vereinzelt immerhin denkbaren Flachgründungen auf Bodenaustausch beigetragen hat, um eine mögliche Verkippung der Pfeiler bzw. Widerlager zu vermeiden (siehe auch Bild 7).

4 Geotechnischer Längsschnitt (überhöht) © DEGES GmbH

5 Längsschnitt mit Gründung © DEGES GmbH

Die Baugruben für die Pfahlkopfplatten an den Pfeilern im Talgrund wurden mit Spundwänden eingefasst und konnten mit offener Wasserhaltung trocken gehalten werden. Aufgrund eines nennenswerten Sulfatgehalts der anstehenden Böden wurde von mäßigem Betonangriff für die Wahl der Expositionsklassen ausgegangen.

2.3 Bauwerkskonstruktion und Gestaltung

Die Brücke besteht aus zwei Teilbauwerken, die in allen Achsen auf Großbohrpfählen (d = 150 cm) gegründet sind. Die Einzelpfeiler mit prismatischer Formgebung tragen einen auf Kalottenlagern abgesetzten zweistegigen Plattenbalken mit einer Regelstützweite von 40 m bei insgesamt sieben Feldern (Endfelder: 30 m). Die Bauwerksgesamtlänge beträgt somit 260 m zwischen den Endauflagern. Der Querschnitt ist in Längsrichtung vorgespannt und in Querrichtung schlaff bewehrt. In den Auflagerachsen wird er mit steghohen Querträgern versteift. Die Fahrbahn liegt bis 20 m über dem Talgrund. Die Fahrbahnbreite ist mit 12 m zwischen den Borden festgelegt, um gegebenenfalls einen 4+0-Verkehr einrichten zu können. Die Fahrbahnplatte besitzt an den Anschnitten eine Dicke von 45 cm bzw. 50 cm, die Konstruktionshöhe der Stege beträgt 1,90 m, deren mittlere Breite 2,40 m. Die Spreizung der Stegachsen misst 6,55 m, so dass alle Pfeiler einer Reihe etwa den gleichen Achsabstand besitzen. Auf dem Bauwerk wird eine Spritzschutzwand mit einer Höhe von 2 m vorgesehen, die im Osten etwa ab Achse 60 in eine 4 m hohe Kollisionsschutzwand zum Schutz der querenden Fledermauspopulationen in den angrenzenden Waldbereichen übergeht, siehe auch Bild 1. Die Wände werden im Bauwerksbereich transluzent aus Acrylglas mit schwarzen Polyamidfäden für den Vogelschutz ausgebildet. Diese undurchsichtige, aber durchscheinende Bauweise hat sich bewährt, da einerseits den naturschutzfachlichen Belangen Rechnung getragen wird und andererseits den ästhetischen einer Bauwerksgestaltung. Die matte Verglasung nimmt jeweils abhängig von der Witterung und den Lichtverhältnissen sowie der Blickrichtung annähernd die Färbung des Hintergrunds an. Sie entzieht sich somit förmlich dem Auge des Betrachters und überlässt dem Brückentragwerk den Vorrang und betont dessen Schlankheit und Eleganz. Die prismatische Form der Pfeiler ist an der Notwendigkeit von Pressenansatzpunkten am Kopf und einer ausreichenden Steifigkeit am Fuß orientiert. Die Pfeiler, die mittels geneigter ebener Schalungsflächen von einem achteckigen Querschnitt am Kopf zu einem fast rautenförmigen am Fuß übergehen, können immer mit dem gleichen Schalungssatz gefertigt werden. Der Höhenzuwachs findet unten durch zusätzliche Schüsse und einen individuellen Anfangsschuss statt. Das ergibt ein ruhiges Gesamtbild mit einem konstruktiv sinnvollen Steifigkeitszuwachs bei den höheren mittleren Pfeilern.

6 Regelquerschnitt © DEGES GmbH

7 Pfeiler in den Achsen 50 und 60 © DEGES GmbH

Die schlichte Formensprache, die im Streiflicht stets dezent schattierte Flächen bewirkt, betont zu jeder Tageszeit und aus jeder Blickrichtung die schlanken Pfeiler. In Längsrichtung sind die Überbauten in den Pfeilerachsen 40 und 50 gefesselt, während sie in Querrichtung in jeder Auflagerachse mit je einem Lager fixiert sind. Aufgrund der Dehnlänge des Überbaus sind mehrschlaufige Fahrbahnübergangskonstruktionen erforderlich. Die Widerlager werden demzufolge begehbar ausgebildet. Das gesamte Brückenbauwerk repräsentiert eine wirtschaftlich solide und hundertfach bewährte Bauweise. Mit der konventionellen Konstruktion entsteht ein robustes und zukunftssicheres Bauwerk. Dennoch wird es in den nächsten Jahren die Notwendigkeit geben, im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch auch diese Strategien zu überdenken.

3 Das innovative Traggerüst 3.1 Besonderheiten

Aufgrund der vergleichsweise geringen Höhe dieser Talbrücke über Grund wurde im Entwurf die Herstellung des Überbaus auf bodengestütztem Traggerüst angenommen. Zum Einsatz gekommen ist jedoch auf Vorschlag des Auftragnehmers eine Vorschubrüstung mit einigen höchst interessanten Besonderheiten, von denen hier drei hervorgehoben werden sollen: – sehr leichte und filigrane Konstruktion mit Unterspannung, – drei Fachwerklängsträger, die einzeln vorgeschoben werden, – steuerbare Unterspannung zur computergestützten Justierung der Durchbiegung während des Betoniervorgangs.

3.2 Eigengewicht und Steifigkeit

Das Gesamtgewicht der Vorschubrüstung einschließlich der Schalung und aller Auflagerkonstruktionen beträgt lediglich 430 t und damit nur ca. 2/3 vergleichbarer konventioneller Vorschubrüstungen. Gleichzeitig ist die Steifigkeit des Gerüstes durch die Unterspannung größer als bei vergleichbaren Alternativen mit der Folge geringerer Durchbiegungen im Betonierzustand. Aufgrund der Unterspannung besitzt die hier vorgestellte Vorschubrüstung allerdings eine größere Bauhöhe, das muss beim Einsatz bei geringer Höhe über Grund bedacht werden.

8 Vorschubrüstung: Mittellängsträger mit Unterspannung © BERD®

Die Unterspannung wird über je zwei Umlenksattel als Versteifung für den Längsträger zwischen den Auflagerpunkten (Abhängung und Pfeiler) nur im Betonierzustand wirksam. Die Sattel und Stiele können für den Verschubvorgang »eingeklappt« werden.

3.3 Umsetzen des Traggerüstes

Das separate Vorschieben der Längsträger bewirkt nur geringe Horizontallasten bei Auffahren auf den nächsten Pfeiler. Dies kann besonders bei großen Pfeilerhöhen im Bauzustand ein relevanter Bemessungsvorteil für die Pfeiler sein. Um die Pfeilerköpfe passieren zu können, werden nach dem Absenken der Schalung zunächst die äußeren Schalungskörper nach außen geschoben. Nacheinander werden dann erst die äußeren Längsträger zum nächsten Betonierabschnitt vorgefahren, anschließend folgt der innere. Der Verschub gliedert sich in drei Phasen: – ca. 10 m auf zwei Lagerpunkten bis zum Auffahren des Frontschlittens am nächsten Pfeiler, – ca. 20 m auf drei Lagerpunkten bis zum

Verlassen des Heckschlittens des vorletzten Pfeilers, – ca. 10 m auf zwei Lagerpunkten zur

Endausrichtung des Längsträgers für den nächsten Betonierabschnitt.

9 Querschnitt der Vorschubrüstung © BERD®

Die Gleitkufen der Längsträger fahren auf die Kippkonsolen (Drehgestelle) an den Pfeilern auf, die in Höhe, Lage und Richtung justiert werden können. Einzig die Reibung aus dem (geringeren) Eigengewicht eines einzelnen Trägers wirkt als Horizontallast auf den Pfeiler. Haben alle drei Längsträger die nächste Betonierposition erreicht, werden die Schalungskörper wieder zusammengeschoben und höhenmäßig ausgerichtet.

10 Vorlaufträger beim Anfahren der nächsten Pfeilerachse © Kropp Bau GmbH

3.4 Steuerung der Vorspannung der Unterspannung

Die Unterspannung besteht aus mehreren Spanngliedbündeln, die nach der Ausrichtung über die Umlenksattel mittels einer hydraulischen Presse vorgespannt werden. Der Stich der Unterspannung ist beim mittleren Längsträger entsprechend der größeren Lastanteile höher. Die Durchbiegung des Gerüstes unter Eigengewicht wird beim Ausrichten der Schalungsträger mithilfe der Unterspannung im Mittel auf null gestellt. Damit ist die Unterspannung vor dem Betonieren ausreichend straff, so dass nichtlineare Formänderungen vernachlässigt werden können. An den Längsträgern der Rüstung sind mehrere Schlauchwagen positioniert. Mit deren Hilfe lässt sich während des Betonierens die tatsächliche Durchbiegung der Längsträger sehr genau (< 1 mm) messen. Die computergesteuerten Spannpressen der drei Unterspannungen können nun während des Betoniervorgangs unabhängig voneinander über eine spezielle Software so nachgesteuert werden, dass die zuvor berechneten Durchbiegungen genau erreicht werden. Damit kann die größte Unwägbarkeit bei der Herstellung der Überbaugeometrie, nämlich die tatsächliche Durchbiegung des Traggerüstes, beinahe vollständig eliminiert werden. Es verbleiben jedoch weiterhin die Unebenheiten beim Abziehen und Glätten der Betonoberfläche und der Einfluss der tatsächlichen Steifigkeitsentwicklung des Betons sowie dessen Kriech- und Schwindverhaltens.

3.5 Verformungsberechnung und Überhöhung

Das Betoneigengewicht des Überbaus muss im Herstellungsprozess zunächst von dem Traggerüst aufgenommen werden, das sich hierbei verformt. Der frei von Biegespannungen erhärtende Beton erfährt erstmals eine Biegebeanspruchung, wenn das Gerüst abgesenkt wird, und verformt sich nun seinerseits unter der Wirkung des Eigengewichts. Zeitgleich wird die Vorspannung aufgebracht, die idealerweise dem Eigengewicht entgegenwirkt und so eine gegenläufige Verformung zur Folge hat. Zur Bestimmung der Überhöhung des Traggerüstes vor dem jeweiligen Betoniervorgang wurde in mehreren Schritten vorgegangen: – Rechnerische Ermittlung der Bauwerksverformungen (Festbeton) entsprechend dem Bauablauf in der statischen

Berechnung und Überlagerung mit den

Verformungen aus den vorhergehenden Bauabschnitten. – Als äußere Einwirkung wird in jedem

Betonierabschnitt in zwei getrennten

Schritten das Eigengewicht der Vorschubrüstung am Abhängepunkt (außer beim ersten Betonierabschnitt) und das Betoneigengewicht in Ansatz gebracht. – Zeitlich dazwischen wird das Kriechverhalten während dieses Bauzustandes (vor dem Betonieren) abgebildet. – Das Vorspannen wenige Tage nach dem Betoniervorgang wird in einem gesonderten Rechenschritt abgebildet. Hierbei wird auch der Wegfall der

Eigengewichtslast aus dem angehängten Gerüst berücksichtigt. – Am Ende werden noch die Ausbaulasten aus Kappen und Belag aufgebracht sowie der Kriecheinfluss bis zur Verkehrsfreigabe bzw. bis t = ∞ ermittelt.

11 Betonieren eines Brückenfeldes © Kropp Bau GmbH

Seitens des Gerüstplaners wurde ergänzend die differenzierte Berechnung der Durchbiegung aller drei Längsträger unter der Frischbetonlast und somit relative Verformungsunterschiede in Querrichtung beigesteuert [3]. Diese Berechnung geht von einer starren Auflagerung sowohl an der Abhängung als auch an dem Pfeilerauflager aus. Zur Einstellung der Schalungshöhen wurden diese beiden Teilberechnungen überlagert. Das geringe Eigengewicht der Vorschubrüstung wirkt sich bei den Verformungsberechnungen grundsätzlich günstig aus, da sich die Unsicherheiten zum Verformungsverhalten des jungen Tragwerksbetons unter dieser relativ großen und temporär über das Bauwerk wandernden Abhängelast entsprechend reduzieren. Es handelt sich hier immerhin um 725 kN je Steg (normalerweise noch ca. 50 % mehr) am Kragarm im Bauzustand. Mit der Frischbetonlast sind dann insgesamt 2.965 kN anzuhängen. Der Lastanteil aus dem Gerüst beträgt also hier nur 25 % gegenüber sonst etwa 33 %. Um das Traggerüst möglichst effektiv einsetzen zu können, hat sich die ausführende Firma in Abstimmung mit dem Bauherrn dazu entschlossen, im Bereich der Widerlager oberhalb der Pfahlkopfplatten zunächst nur die Auflager-»Pfeiler« herzustellen und zu eigenen Lasten jegliche angrenzenden Wände und Zwischendecken nebst Flügeln über Bewehrungsschraubanschlüsse nachträglich anzubinden. Entsprechende Nachweise zum Beispiel für Windlasten im Bauzustand auf die reduzierten Querschnitte wurden erbracht. Somit konnte die Vorschubrüstung auch »durch« das Widerlager geschoben und alle Felder mit gleichbleibender Technologie betoniert werden. Dabei waren natürlich die abweichenden Stützweiten bzw. Belastungssituationen in den Endfeldern mit eigenen Überhöhungsfiguren zu berücksichtigen.

4 Ergebnisse der Bauausführung

»Am Ende zählt, was hinten rauskommt.« An diesem Ziel arbeiten alle am Bau Beteiligten. Als besonders geschickt steht am Ende derjenige da, der klug geplant hat und mögliche Abweichungen frühzeitig erkennt und Mechanismen vorgesehen hat, um Korrekturen vorzunehmen. Diese Binsenweisheit bestätigt sich durch die Verwendung der nachsteuerbaren Vorschubrüstung in besonderer Weise. Ohne die Leistung anderer zu diskreditieren, muss im vorliegenden Fall konstatiert werden, dass eine beeindruckende Lagegenauigkeit der Fahrbahnoberfläche gelungen ist.

12 Durchbiegung der Vorschubrüstung © BERD®

13 Durchfahren des Widerlagers © DEGES GmbH

Unweit des hier beschriebenen Bauwerks wird zeitgleich eine andere Talbrücke mit ebenso großer Sorgfalt hergestellt. Dort ist ebenfalls eine Vorschubrüstung mit drei Längsträgern im Einsatz, allerdings ohne Unterspannung. Die Regelstützweite beträgt dort 37 m und die Konstruktionshöhe 2 m. In Bild 14 ist ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit für beide Bauwerke das Aufmaß der Rohbau-Ist-Gradiente im Vergleich zur Sollgeometrie unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt noch zu erwartenden Verformungen aufgetragen. Ergänzend wurde noch der Toleranzkorridor eingezeichnet, der gemäß ZTV-ING allein durch die Mindest- bzw. Maximaldicke der Schutzschicht ausgeglichen werden kann. Es ist gut zu erkennen, dass die Rohbaugeometrie der Talbrücke Langer Grund so genau hergestellt werden konnte, dass die Einhaltung der Sollgradiente ohne zusätzliche Spachtel- oder Fräsarbeiten möglich ist und auf den Vorschlag einer Ausgleichsgradiente verzichtet werden kann.

14 Rohbau-Ist-Gradiente versus Sollgeometrie © DEGES GmbH

15 Blick auf die Trasse in Richtung Osten mit der Wartburg im Hintergrund © Kropp Bau GmbH

5 Zusammenfassung

In diesem Beitrag wurde eine konventionelle Bauwerkskonstruktion vorgestellt, die während der Ausführung auf eine innovative Herstellungstechnologie mit einer besonderen Vorschubrüstung traf. Das auf den ersten Blick kleine Detail einer steuerbaren Unterspannung bewirkte neben der zielsicheren Herstellung der Sollgeometrie eine Reihe weiterer Vorteile, wie zum Beispiel geringes Gewicht, hohe Steifigkeit, geringe Überhöhungswerte. Die professionellen Arbeitsunterlagen (Bedienhandbuch, Checklisten etc.) und klug abgestimmte Schnittstellen sorgten für eine effiziente und reibungslose Abwicklung. Für die Arbeiten auf der Baustelle hat sich die Zusammenarbeit mit dem Team, das die Vorschubrüstung betreut hat, als sehr effektiv erwiesen. Eine gut abgestimmte Aufgabenteilung einerseits und das Handling der besonders leichten Vorschubrüstung andererseits erleichterten viele Verfahrensabläufe und führten letztlich zu einem jeweils zügigen Umsetzen und Ausrichten des Gerüstes. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil bestand in der Steuerung des Absenkvorgangs des Gerüstes während des Aufbringens der Vorspannung: Auch hierfür konnte die Unterspannung programmgesteuert eingesetzt (abgelassen) werden, so dass sich jegliche Risiken aus dem Nachfedern des Traggerüstes vermeiden ließen. Die im Sommer 2022 fertiggestellte Baumaßnahme ist ein gelungenes Beispiel für die lösungsorientierte Zusammenarbeit der beteiligten Fachleute der ausführenden Firmen und des Bauherrn. Die gute Idee und das schlüssige Konzept dieser innovativen Gerüstkonstruktion haben nicht nur das beauftragte mittelständische Bauunternehmen, sondern auch den Bauherrn überzeugt.

Autor: Dr.-Ing. Stefan Franz Projektabteilungsleiter DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin Anmerkungen [1] Franz, S.: Fahrdynamische Verträglichkeit; in:

Bautechnik 93, 2016, H. 7, S. 433–443. [2] BERD: 16962 Betriebshandbuch M40, Stand 22.09.2020. [3] BERD: 16962 Konstruktionszeichnungen, diverse.

Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Autobahn GmbH des Bundes, endvertreten durch die DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Entwurf SSF Ingenieure AG, Berlin

Tragwerksplanung (Ausführung) be+p Ingenieurgesellschaft für das Bauwesen mbH, Limburg

Fachplanung Traggerüst BERD® Bridge Engineering Research & Design, Matosinhos, Portugal

Prüfingenieur Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Fehling, Kassel

Bauausführung Kropp Bau GmbH, Großenlüder (Hauptauftragnehmer) ConstruGomes Engenharia e Construção, Perelhal, Portugal (Nachunternehmer Traggerüst)

Bauoberleitung und Bauüberwachung EIBS Entwurfs- und Ingenieurbüro Straßenwesen GmbH, Dresden

50 Jahre Beschleunigung

Neubau der Westtangente Rosenheim Aicherparkbrücke, Blick Richtung Süden In 50 Jahren haben wir von SSF Ingenieure zahllose Projekte für viele unterschiedliche Auftraggeber und Bauherren begleitet.

Unser Erfolg ist eine Gemeinschaftsleistung, denn er gründet auf einem vertrauensvollen Miteinander.

Deshalb möchten wir an dieser Stelle Danke sagen für das uns entgegengebrachte Vertrauen.

Mit Freude und Zuversicht blicken wir auf eine gemeinsame Zukunft.

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