SYMPOSIUM Entwicklung und Anwendung eines bauaufsichtlich zugelassenen Verfahrens
Verstärkung von Ingenieurbauwerken unter laufendem Betrieb von Jürgen Feix, Johannes Lechner
Ein Großteil der in Deutschland erstellten Ingenieurbauwerke wurde in den 1950–1970er Jahren errichtet und ist somit heute rund 50 Jahre alt. Aus wirtschaftlichen sowie Gründen der Nachhaltigkeit sollen diese Bauten häufig weiterverwendet, vergrößert oder umgenutzt werden. Damit einher gehen meist eine Lasterhöhung auf das Tragwerk und geänderte Bemessungsansätze der Normung, wodurch eine Verstärkung des Tragwerks erforderlich wird. In vielen Fällen ergeben sich drastische Defizite an vorhandener Querkraft- bzw. Durchstanzbewehrung in bestehenden Stahlbetonbauten. Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren an der Universität Innsbruck ein neues Verfahren entwickelt, das auf der Verwendung von sogenannten Betonschrauben als nachträglicher Bewehrung beruht. Die aus der Verankerungstechnik bekannten Betonschrauben haben aufgrund ihres mechanischen Verbundes mit der existierenden Struktur ein sehr robustes Tragverhalten und können von einer Seite des Tragwerks installiert werden, wodurch sich große Vorteile hinsichtlich der Nutzung des Bauwerks während der Verstärkungsmaßnahme ergeben.
1 Einleitung Ein Großteil der vorhandenen Brückentragwerke der zentraleuropäischen Staaten wurde in den Jahren zwischen 1960 und 1990 errichtet. Dies ist sehr deutlich anhand Bild 1 zu erkennen, in welchem der Anteil der gesamten Tragwerksflächen, bezogen auf den Errichtungszeitraum, dargestellt ist. Die Brückentragwerke an den deutschen Bundesfernstraßen sind mit über 45 % der Bauwerksflächen heute zwischen 60 und 40 Jahre alt. Eine Betrachtung der verwendeten Materialwahl bei diesen Brücken der Deutschen Bundesanstalt für Straßenwesen [1] zeigt, dass der überwiegende Teil, fast 90 % der Tragwerke, in den Bauweisen
1
Altersstruktur der Brückentragwerke der Bundesfernstraßen in Deutschland © Universität Innsbruck/Daten aus [1]
2
94
BRÜCKENBAU | 1/2 . 2020
Stahlbeton- oder Spannbeton errichtet wurde. Die Verteilung der Brückenfläche nach den verschiedenen Bauweisen ist in Bild 2 dargestellt. Üblicherweise wird für Brückentragwerke eine Nutzungsdauer von ca. 100 Jahren definiert, wobei davon ausgegangen wird, dass in diesem Zeitraum etwa zweimal eine Sanierung des Tragwerks im größeren Ausmaß vorzunehmen ist. Betrachtet man nun die Altersstruktur, so kann erkannt werden, dass ein großer Teil der Tragwerke bereits die Hälfte der beabsichtigten Nutzungsdauer überschritten hat. Zudem müssen für einen großen Teil des Brückenbestands in nächster Zeit die vorgesehenen Instandsetzungsmaßnahmen erfolgen.
Verteilung der Bauweisen der Brückentragwerke der Bundesfernstraßen © Universität Innsbruck/Daten aus [1]