Zeitung Vinschgerwind 23-21 vom 18.11.2021 Bezirk Vinschgau Südtirol

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Vinschgerwind 23-21

18.11.21

Nationalpark Stilfserjoch

20 Jahre Rotwild-Entnahmen im Nationalpark Foto: Alessandro Currò

Eine Zusammenfassung

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Martin, 11. November 2021

D

as staatliche Rahmengesetz Nr. 394/1991 über die geschützten Gebiete verfügt unter den Verboten in den Nationalparken unter anderem den Fang, die Tötung, die Schädigung und die Störung der Tierarten. Eine einzige Ausnahme von diesem Verbot sieht ein Absatz 4 im Artikel 11des oben genannten Gesetzes vor: Entnahmen von Wildtieren (auch durch selektive Abschüsse) sind nur zulässig, um nachgewiesene Störungen des ökologischen Gleichgewichtes auszugleichen. Derselbe Absatz verfügt auch, dass die Entnahmen oder Abschüsse vom Parkpersonal oder von dafür ausdrücklich ermächtigten Personen vorgenommen werden müssen.

Zur Erinnerung

Im Nationalpark Stilfserjoch hatte die vormalige Parkverwaltung der staatlichen Forstund Domänenverwaltung ex-ASFD vor 1991 jährlich eine definierte Anzahl der Schalenwildarten Rotwild, Reh und Gämse den lokalen Jägern zum Abschuss freigegeben. Der WWF und andere Naturschutzorganisa-

tionen legten vor dem Staatsrat gegen diese Jagdpraxis Rekurs ein und erhielten Recht. Die Abschüsse von Wildtierarten im Nationalpark Stilfserjoch mussten eingestellt werden. Die Rotwildpopulation wuchs in den Folgejahren auf ca. 10.000 Stück im Parkgebiet und in den angrenzenden Nachbartälern. Die Folgen: Verbiss- und Schälschäden am Waldbestand und Fraß- und Trittschäden in den Mähwiesen, in den Dauerkulturen der Obstanlagen und in den Sonderkulturen wie Erdbeeren. Kilometerlange Schutzzäune als Gebietswildzäune und Einzeleinzäunungen der landwirtschaftlichen Kulturen waren eine erste Reaktion auf die Schäden in der Landwirtschaft. Durch die Einzäunungen wurden etwa die saisonalen Wanderungen des Rotwildes von den Sommer- in die Wintereinstände und umgekehrt unterbrochen. Und in den eingeengten Waldlebensräumen stieg die Rotwilddichte bis auf 13,5 Stück je 100 Hektar. Eine wissenschaftliche Erhebung der Verbiss-Schäden am Baumbestand des Waldes, welche wir als Nationalparkverwaltung zusammen mit der Südtiroler Landesabteilung Forstwirtschaft in den Jahren 1980-er Jahren durchgeführt haben, ergab, dass beispielsweise bis zu 70% der Endtriebe von Fichten verbissen waren und die Bäume

in der Folge nicht mehr in den Schaft wuchsen, sondern nur einen kegelförmigen Krüppelwuchs aufwiesen. Der Bergwald hatte kaum noch eine natürliche Verjüngung und musste so auf mittlere und lange Sicht sein Schutz- und Nutzfunktion verlieren.

Paratuberkulose bei zu hoher Dichte

Laboruntersuchungen von Rotwild post mortem, das in den Jahren 1997- 1999 am Vinschgauer Nörderberg in einer Stichproben-Breite von je 150 Stück Rotwild zur Erhebung von biometriechen Daten und des Gesundheitszustandes entnommen worden war, ergaben, dass beispielsweise ein Drittel der Hirschkälber im Martelltal an Paratuberkulose erkrankt oder Paratuberkulose-Träger war. Die völlig abgemagerten und am Hinterleib verkoteten Tiere hatten im Winter bei geöffneten Scheunentoren die Tennen der Heustadel an den Marteller Höfen aufgesucht und waren ob ihres erbärmlichen Zustandes aufgefallen. Es bestanden auch Risiko und Sorge, dass die Wildkrankheit auf alpgesömmerte Nutztiere übergehen könnte.

Mehrjahresplan zum Rotwildmanagement

In der Folge haben wir als Nationalpark-


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