Luci - Ausgabe 2 - Deutsch

Page 1

Luci

Inspiring Travel Stories from Luxembourg AUSGABE 2 / 2020 - DEUTSCH

Drinnen im Draußen On the Road mit Anhänger

Eine Stadt, die verbindet Mit Architekten durchs UNESCO-Erbe

Urban Art geht in die Luft Kunst-Botschafter der guten Laune


Stadterlebnis neu definiert

cityapp – VDL Laden Sie sich die App jetzt herunter!


Editorial Moien und willkommen in Luxemburg! Worin liegt eigentlich die Faszination des Reisens? Gerade in Zeiten, in denen es nicht ganz selbstverständlich ist, spontan und überall hin reisen zu können, merken viele von uns, was fehlt. Mal was Neues entdecken, Abwechslung vom Alltag, Begegnungen mit interessanten Menschen, neue Perspektiven! Luxemburg hält all dies für Sie bereit. Und Luci nimmt Sie schon jetzt mit auf eine spannende Reise. Auch in der zweiten Ausgabe unseres neuen Magazins der Reise-Destination Luxemburg sind wir wieder aktiv im Land unterwegs: Roadtrips im nostalgischen Wohnwagen und mit schicken Oldtimern, auf dem Rad mit den sympathischen „Velosvedetten“ oder auch auf Schusters Rappen im wilden Schluchtwald. Wir sind Menschen begegnet, die auf besondere Weise den Luci-Esprit verkörpern. Die Architekten Arnaud de Meyer und Nico Steinmetz zeigen uns ihr „Global Village“, Luxemburg-Stadt. Winzer Georges Schiltz verrät uns, warum sein Wein ihn „fru“ macht. Viel Spaß bei der Lektüre von Luci und auf hoffentlich ganz bald in Luxemburg.

Romain Weber Präsident Luxembourg for Tourism

Dr. Sebastian Reddeker CEO Luxembourg for Tourism

PS: Sie haben die erste Ausgabe von Luci verpasst? Bestellen Sie das Magazin einfach kostenlos unter www.luci.travel — für noch mehr inspirierende Luci-Momente. Ausgezeichnet mit dem Red Dot Design Award, dem International Creative Media Award, dem German Design Award und dem C 2A Creative Communication Award.

3


Inhalt

74

6-17

Open and Diverse VIELSCHICHTIG, MODERN, KOSMOPOLITISCH

84

Eine Stadt, die verbindet 18-20

The Good Life DIE ROTONDES BEWEGEN BONNEWEG

Eine runde Sache! 22-27

Open and Diverse DIE STADT, EIN SPIELPLATZ

Skateboarding is not a Crime 28-32

Open and Diverse URBAN ART AUS LUXEMBURG GEHT IN DIE LUFT

6

Flying Sumo 34-49

Outdoors Passion ON THE ROAD MIT ANHANG

18

Drinnen im Draußen 50-55

Transforming Experiences EIN KÜNSTLER AUS DEM ÉISLEK

Seine Bäume, seine Welt

96 4

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


56 56-60

Outdoors Passion DIE VELOSVEDETTEN ON TOUR DURCH LUXEMBURG

Schnelle Truppe, große Freundschaft 62-68

Naturally Europe CFL-WANDERWEG „MANTERNACHER FIELS“

Durch den wilden Schluchtwald 70-73

The Good Life COMEBACK EINER VERLORENEN FRUCHT

Das Apfel-Revival 74-79

Outdoors Passion WASSERSPORT AN STAUSEE UND MOSEL

34

Paddeln, Abtauchen, Natur-Genuss 80-83

Transforming Experiences JUNGER, WILDER WINZER

92-95

Im Herzen „fru“

Transforming Experiences

84-89

TINGELTANGEL-TRAUM IN LUXEMBURGS KLEINSTEM DORF

Transforming Experiences FRANÇOIS VALENTINY, ARCHITEKT AUS SCHENGEN

„Um Grenzen haben wir uns nie geschert!“

Marlene lebt. 96-111

Daydream ÜBER LAND MIT OLDTIMERN

Schön auf Touren 114

Impressum

22 5


Open and Diverse VIELSCHICHTIG, MODERN, KOSMOPOLITISCH

Skylines und Flusstäler, moderne Glasbauten auf historischen Fundamenten und jede Menge Grün: Luxemburgs Hauptstadt ist so vielseitig wie ihre Einwohner aus mehr als 100 Nationen. Ein Streifzug mit den Architekten Arnaud de Meyer und Nico Steinmetz durch UNESCOWeltkulturerbe und zukunftsweisende urbane Welten. Text JAN MAIER Fotos THOMAS LINKEL

6

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Eine Stadt, die verbindet

7


Die Führung beginnt auf dem Kirchberg-Plateau. Moderne Glas- und Stahlbauten prägen das Büround Finanzquartier. An der Place de l’Europe sticht ganz in Weiß die linsenförmige Philharmonie hervor, mit ihrer Fassade aus 823 Säulen.

8

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Nico Steinmetz und Arnaud de Meyer genieĂ&#x;en es, mit dem Fahrrad die Stadt zu erkunden. Auf zwei Rädern sieht man oft mehr als aus dem Autofenster. Und kleine Schleichwege kann man so auch nutzen.

9


Das helle Holzgebäude des „Oekozenter Pafendall“ sieht wie vier aufeinander gelegte Quader aus. Es ist ein Musterbeispiel für ein modernes Passivhaus mit einer optimalen CO2-Bilanz. Auch an die Fledermäuse wurde dabei gedacht. Für sie gibt es in der Fassade einen geschützten Nistkasten.

10

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Wie eine von Mensch und Natur gemeinsam entworfene Zeichnung erscheint sie dem Betrachter hier: unten das geschwungene Flusstal der Alzette, darüber die historischen Kasematten und die alte Abtei, auf dem Plateau in der Ferne moderne Gebäude. Dazwischen als kräftige Farbtupfer die sattgrünen Blätter der Bäume. Sie, das ist Luxemburg. „Eine Stadt auf vielen Ebenen“, wie Architekt Nico Steinmetz seine Heimat gerne nennt. Hier, das ist die Aussicht aus dem Park „Dräi Eechelen“. Und die lässt bereits erahnen, wie vielschichtig die Hauptstadt ist – topographisch, architektonisch, kosmopolitisch. An diesem Samstag durchstreifen Nico Steinmetz und sein Kollege Arnaud de Meyer ihre Stadt mit den Fahrrädern. Die Führung beginnt auf dem Kirchberg-Plateau. Moderne Glasund Stahlbauten prägen das Büround Finanzquartier. An der Place de l’Europe sticht ganz in Weiß die linsenförmige Philharmonie hervor, mit ihrer Fassade aus 823 Säulen. Nachmittags drehen hier Skater ihre Runden. Nur zwei Minuten entfernt steht das Kunstmuseum Mudam. Der helle Bau aus Glas, Stahl und Stein mit strengen geometrischen Formen wurde auf dem Fundament einer ehemaligen Festung errichtet. Über einen steilen Waldpfad geht es hinab nach Pfaffenthal. Arnaud und Nico kommen gerne in das ehemalige Arbeiterviertel im Tal der Alzette. Das habe sich in jüngster Zeit stark verändert, weg vom „nicht so guten, etwas abseits gelegenen Quartier“, hin zu einer beliebten Adresse in der Stadt,

sagt Nico. Vögel zwitschern. Auf dem Spielplatz um die Ecke toben Kinder. Auf halbem Weg zwischen Eisenbahnviadukt und der Alzette zeigt Nico auf das „Oekozenter Pafendall“ mit dem Sitz der Umweltorganisation „Mouvement Écologique“. „Ein Pilotprojekt in Luxemburg“, erklärt Nico, der das Zentrum geplant hat.

Panorama-Lift: Bühne für das Leben Luxemburg kennenlernen, das heiße auch, sich in den vielen kleinen, mit Kopfstein gepflasterten Straßen, die die Stadt durchziehen, zu verlieren, meint Arnaud.

Schlenker machen, etwa zur „Muerbelsmillen“ auf der anderen Seite der Alzette, der letzten noch erhaltenen und funktionstüchtigen Wassermühle im Pfaffenthal. Ein senffarbenes Schild mit der Aufschrift „Moutarderie Hartmann“ deutet auf die einstige Nutzung hin: Hier wurde Senf hergestellt. „Architektur beeinflusst den Alltag der Menschen. Wir wollen mit ihrer Hilfe die Lebensqualität aller verbessern“, sagt Arnaud und blickt nach oben auf den Panorama-Aufzug Pfaffenthal, der sich gerade in Bewegung setzt. Seit 2016 transportiert der von Nico und Arnaud entworfene Lift Passagiere in etwa 30 Sekunden vom Alzette-Tal in das obere Stadtzentrum. Während der Fahrt in der Glaskabine

Die Rückseite des Mudam mit dem „Musée Dräi Eechelen“ und dem Park ist längst ein beliebter Treffpunkt: zum abendlichen Entspannen, zum Picknick mit Freunden. „In der Stadt leben die unterschiedlichsten Kulturen miteinander. Und alle können in dieser Umgebung neue Leute kennenlernen, in der Natur sein, wunderbare Aussichten genießen“, sagt Arnaud.

11


wechselt stetig die Perspektive. Die historischen Häuser im Pfaffenthal werden zunehmend kleiner. Der Wald am Hang des Plateaus gerät in den Blick. Nach und nach schieben sich die Türme der Skyline auf dem Kirchberg in den Horizont. Bei der Ankunft ganz oben taucht die „Rout Bréck“ auf, die markante rote Stahlbrücke, die das Pfaffenthal auf 355 Metern Länge überspannt. Aus Nicos Sicht ist der Lift eine Bühne für das Leben in der Stadt. „Die Menschen im Aufzug schauen über das Tal, sehen vielleicht jemanden auf der Terrasse sitzen oder sich aus dem Fenster lehnen und umgekehrt. Man begegnet sich nur mit Blicken und fühlt sich dennoch miteinander verbunden.“ Ein Aufzug als Aushängeschild und Bezugspunkt für ein ganzes Viertel und seine Besucher.

Rue du Nord: farbige Fassaden, bunte Cafés, UNESCO-Spirit Ortswechsel. Bunte Tische reihen sich an den Rändern der Seitenstraße aneinander. An ihnen sitzen junge Menschen mit Latte macchiato oder Holunderlimonade in der Hand. Man unterhält sich, tauscht sich auch über die enge Straße hinweg aus. Andere flanieren über das Kopfsteinpflaster, zeigen auf die gelben, grünen, lavendelfarbenen Fassaden, nicken den Cafégästen auf dem bunten Mobiliar zu. Die Rue du Nord in der Altstadt – die Renovierung der historischen Fassaden hier war eines der ersten gemeinsamen Projekte von Arnaud und Nico – ist noch so eine urbane Bühne.

Die Rue du Nord in der Altstadt ist eine urbane Bühne. Die Renovierung der historischen Fassaden hier war eines der ersten gemeinsamen Projekte von Arnaud und Nico.

12

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

„Wir haben alle eine unterschiedliche Herkunft“, sagt Nico. Etwa 70 Prozent der Einwohner von Luxemburg-Stadt haben keinen luxemburgischen Pass, hinzu kommen täglich über 180.000 Pendler aus den Nachbarländern. „Doch wir alle treffen uns in den Cafés und auf den öffentlichen Plätzen der Altstadt. Diese Orte vereinen uns in unseren Unterschieden, und das macht die Stimmung dieser Stadt aus. Für mich ist Luxemburg ein Global Village.“ Zusätzlich zu den in der Stadt allgegenwärtigen historischen Bauten entspricht dieses multikulturelle Miteinander absolut den ideellen Werten der UNESCO.

Petruss-Tal: ein Garten mitten in der Stadt Vorbei am quaderförmigen Nationalmuseum für Geschichte und Kunst sausen die beiden Architekten auf ihren Rädern eine schmale, steile Gasse hinunter in Richtung Petruss. Hier im Tal zwischen Oberstadt und Plateau Bourbon zeigt sich Luxemburg von seiner grünen Seite. Friedlich bahnt sich der Nebenfluss der Alzette seinen Weg durch das Tal. Die Ruinen der Festungen und Bastionen in den Steilhängen säumen die weiten Grünflächen der Parks. Nach wenigen Momenten ist vom quirligen Treiben der Stadt nichts mehr zu spüren. Aber das macht ja die Lebensqualität Luxemburgs gerade aus – dass man so schnell und lässig die Ebenen und die Welten wechseln kann. Mit dem Lift oder eben auch mit dem Fahrrad.


Luxemburg pflegt sein kulturelles Erbe und ist dennoch eine zukunftsgewandte Stadt, davon sind beide Architekten überzeugt. Und das soll jeder sehen können. Vor fünf Jahren haben Arnaud und Nico den im Licht flimmernden Verbindungsgang aus Glas und Stahl zwischen Rathaus und „Bierger-Center“ entworfen. Ein Stück „ultramoderne“ Architektur auf dem historischen Platz Guillaume II mitten im Zentrum.

Luxemburg kennenlernen, das heißt auch, sich in den vielen kleinen, mit Kopfstein gepflasterten Straßen, die die Stadt durchziehen, zu verlieren.

13


Die Fahrt im Lift ist auch ein Spiel mit dem Erleben von Höhe. „Die Menschen können ausloten, wie weit sie gehen wollen. Manche bleiben am Ende der Haltestangen stehen, andere wagen sich bis ganz nach vorne auf den Glasboden“, erzählt Nico.

14

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Seit 2016 transportiert der von Nico und Arnaud entworfene PanoramaAufzug Pfaffenthal Passagiere in etwa 30 Sekunden vom Alzette-Tal in das obere Stadtzentrum.

15


Urban Sketching

© BIRGIT PFAUS-RAVIDA

Urban Sketching, das ist eine internationale Community. Die Zeichner sind digital vernetzt, reisen aber auch durch die Welt, um andere Zeichner und andere Orte kennenzulernen und sich auszutauschen.

Text BIRGIT PFAUS-RAVIDA

Arnaud de Meyer sitzt vor dem Zaun, der das Gelände des Kulturzentrums „Rotondes“ von den Eisenbahnschienen am Bahnhof trennt, auf einer niedrigen Mauer. Auf seinen Knien ein kleines Skizzenbuch. Mit ruhiger Hand und einem wasserfesten, schwarzen 0,5 Millimeter-Fineliner zeichnet Arnaud filigrane Striche. Das alte Portal, durch das früher die Lokomotiven fuhren, ist schnell festgehalten, Detail um Detail gesellt sich dazu, die Lampe am Giebel, die Mauern drum herum, Bierbänke, geschlossene Sonnenschirme, die Fassaden der anderen Gebäude, ein kleiner Vogelschwarm, wilder Wein an einer Wand. In nur 30 Minuten hat er die ganze Szenerie auf Papier gebannt. Noch ein kritischer Blick über die Brille, dann kann er zufrieden seine Signatur auf das Blatt im Skizzenbuch setzen, dazu das Datum und mit wem er gezeichnet hat. Urban Sketching heißt das. Es ist Arnauds Art, die Stadt zu entdecken. „Zeichnen ist vor allem eins: genau hinsehen“, sagt er.

© BIRGIT PFAUS-RAVIDA

„Luxemburg ist aus sich heraus schön mit dem vielen Grün, all den Aussichtspunkten – von unten nach oben und umgekehrt –, den Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen“, schwärmt der

16

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

gebürtige Belgier. Auch noch nach 25 Jahren Leben und Arbeiten in der Hauptstadt ist er von dieser besonderen Stimmung begeistert. Und die möchte er auch künstlerisch mit so vielen Menschen wie möglich teilen. „Beim Urban Sketching zeichnet man im öffentlichen Raum, ob alleine oder als Gruppe“, erklärt er. „Und auf einmal sehen die Leute, die vorbeigehen und das Zeichnen beobachten, diesen Raum auch mit anderen Augen. Sie blicken genauer hin, setzen sich mit Gebäuden und Kompositionen auseinander, stellen Fragen“, stellt der Architekt immer wieder fest.

Die Stadt anders wahrnehmen  Die Urban Sketchers treffen sich regelmäßig zum gemeinsamen Zeichnen – immer an einem anderen Ort. http://usk-luxembourg. blogspot.com  Architektur in Ausstellungen und Stadtführungen beim LUCA - Luxembourg Center for Architecture: www.luca.lu  Spaziergänge rund um Architektur, vorgeschlagen vom Berufsverband der Architekten und Beratenden Ingenieure OAI: www.architectour.lu


„Wir haben alle eine unterschiedliche Herkunft“, sagt Nico. Etwa 70 Prozent der Einwohner von Luxemburg-Stadt haben keinen luxemburgischen Pass, hinzu kommen täglich über 180.000 Pendler aus den Nachbarländern. „Doch wir alle treffen uns in den Cafés und auf den öffentlichen Plätzen der Altstadt. Diese Orte vereinen uns in unseren Unterschieden, und das macht die Stimmung dieser Stadt aus. Für mich ist Luxemburg ein Global Village.“

17


The Good Life DIE ROTONDES BEWEGEN BONNEWEG

Eine runde Sache!

Das Kunst- und Kulturzentrum Rotondes überrascht an jeder Ecke. Nein, in jeder Kurve. Die beiden runden, ehemaligen Lokschuppen im Bahnhofsviertel bieten coole Performances, frische Kunst und viel Platz für Kreativität. Text BIRGIT PFAUS-RAVIDA Foto RÉMI VILLAGI

18

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Sie sind Zwillinge; gleich und doch verschieden. Die eine ist glatt und sauber, die andere zeigt, dass sie beide nicht mehr die jüngsten sind und der Zahn der Zeit schon an ihnen genagt hat.

den charakteristischen Bauten seinen Platz. „Eine Idee treibt die anderen an!“, sagt Rotondes-Chef Steph Meyers. Jeden Sommer locken zudem die „congés annulés“ daheimgebliebene Urlauber, sich eine Extradosis Kultur in den Rotondes abzuholen. Mit alternativen Konzerten und Events.

Seit 1875 stehen die Rotondes an ihrem Platz. Sie waren Schuppen und Werkstätten für Dampflokomotiven. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden die Dampfmaschinen nach und nach aus dem Alltag, und die Rotondes wurden als Lagerraum und Reparaturwerkstatt für Busse der luxemburgischen Eisenbahngesellschaft CFL genutzt.

Das Besondere der Rotondes ist, jenseits des Programms, der Charme des Ortes. Das „Shabby Chic“Ambiente der beiden Lokschuppen, die alten Industrie-Komponenten, die häufig wechselnde Graffiti-Kunst: Immer überraschend und frisch.

Eine Idee treibt die andere an

© LETSPICSABOUTIT

Sie kamen unter Denkmalschutz, und jahrelang wurde diskutiert, was mit den charakteristischen Gebäuden passieren soll: Zentrum für zeitgenössische Kunst? Wissenschaftsmuseum? Fahrradmuseum?

Mit viel Fantasie und Engagement, für jede Altersgruppe. Konzerte, Conventions, Märkte, Konferenzen, Tanz, bildende Kunst, Literatur, alles findet in

© MR FILMS

Im Kulturjahr 2007 gab es dann einen ersten Vorgeschmack darauf, was die Rotondes heute sind. In die schnell hergerichteten Gebäude zogen Kunst und Kultur ein, mit Ausstellungen und Workshops. Seither, mit einer zwischenzeitlichen Auslagerung auf ein anderes Gelände wegen großer Umbauarbeiten, werden die Rotondes bespielt.

19


Das Besondere ist, auch jenseits des Programms, der Charme des Ortes. Verkehrsknotenpunkt, Autos, Bahnhof gleich nebenan, die urbanen Geräusche, gleichzeitig das „Shabby Chic“- Ambiente der alten Lokschuppen, die alten Industrie-Komponenten, die man überall sieht, die großen Flächen fast ohne Ecken und die immer wechselnde Kunst, die alles überraschend, frisch und cool macht.

und das die Veranstaltungen besucht. Auch die Bewohner des die Rotondes umgebenden Viertels Bonneweg genießen es, dass man hier so unterschiedliche Menschen trifft. Denn das Viertel ist genauso bunt wie die Rotondes selbst. Die Stimmung ist einzigartig. Familiär – und gleichzeitig ultra-urban.

Ultra-urbaner Ort und buntes Publikum

 Ausgehen und Genießen: In Bonneweg sind Ideen und Konzepte zu Hause, in der Gastronomie genau wie in den Rotondes. Lokale Produkte spielen dabei eine große Rolle, ob das Bier in der „Craft Corner“ oder die angebotenen Speisen in der „Bouneweger Stuff“. www.craftcorner.lu www.bounewegerstuff.lu

Jeden Sommer locken die „congés annulés“ daheimgebliebene Urlauber, sich eine Extradosis Kultur in den Rotondes abzuholen. Mit alternativen Konzerten und Events.

 Kreativ und bewegt: Künstlerisch ausdrucksstark ist auch das „TROIS C-L – Centre de Création Chorégraphique Luxembourgeois“. In dem international vernetzten Zentrum wird zeitgenössischer Tanz entwickelt und gelehrt und der Kunst der Choreographie eine professionelle Plattform geboten. Regelmäßig präsentieren sich die Tanz-Künstler einem interessierten Publikum, etwa am 3. jedes Monats beim „3 du Trois“. www.danse.lu

© SVEN BECKER

„Dieser Ort ist in seiner Art einzigartig im Land. Deshalb fühlen sich bei uns auch viele internationale Gäste und Expats sehr wohl“, erzählt Steph Meyers. Entsprechend vielseitig ist das Publikum, das man in der Bar „Buvette“ trifft

Schönes entdecken rund um die Rotondes

20

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

 Im Grünen: Bonneweg ist nicht nur hip und bunt, sondern auch grün. Der acht Kilometer lange Rundwanderweg „Bonnevoie“ führt durch den Wald, über eine Brücke und an zwei Mühlen vorbei. Durchatmen quasi mitten in der Stadt. www.luxembourg-city.com

T L S


The Luxembourg Story Michel Engels (1851-1901), Bilder aus der Luxemburger Sage und Geschichte, Die Lützelburg auf dem Bockfelsen, 963-1543 (Detail), um 1886

DAUERAUSSTELLUNG

ÜBER 1000 JAHRE

STADTGESCHICHTE

DIE - SON 10 - 18.00 DON 10 - 20.00 MON geschlossen

citymuseum.lu


Open and Diverse DIE STADT, EIN SPIELPLATZ

In Luxemburg hat der Szene-Slogan eine besondere Gültigkeit. Schon im Kindesalter lernen Skater eine besondere Wertschätzung für Architektur und Ästhetik. Und auch die Stadt gewinnt — an Attraktivität für ein junges, urbanes und offenes Publikum aus aller Welt. Text FABIAN TEUBER Fotos THOMAS LINKEL

22

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Skateboarding is not a Crime 23


Vor der Kathedrale wird schon seit den 1980erJahren geskatet. Spektakulär sind die Sprünge über viele Treppenstufen.

Die Skater-Szene ist offen, herzlich und fast familiär. Auch junge Frauen fühlen sich hier wohl und erobern die Stadt auf vier Rollen. 24

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Sieben Stufen hat die breite Treppe vor dem Westportal der Kathedrale „Unserer Lieben Frau“, auch Mariendom genannt, ein eindrucksvoller, gotischer Bau aus dem 17. Jahrhundert. Ornello nimmt mit kräftigen Schwüngen auf seinem Skateboard Anlauf, rollt auf die Treppe zu, springt oben ab, dreht das Board im Flug unter seinen Füßen und landet am Fuß der Treppe mit beiden Beinen auf dem Brett, bevor er in einem weiten Bogen ausrollt: Er grinst, Trick gestanden. Die Treppe und der gut zwei Tennisfelder große Platz vor der Kathedrale ist wie gemacht zum Skateboard-Fahren – und gilt als Ur-Spot der Luxemburger Skater.

vorbeikommt“, erzählt Nico. Mit dem Skatepark wurde die Szene noch größer, multikultureller und diverser: „Viele Frauen sind dazugekommen, dazu viele jüngere, aber auch ältere Skater, die nach Jahren ihr Board wieder ausgepackt haben, weil sie so einen tollen Park vor der Haustür haben.“ Skater finden überall außergewöhnlichen Spots. Da sind die steilen, kurvigen Straßen, die hinunter in den Grund führen; dort, in der von mittelalterlichen Häusern

geprägten Altstadt, wimmelt es nur so vor Treppen, Mauern und Handläufen.

Steile Kurven, große Kontraste Auf dem Kirchberg-Plateau, zwischen modernen Bauten aus Glas und Stahl, liegen große Plätze, die perfekt sind zum Skaten. „Kontraste wie in Luxemburg zwischen UNESCO-Welterbe-Altstadt und

Luxembourg Dreaming Schon vor mehr als 30 Jahren wurde an der Kathedrale geskatet; Ornello, Tom, Gilles und Nico waren da noch nicht geboren, heute gehören sie als Endzwanziger fast schon zum alten Eisen der Luxemburger Skater-Szene. Dass Skater unbehelligt vor der Kathedrale fahren dürfen, war für Nico, der aus München stammt, erst einmal ziemlich ungewöhnlich. In vielen Städten werden die Skater vertrieben, werden öffentliche Plätze so gebaut oder nachträglich präpariert, dass auf ihnen nicht geskatet werden kann. In Luxemburg ist das anders, die Szene genießt in der Stadt eine hohe Akzeptanz.

Die fast 3500 Quadratmeter große Anlage des Skatepark „Péitruss“ mit zwei Bowls, zig Treppen, Rampen, Rails und Curbs wurde 2016 eröffnet. Direkt daneben ragen die Überreste der historischen Befestigungsanlage auf, im Hintergrund führt das Viadukt über den Grund, das tiefeingeschnittene Tal in der Stadtmitte.

Der Skatepark „Péitruss“ beweist das. „Der Péitruss ist einer der größten und schönsten Skateparks Europas, mitten im Herzen der Stadt, wo auch jeder Tourist

25


In vielen Städten werden die Skater vertrieben, werden öffentliche Plätze so gebaut oder nachträglich präpariert, dass auf ihnen nicht geskatet werden kann. In Luxemburg ist das anders, die Szene genießt in der Stadt eine hohe Akzeptanz.

dem modernen Viertel Kirchberg findet man in sonst kaum einer Stadt. Das ist wie ein Wechsel zwischen zwei Welten. An anderen Stellen sind Alt und Neu direkt nebeneinander, das alte Postgebäude und die Galerie Lafayette etwa. Das ist natürlich auch für Skateboarder etwas Besonderes“, meint Nico.

Stadtplanung „for all“ Auch die Philharmonie steht auf dem Kirchberg. Vor der Glasfassade ragen hunderte schmale, hohe Säulen auf, zu den Seiten läuft das Gebäude wellenförmig aus – eine perfekte Rampe. Auf dem Platz dahinter wurden die Skater schon bei der Planung berücksichtigt – und sogar mit einbezogen: Die Stadtplaner fragten die Skateboarder, wie man die Sitzbänke so gestalten könnte, dass sie sich nicht so schnell abnutzen. Metallkanten waren die Lösung. Und so schlittern die Boards über die Kanten. Coole Skater vor KulturKulisse. Die Stadt: ein perfekter Spielplatz.

26

Skater-Hotspots  Philharmonie: Luxemburgs berühmtester Skatespot, der schon in vielen internationalen Skatemedien aufgetaucht ist. Ein offener Raum, auf und in dem jeder willkommen ist; das gilt auch für andere urbane Sportarten, zum Beispiel BMX (1, Place de l‘Europe).  Kathedrale: Geschichtsträchtigster Skatespot. Vor dem sakralen Bauwerk wird schon seit den 1980er-Jahren geskatet. Spektakulär sind die Sprünge über viele Treppenstufen (Boulevard Roosevelt).  „Alima“: Das Schulgelände ist ein Klassiker unter den Skatespots in Luxemburg. Guter Boden, gute Ledges und Blöcke und außerhalb der Schulöffnungszeiten jederzeit „skatebar“ (Lycée Aline Mayrisch, 30, Boulevard Pierre Dupong).  Skatepark Péitruss: Einer der größten und schönsten Skateparks Europas, gleichzeitig in der Stadt und im Grünen. Hier treffen sich „alte Hasen“ und Nachwuchsskater gleichermaßen (2, Rue SaintQuirin).

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

Jenseits der Hauptstadt  Skateplaza Belval: Auch der Süden wird von Skatern gerockt. Der Skateplaza Belval ist modern und weitläufig und mitten im Grünen im „Land der roten Erde“. Rockhal, Geschäfte und Cafés des hippen neuen Viertels Esch-Belval sind nur einen Sprung mit dem Board weit entfernt. (100, Avenue du Blues, Belval).  Skatepark Düdelingen: Der Skatepark „Schmelz“ in Düdelingen und die „Dirtline“ ziehen viele Besucher an. Die Anlage ist außerdem Austragungsort der jährlichen „Parc and Ride-Competition“, besser bekannt unter dem Namen „Dudelange on Wheels“ (Route de Thionville, Düdelingen).  Skatepark Kaul: Hoch im Norden und gleich beim Campingplatz Kaul liegt ein besonders schöner und moderner Skatepark inmitten des Activity-Parc Kaul. Auch hier gibt es regelmäßig Veranstaltungen und Schulungen (60, Campingstrooss, Wiltz).


Keine Berührungsängste mit der Monarchie: Ornello voll im Flow vor dem Großherzoglichen Palast.

Die Stadt ist die ideale Kulisse für Skater. Auf und Ab, Alt und Neu und viel Grün machen sie zum idealen „Spielplatz“. 27


Open and diverse URBAN ART AUS LUXEMBURG GEHT IN DIE LUFT

Flying Sumo „Live life like it’s the weekend“: In knallbunten Farben prangt der Schriftzug auf der Luxair-Boeing 737. Auch eine Dash-Propellermaschine der Fluggesellschaft düst bunt statt weiß, türkis und rot durch die Luft. Die Urban Art des Künstlers Sumo hebt ab. Text BIRGIT PFAUS-RAVIDA Fotos YANNICK IOB (OPENER), MIKE ZENARI

28

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


29


Sumos Kunst ist fröhlich, knallig, lebensbejahend. In Luxemburg am bekanntesten sind seine „Crazy Baldheads“, spitznasige Köpfe, die gefährlich die Zähne fletschen, aber dennoch lustig aussehen. Vor 25 Jahren hat Christian Pearson alias Sumo begonnen, in den Straßen, auf Wände und Züge Graffitis zu sprayen. „Beim Sprayen bist Du frei und anonym. Und du machst Dir nach und nach einen Namen in der Szene“, erklärt Sumo. Inzwischen ist seine Kunst international bekannt. Er malt und sprayt ganz legal auf Leinwände und im Auftrag auf Häuserwände. Und seine „Crazy Baldheads“ fliegen jetzt buchstäblich in die Luft – mit zwei Luxair-Maschinen.

hat er dieses Mal nicht Schicht für Schicht auf Leinwand oder Häuserwand gemalt und gesprayt wie sonst, sondern als Entwurf aufgezeichnet. Dann wurden überdimensionale Sticker daraus angefertigt. Das passt: Sumos Kunst kann sich jeder leisten, und Sticker transportieren Kunst für alle. Diese hier sind halt etwas größer. Bing, bang, boom: Pop Art auf der Flugzeugflanke. „Die Arbeit war super. Es hat unheim-

Freie Zeit, schöne Momente Mitten im Corona-Lockdown beschloss Luxair: Es muss ein positives Zeichen her. Fröhlich, Lust auf Reisen machend. Und welche Kunst wäre da besser geeignet als die bunten Buchstaben und Symbole von Urban Art-Künstler Sumo? Sumo hatte freie Hand: Motive, Texte, Komposition über den ganzen Flieger hinweg. Sein Spruch „Live life like it’s the weekend“ passt einfach. Losfliegen, Wochenende, freie Zeit, Freiheit, schöne Momente.

Sumos Kunst ist fröhlich, knallig, lebensbejahend. In Luxemburg am bekanntesten sind seine „Crazy Baldheads“, spitznasige Köpfe, die gefährlich die Zähne fletschen, aber dennoch lustig aussehen.

Die Boeing 737-800 mit dem Kennzeichen LX-LGU und die De Havilland Canada Dash 8-400 mit dem Kennzeichen LX-LQA durfte Sumo gestalten. 200 Stunden hat die Konzeption gedauert, 19 Stunden das Anbringen der Folien auf den beiden Flugzeugen. Seine sich überlappenden Motive

30

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

lich Spaß gemacht, das ging bis Mitternacht, ein Gefühl wie bei einem Startup-Unternehmen“, erzählt Sumo lachend.

Botschafter der guten Laune Und jetzt sind die beiden Flieger unterwegs, als Botschafter der guten Laune, als Megaphone der Urban Art made in Luxembourg.


Vor 25 Jahren hat Christian Pearson alias Sumo begonnen, in den Straßen, auf Wände und Züge Graffitis zu sprayen. Heute malt und sprayt er ganz legal auf Leinwände und im Auftrag auf Häuserwände.

Mitten im Corona-Lockdown beschloss Luxair: Es muss ein positives Zeichen her. fröhlich, Lust auf Reisen machend. Und welche Kunst wäre da besser geeignet als die bunten Buchstaben und Symbole von Urban Art-Künstler Sumo?

31


„Out of Office“, „Up and away!“ Sumo freut sich. Es sei eine große Ehre für ihn. Und: „Ich habe schon total viele Selfies vor den Fliegern von Leuten geschickt bekommen. Es hat sich sogar schon mal der Start verzögert, weil so viele vor dem Einsteigen Fotos machen wollten.“ Einsteigen lohnt sich aber: Denn auch im Inneren der Flieger hat Sumo Hand angelegt.

Die Boeing 737-800 mit dem Kennzeichen LX-LGU und die De Havilland Canada Dash 8-400 mit dem Kennzeichen LX-LQA durfte Sumo gestalten.

Sumo zum Anfassen  In seiner Gallery1to1 im Bahnhofsviertel kann man Sumos Kunst live erleben, ob großformatige Bilder oder originelle Merchandising-Artikel. Außerdem stellen hier auch andere einflussreiche und aufstrebende Urban-Art-Künstler aus, die Sumo fördern will. Urban Art: Definitiv salonfähig! Gallery1to1, 31, rue de Strasbourg; www.sumo.lu  Flug mit Gute-Laune-Garantie: Die Flugzeuge, die Sumo gestaltet hat, kann man auf der LuxairHomepage kennenlernen und „planespotten“. www.luxair.lu

Seine sich überlappenden Motive hat er dieses Mal nicht Schicht für Schicht auf Leinwand oder Häuserwand gemalt und gesprayt wie sonst, sondern als Entwurf aufgezeichnet. Dann wurden überdimensionale Sticker daraus angefertigt.

 Sumo ganz plastisch: In Cessingen hat der Künstler ein Gebäude mitgestaltet, das aussieht, als würden sich Schubladen in den Himmel schieben. Das Haus des Architekturbüros „Metaform“ fasziniert mit kubistischer Ästhetik – und mit der feurig-leuchtenden Gestaltung von Sumo. www.metaform.lu

32

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG



Outdoors Passion ON THE ROAD MIT ANHANG

Drinnen im DrauÃ&#x;en

34

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Mal ein bisschen Komfort wagen! Mit einem Wohnanhänger trotzt man jedem Wetter, schläft wie im Hotelzimmer und ist doch immer draußen an der sprichwörtlichen frischen Luft. Ein Luxemburg-Roadtrip mit Anhang. Text THOMAS JUTZLER Fotos ANDRÉ SCHÖSSER, THOMAS JUTZLER

35


Der frühe Vogel fängt das ­schönste Fotomotiv. ­Friedlich liegt die Landschaft um ­Fromburg im Sonnen­ aufgang. Die nahe Sauer schickt ­schwebende ­Nebel­schwaden vorbei.

36

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Das Großherzogtum ist überzogen von einem Netz aus kleinen und größeren – sehr gut ausgebauten – Wegen, die es uns Entdeckern leicht machen, einfach drauflos zu fahren.

37


Müllerthal: Kurz vor Berdorf windet sich die Straße durch die massigen ­Felsblöcke des Luxemburger ­Sandsteins. Die Landschaftsformationen sind das Ergebnis eines Urmeeres, das die Region vor 250 Millionen Jahren bedeckte.

38

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Es ist Liebe auf den ersten Blick. In glänzendem Rot-Weiß wartet der knuffig-runde Eriba-­RockabillyWohnwagen an der Verleihstation. Eine gemütliche Mixtur aus Ferien­ wohnung mit Punkte-Gardine und Camping­mobil. Das Ganze im Retro-Design der 1950er-Jahre. Klein und rund. Also angehängt, die Knutsch­kugel, und die Rocka­ billy-Playlist a­ ngeschmissen. Wir wollen – aus Deutschland kom­ mende Camper, die wir sind – das Nachbarland kennenlernen! Die Boombox spielt „Peggy Sue“ von Buddy Holly. Und schon haben wir einen Namen für unser Hotelzimmer auf Rädern: Peggy Sue werden wir den Anhänger ab jetzt nennen. Der Begriff Rocka­ billy stammt aus den Südstaaten der USA, wo sich weiße Musiker in den 1950er-Jahren im Rhythm and Blues übten. Heraus kam eine Mischung aus Rock und Country. Also Rock, der von den soge­ nannten Hillbillys – so die etwas abschätzige Bezeichnung der Land­ bevölkerung – gespielt wurde. Da passt es doch ganz gut, dass wir unseren großherzoglichen Road­ trip ganz im Norden Luxemburgs beginnen. Auf dem Land. Auf den vergleichsweise rauen Plateaus der Ardennen.

Breaking good Auf den windigen Hochebenen im sogenannten Éislek ist es nicht ganz einfach, Landwirtschaft zu be­ treiben. Immerhin ist man auf etwa 500 Metern Höhe. Die Genossen­ schaft der Ourdaller Bauern hat sich daher etwas einfallen lassen. Sie setzen auf Ölsamen. Mohn,

Raps, Lein und Hanf wächst hier ganz gut. Wir sind mit dem Initia­ tor der Genossenschaft verabredet. Norbert wird uns die Produk­ tionsanlagen zeigen. Er öffnet die Tür zum ehemaligen Kuhstall. Wir treten ein und sind sofort umhüllt von einem würzig-­süßen Duft. Die Luft kommt einem weich und schwer vor. Man will gar nicht aufhören, berauscht einzuatmen! „Na? Kennen Sie den Geruch?“ Der fast 70-Jährige grinst uns an. „Wir stellen CBD-Produkte für die Pharmazie her. Natürlich in Kooperation mit den Behörden, aber der Hanfanbau ist für uns, in dieser strukturschwachen Region, natürlich eine Chance.“ Wir sind baff. Da ist man in einem verschlafenen Drei-Seelen-Dorf in den Ardennen, und ehe man sich

versieht, findet man sich in einer Breaking-Bad-Szenerie mit aller­ lei hightech Destillationsgeräten wieder. THC ist natürlich nicht drin, aber das Aroma ist um so herrlicher, und so decken wir uns mit ein paar Tüten Hanfblütentee ein, bevor wir weiterfahren.

Babylon Auf dem Weg zum ObersauerStausee, wo wir unsere Stand-up-­ Paddelkünste testen wollen, machen wir noch einen Halt in Kautenbach. Hier endet der 52 Kilometer lange „Lee Trail“. Wir wandern ein kleines Stück davon in entgegengesetzte Richtung. Der Weitwanderweg führt über kleine Pfade durch Stein­ eichenwälder, vorbei an schroffen Gesteinsformationen und über

Fels, Wald und Wasser sind die Elemente, die die ­Region ­Müllerthal ­prägen. Im Talgrund bei der ­Burgruine Beaufort läuft man auf ­Stegen über die sumpfartige Wiese. Die beeindruckende Ruine aus dem 12. Jahr­hundert wartet ­trutzig im Wald auf ­Besucher. ­Direkt hinter der Burg befindet sich ein gut erhaltenes Renaissanceschloss.

39


Die Sauer ist einer der ­größten Nebenflüsse der ­Mosel. Auf etwa 170 ­Kilometern ­windet sie sich in etlichen Bögen durch die Ardennen. Der Abschnitt zwischen Wallendorf und Echternacherbrück eignet sich besonders gut zum Paddeln.

40

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Paddeln auf der unteren Sauer ist etwas für jeden: Der Fluss fließt ­gemächlich, die Stromschnellen sind für Anfänger geeignet und das ­Wasser reicht an den meisten ­Stellen ­höchstens bis zur Hüfte. Kentern erlaubt!

41


­ elskämme und Hochplateaus. Für F den ganzen Weg bräuchte man drei bis vier Tage. Wir schnuppern nur rein, erleben sattes, dunkles Grün und pflücken hin und wieder Hei­ delbeeren, die hier wild w ­ achsen. Also weiter! In Esch-Sauer sehen wir schon die ersten „SUPler“ auf der Sauer durch das Dorf paddeln. Noch ein paar Kurven, und der See liegt vor uns. Zur Hälfte Schutz­ gebiet, zur Hälfte für den Sport freigegeben, ist er ein beliebtes Ausflugsziel der Einheimischen. Auf der Wiese am See wird sie uns zum ersten Mal bewusst: die Vielsprachigkeit und Multi­ kulturalität Luxemburgs. An den Grillstellen hören wir eine babylo­ nische ­Mischung aus Französisch, Luxemburgisch, Deutsch und ­Portugiesisch. Die Portugiesen sind die größte Einwanderergruppe. Sie kamen als Gastarbeiter und blie­ ben. Im Gespräch am Grill lernen

wir: Typisch luxemburgisch sind zum Beispiel auch portugiesische Restaurants! Nach einigen Paddelstichen in kristall­klarem Wasser packen wir unsere Siebensachen und zuckeln weiter über kehrenreiche Land­ sträßchen bergauf, bergab zu unse­ rem Campingplatz „Kohnenhof“.

kommend, sind die Ardennen die ersten richtigen Berge. Dazu ist es – aus holländischer Sicht – Aus­ land. Also stellt sich ein Urlaubs­ gefühl ein! Und da die Holländer bekanntermaßen (oder dem Kli­ schee nach) Camping-Narren sind, wird in dieses Segment ordentlich investiert.

Von den Holländern lernen

Wir parken Peggy Sue. Der Kühl­ schrank summt, die Lichterkette ist angebracht, das Lager ist bereitet. Wir gehen ins angeschlossene Restaurant „Am‘Our“, wo aus­ schließlich regionale Produkte über dem Holzfeuerofen zubereitet werden. Draußen und Drinnen ver­ schmelzen. Outdoor und Indoor in perfekter Kombination. Warum das bisher hauptsächlich die Holländer mitbekommen haben, wie cool das hier ist? Und nur wenige Deutsche? Wissen wir nicht. Für uns war ­Luxemburg bisher auch nur „ir­ gendwas mit Europa und Amazon“.

Bevor wir unseren Platz erreichen, rufen wir ein Dutzend Mal: „Da isser! Jetzt sind wir da!“ Um dann festzustellen: Nee, war ein anderer Campingplatz. Im Großherzogtum gibt es eine super Infrastruktur für Camper! In vielen lauschigen Fluss­ biegungen sind kleine und kleinste Plätze. Oft nur eine Reihe am Ufer entlang. Und oft fest in holländi­ scher Hand. Aus den Niederlanden

Esch-Sauer ist ein typischer Ardenner Burgflecken zwischen Bergen eingekeilt und von der Sauer umflossen — und gehört hinsichtlich seiner Lage zu den einzigartigsten Ortschafen des Landes. Durch zwei Tunnel führt eine Straße zum Sauerstaudamm.

Am Amazonas Apropos Amazon! Bei „Ronn’s ­Bikes und Kajaks“ leihen wir uns selbige und paddeln auf dem Ama­ zonas zwischen Wallendorf und Echternach. Naja, nicht ganz. Noch einmal ist es die Sauer. Vor uns fliegt ein Eisvogel von Ast zu Ast. Immer, wenn wir uns mit den Booten nähern, fliegt er einen Busch weiter, bis wir ihn irgend­ wann aus den Augen verlieren. Kurz vor Echternach nimmt Ronn, der schon als Kind mit seinen Eltern hier zum Urlauben war und nun den Kajak- und Bike-Verleih betreibt, die Boote in Empfang. Wir schlagen uns noch etwas in die Büsche. Genauer gesagt in die

42

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Die Region Müllerthal um Echternach ist als ­Kleine L ­ uxemburger Schweiz bekannt und ­durchzogen von Schluchten mit Bachläufen, urwaldartiger Vegetation und engen Klüften und Höhlen. 43


Inmitten der ­Ardennen, in einem b ­ ewaldeten Tal direkt am Grenzfluss Our, liegt der Campingplatz „Kohnenhof“. Flussabwärts kommen noch einige mehr. Eingebettet in die saftiggrünen Täler der Region.

44

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Ruhe und ­Abgeschiedenheit – die ­findet man auf vielen ­luxemburger ­Campingplätzen. Aber auch den kleinen ­Luxus! Die Vorzüge der ­Zivilisation ­genießt der reisende ­Gourmet zum Beispiel im erstklassigen Restaurant „Am'Our“, ­direkt neben dem „Camping ­Kohnenhof“.

45


Auร er in der Wasserschutzzone, die von der Hauptstaumauer bis etwa 5 km in den See hineinreicht, ist eine Vielzahl von Wassersportarten mรถglich, wie zum Beispiel Schwimmen, Paddeln, Tauchen, Surfen und Segeln. 46

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Der Naturpark Obersauer, im Nordwesten Luxemburgs gelegen, wird geprägt von seinem 380 ha großen Stausee, dem größten Trinkwasserreservoir Luxemburgs. Die steilen und bewaldeten Hänge, die oftmals direkt bis ans Ufer reichen, schaffen ein besonders natürliches, unberührtes Landschaftsbild das zum Entspannen einlädt.

47


Felsen. Die Region um Echter­ nach ist als Kleine Luxemburger Schweiz bekannt und durchzogen von Schluchten mit Bachläufen, ­urwaldartiger Vegetation und engen Klüften und Höhlen. Zurück zum Campingplatz kom­ men wir mit dem ÖPNV. Da muss man hier nicht viel planen. Der ist im ganzen Land umsonst. Also kostenlos. Verrückt. Ist aber so. Einsteigen, fahren, wohin man will. Ohne Ticket! Praktisch übrigens für Rucksackreisende.

Landleben

die Gäste der Ferienwohnungen sind eingeladen, mitzugärtnern. Unter den bräsigen Blicken der hofeigenen Angus-Rinder pflücken wir, gemeinsam mit Hofeigentümer Jeff, den Salat und die Tomaten und Zwiebeln für das Barbecue, das wir gemeinsam mit Jeffs Freund und gelerntem Koch Philippe zu­ bereiten wollen. Philippe hat ein altes Ölfass mit aufliegender Eisenplatte zum Ofen umfunktioniert. Mit Loch für den Dutch Oven. Darin köchelt eine herrlich duftende Senfsoße. Alles kommt vom Feld direkt auf den Tisch. Outdoor-­Cooking der aller­ feinsten Sorte! Bon appétit!

Zum Abschluss unserer Tour ­wollen wir noch mal Landluft schnuppern. Der Fromburger Hof mit seiner Solidarischen Land­ wirtschaft (kurz: SOLAWI) hat uns neugierig gemacht. Über 50 verschiedene Kulturen werden hier angebaut. Obst, Kräuter, Beeren, Blumen, Gemüse – alles kann von den Mitgliedern der SOLAWI direkt vom Feld oder aus dem Ge­ wächshaus geerntet werden. Auch

48

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

„Gromperenkichelcher mat Wäinzoossiss “ (deutsch: Kartoffelpuffer mit Wein-Bratwürsten) sind noch besser, wenn sie in der Outdoor-­ Küche auf dem Feuerring gebrutzelt werden!

In Luxemburg bequem mobil  Luxemburg hat ein sehr enges Netz komfortabler Campingplätze, die über das Land verteilt sind. Zusätzlich zu den Stellplätzen für Wohnwagen, Wohnmobile und Zelte gibt es originelle und ku­ schelige Übernachtungsmöglich­ keiten wie Holzpods, Blockhütten oder Tipis. www.camping.lu  Der öffentliche Transport ist im ganzen Großherzogtum kostenlos (in der 2. Klasse). Die meisten Campingplätze sind gut an das Netz des öffentlichen Nah­ verkehrs angebunden. Über die App der Mobilitätszentrale kann man sich Fahrpläne informieren. www.mobiliteit.lu  Mit der Luxembourg Card gibt es viele Vergünstigungen und Tipps rund um touristische Attraktionen im ganzen Land. Einfach die App herunterladen. www.luxembourgcard.lu


Während Speck, Kartoffelpuffer und Bratwürste auf dem Feuerring brutzeln, lade ich Jeff vom Fromburger Hof auf ein original luxemburger Hanf-Bier ein. Wir sitzen vor Peggy Sue und der Blick geht über die Felder, die in der Abendsonne liegen. „Das Essen ist fertig!“ – ­Philippe ruft von hinten. Die ­Rinder, die von Bratwürsten nichts wissen wollen, muhen z­ ufrieden. Insekten tanzen in der Sonne. So lässt es sich a­ ushalten.

49


Transforming Experiences EIN KÜNSTLER AUS DEM ÉISLEK

Seine Bäume, seine Welt 50

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Die Luxemburger Ardennen im Norden des Landes sind Jean-Marie Biwers Heimat. Die hügelige und grüne Landschaft ist eine nicht versiegende Quelle an Motiven für den Künstler. Seit mehr als 40 Jahren malt er. Seine Werke werden regelmäßig ausgestellt, etwa im Mudam; man kann sie sogar permanent in Washington sehen — oder in seinem Atelier im kleinen Ort Niederbesslingen ganz oben auf Luxemburgs Landkarte. Text BIRGIT PFAUS-RAVIDA Fotos VERONIQUE KOLBER

51


Im Atelier kommen die Eindrücke auf die Leinwand. Auf Quadraten, nicht größer als das Cover einer Schallplatte, oder auf Rechtecken, die ganze Wände füllen.

Jean-Marie Biwers Bilder sind voller Symbole und vielleicht sogar voller großer Wahrheiten. Und dennoch wirken seine Bilder unangestrengt einfach.

52

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Hohe Birken stehen vor dem großen Fenster, durch das Jean-Marie Biwer blickt, wenn er morgens den ersten Kaffee des Tages trinkt. Den bereitet der Maler in einer altmodischen Espressokanne auf dem Herd zu. Stark und schwarz, so muss er sein. Wenn JeanMarie Biwer dann das alte, liebevoll und über Jahre hinweg restaurierte Bauernhaus verlässt und mit seiner Frau Geneviève spazieren geht, sieht er die Hügel des Éislek, einen kleinen Teich unweit des Hauses, Kühe, einzelne Bäume, ein Wäldchen. Er macht Zeichnungen in eines der Skizzenbücher, von denen es mittlerweile fast so viele gibt wie Blätter an den Birken, die er zur Geburt seiner Kinder gepflanzt hat. Im Atelier kommen die Eindrücke auf die Leinwand. Bäume. Kühe. Menschen. Die Kaffeekanne. Pinsel, Farben und Werkzeug. Eine Schale mit Äpfeln. Ein Mann, der nachdenklich zur Seite blickt. Biwers Welt. Auf Quadraten, nicht größer als das Cover einer Schallplatte, oder auf Rechtecken, die ganze Wände füllen.

Blätterstrukturen wie brechendes Eis Jean-Marie Biwer malt, was vor seinen Augen ist. Was hinter den Motiven steht, ist oft mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Ist voller Symbole und vielleicht sogar voller großer Wahrheiten. Und dennoch wirken seine Bilder unangestrengt einfach. „Wenn jemand nur Bäume auf meinen Bildern sieht, ist das für mich in

Ordnung“, sagt Jean-Marie Biwer mit einem verschmitzten Lächeln. „Aber meist steckt mehr darin.“ In der Rinde der Birke ist ein Umriss von einem Kind zu sehen. In der Struktur der Blätter vor dem blauen Himmel verstecken sich Motive aus der Astrophysik und der Quantenmechanik, Synapsen im Gehirn, oder Eis, das bricht. Das Große im Kleinen zu zeigen, Hintergründiges im Vordergründigen zu verstecken, ist eine Kunst, die Biwer ganz unangestrengt und ohne viel Aufhebens gelingt.

Biwer ist ein guter Beobachter. Und er hinterfragt mit seinem Werk auch die heutige Rolle der Malerei in einer Welt, in der Bilder und Informationen als wahre Flut auf uns einprasseln. „Ich möchte den Menschen einfach ein Gefühl von Raum und Tiefe zurückgeben in einer Zeit, in der vieles nur noch auf dem Bildschirm passiert“, erklärt der Maler. Über 45 Jahre Auseinandersetzung mit der Kunst und ihren vielen Formen spiegeln sich in seinem abwechslungsreichen Werk wider. Wer sein Atelier besucht,

Jean-Marie Biwer, geboren am 17. September 1957 in Düdelingen, ist seit 1974 freischaffender Maler und hat seither zahlreiche Auszeichnungen erhalten. 1993 vertrat er Luxemburg bei der Biennale in Venedig. Der Vater von zwei Kindern lebt seit den 1980er-Jahren mit seiner Frau, der Kunstfotografin Geneviève Badoual, im Éislek im Norden Luxemburgs.

53


entdeckt sensible Aktmalereien, hingehaucht mit Aquarellfarben, fragile Zeichnungen aus seiner Feder und zarte Lithografien.

Sichtbar gewordene Musik Jean-Marie Biwer kann zu jedem Motiv eine Geschichte erzählen, und er erzählt gern, während er von Raum zu Raum geht. Zum Beispiel von dem Klavierspieler aus dem Dachgeschoss, der die kleine Wohnung in Paris jeden Tag mit Tönen füllte, als Familie Biwer vorübergehend dort lebte; die Noten finden sich als unzählige rhythmisch bewegte Flecken in Aquarellen wieder, die seine schlafende Frau auf dem Bett in dem Pariser Appartement zeigen. Sichtbar gewordene Musik.

Wer die Bilder von Jean-Marie Biwer betrachtet, kann sich in die Landschaften träumen. Und er kann, wenn er genau hinsieht, Zwischentöne und Schattierungen erkennen, die weit über das hinausgehen, was das Auge auf den ersten Blick sieht.

Auf den Spuren des Künstlers wandeln

Ausflugstipps in inspirierender Umgebung

 Einige von Jean-Marie Biwers Werken sind in Luxemburg im Nationalmuseum für Geschichte und Kunst (MNHA) und im Mudam in der Sammlung vertreten und werden in Wechselausstellungen dort gezeigt.

 Der Escapardenne-Weitwanderweg führt in der Nähe des Wohnortes von Jean-Marie Biwer vorbei. Der 106 km lange „Escapardenne Eislek Trail“ ist nach den Kriterien des Qualitätssicherungssystems „Leading Quality Trails – Best of Europe“ (LQT) zertifiziert. www.escapardenne.eu

 Im Festsaal der Gemeinde Düdelingen, im Eingangsbereich und im Konferenzsaal der Gemeinde Ulflingen sind Bilder von Jean-Marie Biwer dauerhaft zu sehen. Zudem hängen Bilder in einigen Banken, etwa im Hauptgebäude der staatlichen Sparkasse in LuxemburgStadt („Rousegärtchen“/Avenue de la Liberté). Auch in Übersee ist Jean-Marie Biwer vertreten: Den runden Festsaal der Luxemburger Botschaft in Washington schmücken mehrere seiner Birkenbilder.  Die Werke von Jean-Marie Biwer kann man bei Facebook anschauen – oder den Künstler persönlich in seinem Atelier in Niederbesslingen besuchen. Hier entstehen täglich neue Werke. Die wunderschöne Landschaft in der Umgebung lädt dazu ein, „Biwers Welt“ bei einem Spaziergang oder einer Wanderung kennenzulernen. Und sich von der Natur inspirieren zu lassen. (www.facebook.com/jeanmarie. biwer).

54

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

 Einer der beiden höchsten Punkte des Landes (558 m) befindet sich im nahen Huldingen auf dem „Burrigplatz“ (Burgplatz). Hier führt der Ravel-Radwanderweg „Vennbahn“ von Aachen nach Ulflingen (125 km) vorbei.  (Digital-)Detox im Kloster Cinqfontaines/Fünfbrunnen: Ein idealer Ort, um zur Ruhe zu kommen. Und vielleicht selbst kreativ zu werden, ob mit Skizzen- oder Schreibblock.

Kultur auf dem Lande  Luxemburg hat auch auf dem Lande jede Menge Kultur zu bieten, ob Musik, Tanz, Theater und Kleinkunst, literarische Abende, Bildende Kunst, Kino, Workshops oder andere Angebote auf internationalem Niveau. Eine Zusammenfassung regionaler Kulturzentren gibt es auf www.reseau.lu


Jean-Marie Biwer malt, was vor seinen Augen ist. Was hinter den Motiven steht, ist oft mehr, als man auf den ersten Blick sieht.

Die Luxemburger Ardennen im Norden des Landes sind Jean-Marie Biwers Heimat. Die h端gelige und gr端ne Landschaft ist eine nicht versiegende Quelle an Motiven f端r den K端nstler.

55


Outdoors Passion DIE VELOSVEDETTEN ON TOUR DURCH LUXEMBURG

Sie sind die „Spice Girls“ der Luxemburger Radsportgruppen. Die Velosvedetten sind alles andere als Sonntagsfahrerinnen, aber vor der sportlichen Leistung stehen der Spaß und die Gemeinschaft. Text CHRISTIANE WÜRTTEMBERGER Fotos OLIVER RAATZ

5656 LUCILUCI INSPIRING INSPIRING TRAVEL TRAVEL STORIES STORIES FROM FROM LUXEMBOURG LUXEMBOURG


Schnelle Truppe, groĂ&#x;e Freundschaft 57 57


Es ist Samstagmorgen um zehn Uhr, ein strahlender Frühsommertag. Auf dem Parkplatz in Ettelbrück machen sich heute sechs Velosvedetten bereit: Die Räder werden gecheckt. Schuhe gewechselt, Helme und Sonnenbrillen angepasst. Noch ein kleiner Plausch – wie war eure Woche, was gibt’s Neues, wo geht’s jetzt gleich lang? Und schon geht’s los. Noch gemächlich treten die jungen Frauen stadtauswärts in die Pedale. Ein gut 40 Kilometer-Rundkurs liegt heute vor ihnen. Immer am Wochenende treffen sich die Sportlerinnen, und manchmal nehmen sie auch gemeinsam an Freizeit-RadsportEvents teil. Davon gibt es eine ganze Menge in Luxemburg – etwa den „24H Velo Wentger“, „La Charly Gaul“ oder den „Schleck Gran Fondo“. Das kleine Land ist radsportbegeistert.

Luxemburg ist eine RennradNation Schon beim ersten Stopp schwärmen die Frauen von ihrer Heimat: Luxemburg sei ein tolles, abwechslungsreiches Land gerade für Radurlauber, im Süden landschaftlich ganz anders als im Norden. Die Velosvedetten sind heute morgen am Rand der Luxemburger Ardennen unterwegs, einer bergig-hügeligen Landschaft, die immer wieder kilometerweite Panoramablicke bietet. Sie schnaufen plaudernd den Berg hinauf, machen mit Blick auf die Burg Burscheid eine kurze Trinkpause, flitzen hintereinander auf schmalen Straßen durch Alleen und gondeln gemütlich durch kleine Dörfer.

Liz Van Rijswijck. „Aber mittlerweile geht’s uns schon um mehr: um Freundschaften und um Solidarität zum Beispiel.“ 2018 hat die Rennradlerin gemeinsam mit Tamara Jung und Xenia Pfeiffer die Velosvedetten offiziell gegründet, eine Gruppe für Frauen, die gern gemeinsam auf Tour durch Luxemburg gehen. Als „Feministinnen“ verstehen sich die Sportlerinnen zwischen 25 und 65 Jahren nicht, aber eine „Bewegung“ nennen sie die Gruppe manchmal schon.

Die Idee zu den Velosvedetten entstand, weil Liz und ihre Mitstreiterinnen merkten, dass Männer einfach aufgrund ihrer Physis oft schneller fahren können – und weil bei einigen Frauen der Wunsch entstand, doch mal beim Radfahren unter sich zu bleiben.

„Am Anfang wollten wir wirklich nur gemeinsam Rad fahren“, erzählt

58

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

„Wir stärken uns gegenseitig!“ „Wir stärken uns gegenseitig“, erzählt Noémie Colletin, die bei der fröhlichen, bunten Mannschaft die Social-Media-Kanäle bespielt. „Wenn eine mal konditionell nicht so gut drauf ist, dann fahren halt alle langsamer, das finde ich toll.“ Noémie selbst zum Beispiel hat sich ihr erstes Fahrrad erst vor etwa


Die Luxemburger Ardennen, eine bergighügeligen Landschaft, die immer wieder kilometerweite Panoramablicke bietet.

Die Frauen lieben das kleine Augenzwinkern: „Don’t follow me“, steht zum Beispiel auf Noémies linkem Socken. Und rechts: „I’m lost too.“

59


drei Jahren gekauft. „Heute kann ich mir ein Leben ohne Rennradfahren gar nicht mehr vorstellen“, meint sie lachend.

„Mir maan eng Rees, mir maan eng Rees!“ Diese Frauen wissen alle genau, was sie tun, was sie wollen, und wo der Spaß aufhört. Beim Fahren ohne Helm zum Beispiel: „Zu gefährlich, wir nehmen niemanden ohne mit, und schon gar nicht Gäste“, meint Liz. Männer dürfen auch gerne dabei sein, aber nur, wenn sie nicht versuchen, Tempo zu machen. „Hier haben wir Frauen das Sagen“, meint Noémie und lacht. Die Velosvedetten verstehen sich so gut, dass sie einmal im Jahr zusammen in den Urlaub fahren. Und das Singen klappt auch schon ganz gut, damit lenken sie sich ab, wenn’s allzu steil wird: „Mir maan eng Rees, mir maan eng Rees!“ – wir machen eine Reise. Na denn. Ziele gibt’s für die Frauen ja mehr als genug.

Radsport in Luxemburg  Die Region Müllerthal zum Beispiel mit ihrer abwechslungsreichen Landschaft eignet sich für Profi- genauso wie für HobbyRennradfahrer. Nicht zuletzt die grandiosen Aussichten bieten puren Fahrgenuss. Wälder, Hügel und Felsformationen säumen die kurvigen, verkehrsarmen Straßen und machen die Region zu einem idealen Revier für Radfahrer. www.mullerthalcycling.com  Bekannte Events sind etwa der „24h Velo Wentger“ oder „La Charly Gaul“. Das JedermannsRennen ist ein sportliches Highlight im Müllerthal. Der Luxemburger Namenspate galt als „Engel der Berge“. Start und Ziel sind in Echternach. www.24hwentger.lu www.lacharlygaul.lu  Die Gebrüder Schleck waren jahrelang erfolgreiche ProfiRennradfahrer. Andy gewann die Tour de France 2010, Fränk

23 nationale Radwanderwege auf insgesamt 600 Kilometern Länge gibt es in Luxemburg, hinzu kommen noch 700 Kilometer Mountainbike-Strecken. Entlang stillgelegter Bahnlinien, an romantischen Flüssen, durch kleine Dörfer und an schönen alten Burgen vorbei führen die Touren.

60

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

belegte 2011 Platz 3 der Tour; auch bei anderen internationalen Rennen waren die beiden Brüder oft vorne dabei. Fränk und Andy Schleck sind Namenspaten für das „Schleck Gran Fondo“, ein Rennen, das Profi-Strecken von 90 und 160 Kilometern Länge bietet. Die Brüder stammen aus dem Kurort Bad Mondorf, wo das Thermalbad und der große Wellness- und Schwimmbereich zur Entspannung nach dem Sport einladen. www.schleck-x-perience.com www.mondorf.lu  Seit 2020 steht der Sommer in Luxemburg im Zeichen des Fahrrads! In den „großen Ferien“ werden beim „Vëlosummer“ die nationalen Radwege über Straßensperrungen miteinander verbunden. So können Freizeit-Radler in allen Regionen und ungestört vom Autoverkehr Routen neu mit dem „Velo“ entdecken. www.velosummer.lu  Selbst Lust, das Land auf zwei Rädern zu erkunden? Ideen rund um nationale Radwege und Touren gibt es bei der „Lëtzebuerger VelosInitiativ“. www.lvi.lu


mobiliteit.lu

2465 2465

mobiliteit.lu

mobile apps

© 12/2020 Verkéiersverbond

Finden Sie die schnellste Route mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Luxemburg dank unserer App!


Naturally Europe CFL-WANDERWEG „MANTERNACHER FIELS“

Durch den wilden Schluchtwald 62

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Uralte Bäume, seltene Pflanzen und sanft fließende Bäche – bei einer Tour in der „Manternacher Fiels“ zeigt sich Luxemburgs Natur von ihrer wilden Seite. Der 11,5 Kilometer lange CFL-Wanderweg führt durch eine urwüchsige Landschaft. Am Ende kann man entspannt in den Zug steigen und zum Ausgangspunkt zurückfahren. Text JAN MAIER Fotos OLIVER RAATZ

63


Zu Beginn führt der Wanderweg an Streuobstwiesen entlang. Hier wachsen vor allem Äpfel, die zu Viez werden.

Dicker Brummer: Solche massiven Baumstämme würden in anderen Wäldern abtransportiert. Nicht so im Naturschutzgebiet.

64

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Ein Meer aus hellgrünen Farnen und Steinen, die mit dunkelgrünem Moos überzogen sind, zieht sich den steilen Hang empor. Ringsherum stehen Linden und Ahornbäume, hier und da liegen umgefallene überwucherte Baumstämme. Ein schmaler Pfad führt durch den Wald. Die Luft fühlt sich feucht an. Es ist angenehm kühl, trotz der sommerlichen Temperaturen. Unten im Tal plätschert leise die Syr. Willkommen im wilden Schluchtwald der „Manternacher Fiels“. Das abwechslungsreiche Naturschutzgebiet liegt im Osten Luxemburgs. Zwischen Manternach und Wasserbillig kann man es auf einem 11,5 Kilometer langen Wanderweg der nationalen Eisenbahngesellschaft CFL erkunden. Die Tour beginnt am Bahnhof von Manternach. Nach 100 Metern ein erster Zwischenstopp im Naturschutzzentrum „A Wiewesch“. An der Decke des restaurierten Bauernhauses aus dem 19. Jahrhundert hängen landwirtschaftliche Gerätschaften aus längst vergangenen Zeiten. Eine Ausstellung thematisiert die Verbindung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. „Beides kann nur Hand in Hand funktionieren“, ist Wander-Guide Luc Roeder, Förster des Reviers Manternach, überzeugt.

Hirschzunge und Gierschdolden

allem süßen Viez, erklärt Luc. „Das ist noch nicht gegorener Apfelsaft, der nur gekeltert und sofort konsumiert wird.“ Nach einem spektakulären Ausblick auf Manternach, eine der ältesten Ortschaften Luxemburgs, tritt man durch ein Gatter in den mit 57 Hektar Fläche größten Schluchtwald des Landes und in die „Manternacher Fiels“ ein. Schon nach wenigen Metern ist zu spüren, wie die Luft feuchter und kühler wird. Genau in

diesem Klima fühlten sich Moose und Farne wohl, erklärt Luc. Besonders die seltene Hirschzunge mit ihren großen ungeteilten Blättern sprießt in Büscheln zwischen den schattigen Felsen. „Dieser Farn ist sehr typisch für den Schluchtwald“, sagt Luc. In seiner Stimme schwingt deutlich Stolz mit, immerhin wächst der seltene Farn hier besonders ausgeprägt. Der schmale Pfad führt in stetem Auf und Ab tiefer in den Wald

Über 100 Treppenstufen schnaufen die Wanderer hier empor. Mitzählen lohnt sich, denn es sind in jedem Fall ein paar mehr. Wie viele mehr? Selbst ausprobieren!

Am Ortsausgang überquert der Weg zum ersten Mal die Syr einen schmalen, 32 Kilometer langen Bach, der von Syren nach Mertert fließt. Dann geht es einige Naturtreppen hoch gen Wald, vorbei an Streuobstwiesen. Aus den hier wachsenden Äpfeln macht man vor

65


Die Wanderwege in Luxemburg sind generell gut ausgeschildert. In der Mitte das charakteristische CFL-Zeichen.

hinein. Gierschdolden säumen den Weg. Hier im Naturschutzgebiet darf das bei Gärtnern eher unbeliebte Wildkraut ungestört wachsen. Denn seit etwa 50 Jahren wird der ganze Wald sich selbst überlassen. Bis auf notwendige Rückschnitte wegen der nahen Bahnstrecke und der Wanderwege wird kein einziger Baum mehr gefällt. Die Folge: jede Menge umgestürzte und langsam zerfallende Stämme und Äste. Wildnis greift um sich, Natur blüht auf. Die Artenvielfalt wächst. Es entsteht ein „Urwald von morgen“, erklärt Luc. „Wir haben hier viele Insekten, die auf Totholz angewiesen sind. Zugleich kann das Totholz viel Wasser aufnehmen und während der Trockenphasen wieder abgeben. Das ist wichtig für das relativ feuchte Klima im Wald.“

Ein Zuhause für Eisvogel und Schwarzspecht Ein nächster Stopp. Luc zeigt auf einen mehr als 200 Jahre alten Bergahorn etwas abseits des Weges. Der Durchmesser ist gewaltig. Es braucht vier Erwachsene, um gerade so einmal den gesamten Stamm zu umarmen. Anderenorts hätte man den majestätisch anmutenden und wertvollen Baum wohl längst gefällt und verwertet, meint Luc. „Aber nicht bei uns. Der darf stehenbleiben.“ Die Hirschzunge verdankt ihren Namen ihren leicht gerollten, spitzen Blättern.

66

Während der Wanderung vermischt sich das Bachgeplätscher immer wieder mit dem Piepen und Zwitschern der Vögel. Mit etwas Glück könne man an manchen Tagen sogar Eisvögel sehen, erzählt Luc. Die mittlerweile seltene Vogel-

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

art habe an den steilen Uferhängen der Syr ihren Lebensraum gefunden. Auch für den stark gefährdeten Schwarzspecht sei die naturbelassene „Manternacher Fiels“ ideal. Luc zeigt auf einen Baumstamm, in dem eine trapezförmige Höhle klafft. „Die hat ein Schwarzspecht auf der Suche nach Insekten mit seinem Schnabel in den Baum geklopft. Sobald die von ihm verlassen wird, leben darin oft andere Vögel, Fledermäuse oder Insekten.“ Später siedelten sich auch Pilze an. Im langsam absterbenden Holz gedeiht das Leben – ganz am Ende bleibt der Humus.

Über 100 Stufen durch den Wald Nach einer steilen Abwärtspassage überquert der Weg zum zweiten Mal die Syr, führt unter einem Eisenbahnviadukt hindurch und dann zum Südhang der „Manternacher Fiels“. Schnell ändern sich Klima und Waldbild: Es ist heller, wärmer und trockener, hier wachsen Eichen, Buchen und Orchideen. Für Luc, der schon als Kind Förster werden wollte, bedeutet dieser Wechsel pure Faszination. „Es gibt hier auf sehr engem Raum eine hohe Vielfalt an unterschiedlichen Wäldern. Die Natur ist ständig im Wandel, der Wald ist jeden Tag anders. Dazu kommt die hohe Biodiversität. Das macht die ,Manternacher Fiels‘ so spannend.“ Unter dem nächsten Wegweiser mit dem CFL-Logo kündigt eine Hinweistafel in munteren Lettern an, was den Wanderer gleich erwartet: 100 Treppenstufen. Mitten im Wald. Vorbei an den für die „Fiels“ charakteristischen Brocken aus Muschelkalk, die wie Trockenmauern mit Grünwuchsüberzug aussehen. Es


Der Durchmesser des mehr als 200 Jahre alten Bergahorns ist gewaltig. Es braucht vier Erwachsene, um gerade so einmal den gesamten Stamm zu umarmen.

Am Ende der Tour geht es vorbei an grĂźnen Wiesen Ăźber geteerten Untergrund stetig bergab auf die Ortschaft Mertert zu.

67


Dank Zugnetz mobil  43 CFL-Wanderwege gibt es im ganzen Land; sie sind zwischen vier und 30 Kilometern lang. Das Praktische: Die Routen führen stets von Bahnhof zu Bahnhof. Nach der Wanderung also einfach in den Zug steigen und zum Ausgangsort zurückfahren – sogar ganz ohne Fahrkarte. Denn der öffentliche Transport im Großherzogtum ist überall kostenlos.  Auch Radfahrer können von der guten Infrastruktur profitieren: 14 Radwege starten oder enden direkt bei einem Bahnhof. www.cfl.lu/de-de/evasion/hikeandbike

Einsteigen bitte! Mit dem Zug geht es bequem zum Ausgangspunkt der Wanderung zurück.

sind sogar mehr als 100 Stufen. Doch am Aussichtspunkt auf dem Plateau ist die kurze Strapaze sogleich vergessen: Von hier bietet sich eine tolle Sicht auf das Naturreservat, den durchquerten Schluchtwald und das Syr-Tal. Am Horizont zeichnet sich der Moselort Grevenmacher ab. Der Weg führt weiter über weichen Waldboden hinein in das tief eingeschnittene Tal der „Schlammbaach“ – ein ruhiger Fluss mit vielen Schütthalden und bemoosten Felsbrocken. Ein grüner Canyon. Hier endet der schattige Forst und die „Manternacher Fiels“. Vorbei an grasenden Kühen geht es nun

68

Traumhafte Schleife  Die Traumschleife „Manternacher Fiels“, etwas kürzer als der CFL-Wanderweg, wurde vom Deutschen Wanderinstitut als

über geteerten Untergrund stetig bergab auf die Ortschaft Mertert zu. Zwei fast lebensgroße Löwenstatuen aus dem 19. Jahrhundert wachen am Eingang des Parc Mertert, einem etwa vier Hektar großen Landschaftspark in englischem Stil.

Schiff mit Geschichte Als die Uferpromenade an der Mosel erscheint, macht die „MS Princesse Marie-Astrid“ gerade

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

Premiumwanderweg zertifiziert. 91 Erlebnispunkte säumen diese Strecke und machen sie zu einem attraktiven Weg. www.visitmoselle.lu

Infos rund um die Natur  Das Manternacher Naturschutzzentrum „A Wiewesch“ (benannt nach dem Hausnamen des ehemaligen Bauernhofs) ist eines von fünf in Luxemburg. Kernstück ist die interaktive Ausstellung „Naturschutz und Landwirtschaft“. Besucher erfahren hier mehr über die Wechselwirkungen von Artenvielfalt, Landwirtschaft und gesunder Ernährung. Schautafeln zeigen, was Bauern und Privatpersonen machen können, um ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Außerdem gibt es verschiedene kostenlose Aktivitäten wie Kräuterwanderungen, Waldbaden und geführte Touren, auch für Familien, durch die „Manternacher Fiels“. www.nature.lu

eine Kehrtwende. Auf einem Vorgänger des Ausflugsschiffs wurde 1985 das berühmte Schengener Abkommen zur Reisefreiheit unterzeichnet. Nach etwa zwei Kilometern entlang des Flusses winkt das Ziel der Wanderung in Wasserbillig. Bevor es hoch zum Bahnhof geht, noch ein Blick auf die Sauermündung – den tiefsten Punkt des Landes – und auf die einzige Fähre Luxemburgs, die just Richtung Deutschland ablegt. Dann: Ankunft am kleinen Bahnhof. In acht Minuten fährt der Zug zurück nach Manternach.


the City of Sciences and the blast furnaces in Belval www.fonds-belval.lu


The Good Life COMEBACK EINER VERLORENEN FRUCHT

Das ApfelRevival

Jeder in Luxemburg kennt eine Geschichte über einen Apfelbaum. Und überall auf der Welt, wo es Apfelbäume gibt, ist der Apfelwein nicht weit. Da ist Luxemburg keine Ausnahme. Text SARAH PITT Fotos VÉRONIQUE KOLBER

70

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als den Herbst, um auf die Streuobstwiesen zu gehen. Wenn die Bäume voller Saft und Kraft sind und ihre Äste vor leuchtenden, reifen Früchten strotzen. Zwischen Mitte September und Mitte Oktober lässt sich eine Apfel-Mosterei am eindrucksvollsten in Aktion erleben. Das Pflücken, Sammeln, Anliefern, Sortieren, Waschen, Rütteln, Mahlen und Pressen ist dann in vollem Gange.

Sie hatten eine Fülle von ungenutzten Most-, Ess- und Kochäpfeln zur Verfügung, und so war es bald amtlich: Die Äpfel in der Region Born im Müllerthal, wo sie alle aufgewachsen sind, sind die perfekte Melange für guten Cider. Ein paar Versuche und viele Liter später hatten sie ihren ersten „Craft-Cider“. Sie ahnten nicht, dass dieses mutige Experiment der Beginn eines großen Abenteuers sein würde.

Bei der Ernte in Ramborn ist jeder eingeladen, Äpfel von der Streuobstwiese zu pflücken. Bevor sie gepresst werden, werden die Äpfel gewaschen und sortiert.

Früher hatte jeder Bauer Obstbäume, aber im Laufe des 20. Jahrhunderts ging der traditionelle Apfel- und Birnbaumbestand in Luxemburg drastisch zurück. Mit der Einführung von Maschinen und mit den Veränderungen in der Landwirtschaft in Luxemburg verschwanden im Lauf der Zeit über eine Million Obstbäume.

Perfekte Melange für gute Cider Doch diese Entwicklung wurde gestoppt. Die Idee dazu kam im Jahr 2013 auf – bei einer Runde Apfelwein in Großbritannien! Die drei Freunde, Carlo Hein, Gilles Dimmer und Gérard Bisenius erinnerten sich an lange verschollene Geschichten von der Apfelweinherstellung in ihrer Heimat. Erinnerungen tauchten auf: an Fässer, die unter den Häusern der Nachbarn gelagert wurden, an Treffen, bei denen „Viez“ getrunken wurde, und daran, dass man als Kind von den Großeltern eingespannt wurde, um beim Pflücken der Äpfel zu helfen. Inspiriert von den Geschichten beschlossen sie, Äpfel zu ernten und selbst Apfelwein herzustellen: „Wir haben die Früchte, wir haben die Geschichte, lasst es uns ausprobieren!“

71


Während in der Zeit des Obstbaumsterbens die Kultur der Apfelweinherstellung verlorengegangen war, hatten sich Wissen und Erfahrung rund um das Weinmachen in Luxemburg sehr gut erhalten. „Unsere vielen Weinproduzenten entlang der Mosel helfen uns, die Gärung so zu steuern, dass wir das Beste aus den Äpfeln herausholen. Bei unserem Projekt geht es um eine ,Sharing Economy’, die das Beste aus Luxemburg zusammenbringt; es ist nämlich alles schon da! Wir erfinden nichts, wir beleben es nur neu“, sagt Carlo.

Einheimisches Obst „ausquetschen“ Das „Ramborn Cider Haff” („Haff” bedeutet „Bauern-Hof”) befindet sich in einem wunderschön restaurierten Bauernhaus aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, das ursprünglich eine Mosterei und eine Brennerei beherbergte. Schon die Römer hatten gezüchtete Äpfel in die Region gebracht. So ist die Apfelweinherstellung in Form von „Viez“ bereits seit mindestens 2000 Jahren Teil der Kultur. Zurück auf dem Hof zischt und pumpt die Presse, und eine Reihe von Äpfeln in allen Formen und Größen werden darin ausgequetscht. Nur frische, kaltgepresste Säfte werden für den Apfelwein verwendet. Weggeworfene Früchte und der verbleibende Trester werden zur Energiegewinnung in Biogas umgewandelt. Das Prinzip: Die Rückbesinnung auf das Wesentliche, und die Nutzung dessen, was die Natur zu bieten hat. Drei Apfelbäume wurden kürzlich auf dem Hof gepflanzt: Eifeler Ramborn, der namensgebende Rambo-Apfel, Luxemburger Triumph, ein idealer

72

Mehrzweck-Apfel, der sich hervorragend zum Pressen eignet, und die Luxemburger Renette. Die Bäume werden erst in etwa 30 Jahren ihre volle Fruchtbarkeit erreichen, aber für kommende Generationen werden sie dann 600 kg Früchte zur jährlichen Ernte beisteuern. Die Früchte stammen alle aus einem Umkreis von 50 km in Luxemburg und Deutsch-

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

Carlo Hein und sein Sohn Sam (Foto unten) servieren den neugierigen Besuchern nach der öffentlichen Ernte frische Säfte, exquisite Eis-Cider, in Rum-, Whisky- und Bourbon-Fässern gereifte Cider und, nicht zu vergessen, den einzigartigen Gartenquitten-Cider.


Rund ums Obst  Ernte für alle: Erleben Sie ländlichen Spirit, Gemeinschaft und Spaß bei der jährlichen öffentlichen Ernte. Feiern Sie den Apfel! Mit Dorfmusikanten, kostenlosen Führungen und Verkostungen, von Apfelschorle und Säften bis zum exquisiten Eis- und saisonalen Glühwein. Jeder darf Äpfel direkt von der Streuobstwiese pflücken. Versuchen Sie, mit einer großen Stange die Früchte gekonnt herunterzuschütteln.  Tagesausflug in Born: Born ist idealer Ausgangspunkt für eine Tour durch die Region Müllerthal. Mit Leihfahrrädern kann man das Sauertal und die nahe gelegenen Orte Echternach, Wasserbillig und Rosport erkunden. Für Wanderer ist der Ramborner Hof Startbzw. Zielpunkt der Route 1 des „Mullerthal Trails“. So finden Wanderungen dort ein leckeres Ende.  Werden Sie Baum-Pate! Ein kleiner Schritt wie eine Baumpatenschaft kann eine positive Wirkung auf die ganze Welt haben! Jeder kann bei Ramborn eine solche Patenschaft übernehmen. Investieren Sie in einen Baum verfolgen Sie dann seine positiven Auswirkungen auf die Umwelt. Das Geld aus Ihrer „Adoption“ fließt direkt in das „Aufpolieren“ von Obstplantagen und unterstützt die Landwirte. www.ramborn.com/adopt

land. In Luxemburg gibt es über 150 Sorten. „Man erkennt sie nicht immer direkt am Aussehen, aber oft sofort am Geschmack“, sagt Chantal Hellers-Bisenius, Leiterin der Obstgärten. Riesige Kisten mit Erbachhofer, Renette, Bohnapple und vielen anderen Sorten sind übereinandergestapelt und stehen aufgereiht vor der Presse. Chantal teilt ihr Wissen über das Pflanzen, Beschneiden und Pflegen der Bäume mit den Bauern; für viele war das schon eine „verlorene Kunst“. Auf dem Rundgang durch die Streuobstwiesen von Born sieht man einen 200 Jahre alten Birnbaum, der auf einem Feld gegenüber den vielen Apfelbäumen steht und unter dem Kühe grasen. Weiter oben Bienenstöcke, dann eine Wiese mit vielen Reihen neu gepflanzter Bäume. Keiner wird gedüngt oder gespritzt, es reichen die Pflege und die Aufmerksamkeit der Obstgartenexperten.

erklärt Carlo. Bei der Wiederbelebung des luxemburgischen Obstwein-Erbes geht es um viel mehr als um Äpfel und Birnen. Tradition, Kultur, Natur, Artenvielfalt, Ökosysteme und ländliche Gemeinschaften wurden zu neuem Leben erweckt. Die Ramborn-Initiative hat dafür gesorgt, dass künftige Generationen noch viele Jahre lang Geschichten von Apfel- und Birnbäumen erzählen werden.

Bis heute haben die Aktivitäten von Ramborn mehr als 100 Landwirte dazu angeregt, nicht nur bestehende Bäume zu pflegen, sondern auch neue zu pflanzen. Damit leisten sie einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt in der Landschaft.

Erbe vom Land Beim Ramborn Cider Haff fing im Jahr 2014 alles mit 1000 Litern jährlich an. Heute sind die Weine mehrfach ausgezeichnet und werden in mehr als zwölf Ländern verkauft. Ramborns Aufstieg zu internationalem Ruhm war rasant, doch der Weg von der Baumpflanzung bis zum Glas Cider ist mühsam. Ein Apfelbaum braucht 30 Jahre, um seine volle Ertragsfähigkeit zu erreichen, kann dann aber mehr als 150 Jahre lang Früchte tragen. Ein Birnbaum ist mit 50 Jahren „reif“ und kann über 250 Jahre alt werden. „Die Produktion ist ein langsamer Prozess. Es geht nicht um schnelle Gewinne, sondern um Zukunftsinvestitionen in Lebensunterhalt, Gemeinschaft und Umwelt“,

73


Outdoors Passion WASSERSPORT AN STAUSEE UND MOSEL

Paddeln, Abtauchen, NaturGenuss 74

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Stille Wasser oder sprudelnde Wellen: An Mosel und Obersauer-Stausee ist reichlich Platz fĂźr Wassersport. Der kann mal ganz kontemplativ und mal rasant sein. Text FABIAN TEUBER Fotos THOMAS JUTZLER (OPENER), THOMAS LINKEL

75


Fjordartig zieht sich der breite Seitenarm des ObersauerStausees über mehrere hundert Meter hin, mit jeder Windung verjüngt er sich und wird schließlich zu einem schmalen Bachlauf.

Wer mit Kanu, Kajak oder einem SUP-Board auf dem See unterwegs ist, kommt an Plätze, die man zu Fuß oder mit dem Auto gar nicht erreichen kann. So kann man sich den perfekten Picknick-Platz selbst aussuchen.

76

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Wie eine satte Riesenschlange windet sich der in den 1950er-Jahren als Trinkwasser-Reservoir angelegte Stausee durch das schmale Tal, wirkt hier wie eine norwegische Landschaft, dort wie ein endloser kanadischer See. „Wer will, kann hier richtig Strecke machen“, erzählt Kanu-Guide Christoph: „Die Tour nach Pont Misère im Westen ist ein Tagesausflug, neun Kilometer in eine Richtung.“ Ob man sich dabei für ein Kajak oder ein Kanu entscheidet, ist eine Geschmacksfrage. Die beiden Bootstypen fahren sich jeweils anders, die Kajaks mit einem Doppelpaddel, die Kanus – oder Kanadier – mit einem Stechpaddel. Zu erlernen ist beides schnell, der See zudem ein ideales Übungsgewässer – auch, weil hier keine Motorboote unterwegs sind. Der Stausee liegt gut eine Autostunde nordwestlich von LuxemburgStadt und ist das größte Gewässer in 50 Kilometern Umkreis. An sonnigen Wochenenden werden lauschige Plätze an den grasigen Ufern und den Badestellen in Lultzhausen, Liefrange und Insenborn schnell rar. Beim Paddeln aber bekommt man davon nicht viel mit. Durch das regelmäßige Plitsch-Platsch, die Konzentration auf die gleichförmige Bewegung der Paddel sowie den Blick auf Wasser und Wellen stellt sich schon nach kurzer Zeit eine meditative Gelassenheit ein. „Was ich am Wassersport total klasse finde, sind diese Momente von Ruhe – vor allem, wenn man früh morgens startet: Du hast noch ein bisschen Nebel auf dem Wasser, die Sonne ist gerade aufgegangen“, erzählt Christoph. Wer mit Kanu, Kajak oder einem SUP-Board auf dem See unterwegs ist, genießt auch eine weitere Freiheit: „Mit dem Boot komme ich an

Plätze, die man zu Fuß oder mit dem Auto gar nicht erreichen kann – und kann mir den perfekten PicknickPlatz selbst aussuchen“. Fjordartig zieht sich der breite Seitenarm des Obersauer-Stausees über mehrere hundert Meter hin, mit jeder Windung verjüngt er sich und wird schließlich zu einem schmalen Bachlauf. Christoph kehrt mit seiner Gruppe um und legt bald eine erste Rast auf einem Felsen am Ufer ein. Der Kanu-Guide zaubert aus der wasserdichten Tonne einen Campingkocher, eine Espressokanne – und frische, duftende Croissants.

Kämpfende Krebse beim nächtlichen Tauchgang Kurz darauf paddeln die Kanuten unter der hohen Brücke hindurch, die nach Lultzhausen und zur Jugendherberge führt, an der sie gestartet sind. Der Wind hat aufgefrischt und sorgt für Wellengang, doch die Boote liegen stabil im

Wasser. Drei Stunden dauern die geführten Kanutouren. „Danach wissen die Teilnehmer, wie sie die Paddelschläge hinkriegen, wie sie das Boot gesteuert bekommen – sie sind dann in der Lage, sich autonom mit dem Boot zu bewegen“, meint Christoph. Zurück an der Jugendherberge werden die Kajaks an Land gezogen. Am Ufer treffen Stéphane Eberling und sein Kumpel gerade die letzten Vorbereitungen für einen Tauchgang. An der Jugendherberge gibt es auch eine Tauchschule, Stéphane ist einer der Lehrer dort. „Tauchen ist meine größte Passion“, sagt er und schwärmt von Nachttauchgängen im Stausee, bei denen er kämpfende Krebse beobachten konnte. Im Mittel ist der Stausee etwa 30 bis 35 Meter tief, höchstens aber 50 Meter – ein perfektes Revier für Anfänger, das aber auch für erfahrene Taucher nicht langweilig wird. „Wer hier tauchen kann, kann das auch am Mittelmeer“, meint Stéphane. Geübt wird erst die Theorie, dann im Pool, bevor es in den See geht. „Beim ersten Tauchgang ist man

Im Mittel ist der Stausee etwa 30 bis 35 Meter tief, höchstens aber 50 Meter – ein perfektes Revier für Anfänger, das aber auch für erfahrene Taucher nicht langweilig wird.

77


ziemlich auf sich selbst konzentriert, aber man sieht auch schon viel. Fische etwa oder lustige Gimmicks; unter anderem wurden extra Gartenzwerge und Weihnachtsbäume versenkt.“ Es dauert eine ganze Weile, bis Stéphane und sein „Tauchbuddy“ die Ausrüstung angelegt haben, zuletzt wuchten sie die Pressluftflaschen auf den Rücken. Rund 20 Kilo Gewicht wiegt die Montur. Gegenseitig kontrollieren die beiden Männer vor dem Tauchgang ihre Ausrüstung – funktioniert die Luftversorgung, der Druckmesser? Mit den Fingern formen sie das OK-Zeichen, waten ins Wasser und tauchen ein paar Meter vom Ufer entfernt ab. Eine knappe Minute später schießt die Boje aus dem Wasser – sie zeigt an, wo sich die Taucher gerade befinden. Beim Tauchen ist man zwar nie allein, weil

Direkt am Seeufer kann man in der Jugendherberge in Lultzhausen übernachten. Das Grundstück geht direkt in eine Liegewiese über, von der aus die Kanus, Kajaks, SUP-Boote und auch die Taucher starten. Mit regionaler, saisonaler Küche werden Vegetarier und „Fleischesser“ gleichermaßen zufriedengestellt.

immer der Buddy dabei ist, und doch ganz bei sich: „Die Umgebungsgeräusche sind ausgeblendet, man hört nur das eigene Atmen und das Blubbern, das man erzeugt – und das war’s. Nach einem stressigen Tag kann man super abschalten“, sagt Stéphane.

Kontemplation hier, Action dort Der Stausee liegt eingebettet in die hügelige Waldlandschaft des Naturpark Obersauer, der sich beim Wandern oder mit dem Mountainbike erkunden lässt. Wassersport ist im Naturpark eine durchweg geruhsame Angelegenheit. Funsport-Wasser-Aktive sind an der Mosel besser aufgehoben. Dort geht es mancherorts richtig temporeich zu. Bei Ehnen etwa. Hier lässt sich Glenn Birsens mit rund 35 Kilometern in der Stunde von einem Motorboot über den Fluss ziehen. Der Wakeboarder springt über die Wellen, die das Boot erzeugt. Dabei hält er sich an einer Leine fest, die Füße stecken in Stiefeln, die ähnlich wie auf einem Snowboard in einer festen Bindung am Board festgeschnallt sind. Glenn nutzt die Kielwelle des Boots als Rampe, dreht sich in der Luft, gleitet auf seinem Brett rasant übers Wasser, von rechts nach links, nimmt mal hier, mal da die Wellen. Bis das so lässig aussieht wie bei ihm, braucht es einiges an Übung – Spaß aber macht der Funsport schon beim ersten Mal. Viele der luxemburgischen Wassersport-Clubs entlang der Mosel helfen auch Nicht-Mitgliedern auf die Bretter. Hier Action, dort Abenteuer, hier laut, dort leise. Ein Tag, zwei WasserWelten in Luxemburg.

78

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

Ausflugstipps rund um den Stausee  Einen wunderbaren Blick über den See und die Landschaft gibt es von der 70 Meter hohen Aussichtsplattform Belvedere, die nur einige Minuten zu Fuß vom Naturschutzzentrum Burfelt liegt.  Von Kaundorf aus startet ein 8,4 Kilometer langer Rundwanderweg über bewaldete Höhen, von wo aus man ebenfalls immer wieder schöne Ausblicke auf den See hat.  Bei Kaundorf kann man zudem den Bunker „An der Runschelt“ aus dem Zweiten Weltkrieg besichtigen, in dem sich Widerstandskämpfer versteckten.  Einen ganzen Arm des Stausees in einem weiten Bogen umwandern kann man auf der Rundwanderroute Bavigne. Er macht einen Abstecher in das malerische Bëmicht-Tal, ehe er den See über eine Brücke überquert und zum Ausgangspunkt zurückführt.  Zahlreiche Mountainbike-Strecken für Fortgeschrittene gibt es ebenfalls rund um den Stausee. www.naturpark-sure.lu www.visit-eislek.lu


Funsport-Wasser-Aktive sind an der Mosel besser aufgehoben. Beim Wakeboarden in Ehnen etwa.

Bis man so lässig aussieht wie Glenn Birsens, braucht es einiges an Übung – Spaß aber macht der Funsport schon beim ersten Mal. Viele der luxemburgischen Wassersport-Clubs entlang der Mosel helfen auch NichtMitgliedern auf die Bretter.

79


Transforming Experiences JUNGER, WILDER WINZER

Im Herzen „fru“

An Sauer und Mosel wächst der Rohstoff für edle große und charmante kleinere Weine. Eine uralte ­Kulturlandschaft, in der sich Jungwinzer Georges Schiltz seine ganz eigene Experimentierwerkstatt geschaffen hat. Text THOMAS JUTZLER Fotos PANCAKE!

80

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Georges Schiltz ist verrückt. Oder wie soll man es nennen, wenn ein Geografiestudent, in dessen Familie niemand Winzer ist oder war, plötzlich auf die irre Idee kommt, Wein anbauen zu wollen? Wenn sich jemand in einem uralten Anbau­ gebiet, in dem schon seit Römerzei­ ten Generationen von Winzern ihre Reben bestellen, einfach hinstellt und auch mitmischen will? Sie werden gerne als die „jungen Wilden“ bezeichnet. Die nach­ rückende Generation von Winzern, die mit neuen Anbaumethoden experimentiert, die in regem Aus­ tausch mit Kollegen auf der ganzen Welt steht und die – das Auge trinkt ja bekanntlich mit – Wert auf die Gestaltung ihrer Flaschen und Etiketten legt. Georges Schiltz ist so ein Wilder. Und mit seinen 32 Jahren definitiv jung! Ursprünglich wollte er in die Entwicklungshilfe und studierte Geografie. Doch sein Großvater führte ihn schon früh in die Kunst des Obst-Brennens ein. Er war fasziniert, wie man die Aromen der Streuobstwiesen rund um den elter­ lichen Bauernhof gewissermaßen herausdestillieren konnte, und so wurde aus dem Hobby mehr. Schon während des Studiums professiona­ lisierte er die Brennerei. Unter dem Namen „Tudorsgeeschter“ (nach dem Blei-Akkumulator-Erfinder und Sohn des Ortes Henri Tudor werden die Einwohner Rosports gerne „Tudors Geister“ genannt), vertreibt er Schnäpse und Liköre.

­ einbautradition in der Familie. W Und vor allem: ­keinen Weinberg! „Bei einer Studienreise nach Boli­ vien stand ich plötzlich da: Vor mir der abgeholzte Regenwald, hinter mir die – denkbar einfachen – Häu­ ser der Einheimischen, und da wurde mir klar, ich will etwas tun, um die Schönheit der Kulturlandschaft mei­ ner eigenen Heimat zu bewahren“, erzählt Georges. „Wir leben in Euro­ pa dermaßen abgesichert, was soll schon passieren? Mehr als scheitern kann ich nicht. Und das wäre auch nicht weiter schlimm.“ Etwas tun, was einen tieferen Sinn ergibt. Etwas, das nicht nur reines Geldverdienen ist. Wie befriedigend das sein muss. Sein Entschluss war gefasst.

Der Geist muss in die Flasche Parallel zu Geografiestudium und Destille schreibt Georges sich an der Hochschule in Geisenheim für Önologie und Weinanbau ein. Durch Zufall kann er noch im selben Jahr seinen ersten Berg pachten: Im

„Clos de la joie“ – dem einzigen, komplett von einer Trockenmauer umschlossenen Weinberg Luxem­ burgs – probiert er alles aus, was er beim Studium mit Professoren und ­Kommilitonen ­diskutiert. Das Wein­ gut „Fru“ ist gegründet. Ein fantastisches „Learning-by-­ doing“ beginnt – das bis heute anhält. Im Gegensatz zu anderen Winzern sitzen bei Georges die Geister der Urahnen nicht ständig auf den Schultern, um an seiner Heran­gehensweise herumzumäkeln. Er hat die Freiheit, jeden Fehler selbst zu machen und jede Ent-

Die „jungen Wilden“: Eine Generation, für die Nachhaltigkeit kein Werbe-Gag ist, sondern etwas fundamental Wichtiges, um den Beruf — und das Leben im Allgemeinen — zukunftsfähig zu machen.

Doch er ist neugierig. Umgeben von Weinbergen, will er auch diesen Früchten seine Aromen entlocken. Ein etwas gewagtes Unterfangen, gibt es doch keine

81


deckung für sich zu verbuchen. „Die Streuobstwiesen mit ihrer ­Biodiversität. Die Weinberge mit ihren Trockenmauern. Kleinteilige, nachhaltige Landwirtschaft, die die Artenvielfalt bewahrt, sogar nutzt, statt sie zu zerstören. Der Gleich­ macherei der Agrar-Konzerne etwas entgegensetzen. Dafür muss man nicht zwingend in die Welt hinaus. Auch vor der eigenen Haustür ist es möglich. Wenn ich hier, regional, das Obst meiner Nachbarn auf­ kaufe, um es zu verarbeiten, dann bringe ich sie automatisch dazu, ihre Streuobstwiesen weiterhin zu pflegen.“ In der persönlichen Be­ gegnung wirkt Georges eigentlich alles andere als wild. Eher klar. Wie jemand, der genau weiß, was er tut. Jemand, der einen langfristigen Plan verfolgt.

„Fru“ zu sein ­bedarf es wenig Die ganzheitliche Philosophie spiegelt sich auch im Namen des Weinguts w ­ ider: „Fru“ steht für froh, für die Freude am Genuss, an guten Lebensmitteln, der N ­ atur, dem Leben selbst. „Fru“ steht aber auch für die Frucht, von der alles ausgeht, um die sich alles dreht, deren Charakter glänzen darf. Und hier kommen wieder die Römer ins Spiel: Auf Latein bedeutet „Fru“ Genuss.

82

„Ich bin gerade am Kochen für meine Erntehelfer!“ Bei unserem zweiten Treffen öffnet Georges mir mit breitem Grinsen die Tür zum alten Bauernhof. „Einmal müssen wir dieses Jahr noch zur Lese. Der Palmberg ist morgen noch dran.“ Der Palmberg. Hier pflegt Georges Rebstöcke, die seit 1954 Trauben reifen lassen. Normal sind 30 Jahre. Danach wird üblicherweise wieder neu gepflanzt. Der Ertrag wird sonst zu gering. „Am Palmberg geht es nicht um Gewinn. Ertrag wirft er eigentlich nicht wirklich ab. Eher ist es die Faszination für diese alte Rebe. Da hat man ja auch eine alte Genetik, Erbinformationen, die es zu erhalten gilt. Und Geschichte. Wahrscheinlich – vielleicht – wurde an diesem Berg schon zu Römer­

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

zeiten Weinbau betrieben.“ Die Kultur bewahren und die Menschen, die hier leben, aber auch die Gäste, die Touristen, für diese Region mit ihrer Geschichte und ihren Ge­ schichten zu begeistern: Es scheint ihm einfach Spaß zu machen. Freu­ de, Früchte, Genuss. – Wenn das mal nicht eine Lebenseinstellung ist!

Entdecker willkommen!  Im Weingut „Fru“ sind Besucher immer willkommen. Wer sich vorher ankündigen möchte, findet die Telefon­ nummer auf der Website. www.fru.lu  Unweit des Weinguts be­ findet sich das „Musée Tudor“. Das Henri Tudor gewidmete Museum ist eine Mischung aus Wissenschaftscenter und traditionellem Museum. Der Ingenieur gehörte zu den Pionieren bei der Entwicklung der Stromspeicherung mit Blei-Säure-Akkumulatoren, der Straßenbeleuchtung, von landwirtschaftlichen Maschi­ nen, von Transportmöglich­ keiten und vielem mehr. Im Museum wandelt man auf den Spuren seiner Forschung. Experimentieren ausdrücklich erwünscht! www.musee-tudor.lu  Wer mit Kindern unterwegs ist, macht noch einen Abste­ cher an die Sauer. Im Park am Ufer ist ein fantastischer neuer Abenteuerspielplatz. www.rosport-tourism.lu


Georges Schiltz kämpft kaum gegen die Begrünung zwischen den Weinreben an. Es animiert die Stöcke eher, tiefer zu wurzeln, um an Wasser zu kommen. Und ist der Berg mitsamt der Trockenmauer und ihrer Bewohner im ökologischen Gleichgewicht, so haben es einzelne Schädlinge schwerer und werden nicht zu dominant.

Hier klebt der Chef noch selbst: Von Hand bringt Georges das Etikett auf die Flasche. Nicht nur im Wein steckt viel Handarbeit. Auch im ganzen ­„Drumherum“.

83


Transforming Experiences FRANÇOIS VALENTINY, ARCHITEKT AUS SCHENGEN

84

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


„Um

Grenzen haben wir uns nie “ geschert! Der Schengener Stararchitekt François Valentiny arbeitet international – und doch hat ihn seine Heimat im Dreiländereck stark geprägt. In den Orten an der Mosel kann man die Handschrift des Bau-Künstlers überall entziffern. Grenzenlose Ästhetik. Text CHRISTIANE WÜRTTEMBERGER Fotos OLIVER RAATZ

85


In Remerschen hat Valentiny mit seiner „Valentiny Foundation“ quasi ein Basislager aufgeschlagen. Hier können Besucher anhand von Modellen und Zeichnungen sehen, wie der Architekt arbeitet und wie sich sein Werk über die Jahre entwickelt hat.

Auch mit Valentiny befreundete Künstler finden hier in Wechselausstellungen ihren Platz. Nach Remerschen kommt er immer wieder zurück, ob von Shanghai oder von anderen Orten aus, an denen er lebt und arbeitet.

86

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Tiefe und Seele durch MoselsandPutz Wer die multimediale Ausstellung im Museum besuchen möchte, der bleibt erst einmal vor einem sehr schlichten Quaderbau stehen, des-

Wenn sie auch auf den ersten Blick unterschiedlich aussehen und von Putz bis rostigem Stahl eine große Bandbreite an Materialien aufweisen, so haben Valentiny-Bauten doch verbindende Elemente, eine gemeinsame Ästhetik. Alle tragen Valentinys Handschrift, mal kantig, mal organisch. Ob die Universitätsbibliothek in Belval (oben) oder das futuristische Naturschutzzentrum Biodiversum in Remerschen (unten).

als ein synthetischer Anstrich. Aber klar, neu sieht das schon zur Einweihung eines Gebäudes nicht mehr aus.“

„Füllt eure Schubladen in jungen Jahren!“ Es macht Spaß, in der lichten, offenen „Valentiny Foundation“ den oft skulpturalen Entwürfen dieses Luxemburgers auf die Spur zu kommen, der über sich sagt: „Manchmal entwerfe ich ein Gebäude und merke erst hinterher,

© RENATA LUSSO

Wie steht man als Luxemburger aus Schengen zu Grenzen? Valentiny lacht: „Wir leben in einem kleinen Land, überall sind Grenzen – wenn ich mit dem Auto fahre und telefoniere, dann wechselt andauernd mein Mobilnetz. Andererseits haben wir uns hier nie sonderlich um Grenzen geschert. Viele Moselwinzer haben Weinberge in allen drei Ländern. Und es gibt Familien, die über die Grenzen hinweg zerstreut sind.“ Mit dem Schengener Abkommen ist Valentiny dennoch eng verbunden, zumindest im Nachhinein – er hat nämlich das Europäische Museum unten an der Mosel entworfen, das sich mit dem Abkommen und den offenen Grenzen in Europa beschäftigt.

sen Eingang wie ein großes Fenster zur Welt aussieht. Der grobe, beige Putz irritiert ein wenig, sieht auf den ersten Blick schmutzig aus. Aber „Schmutz“ trifft es nicht. Es ist eher verarbeitete Heimat-Erde und Heimat-Erbe. Architekt Valentiny hat quasi den Schengener Putz erfunden – er mischt ihm Moselsand bei. Die Spuren der Zeit sichtbar machen, Prozesse der Verwitterung beim Holz und an der Fassade zulassen, das findet Valentiny wichtig. Er sagt: „In ärmlichen, ländlichen Gegenden hat man die Häuser immer nur verputzt, nie gestrichen. Für mich hat das viel mehr Tiefe und Seele,

© ANDRÉ SCHÖSSER

„Wenn man baut, muss man sich mit der Landschaft auseinandersetzen. Mit der Sonne, mit der Kultur und mit den Menschen“, findet François Valentiny. Der Luxemburger Stararchitekt hat die ersten zehn Lebensjahre in Remerschen verbracht. Remerschen ist ein Teilort von Schengen im Dreiländereck zwischen Luxemburg, Deutschland und Frankreich. Hier an der Mosel, genauer: in einem Schiff auf der Mosel, wurde 1985 zwischen Weinbergen das berühmte Schengener Übereinkommen unterzeichnet, das längst ein Symbol für offene Grenzen in Europa geworden ist.

87


dass ich genau das schon vor 20 Jahren skizziert habe – quasi 1:1.“ Ist das unheimlich?

Valentinys Werke an der Mosel

Francois Valentiny glaubt, dass man in jungen Jahren seine Schubladen mit Ideen und Kreativität „füllen muss“. Später gehe es dann nur noch ums Ordnen und Umsetzen, meint er. Und darum, seine Lebenserfahrung einfließen zu lassen. Auch bei ihm war das so: „Die Weinlandschaft, die Mosel, die Menschen, die hier meist durch Handwerk ihr Geld verdienten – das alles hat mich stark geprägt. Meine Bezugspunkte sind immer die gleichen geblieben. Auch wenn ich im Lauf der Jahre eine neue Formensprache entwickelt habe, so ist das doch alles stark von dem beeinflusst, was ich früher hier in Luxemburg erlebt und gesehen habe.“

 In der Valentiny-Stiftung im Heimatort Remerschen bieten Modelle, Skizzen und Gemälde einen lebendigen Einblick in Leben und Werk des Star-Architekten. Außerdem stellen immer wechselnde befreundete Künstler dort aus. www.valentiny-foundation.com

Sich Grenzen bewusst machen und sie immer wieder überschreiten An seinem Heimatland Luxemburg schätzt Francois Valentiny die Einflüsse, die die Heimkehrer mitbringen. „Das ist unser intellektueller Reichtum, dass die meisten jungen Leute erst einmal woandershin gehen, um zu studieren, um die Welt zu sehen. Dann kommen sie mit ganz neuen Erfahrungen zurück und können auf das, was sie hier als Kinder und Jugendliche erfahren haben, aufbauen.“ Für Valentiny gehörte dazu neben der Mosel, den Handwerksleuten und dem Wein auch das Thema Grenzen – sich diese bewusst machen und sie immer wieder überschreiten. Die echten draußen; und auch die im Kopf.

88

 Das Biodiversum ist ein Informationszentrum, das inmitten des Naturschutzgebietes „Haff Réimech“ liegt. In dem futuristisch gestalteten Bau, der ein wenig an ein aufgeblähtes Zelt erinnert, werden u.a. die Geschichte des Naturschutzgebietes, die Unterwasserwelt, die Vogelund Pflanzenwelt und weitere Naturschutzgebiete Luxemburgs präsentiert. Der Besuch lässt sich wunderbar mit einem ornithologischen Rundgang durch das Naturreservat verbinden. Angrenzende Baggerweiher sorgen im Sommer für Abkühlung. www.biodiversum.lu

Geschichtliches und Kulinarisches in Schengen  Draußen vor der Tür des Europäischen Museums Schengen wehen jeden Tag die Fahnen der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – symbolhaft vereint für einen Kontinent, auf dem sich heute etwa 450 Millionen Menschen einen Kulturraum und ein ähnliches Lebensgefühl teilen.

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

Dass der wichtige Vertrag in Schengen unterzeichnet wurde, hatte vor allem einen symbolischen Grund – der luxemburgische Ort liegt ganz nah an gleich zwei Grenzen – zu Frankreich und zu Deutschland. Im Europäischen Museum Schengen können Besucher ein Faksimile des berühmten Schengener Abkommens studieren, Zollmützen und Pässe der EU-Länder betrachten und sich multimedial an vielen Bildschirmen mit den vielfältigen Auswirkungen des Vertrags beschäftigen. Museumsleiterin Martina Kneip sagt: „Letztendlich wollen wir, dass die Leute, die unser Museum besichtigt haben, ein bisschen von diesem ,Spirit of Schengen´ mit nach Hause nehmen. Dass sie wissen: Offene Grenzen sind etwas ganz Wichtiges und stärken unser Gemeinschaftsgefühl.“ www.visitschengen.lu  In Schengen lohnt ein Spaziergang durch die Weinberge mit anschließender Verkostung, etwa im Turm auf dem Markusberg. Verschiedene Winzer und touristische Akteure bieten solche Aktionen und Führungen an. www.vins-cremants.lu  Es ist kein Restaurant und auch keine Bar, es ist beides, und das auf einem Boot: An der Mosel lädt das „Vintage-Boot“ („Péniche VINtage“) zu einer Verkostung regionaler Produkte und Getränke ein – und das auf dem Wasser. www.visitmoselle.lu


Im Jahr 1985 unterzeichneten die Staatssekretäre der fünf Länder Luxemburg, Frankreich, Niederlande, Belgien und Deutschland an Bord der „MS Princesse Marie-Astrid“ auf der Mosel das Schengener Abkommen. Als Reisender muss man seither an den innereuropäischen Grenzen im Normalfall keinen Pass mehr vorzeigen.

Die Jugendherberge von Remerschen liegt gleich gegenüber der Stiftung. Essen und Schlafen in einem echten „Valentiny“ – und das zu günstigen Preisen. Hier werden zudem Aktivitäten wie Klettern, Wandern und Mountainbiking angeboten. 89


Avenue Emile Reuter

Bvd. Prince Henri

VILLA VAUBAN MUSÉE D’ART DE LA VILLE DE LUXEMBOURG

DISCOVER THE DIVERSITY OF LUXEMBOURG’S MUSEUMS WITHIN A SHORT DISTANCE W W W. M U S E U M S M I LE . LU

Rue Notre Dame

CASINO LUXEMBOURG FORUM D’ART CONTEMPORAIN


nedy

Ken hn F. ue Jo

Aven

MUDAM LUXEMBOURG MUSÉE D’ART MODERNE GRAND-DUC JEAN

o uF

ds

lan

G is-

ro sT

e ed

Ru

MNHA MUSÉE NATIONAL D’HISTOIRE ET D’ART

theim

Rue Wil

efroi

Rue Sig

es

au

’E el

ed

e

dF

ran

klin

Rue M

Bv

Rue du

LËTZEBUERG CITY MUSEUM

ünster

Ru

rit St Esp

Ru

en

ng

hü rt T

v Trê de

MUSÉE NATIONAL D’HISTOIRE NATURELLE ‘NATUR MUSÉE’

d ue

R

MUSÉE DRÄI EECHELEN FORTERESSE, HISTOIRE, IDENTITÉS

no

la De lt

eve

os

Ro


Transforming Experiences TINGELTANGEL-TRAUM IN LUXEMBURGS KLEINSTEM DORF

Marlene lebt.

92

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


„Wie einst Lili Marleen!“ Marlene Dietrich lebt. In Rindschleiden — im einzigen Bistrot im kleinsten Dorf des Landes. Hier trällert CaféBetreiberin Romaine Zieser den alten Gassenhauer der deutschen Gesangsund Filmdiva, die in den 1920er-Jahren und lange danach Frauen und Männer gleichermaßen verzückte. Text BIRGIT PFAUS-RAVIDA Fotos PANCAKE!

93


Marlene Dietrich, Audrey Hepburn, Marilyn Monroe und viele weitere „alte Stars”, sie gehören quasi zur Stammkundschaft. Bilder von ihnen hängen an der Wand, und natürlich läuft die passende Musik abends, wenn die meisten Gäste gegessen haben, ganz laut, so dass alle mitsingen und später sogar das Tanzbein schwingen. Drin oder draußen, mit Blick über die Felder. „Hier sind immer interessante Gäste, viele kommen schon seit Jahren”, erzählt Romaine Zieser. Die gelernte Friseurin mit dem charakteristischen, weißblonden Haarschnitt ist mit Herz und Seele Betreiberin des Bistrots, das früher mal ein Schweinestall war.

Romaine selbst redet gerne mit ihren Gästen über all das – wenn Zeit ist. „Wer hier hinkommt, betritt eine andere Welt. Das habe ich schon gemerkt, als ich das erste Mal in dem Raum stand“, erinnert sich Romaine, während sie Champagner in einen zarten Kelch eingießt und ihn mit einer Kirsche krönt. Doch der Zauber, das ist nicht nur der Raum. Der Zauber liegt in Romaine selbst. Wenn die Bude voll ist, wuselt sie herum, bringt ganz fix Getränke und Essen an den Tisch. Aber wenn ein Lied kommt, das ihr besonders gefällt, singt sie los. Wo sie gerade geht und steht. „Non, je ne regrette rien!“

Keine Angst vor großen Gefühlen Der Zufall hat Romaine hierhergeführt, und sie beschloss, genau an diesem Ort ihr Bistrot zu eröffnen. Warum ausgerechnet Rindschleiden? „Es hat einfach was. Man kommt sofort runter, wenn man hier ist”, fasst sie zusammen.

„Für mich soll‘s rote Rosen regnen“: Leise und dezent? Hier nicht. Es geht in die Vollen, und das ist gut so. Es ist eine andere, eine intensive Welt.

Umso interessanter ihr knalliges Kontrastprogramm. Fast alles in dem kleinen Raum ist schwarz, rot und weiß, Kerzen, Kitsch und Kunst sind wild gemischt. Das ganze Bistrot hat Romaine mit schwarzem Filzstift an den Innenwänden buchstäblich be-schrieben, mit Sinnsprüchen und Liedtexten: „Ich hab genug von großer Liebe. Ich will wieder große Liebhaber“. Oder: „Don`t forget to fall in love with yourself!“ Keine Angst vor großen Gefühlen. Liebe und Enttäuschung, das ganze Auf und Ab des Lebens, alles hat einen Platz.

94

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

Wohin in Rindschleiden?  Vom Dorfmittelpunkt aus ist es nicht weit zum Meditationspfad. Der Weg führt auf ein kleines Wäldchen zu, dann umhüllt die kühle Dunkelheit den Spaziergänger. Texte auf dem Weg regen zum Nachdenken an. www.visitguttland.lu  Im Museum Thillenvogtei heißt es: mit anpacken. Ob beim Brotbacken, ÄpfelErnten oder Nähen. Das Museum vermittelt, innen viel größer als von außen vermutet, ein lebendiges Bild vom Leben auf dem Lande rund um das Jahr 1900. www.thillenvogtei.lu  Yogalehrerin Laura hat ihre ersten Yoga-Erfahrungen in Nepal gemacht. Nun leitet sie im Park neben der Kirche ihre Schüler zur Entspannung an. www.littleyoga.lu


„Schatz, verstell dich nicht! Sei du selbst! Tanze und lache! Lass nicht zu, dass man dir dein Strahlen stiehlt!“ Romaine Zieser macht keinen Smalltalk; mit ihr gehen Gespräche in die Tiefe und ins Herz.

Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Édith Piaf, Audrey Hepburn: Die Diven schmücken die Wände und füllen den Raum mit Musik.

95


Daydream ÜBER LAND MIT OLDTIMERN

Schön auf Touren Das Fotografenteam von „Pancake!“ hat sechs C ­ lassic-Car-Liebhaber auf einer Entdeckungsreise durch L ­ uxemburg begleitet und dabei die ­verschiedenen Regionen des Landes aus besonderen Blickwinkeln ­abgelichtet. Eine Fotostory nicht nur für ­Oldtimer-Fans. Text THOMAS JUTZLER Fotos PANCAKE!

96

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


97


Yves Fiat 500 — 1967 Echternach

98

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Durch den ­dichten Mischwald der Region Müllerthal geht es sich windende Serpentinen hinab, bis man in Echternach ankommt. Hier warten verwinkelte Gassen und prächtige Stadthäuser. Weltberühmt ist die Springprozession, seit 2010 immaterielles Kulturerbe der UNESCO. 99


Thierry Aston Martin DB 2/4 — 1956 Wormeldingen

100

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Zwischen dem kleinen ­Winzerdorf Schengen und dem Ort Wasserbillig sind in der Moselregion zahlreiche Wein­güter ­entlang des Flusses aneinandergereiht, von historisch bis modern. Auf dem Weg durchs Terroir verraten Schilder, welche Reben hier wachsen. Immer wieder öffnen sich weite Blicke ins Tal der Mosel.

101


Frazer VW Bulli T2 Westfalia — 1976 Talsperre, Esch-Sauer

102

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Zivilisation und Wildnis: Manchmal führen sie einen inspirierenden Tanz auf. Der Obersauer-Stausee liegt im Éislek mitten im Naturpark: ­Schwimmen, Paddeln, Tauchen, Surfen, Segeln – der größte Stausee des Landes hat genug Platz. Aber nur für Wassersport ohne Motorgeräusche.

103


Langsamer als mit einem 47-PS-„Bulli“ waren die Rittersleut vor 600 Jahren vermutlich auch nicht unterwegs, wenn sie die Serpentinen zur Burg von Burscheid emporritten. Doch der Langsame sieht mehr! Die Region Éislek hat schließlich viel Natur-Schönheit zu bieten.

104

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


105


Rauf, runter, Brücke, Tunnel, Gasse, Einbahnstraße: Die Stadt Luxemburg ist ein Ort, um sich darin zu verlieren. Die Hauptstadt wird von den tiefen Schluchten der Flüsse Alzette und Pétrusse durchzogen. In den Felsen liegt das Höhlen­system der Bock-Kasematten. Hinter jeder Kurve warten neue Eindrücke. Am Ende weiß man nicht mehr, wo oben und wo ­unten ist. Verwirrend schön.

106

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Pascal Morgan 4/4 — 2018 Luxemburg-Grund

107


Riesige, stumme, stählerne ­Organismen: die Hochöfen in Belval. ­Gigantische ­Zeugen einer ­anderen Zeit. Über 7000 ­Arbeiter waren zeitweise hier ­beschäftigt. Heute wächst im Süden eine moderne Uni-Stadt der Wissenschaft. Gelungene Konversion!

108

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Claude „Kinch“ Cadillac Sedan DeVille — 1956 Belval

109


Simone Volvo PV544 „Buckelvolvo“ — 1962 Schloss Ansemburg

110

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Alle stehen Spalier vor Schloss Ansemburg: die ­steinernen Wächter am Tor, die Apfelbäume in Reih und Glied. Die Hecken des Buchsbaumlabyrinths akkurat ­getrimmt. Da lustwandelt man ­gerne! Eine Fahrt mit dem Oldtimer durchs zauberhafte Tal der Sieben Schlösser im Guttland ist eine doppelte Zeitreise.

111


@m3eechelen www.m3e.lu

5, Park Dräi Eechelen L-1499 Luxembourg T. +352 26 43 35

FROM the fORtRess WItH LOVe

FRee eNtRY WELCOME TO THE PERMANENT EXHIBITION

SEALED WITH A KISS

enjOy the vieW THAT’S THE POINT

FOLLOW tHe GUiDe MIKE MCQUAIDE DISCOVERS DRÄI EECHELEN


2

6200M OF CULTURE

THE PLACE TO BE! FREE ENTRY Musée national d’histore et d’art Luxembourg

Marché-aux-Poissons L-2345 Luxembourg Ma-Di : 10h-18h (Je : → 20h)

T +352 47 93 30-1 musee@mnha.etat.lu www.mnha.lu


AUSGABE 2 /2020

Luci

The Family of Man UNESCO Memory of the World

Creative Direction & Editorial Design Guido Kröger, ampersand.studio

Inspiring Travel Stories from Luxembourg

Luci — Inspiring Travel Stories from Luxembourg

AUSGABE 2 / 2020 - DEUTSCH

AUSGABE 2 / 2020 - DEUTSCH

Clervaux Castle, Luxembourg www.steichencollections-cna.lu

Drinnen im Draußen On the Road mit Anhänger

Eine Stadt, die verbindet Mit Architekten durchs UNESCO-Erbe

Urban Art geht in die Luft Kunst-Botschafter der guten Laune

Herausgeber Luxembourg for Tourism BP 1001, L-1010 Luxemburg Tel. +352 42 82 82 1 info@visitluxembourg.com VisitLuxembourg visit_luxembourg @luxembourginfo www.visitluxembourg.com

© LFT 2020 Alle Rechte vorbehalten. Jegliche vollständige oder teilweise Nutzung, Vervielfältigung, Reproduktion, Veröffentlichung, Übermittlung oder Verbreitung in welcher Form auch immer, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung von LFT nicht gestattet. ISSN 2716-733x

114

Redaktion Thomas Jutzler Jan Maier Birgit Pfaus-Ravida Sarah Pitt Fabian Teuber Christiane Württemberger Fotos Thomas Jutzler (Cover) Véronique Kolber Thomas Linkel Renata Lusso Pancake! Oliver Raatz André Schösser Mike Zenari Übrige Fotos mit freundlicher Genehmigung der Partner Übersetzungen & Korrekturen Cécile Balavoine Rachel Ezard Margaret Ferns Claude Hermann Chris Mick Birgit Pfaus-Ravida Sarah Pitt Hélène Rybol Thomas Seligmann Angela Tumioto why vanilla? Desktop Publishing Walter Ciotti Rachelle Meyer

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG

Druck Imprimerie Centrale WP

Luci

Konzept & Redaktionsleitung Valerio D‘Alimonte

Auflage Gesamtauflage: 70.000 Deutsche Auflage: 20.000 Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Luxemburgisch Interreg-V-A-Projekt Einige Fotos und Texte wurden im Rahmen der Content-Produktion „Digitales Tourismusmarketing für die Großregion” aus Mitteln des EFRE-Fond gefördert Werbung hello@luci.travel Awards

Weitere „Inspiring Travel Stories from Luxembourg“ unter www.Luci.travel


erleben sie luxemburg mit der cfl Nutzen Sie die attraktiven Reise-Pakete von

© Renata Lusso

Mehr Infos: www.cflevasion.lu oder +352 4990 4845

CFL MOBILE

www.cfl.lu

Call Center +352 2489 2489


The Family of Man UNESCO Memory of the World

Clervaux Castle, Luxembourg

My Shadow, Toni Frissell, 1944. Library of Congress

www.steichencollections-cna.lu

2

LUCI INSPIRING TRAVEL STORIES FROM LUXEMBOURG


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.