Luci Special - GrandTour - Deutsch

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Luci Special

Inspirierende Roadtrips durch Luxemburg AUSGABE 2021 - DEUTSCH

Nicht nur für Classic Cars Zwischen Felsriesen unterwegs

Grand Tour de Luxembourg Orte für Genießer und Kulturinteressierte

Tradition und Moderne Die Vielfalt der Regionen und der Hauptstadt



Editorial Moien und willkommen in Luxemburg! Mögen Sie sie auch, die große Freiheit auf vier Rädern? Viel freie Zeit im Gepäck, Fenster geöffnet, Wind in den Haaren und unterwegs auf sanft gewundenen Straßen – was braucht es mehr für einen unvergesslichen Roadtrip. In diesem Luci Special „GrandTour“ nehmen wir Sie mit auf die Reise durch Luxemburg. Auf den beeindruckenden Streckenführungen halten wir immer wieder an, genießen die Aussicht, lernen Menschen kennen, probieren regionale Spezialitäten. Vor Ort, mittendrin und ganz authentisch. Begleiten Sie begeisterte Classic Car-Piloten durch Luxemburgs weltoffene Hauptstadt und die unterschiedlichen, äußerst charmanten Regionen des Landes. Das Großherzogtum ist ein Land der kurzen Distanzen, da ist die nächste Attraktion oft nur wenige Kilometer entfernt. Beste Voraussetzungen also für eine Tour der bleibenden Eindrücke – nicht nur für Classic Car-Fans. Wir hoffen, dass wir Ihnen Lust auf Ihre ganz persönliche „Grand Tour“ machen können, und freuen uns auf Ihren baldigen Besuch.

Romain Weber Präsident Luxembourg for Tourism

Dr. Sebastian Reddeker CEO Luxembourg for Tourism

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Inhalt 6-21

Yves Fiat 500 — 1967 MÜLLERTHAL

Zwischen Felsriesen flitzen 38

Die beeindruckende Steilwand des Felsriesen „Perekop“ lässt die „Smiling-Machine“ noch kleiner wirken, als sie ohnehin schon ist. Wir sind unterwegs in der Region Müllerthal — mittendrin in der Kleinen Luxemburger Schweiz.

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Simone Volvo PV544 „Buckelvolvo“ — 1962 GUTTLAND

Alles auf Rot Die Region Guttland ist eine Kulturlandschaft, geprägt von dichten Wäldern und Weiden, Obstwiesen und Äckern. Eine ruhige Gegend, wie gemacht für einen Oldtimer-Roadtrip für Genießer.

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Thierry Aston Martin DB 2/4 — 1956 MOSEL

Rally Riviera In der südöstlich gelegenen Region am Dreiländereck windet sich die Mosel durch das mit Weinstöcken bestellte Land. Ein Ort für Genießer und Kulturinteressierte. In der uralten Kulturlandschaft gehen Tradition und Moderne eine faszinierende Liaison ein.

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Claude „Kinch“ Cadillac Sedan DeVille — 1956 MINETT

Noch nicht Schicht Die letzte Grube ist geschlossen, der letzte Tagebau stillgelegt und der letzte Hochofen verloschen. Die Transformation ist in vollem Gange. Unterwegs auf einer beeindruckenden Tour im Konversionsland der Roten Erde.

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Frazer VW Bulli T2 Westfalia — 1976 ÉISLEK

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The Orange Beast Achtung Éislek, wir kommen! Wenn man mit einem ­klassischen Bulli, wie dem „Orange Beast“, durch die Luxemburger Ardennen cruist, kann man sein „Vanlife“ voll ­ausleben. Wasser, Wald, malerische Täler und ­luftige Hochplateaus, gepaart mit ursprünglichen ­Städtchen, Burgen und Dörfern. Im ­wilden Norden des ­Großherzogtums setzen wir mit dem weiß-orangenen Gefährt einen fröhlich-bunten Kontrapunkt.

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Pascal Morgan 4/4 — 2018 ZENTRUM

Good Morgan! Wer mit dem Auto in Luxemburg-Stadt unterwegs ist, begibt sich auf eine Achterbahnfahrt. Serpentinen und Brücken prägen den kurvenreichen Roadtrip von Morgan-Fahrer Pascal durch die City. Ober- und Unterstadt: scharf voneinander getrennt durch das canyonartige Tal der Alzette und der Petruss. Und jenseits des Stadtzentrums wartet das überraschend hügelige „Herzland“.

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Impressum

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Müllerthal ·

Yves ·

Fiat 500 — 1967

Zwischen Felsriesen flitzen

Die beeindruckende Steilwand des Felsriesen „Perekop“ lässt die „Smiling-Machine“ noch kleiner wirken, als sie ohnehin schon ist. Wir sind unterwegs in der Region Müllerthal — mittendrin in der Kleinen Luxemburger Schweiz.

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GRAND TOUR INSPIRIERENDE ROADTRIPS ROAD-TRIPSDURCH DURCHLUXEMBURG LUXEMBURG


Reisdorf Eppeldorf Befort Stegen Berdorf

Echternach

Nommern Waldbillig Osweiler

Fels

Mompach

Fischbach Lellig Junglinster Burglinster

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Das Müllerthal – oder „Mëllerdall“ auf Luxemburgisch – wird wegen seiner hügeligen Landschaft im Volksmund Kleine ­Luxemburger Schweiz genannt. Nicht nur die Straßen für unseren Oldtimer sind in ­einwandfreiem – ­schlaglochlosem – Zustand, auch die Wanderwege sind bestens gepflegt und perfekt ­ausgeschildert.

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Mit breitem Grinsen steigt Yves aus dem riesigen Schulbus, den er nonchalant am Straßenrand parkt. Wir treffen uns in seiner Mittagspause, um ein paar Fragen zu unserer gemeinsamen Tour durch die Region Müllerthal zu besprechen. „Voilà. Mein Arbeitsplatz! Mit diesem Ungetüm bugsiere ich die Kinder kreuz und quer durch Luxemburg-Stadt.“ Privat fährt er am liebsten mit seinem Fiat 500 von 1967, der – im Vergleich – so winzig ist, dass er wahrscheinlich nicht mal das Lenkrad des Schulbusses in sich aufnehmen könnte. „Poli – das ist der Name des kleinen Fiats –, gehört mir eigentlich gar nicht, aber seit ich 14 bin, träume ich von so einem Auto. Jetzt hat sich mein Vater diesen 500 gekauft und ich habe ihn mir mal ausgeliehen. Das war vor etwa 20 Monaten!“; Yves lacht. Seine gute Laune ist ansteckend, und gepaart mit seiner drolligen Knutschkugel soll es ein Trip, so entspannt wie ein Kurzurlaub in den Süden werden.

1300 Jahre Geschichte Ein paar Tage später geht es los. Erstes Ziel: Echternach. „Wenn man, zum Beispiel, über Mompach kommend, die Serpentinen nach Echternach runter fährt, dann ist das Urlaubsfeeling pur. Mit jedem Höhenmeter, den ich hinabrolle, entspanne ich mich mehr! Und dann die Einfahrt nach Echternach: die historischen Häuser und verwinkelten Gassen! Im Vergleich zur Hauptstadt ist das eine andere Welt!“ Yves kommt unwillkürlich ins Schwärmen. Und tatsächlich, als wir für unser Fotoshooting auf dem

Marktplatz von Luxemburgs ältester Stadt einrollen, spüren wir sofort diese unaufgeregte Leichtigkeit. Und zurecht nennt Yves seinen Oldi eine „Smiling-Machine“! Das kleine Fahrzeug zaubert den Passanten tatsächlich ein Lächeln ins Gesicht. Manche winken oder wollen ein Foto machen. „Großherzogliches“ Dolce Vita!

Bei den Felsriesen Von Echternach folgen wir der Straße nach Berdorf. Die beeindruckende Steilwand des Felsriesen „Perekop“ lässt den Fiat noch kleiner wirken, als er ohnehin schon ist. Wir sind mittendrin in der Kleinen Luxemburger Schweiz. Mitten drin im feuchtwarmen Mikroklima des

üppig-grünen Schluchtwaldes. Das Wasser hat hier tiefe Klüfte in den weichen Luxemburger Sandstein gefressen und – in Jahrtausende währender Arbeit – eine wildverwunschene „Dschungellandschaft“ geschaffen. Hin und wieder pfeifen kalte Winde weit oben über die Schluchten hinweg. Unten ist es nahezu windstill und immer etwas wärmer als auf den Plateaus. So gedeihen hier über 30 verschiedene Moosarten, seltene Farne, zahlreiche Pilze und unzählige Flechten. Zum Teil begrünen sie die stolzen Stämme der Buchen bis hinauf in die Baumkronen. Wir stellen den Wagen kurz am „Perekop“ in der Parkbucht ab und gehen ein paar Schritte zu Fuß. Wir zwängen uns durch Engstellen, steigen windschiefe Treppen hinauf und erkunden stockfinstere Höhlen.

In der Nähe des sogenannten „Predigtstuhls” führt der Weg durch ein ganz besonderes Felslabyrinth mit extra tief eingeschnittenen Gängen. Wer den Predigtstuhl zum Beten genutzt hat, ist nun gut gewappnet: In der Umgebung befinden sich nämlich die „Totenkammer” und die „Hölle”!

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Echternach, Hauptstadt der Region Müllerthal und gleichzeitig die älteste Stadt in Luxemburg, hat ihr mittelalterliches Ambiente bewahrt und versetzt den Besucher zurück in vergangene Zeiten.

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In Echternach warten verwinkelte Gassen und prächtige Stadthäuser. International berühmt ist die Springprozession, seit 2010 immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO.

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Der Mullerthal Trail führt den geübten Wanderer durch eine herrliche Hügel- und Felslandschaft. Die markantesten Felsen haben im Volksmund bizarre Namen erhalten, wie zum Beispiel „Piteschkummer“, „Geierslee“ oder „Huel Lee“, um nur einige zu nennen. Neben den anspruchsvollen Wanderungen verfügt die Region Müllerthal über ein ausgedehntes Netz an Spazierwegen, die nicht minder schöne Aussichten bieten.

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Umhüllt vom Duft des ­Waldes. Hier im immerfeuchten Schluchtwald der Kleinen ­Luxemburger Schweiz haben wir das frische Aroma von Moosen, Pilzen, Bäumen in der Nase. Rinnsale und ­kleine ­Bäche plätschern an uns ­vorbei.

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Übrigens alles perfekt für Wanderer ausgeschildert. Nicht nur die Straßen für unseren Oldtimer sind in einwandfreiem – schlaglochlosem – Zustand, auch die Wanderwege sind bestens gepflegt! Dieses Wegemanagement hat dem Mullerthal Trail das Prädikat „Leading Quality Trails – Best of Europe“ eingebracht.

Im Tal der Mühlen Kein Besuch in der Region Müllerthal ohne einen Besuch von Müllerthal! Der Ort, der der Region den Namen gegeben hat, ist Ausgangspunkt für viele Wandertouren und beherbergt das Tourist Center Heringer Millen. Im „Best of Wandern“ Testcenter kann man kostenlos Outdoorausrüstung wie zum Beispiel Wanderschuhe, Kinder-Kraxen, Jacken oder Wanderstöcke zum

Testen ausleihen. Praktisch, wenn man mal etwas vergessen hat. Wir haben unsere Wander-Einlage schon hinter uns und besichtigen stattdessen die Anlage der alten Mühle und das historische ­Mahlwerk.

Entlang der Schwarzen Ernz Sie ist fast ein Geheimtipp und befindet sich in u­ nmittelbarer Nachbarschaft zur Heringer Millen: die gleich­namige ­Brasserie. Deren Küchenchef Lars Fiebig hat sein Handwerk am Institut Paul B ­ ocuse gelernt. Nun hat er hier – abseits des Hauptstadttrubels –, versteckt an einer kleinen Waldlichtung, die Möglichkeit, seine Gäste kulinarisch zu ü­ berraschen. Nach dem Essen lassen wir den kleinen Fiat stehen und gehen zu Fuß über den

Im Tourist Center Heringer Millen gibt es — neben kostenloser Outdoorausrüstung — auch mit regionalen Spezialitäten prall gefüllte Picknickkörbe. Wir lassen es uns natürlich nicht nehmen, dieses besondere Angebot auf Herz und Nieren zu testen und finden: „Prädikat: zum-ratzeputz-leer-Speisen!“

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Wanderweg am Schiessentümpel entlang weiter bis zur „Kallektuffquell“. Über einen Holzsteg, entlang der Schwarzen Ernz, erreicht man diesen verwunschenen Ort: Glasklares, kalkhaltiges Wasser fließt über einen Felsvorsprung in ein darunter liegendes Becken. Je nach Wetter und Sonnenstand schillern Felsen und Wasser in glänzenden Farben von Türkis über Rostrot zu leuchtendem Grün. Überall tropft und gluckst und plätschert es. Würden plötzlich Feen aus dem Wasserschleier hervorfliegen, es würde einen nicht wundern.

Von Burgen und Schlössern Da wir – benebelt vom vielleicht magischen Wasserdampf der Kalktuffquelle – von unserem Mindset her ohnehin schon in Mittelerde angekommen sind, passt es gut, dass die nächste Station unseres kleinen Roadtrips das Ensemble von Burg und Schloss Befort ist. Für unsere Fotosession darf Poli ausnahmsweise im Innenhof posieren. Wir erkunden zu Fuß Burg und Schloss. Im Verlies erinnern die massigen Eisenketten an den ursprünglichen Zweck des düsteren Lochs. Was muss das Mittelalter doch für eine liebenswerte Epoche gewesen sein! Zum Glück werden die Keller des Schlosses heute für andere Zwecke genutzt: Knapp 5000 Liter Cassis-Likör werden hier im Jahr produziert. Mit Johannisbeeren aus regionalem Anbau. Jetzt finden wir es fast ein wenig schade, dass wir mit dem Auto unterwegs sind. Mehr als ein Probier-Schlückchen ist so nicht drin. Prost, ihr Rittersleut!


Sehr stilvoll sieht das aus, wie der kleine Poli so durch die Hofeinfahrt des Schlosses Befort fährt. Wie dafür gemacht! Viel größer dürfte er auch nicht sein, schließlich ist das RenaissanceTor im 17. Jahrhundert für Kutschen bemessen worden.

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Über einen 600 m langen Holzsteg erreicht man die „Kallektuffquell“. Glasklares, kalkhaltiges Wasser fließt über einen Felsvorsprung in ein darunter liegendes Becken. Je nach Wetter und Sonnenstand schillern Felsen und Wasser in glänzenden Farben von Türkis über Rostrot zu leuchtendem Grün.

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Das Müllerthal ist in erster Linie ein einzigartiges, mit Felsen durchsetztes Biotop. Die Landschaft aus Sandsteinfelsen verdankt ihr eigentümliches Aussehen der über Jahrtausende wirkenden Erosion. 17


Die beeindruckende Mittelalterburg in Befort entstand zwischen 1050 und 1650. Nach großen Instandsetzungsarbeiten wurden die imposanten Ruinen bereits 1932 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und gelten heute als historisches Monument. Nebenan entdeckt man das Renaissance-Schloss aus dem 17. Jahrhundert. Seine bemerkenswerte Innenausstattung zeugt vom Zauber der Vergangenheit.

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Die Treppen führen zum ­­­ehemaligen­ Verlies von Burg Befort. Die angrenzenden Kellergewölbe des Schlosses werden heute für ganz andere Zwecke genutzt: Knapp 5000 Liter Cassis-Likör werden hier im Jahr produziert. Mit Johannisbeeren aus regionalem Anbau.

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det man in der Region Müllerthal fast an jedem Strecken-­Kilometer. Im Gute Aussichten Tourist Center HeringerMillen  gibt es nicht nur Wanderausrüstung gratis zum Ausleihen, sondern auch regionale und lokale Hinter jedem Felsen oder Spezialitäten, im PicknickBaum kann sich in der korb oder einzeln. In so Region Müllerthal eine einen Picknickkorb passt grandiose Aussicht verauch eine Flasche spritziger bergen. Wanderer auf dem Cider. Wen die Herstellung Mullerthal Trail kennen des traditionellen Apfeldas. Doch auch auf vier weins interessiert, der sollte Reifen kann man immer beim Ramborn Cider Haff wieder mal kurz stehenblei-  vorbeischauen. Fruchtig ben. Etwa beim Felsriesen und hochprozentig wird es „Perekop“ . Nächster bei den „Tudorsgeeschter“: Aussichtspunkt: Von gute Tröpfchen, die man Berdorf in Richtung in Rosport zu kosten Echternach am Ortsausbekommt. Während der gang links abbiegen auf den Autotour natürlich lieber schmalen Feldweg Richals Sirup oder Saft. tung Wald. Vom Wanderwww.mellerdaller-produzenten.lu parkplatz geht man 300 m zu Fuß bis zum Amphitheater und zur Hohllay , Elektrisierend! wo man sehen kann, wie Mühlsteine aus den Felsen gehauen wurden. Von der Felsformation „Priedegtstull“  blickt man über Wem schon mal die LichtSchluchten und Felsen. maschine im Auto ausgefallen Auch vom Wasserturm, ist, der weiß: Ohne Strom dem Aquatower  hat geht wenig. In Rosport man eine tolle Aussicht! kann man Henri Tudor www.mullerthal.lu sozusagen über die Schulter schauen. Für den Ingenieur und Pionier bei der Regional ist Entwicklung der Stromerste Wahl speicherung war Elektrizität eine Leidenschaft. Das „Musée Tudor“  ist eine Mischung aus ScienceCenter und traditionellem Wenn der kleine Hunger Museum. Experimentieren kommt: Käse, Honig, erwünscht! ­Liköre und mehr finwww.musee-tudor.lu

Müllerthal

Das Musée Tudor

© LFT PANCAKE!

© ROSTISLAV ROUSEV

© LFT PANCAKE!

Über Stock und Stein

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© LFT PANCAKE!

Kulinarisches am W ­ egesrand


Wer schreibt, der bleibt

© LFT RENATA LUSSO

Echternach ist es an sich schon wert, das Auto stehenzulassen und die Stadt zu Fuß zu erkunden. Doch rund um die beeindruckende Abtei gibt es für Kulturinteressierte noch eine Besonderheit zu entdecken: das Skriptorium der Echternacher Schreibschule. Von hier gingen im Mittelalter kunstvolle Handschriften in die Welt hinaus. Die Führung „Abbey Top Secret & Scriptorium“  zeigt die faszinierende Arbeit der Benediktinermönche. Sehen Sie sich in Räumen um, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind. www.museedelabbaye.lu

Der Odem der Vergangenheit

Die S ­ chlösser von Larochette

© LFT RENATA LUSSO

© LFT DIETER TELEMANS

© LFT ALFONSO SALGUEIRO

© LFT VÉRONIQUE KOLBER

Schriftkunst in Echternach

Die Schlösser von ­Larochette  prägen das Bild des malerischen Örtchens Larochette oder auch Fels (auf Luxemburgisch: Fiels). Sie thronen über dem Tal. Burgruine und restauriertes Schloss kann man besichtigen. Auto stehenlassen, durch die Ruinen streifen und den Odem der Vergangenheit spüren. www.visitlarochette.lu

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Guttland ·

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Simone ·

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Volvo PV544 „Buckelvolvo“ — 1962


Alles auf Rot

Die Region Guttland ist eine Kulturlandschaft, geprägt von dichten Wäldern und Weiden, Obstwiesen und Äckern. Eine ruhige Gegend, wie gemacht für einen Oldtimer-Roadtrip für Genießer.

Wahl Grosbous

Vichten

Préizerdaul

Bissen Redingen/Attert Böwingen/Attert Mersch Beckerich

Ansemburg

Eischen

Steinfort

Koerich

Kehlen

Kahler Mamer

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Vor den Toren der Hauptstadt bietet die Region Guttland — geografisch westlich in der Mitte des Landes gelegen — eine verwunschene Kulisse aus imposanten Schlössern und geheimnisvollen Burganlagen, charmanten Dörfern sowie bezaubernden Naturlandschaften.

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„Oh mein Gott, ist der schön!“, Simone sagt diesen Satz mit einem unüberhörbaren Ausrufezeichen. Simone, die heute zum ersten Mal in ihrem Leben einen Oldtimer fahren wird. Gemeint ist der Buckelvolvo von 1962. Das Sammlerstück eines guten Freundes, das heute den Hauptdarsteller geben wird. In seiner Formgebung und Eleganz wie gemacht für eine Dame. Auch wenn sich diese – die Dame – im Laufe des Tages noch über ihren herannahenden Muskelkater wundern wird, den so ein Auto ohne Servolenkung einer ungeübten Oldtimerfahrerin schenkt. Der Volvo: Nagellack-Rot, Weißwandreifen, in perfekten Linien geschwungenes Chassis. Große leuchtende Augen, elegantes Auftreten und ein espritgeladenes, einnehmendes Wesen. Das gilt sowohl für den Classic Car als auch für seine heutige Fahrerin. Wir wollen gemeinsam mit Simone nicht nur das Reisegefühl beim Oldtimerfahren erspüren, sondern ebenso die Region Guttland erkunden. Diese eignet sich hervorragend für Classic-Car-Novizen: Im Guttland scheint alles sanfter zu sein. Die Kurven ziehen sich länger, die Hügel strecken sich weiter als anderswo im Großherzogtum.

uns – zur Begrüßung – so bepinselt worden. Es verstärkt die märchenhaft-verwunschene Stimmung auf diesem Streckenabschnitt. Als Kontrapunkt zu den uralten Gemäuern der Burgen und Schlösser aus alten Zeiten setzen wir den Besuch in Kahler, ganz im Westen, nahe der belgischen Grenze. Das Dorf ist über und über mit Graffitis geschmückt. Eine AffenBrass-Band prangt – überlebensgroß – auf einer Hauswand. Schräg gegenüber ein überdimensionierter Frosch auf einem Fahrrad. Daneben rast eine Rennschnecke über eine Haustür hinweg. Keine Wand bleibt kahl in Kahler. „Schuld“ an diesem zur Galerie mutierten Dorf ist Alain Welter, ein Künstler und Sohn des Dorfes, der seine Mitbewohner davon überzeugen konnte,

sein Heimatdorf als Leinwand für seine Bachelorarbeit zu nutzen. Wir sind beeindruckt, wollen aber trotzdem weiter. Simone zieht es zu den Alpakas des Hofs FreylingerKlein in Hovelingen.

Ein Herzogtum für ein Alpaka Dany und Jean-Marc halten auf ihrem pädagogischen Bauernhof ein paar dieser faszinierenden Tiere und bieten geführte Spaziergänge mit ihnen an. Zu Beginn hatten die Alpaka-Bauern noch Kopfschütteln im Ort geerntet. Es war ein etwas ungewöhnliches Bild, mitten im Dorf Alpakas grasen zu sehen, aber mittlerweile sind die Tiere nicht mehr wegzudenken.

Die Ursprünge der historischen Gärten von Schloss Ansemburg gehen auf das 17. Jahrhundert zurück. Um das „neue Schloss“ nicht mit der auf dem nahegelegenen Berg gelegenen älteren Burganlage von Ansemburg zu verwechseln, wird das Schloss oft als Nouveau Château bezeichnet. Burg und Schloss zählen zum „Tal der Sieben Schlösser“.

Wir fahren an Feldern entlang, die geschwungen sind, als seien sie von einem Impressionisten gemalt worden. Immer wieder unterbrochen von kleinen Wäldchen. Die Bäume der Alleen sind geschmückt mit aufgemalten weißen Bändern. Auch, wenn das eigentlich nur der Sicherheit dienen soll, tun wir im „Tal der Sieben Schlösser“ so, als seien die Bäume extra für

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Nirgendwo sonst findet der Besucher eine derart hohe Dichte an mittelalterlichen Bauten wie im Guttland. Märchenschlösser zum Träumen und jede Menge schöner Stellen, um anzuhalten und die Seele baumeln zu lassen. Einfach den Hinweisen „Vallée des 7 Châteaux“ folgen. 26

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Alle stehen Spalier vor Schloss Ansemburg: die ­steinernen Wächter am Tor, die Apfelbäume in Reih und Glied. Die Hecken des Buchsbaumlabyrinths akkurat ­getrimmt. Da lustwandelt man ­gerne! Eine Fahrt mit dem Oldtimer durchs zauberhafte „Tal der Sieben Schlösser“ im Guttland ist eine doppelte Zeitreise.

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Auf dem pädagogischen Bauernhof Freylinger-Klein in Hovelingen werden geführte Spaziergänge mit Alpakas angeboten: Charly Brown, Danny, Donatello, Mister D, Wonder und Eldorado lassen sich genügsam von den Besuchern streicheln, knuddeln und an der Leine führen.

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Die zur Familie der Kamele gehörenden Alpakas sind etwas kleiner als ihre Verwandten, die Lamas, und reichen den meisten Erwachsenen nur bis zur Schulter. In Südamerika werden sie vor allem wegen ihrer Wolle gezüchtet. In Europa sind sie wegen ihrer sanften Eigenschaften und ihrer beruhigenden Art fester Bestandteil der tiergestützten Therapie. 29


Endlich angekommen, werden wir zunächst zu den Galloways geführt, die ebenso zum Hof gehören. Sie grasen auf einer riesigen Weide und kommen, als sie uns wahrnehmen, neugierig angetrottet. „Unglaublich, wie zutraulich diese Riesenviecher sind!“ Simone ist begeistert. Und um diesen Traum eines jeden zivilisationsgestressten Städters noch zu toppen, geht es nach den Rindern nun endlich zu den Alpakas. Wie die Orgelpfeifen stehen die sechs Mini-Kamele Spalier und schauen uns vorwitzig an. Ihren Kopf scheinen die Alpakas in einen Wäschetrockner gehalten zu haben, denn er ist noch wuscheliger und kuscheliger als der ohnehin schon flauschige Rest des Körpers. Jetzt blicken sie uns mit ihren riesigen Kulleraugen an. Der Kopf: ein explodiertes Woll-Popcorn. Da ist es um Simone geschehen: love at first sight!

Nur sehr, sehr schweren Herzens können wir uns von den Tieren verabschieden.

Guttland tut gut Auf dem Weg nach Rindschleiden oder auf Luxemburgisch Ranschelt dann Simones Fazit des Tages: „Auch wenn ich vom Fahren ohne Servolenkung wahrscheinlich morgen einen wahnsinnigen Muskelkater in den Armen haben werde, muss ich sagen: Mit so einem edlen Fahrzeug geht man doch achtsamer um, fährt langsamer und bewusster als sonst, und bekommt tatsächlich mehr von der Landschaft mit! Nach dem ganzen Rambazamba im Beruf tut so ein entschleunigtes Reisen in einer „Slow TourismGegend“ wie dem Guttland einfach gut. Man schaltet – Achtung Wortspiel – wirklich einen Gang

Das Bistro in Rindschleiden ist nicht nur wegen seines Interieurs eine Reise wert: Hier werden aus regionalen Zutaten fantastische Gerichte zuzubereitet. Kleines Bistro mit großer Küche!

zurück!“ Spricht‘s und parkt, ganz selbstverständlich, als führe sie das Auto schon seit Ewigkeiten, vor dem kleinen Bistro. „Ich liebe Alpakas!“ Noch bevor jemand „Moien!“ sagen kann, musste dieses Bekenntnis offenbar raus! ­Simone entert beschwingt einen Platz an der winzigen Bar. Ihre Zuneigung zu den Alpakas verrät sie Romaine Zieser, der Inhaberin des kleinen Rindschleidener Bistros, in dem wir unsere Guttland-Rundreise ausklingen lassen. Umgeben von unzähligen Aphorismen, Liedtexten, Bonmots und anderen Textschnipseln sitzt man in dem kleinen, in Rot, Weiß und Schwarz gehaltenen Raum des Bistros und kann überhaupt nicht mehr aufhören zu schauen und zu entdecken. Neben den mit schwarzem Filzstift von Romaine auf Türen, Regalen und Wänden geschriebenen Sprüchen ist der ehemalige Schweinestall übervoll mit Kunst-Krempel und KinoDevotionalien. Das Sammelsurium macht es unglaublich gemütlich, und wir kommen aus dem Betrachten und Schmunzeln nicht mehr heraus. Die aufmerksame Besucherin bemerkt übrigens schnell, dass ihr eigenes Geschlecht bei den Wandsprüchen im Allgemeinen etwas besser wegkommt als das der Männer. In Kombination mit der großen Romaine hinter dem Tresen wahrscheinlich der Grund, weshalb sich hier so gerne Damenzirkel treffen. Es herrscht eine anregende Atmosphäre. Und die Chefin des Ganzen ist eine ebenso anregende Gesprächspartnerin. Kein Wunder, dass man seine Liebe laut herausposaunen möchte. Und sei es die Liebe zu Alpakas.

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In einem Tal versteckt, weitab von Verkehr und Tumult, liegt Rindschleiden — mit nur einem Einwohner das kleinste Dorf Luxemburgs. Zu noch mehr Entschleunigung trägt ein Spaziergang auf dem Meditationsweg bei. Zwölf Stationen laden zum Lesen, Nachdenken und Verweilen ein.

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„Make Koler kooler“ sollte eigentlich nur Alain Welters Bachelor-Abschlussarbeit werden ― und wird jetzt doch immer größer. Kaum war die eine Bauernhausfassade besprüht, wollte schon der Nächste ein Bild. So wie die Raben, die auch im Wappen des Dorfes zu finden sind. Auf Deutsch heißt Koler übrigens Kahler.

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Keine Wand bleibt kahl in Kahler. „Schuld“ an diesem zur Galerie mutierten Dorf ist Alain Welter, ein Künstler und Sohn des Dorfes, der seine Mitbewohner davon überzeugen konnte, sein Heimatdorf als Leinwand zu nutzen.

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Mit ihrem zotteligen Fell können Galloway-Rinder — ­theoretisch — das ganze Jahr über im Freiland gehalten werden. Sie stammen ü­ brigens ursprünglich aus dem Kreis Galloway im Südwesten Schottlands. Im Guttland sind sie willkommene Exoten.

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„Hiii!“ Simone stößt einen überraschten Schrei aus, als eines der Tiere sie anstupst. Offenbar sind die Rinder an Menschen gewöhnt und wollen sich ihre Streicheleinheiten – und einen Kanten Brot – abholen.

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Guttland Daydream

Guttland, Tagtraum-Land. Die Sieben Schlösser , die sich auf der Fahrt durchs gleichnamige Tal aneinanderreihen, tragen als malerische Kulisse einen großen Teil zu dieser Stimmung bei. Zur Schlösser-Tour gehören die Anwesen in Mersch, Schoenfels, Burg und Schloss Ansemburg, die Anlagen in Koerich, Hollenfels und Septfontaines. Auch das nahegelegene Schloss von Useldingen  ist sehenswert. Abends wird die Ruine stimmungsvoll erleuchtet. www.visitguttland.lu

© ALFONSO SALGUEIRO

Von Schloss zu Schloss träumen

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© D'MILLEN ASBL

Einen tollen Ausblick übers Land bietet der Napoléonsgaard. Ab Koetscheid fünf Kilometer der Landstraße nach Osten folgen, und man ist auf dem Hügel. Er ist mit 554 Metern die dritthöchste Erhebung Luxemburgs. Angeblich blickte Napoleon hier auch schon in die Gegend. Luxemburgs kleinstes Dorf Rind­schleiden  ist um die Ecke. Auf der Fahrt

© ELISABETH NEY

Schöne Aussichten

© LFT REANAT LUSSO

Wie einst Napoleon


Richtung Grevels eröffnet sich bei gutem Wetter ein Panorama bis zum Kirchberg-­Plateau der Hauptstadt. www.visitguttland.lu

© ALFONSO SALGUEIRO

© VISIT GUTTLAND

Mühlen-Tradition

Gar nicht verstaubt 

Klipp-klapp! Einst klapperten die Mühlen am rauschenden Bach. Luxemburg ist auch ein Land der Mühlen. Sie verteilen sich im ganzen Großherzogtum entlang der Flüsse. Alles rund um dieses traditionsreiche landwirtschaftliche Kultur-Erbe erfahren Sie in der Beckericher Mühle . Ein lebendiges Museum! Die Maschinen werden benutzt und gezeigt. Auch Besucher können Hand anlegen. Neben Lesungen gibt es Konzerte, Kunstausstellungen und Märkte und natürlich kulinarische Leckerbissen. Tauchen Sie ein und holen Sie sich eine mehlige Nasenspitze. www.dmillen.lu

© DISTILLERIE ARTISANALE DU MUSÉE

Idyllisch die Beine vertreten

Auf den Spuren des Hunnenkönigs 

Hier soll Hunnenkönig Attila im fünften Jahrhundert mit seinen Kriegern

die Pferde getränkt haben – warum sollen Autofreunde dann nicht ihr Fahrzeug hier abstellen und sich selbst eine kleine Pause im Wald mit Picknick und Getränken gönnen? Der „Hunnebour“  ist ein verwunschener Weiher in einem kleinen Wäldchen. Sagen und Legenden sind an diesen Ort geknüpft. Vielleicht hören Sie ja ganz leise Attilas Pferde wiehern. Zum spritzigen Schluss

Brennen und Brauen „Don‘t drink and drive!“ Die folgenden beiden Ausflugsziele eignen sich eher für den Abschluss eines Tages, etwa nach einem Abstecher ins Urban Art-Dorf Kahler. In Kehlen wartet nicht nur das Brennereimuseum  auf Besucher, man kann in der Distillerie Adam  auch die erste weibliche Brennerin Luxemburgs treffen. In Bascharage besichtigt man die nationale Brauerei Bofferding mit angegliedertem großen Museumsbereich und kann verschiedene traditionelle und moderne Biere kosten. Bei der Beierhaascht gibt es zusätzlich noch regionale Spezialitäten aus Luxemburg. Ideale Souvenirs! www.distillerie-adam.lu

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Mosel ·

Thierry ·

Aston Martin DB 2/4 — 1956

Rally Riviera In der südöstlich gelegenen Region am Dreiländereck windet sich die Mosel durch das mit Weinstöcken bestellte Land. Ein Ort für Genießer und Kulturinteressierte. In der uralten Kulturlandschaft gehen Tradition und Moderne eine faszinierende Liaison ein.

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GRAND TOUR INSPIRIERENDE ROADTRIPS ROAD-TRIPSDURCH DURCHLUXEMBURG LUXEMBURG


Mertert

Grevenmacher

Wormeldingen Lenningen

Stadtbredimus Waldbredimus Dalheim

Remich

Schengen

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„D’Musel“, wie die Bewohner das Moseltal liebevoll nennen, bildet auf einer Strecke von 39 Kilometern die natürliche Grenze zwischen Luxemburg und Deutschland. Die Region ist nicht nur als Weinanbaugebiet bekannt, sie zieht auch Wassersport-Liebhaber und Wanderer an.

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„Nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen!“, begrüße ich Thierry in Bad Mondorf. Wir beginnen unsere MoselGrand-Tour nämlich – eher untypisch – außer Sichtweite von Weinbergen und Fluss. Wir treffen uns im Fliegermuseum unter der „Klemm“. Der restaurierte Eindecker aus den 1930er-Jahren ist nicht zu übersehen. Knallrot und auf Hochglanz poliert hängt das Flugzeug unter der Decke des kleinen Museums. Auf dem Weg durch die Grünanlage des Thermalbads zum Parkplatz, auf dem der Oldtimer wartet, erzählt Thierry die unwahrscheinlich klingende Geschichte seines Fahrzeugs. Er ist Besitzer eines Aston Martin DB 2/4 von 1956 in Hellgrün-metallic.

Schrauben für Fortgeschrittene „An so einem Auto ist im Grunde alles Handarbeit“, schwärmt Thierry, der im Finanzsektor arbeitet. „Wenn ich da etwas reparieren oder ausbessern will, muss ich es entweder selbst tun oder einen Spezial-Handwerker finden, der – zum Beispiel – in der Lage ist, ein Instrumententeil zu reparieren. Nachkaufen kann man da eigentlich nichts. Aber gerade das macht den Reiz aus! Diese fantastische Handwerkskunst zu erhalten. Die verschiedenen Arbeitsschritte nachzuempfinden. Die Befriedigung, wenn eine Restauration gelingt. Einfach schön!“

früh manchen handwerklichen Trick beim Vater ab. Als er 14 ist, schrauben sie gemeinsam einen von den Alliierten zurückgelassenen Landungsjeep wieder zusammen. Thierry hilft von nun an bei allerlei Reparaturen, und auch, wenn er heute nicht hauptberuflich in einer Autowerkstatt arbeitet: Angst vor schmutzigen Händen hat er immer noch nicht. Irgendwann entdeckte er in dem französischen Magazin „La vie de l’auto“ die Annonce für einen Aston Martin. Nicht wirklich fahrtüchtig. „Um so besser“, erzählt er, „das war die Herausforderung, die ich gesucht hatte!“ Wir kommen am Parkplatz an. Kaum zu glauben, dass dieses in unseren Augen wie neu wirkende Gefährt einmal eine „Rostlaube“

gewesen sein soll. Das Chrom blitzt. Die Speichen der Räder: tipptopp. Das Leder: perfekt gespannt.

Ein Klassiker für sich Wie viele Arbeitsstunden müssen da wohl drinstecken? Was wir nicht begreifen, ist, wie man sich allen Ernstes mit einem solchen Schatz in den normalen Straßenverkehr begeben kann. „Ach was“, erwidert Thierry „wozu habe ich ein Auto, wenn ich nicht damit fahren soll?“ Also fahren wir los in Richtung Mosel. Der Aston Martin fährt voraus, wir hinterher: Jetzt bitte unter gar keinen Umständen auffahren. Unsere Versicherung schmeißt uns sofort raus! Aber schön ist er. Auch von hinten. Ein echter Klassiker.

Das Europa Museum in Schengen ist mit einem Putz versehen, dem Moselsand beigemischt ist. Der Bau fügt sich so farblich harmonisch in das Ortsbild mit seinen alten Winzerhöfen ein. Der Sandstein, aus dem diese gebaut sind, hat die gleiche Farbe wie der Putz des Museums.

Allerdings wird einem dieses Können natürlich nicht in die Wiege gelegt. Jedenfalls uns Normalsterblichen nicht. Thierrys Vater hatte eine Tankstelle mit angeschlossener Werkstatt, und so schaut sich der Sohn schon

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Das Biodiversum ist ein Werk des international bekannten Architekten François Valentiny. In seinem Heimatort Remerschen hat er die „Valentiny Foundation“ geschaffen. Anhand von Modellen, Bildern und Zeichnungen können die Besucher dort sehen, wie der Architekt arbeitet und wovon er sich inspirieren lässt.

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Wie ein umgestülpter Holz-Kahn liegt das Biodiversum, das Informationszentrum des Naturschutzgebietes „Haff Réimech“, auf einer Halbinsel zwischen Schilf und dem Wasser der Seen. In futuristisch gestalteten Räumen werden die Geschichte sowie Flora und Fauna präsentiert und die Unterwasserwelt des „Haff“ gezeigt.

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Weit über die Grenzen ­hinaus bekannt ist die Kurstadt ­Mondorf-les-Bains als ein ­gelungener Mix aus Wohlfühl­ oase, Gesundheitszentrum und Kulturort. Mit seinem über 40 Hektar großen Park begeistert das Thermalbad Naturliebhaber. Die alten Thermen, die ­Orangerie und das Kino ­„Waasserhaus“ sind nur einige der Entdeckungen, die man während eines Spaziergangs durch den Park machen kann. 44

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Mitte des 19. Jahrhunderts sprudelte bei Bohrungen auf der Suche nach Steinsalz plötzlich Heilwasser aus dem Boden — und so wurde der Ort Bad Mondorf mehr und mehr Treffpunkt erholungssuchender Badegäste. Bei einem Spaziergang kommt man an herrschaftlichen JugendstilVillen aus der Gründerzeit des Bades vorbei und fühlt sich sogleich zurückversetzt in dieses goldene Zeitalter.

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Nach einer kurzen Fahrt durch das Hinterland erreichen wir den Grenzort Schengen.

Berühmt und unbekannt Das Ulkige an Schengen ist, dass ganz Europa den Namen kennt, aber nur wenige auch ein Bild des Ortes vor ihrem geistigen Auge parat haben. Eigentlich kein Wunder: der Geburtsort des freien Europas ist ein Dorf mit nicht mal 700 Einwohnern. Ein typisches Winzerdorf, das am Dreiländereck zwischen Frankreich, Deutschland und Luxemburg liegt und wegen dieser Lage mehr oder weniger zufällig zum Europa-Symbol wurde. Wir machen einen Stopp vor dem Europa Museum, spazieren bei den Nationen-Säulen, zwischen den Flaggen und beim Europa-Denkmal. Das Museum beleuchtet die Geschichte und Auswirkungen des Schengener

Abkommens. Es ist ein Werk des über die Landesgrenzen hinweg bekannten Architekten François Valentiny. Nur einen Steinwurf weiter: das Biodiversum in Remerschen. Ein weiteres Valentiny-Kunstwerk. Wir steigen aus und spazieren über die verschiedenen Holzstege, die das „Haff Réimech“ durchziehen, an den Ufern der Seen entlang. Wir versuchen die Haubentaucher zu zählen, die an immer neuen Stellen im Wasser ab- und wieder auftauchen. Ein unmögliches Unterfangen. Wir setzen unseren Roadtrip fort und biegen bei Bech-Kleinmacher ab nach Wellenstein. Auf kleinen Straßen fahren wir in Schlangenlinien die Weinterrassen hinauf. Unser Ziel: die Panoramastraße oberhalb der Weinberge, parallel zur Mosel. So wollen wir, das Panorama der Mosel immer im Blick, von oben kommend in die

Endlose Weinberge in einer uralten Kulturlandschaft am Fluss. An der Mosel befindet sich Luxemburgs einzige und einzigartige Weinregion.

„Luxemburger Riviera“ einfahren. Die Croisette von Remich mit dem Anleger für die Ausflugsschiffe und ihren Restaurants und Buden wird – eher scherzhaft – von den Touristen „Riviera“ genannt. Wenn man allerdings bei „Moseler Friture“ – frisch im Fluss gefangenen Rotfedern zum Beispiel, die am Stück ins heiße Fett geschmissen werden –, und einem Glas Wein aus der Region in der Sonne sitzt, muss man doch anerkennen, dass die Bezeichnung „Riviera“ durchaus berechtigt ist.

Entlang der Mosel Genau auf diese Art gestärkt, düsen wir weiter. Die Finger noch fettig, die Beifahrer noch beseelt von Auxerrois und Pinot Gris, kurven wir noch einmal durch die Weinberge hinauf zum „Koeppchen“, einem Aussichtspunkt, unter dem das Tal der Mosel seine Schönheit in Schleifen gewunden offenbart. Wir sind inspiriert von der Leidenschaft und Liebe, die die Winzer der Mosel ihrem Terroir widmen. Man kann es an den gepflegten Trockensteinmauern ablesen. An der Liebe zum Detail, etwa bei den kleinen Hinweisschildern, die zwischen den Reben aufgestellt sind. Wenn neue Kellergebäude entstehen, gibt es – in der architektonischen Gestaltung – immer einen Bezug zur Heimat, zur Erde, zum Gestein. Zwischen leuchtenden Reben fahren wir über einen asphaltierten Feldweg oberhalb der Mosel zum Winzerdorf Ahn. In dem kleinen Dorf findet man mehrere Privatwinzer und authentische Weinstuben. Perfekt für einen „Absacker“.

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Auf Entdeckungsfahrt mit dem Oldi: ­malerische Dörfer in einer einmaligen Kulturund Flusslandschaft. Hier genießt man preisgekrönte Weine und prickelnde ­Crémants in historischen Winzerdörfern, modernen Weinstuben, Cafés oder Restaurants, die zeitgenössische Kochkunst mit regionaler Küche ­verbinden. 47


Die Weinlage „Koeppchen“ bei Wormeldingen ist vielleicht die bekannteste in Luxemburg. Auf jeden Fall ist sie eine der steilsten: Mit mehr als 45 Grad Steigung, einem muschelkalkhaltigen Boden und teils perfekter Ausrichtung nach Süd-Westen bekommen die Reben hier besonders viel Sonne ab.

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Getoppt (im wahrsten Sinne des Wortes) wird das „Koeppchen“ von einer Kapelle, die gleichzeitig Aussichtspunkt ist, von dem wir einen sehr weiten Blick ins Tal der Mosel haben.

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Die „Caves St Martin“ sind ein wahres Kellerlabyrinth. Die unterirdischen Galerien erstrecken sich über fast einen Kilometer. Wenn wir sprechen, hallen die Stimmen gedämpft durch die Gänge. Hier braucht man keinen Wachmann, da sind wir uns sicher! Den Job übernehmen die Geister, die hier – ganz ohne Frage – des Nachts spuken. Die Flaschengeister sozusagen.

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In einen riesigen Kalksteinfelsen gehauen, halten sich in den „Caves“ ganzjährig feucht-kalte zwölf Grad Celsius. Unendlich lang scheinende Gänge mit alten Holzfässern und verstaubten Flaschen sind eine schaurigschöne Kulisse. Leises Glucksen und Plätschern: pling, pling, pling – Tropfen fallen auf Flaschen.

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Mosel A votre santé

© LFT GREGOR LENGLER

Schöne Aussichten über Fluss und Hügel, am besten mit Weinglas in der Hand! Sehr beliebt ist dafür der Turm und Aussichtspunkt Markusberg  mitten in den RebenReihen über Schengen. Hier werden Weinproben organisiert. Auch beim Weingut Henri Ruppert , organisch in den Weinberg integriert, hat man bei toller Aussicht edle Tropfen im Glas. www.visitmoselle.lu

© SIP

Weinprobe mit Weitsicht

Wein und Architektur

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© VISIT MOSELLE

© LFT VALERY SHANIN

Wein und Architektur hängen an der Mosel eng zusammen. Nun bekommt diese Allianz einen Namen: Via Mosel . Sie verbindet grenzübergreifend vier Weinbaugebiete, von den Côtes de Toul und der AOC Moselle in Frankreich über die AOP Moselle Luxembourgeoise bis zum deutschen Weinanbaugebiet Mosel. Manche „Caves“ sind in den Stein gehauen und beherbergen jahrhundertealte Weinkeller, manche

© CHRISTOPHER ARNOLDI

Genussvolle Allianz


wurden modern und elegant exotische Tiere finden in die Höhe gebaut. sich dort, vom Chamäwww.viamosel.com leon bis zur chinesischen Zwergwachtel. Nicht weit entfernt ist die Anlegestelle Antike erleben der MS Princesse MarieAstrid.  Das Passagierschiff legt unter anderem in Grevenmacher an und startet dort am WochenDie Antike hat ihre Spuren ende zu einer ganztägigen hinterlassen. Zu besichtigen Tour. Auch an den restentlang der Straße der Rölichen Tagen der Woche mer, zum Beispiel in kann man bis zum Herbst Dalheim. Die gallo-römische unterschiedliche Stationen Stätte „Vicus Ricciacus“  ansteuern und jederzeit war um 15 v.Chr. eine Rast- mit dem öffentlichen Nahstation an der bedeutenden verkehr an den AusgangsFernstraße vom Mittelmeer punkt zurückkommen. zum Rhein. Ein besonders www.papillons.lu gut erhaltenes Theater, ein www.entente-moselle.lu archäologisches Zentrum mit antiken Thermen und Schengen-Spirit die Reste eines Wohn- und Geschäftsviertels laden dazu ein, hier in die Vergangenheit zu reisen. Die bedeutendste archäologische Fundtstätte ist am Offenheit und „EuroWochenende zugänglich. pa-Spirit“ machen den Zu erleben auch mit den Charme der Region aus. „Lauschtouren“. Doch wie kam es dazu, dass www.ricciacus.lu das Winzerörtchen Schengen zum Inbegriff eines www.lauschtouren.lu freien Europas wurde? Im Europäischen InformatiBezaubernd! onszentrum  kann man es nacherleben. Hier hängt der Original-Vertrag des Schengener Abkommens. Am Moselufer flaniert man zwischen den Nationensäulen und einem Stück In den Sommermonaten Berliner Mauer auf der flattern Falter in allen „Place des Étoiles“ sowie Größen und Farben durch unter den Stahlstehlen auf den überdachten Schmetter- der „Place de l’Accord de lingsgarten in GrevenSchengen“. macher . Auch andere www.visitschengen.lu

© DIRECTION GÉNÉRALE DU TOURISME / SOPHIE MARGUE

© JEAN WALTÉ

Die Straße der Römer 

Europa ganz nah

© LFT RENATA LUSSO

Schmetterlinge treffen Prinzessin

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Minett ·

Claude „Kinch“ ·

Cadillac Sedan DeVille — 1956

Noch nicht Schicht Die letzte Grube ist geschlossen, der letzte Tagebau stillgelegt und der letzte Hochofen verloschen. Die Transformation ist in vollem Gange. Unterwegs auf einer beeindruckenden Tour im Konversionsland der Roten Erde.

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Bartringen Dippach

Differdingen

Bettemburg Schifflingen

Frisingen

Esch/Alzette

Düdelingen Rümelingen

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Die Transformation von Industrielandschaft zu Naturparadies und von Stahlverarbeitung zu Zukunfts-Stadt ist in vollem Gang: die „Terres Rouges“ sind eine spannende ­Region, die — touristisch gesehen — nun einen Sprintstart hinlegt.

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„Es war einmal vor langer, langer Zeit in einem Land aus Feuer und rot leuchtender Erde, in dem der Himmel jede Nacht wie bei einem immerwährenden Sonnenaufgang von der Glut der Hochöfen orange leuchtete. Da bauten die Zwerge, die in den Gruben das Eisenerz aus dem roten Gestein hauten, ein Dorf aus Holz. Die Dächer spitz wie Zipfelmützen. Alle Türen in verschiedenen Größen, die Fenster krumm und schief. Manchmal rund. Und alles bunt bemalt. Das Dorf: ein fröhliches Gegenstück zu der harten und gefährlichen Arbeit unter Tage!“ So hätten wir gerne auf die Frage von Kinchs Sohn Philipp geantwortet, wer denn diese Baumhäuser beim Tierpark in Esch/Alzette gebaut habe. Leider sind wir nicht so spontan und erzählen nur die wahre Geschichte: dass es in der Region viele tolle Projekte gibt. Tagebauminen, die renaturiert und teilweise als Mountainbike-Park genutzt werden. Industrieanlagen, die stillgelegt wurden und jetzt besichtigt werden können. Die Ansiedlung der Universität zwischen den Hochöfen von Belval – und eben die Baumhäuser, die man für Übernachtungen mieten kann.

natürlich im Land der Roten Erde. So nennen die Einheimischen – mit dem gewissen Stolz, wie man ihn typischerweise in den Bergbaugebieten Europas kennt – ihr Revier. Das rote Gestein ist im rostigen Süden allgegenwärtig.

Stahl und Natur Für eine Familie ist die Region ein riesiger Abenteuerspielplatz. Wir kommen in der Cockerill-Grube, im Ellergrund bei Esch/Alzette, an. Es könnte auch der Bühnenaufbau für ein Rammstein-Konzert sein. Obwohl: Dafür ist es zu grün hier. Die Natur hat sich schon wieder zurückgekämpft. Außerdem passt der Spielplatz mit seiner Seilbahn nicht ganz ins Rammstein-Bild. Für Claude und Philipp ein Ort, an den sie immer gerne kommen, um jedes Mal einen neuen geheimen Winkel zu entdecken.

Grand Canyon im Grand Duchy Wir cruisen, weich gefedert und bei jeder Bodenwelle nachschwingend, im Ellergrund durch renaturiertes Bergbaugebiet. Der Fels ist durchlöchert, als hätte eine Armada von überdimensionalen Maulwürfen ihr Unwesen getrieben. Immer wieder tauchen die dunklen Augenhöhlen von Stolleneingängen im Buschwerk auf. Teilweise sieht man rote Klippen durch die Bäume leuchten: Langsam holt sich die Natur die Tagebauminen zurück. Zwar ist die Landschaft hier von Menschenhand geschaffen, in Form und Farbe erinnern die ehemaligen Minen jedoch an die Red Rocks in den USA. Wir fahren noch eine Runde durch „Klein-Arizona“. Im Licht der Sonne

Besonders für Familien ein Erlebnis: Mitten im Tierpark von Esch/Alzette gelegen, sind die „Escher Bamhaiser“ auf bis zu vier Metern Höhe über Holzstege erreichbar.

Klingt für einen Dreijährigen etwas langweilig. Aber das, was sich da im Süden alles verändert, ist es wert, aus der Nähe angeschaut zu werden! Kinch ist übrigens der DJ-Name des Cadillac DeVille-Fahrers Claude, der mit seiner Frau Jill, Sohn Philipp und uns eine Runde durch seine Heimat drehen wird. Claude ist ein echter Junge aus dem Minett, wie man den Süden hier nennt. Wenn man im eher aufgeräumten Luxemburg überhaupt das Bild eines „Rust Belt“ bemühen will, dann

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Auf einer Fläche, so groß wie 170 Fußballfelder, entsteht in Belval ein modernes Stadtquartier mit Uni und Forschungszentren, StartUpUnternehmen, Geschäften, der großen Veranstaltungshalle Rockhal, Ausstellungsräumen und nicht zuletzt Wohnungen. Ein ganzes Viertel in Aufbruchstimmung.

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Riesige, stumme, stählerne ­Organismen: die Hochöfen in Belval. ­Gigantische ­Zeugen einer ­anderen Zeit. Über 7000 ­Arbeiter waren zeitweise hier ­beschäftigt. Heute wächst im Süden eine moderne Uni-Stadt der Wissenschaft.

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Überall kann man beobachten, wie sich die Natur das einstige ­Bergbau-Territorium zurückerobert. Im Minett gibt es eine sehr hohe Artenvielfalt und ­seltene Pflanzen. Seit Oktober 2020 trägt das Minett darum offiziell das UNESCO-Label „Man and Biosphere“. Die Region ist damit nun Teil eines prestigeträchtigen internationalen Netzwerks aus mehr als 700 Biosphärenreservaten in 124 Ländern.

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Die Playlist spielt den kompletten Grease-Soundtrack. Bei jeder Bodenwelle wippt das Chassis im Takt. Sitzt da tatsächlich Olivia Newton-John neben dem Fahrer? Selbst wenn sie es nicht sein sollte, das Auto ist in jedem Fall ein „Greased Lightning“!

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strahlt die Szenerie in einem leuchtenden Grand-Canyon-Rot. Würde plötzlich ein Puma vor den Cadillac springen, wir würden uns nicht wundern.

Zwischen Minen und Moderne Claude will uns zu seinem unangefochtenen Top-Foto-Spot bringen: zu den Hochöfen von Belval. Vorher war hier zu 100 Prozent Schwerindustrie. Jetzt ist es Konversionsgebiet. Die gigantischen Bauten der Hochöfen stehen zum großen Teil noch. Die riesigen Stahl-Gebilde sind auf Hochglanz poliert und blitzen zwischen den Neubauten hervor. Das Neue wächst zwischen dem Alten und geht damit eine spannungsreiche Allianz ein.

Rumble in the jungle „Darf ich vorstellen, so sieht das aus, wenn sich der Club ‚Retro-Cars-­ Péiteng‘ trifft.“ Claudes Gesicht ziert ein sehr breites Grinsen. Obwohl uns nur eine Handvoll Mitglieder des Clubs mit ihren Fahrzeugen im ­Minett Park Fond-de-Gras erwarten, ist es ein Bild wie aus einem JamesDean-Film. Aber man kann sich vorstellen, was das für ein Bild ist, wenn die Gruppe gemeinsam irgendwo vorbeifährt. Irre schön! Wir werfen noch einen Blick in den Krämerladen Victor Binck, der als begehbares Ausstellungsstück von Differdingen hier nach Fond-de-Gras verfrachtet wurde. Die hohen Holzauslagen sind bestückt mit antiken Dosen, Schüsselchen und allerlei

Treffen der Generationen. Die „Retro-Cars-Péiteng“ sind ebenso liebevoll restauriert wie die Werkshallen des Minett Park Fond-de-Gras.

Verpacktem. Alles hat ein wenig Patina angesetzt. Aber wir können uns dennoch vorstellen, wie früher hinter der Theke die hölzernen Schubladen herausgezogen und Mehl und Polenta mit kleinen Schaufeln abgemessen und abgefüllt wurden. Schließlich waren viele Italiener als Arbeiter in den Süden Luxemburgs eingewandert und hatten ihre Esskultur mitgebracht. Es dämmert. Wir fahren weiter. Kinch wird seine Familie nun nach Hause bringen. Eine stimmungsvolle Fahrt durch die hereinbrechende Nacht. Im Zwielicht ziehen die Silhouetten von Grubenbahnen, Loren, dem Walzwerk und andere Schattenwesen vorbei. Unheimlich schön.

Epilog bei Esch Die Region hat ihren eigenen Klang. Als wir den Gesprächen der Menschen lauschten, kam es uns so vor, als sei der Ton hier direkter, vielleicht rauer. Ehrlicher. Ein Überbleibsel aus der Zeit der Schächte und Gruben, als eine klare, knappe Ansage überlebenswichtig sein konnte. Auch das ist Kulturerbe. Schnörkellose Herzlichkeit. Ortstermin zum Abschluss: die Bar Chaplin an einer unscheinbaren ­Straßenkreuzung in Ehlerange. Kinch trifft hier oft die Jungs eines anderen, befreundeten Car Clubs. So auch ­heute. Und bei einer herzlichen Fast-Aufnahme in die Gang (es fehlt uns nur das passende Auto) sind wir uns einig: Die Retro-Car-Clubs passen gut in eine Region, in der Freundschaft, Motorengeräusche, poliertes Metall und ein mit reichlich Essen und witzigen Sprüchen und nicht ausschließlich alkoholfreien Getränken zelebriertes Gemeinschaftsgefühl gekonnt am Leben gehalten werden.

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„All we need“ prangt in riesigen ­Lettern auf einer alten Hallenwand in Belval. Eine Frage? Ein Ausruf? Wir dürfen interpretieren. Hier, inmitten dieses ganzen Alt-trifft-Neu denken wir: All we need, das sind Visionen und Mut. Dann kann Großartiges und Inspirierendes entstehen.

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In der Cockerill-Grube, wo während Jahrzehnten unzählige Erzzüge in die Stollen ein- und ausfuhren, gehen heute das natürliche und das industrielle Erbe der Region Hand in Hand. Das Naturschutzzentrum „Ellergronn“ befindet sich in unmittelbarer Nähe des Museums. Es zeigt wie eindrucksvoll sich die Natur ohne menschliches Einwirken nach Stilllegung der Tagebaugebiete entwickelt hat. 64

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Riesige Maschinen aus Stahl. Gigantische Schwungräder. Stillgelegte Dampfloks. Verfallende Bahnsteige. Stolleneingänge, aus denen ein kühler Wind bläst. Nicht nur für Familien ist die Region ein riesiger Abenteuerspielplatz.

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Es dämmert. An den oberen Enden der Heckflossen des Cadillacs strahlen jetzt – wie zwei kleine Leuchttürme – die Rückleuchten. Eine stimmungsvolle Fahrt durch die hereinbrechende Nacht. Im Zwielicht ziehen die Silhouetten von Grubenbahnen, Loren, dem Walzwerk und andere Schattenwesen vorbei. Unheimlich schön.

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Ein Ausflug in den Minett Park Fond-de-Gras ist ein Trip in die Vergangenheit. Mit einem Dampfzug, dem „Train 1900“, können Groß und Klein von Petingen aus nach Fond-de-Gras fahren, mitten durch das „Land der Roten Erde“. Seit 1973 sorgen ehrenamtliche Helfer dafür, dass die Zuglinie lebendig bleibt. 67


From dust to dawn

UNESCOBiosphäre Seit 2020 darf sich das Land der Roten Erde „Minett UNESCO Biosphere“ nennen. Ideal für einen Stopp, wenn man mit dem Auto auf Tour ist: der geologische Rundgang

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Kulturhauptstadt 2022

Esch rockt den Süden „Esch 2022“ wirft seine Schatten voraus: Die Region wird Europäische Kulturhauptstadt 2022 . Die Stimmung: alternatives Multikulti, Startup-Spirit und eine gehörige Prise Kreativität. Digitale Projekte und Performances aus Fleisch und Blut mischen sich vor abwechslungsreicher Kulisse aus Natur, Industriekultur und Future-World. Das neue Wanderwegenetz Minett Trail geht an den Start. www.esch2022.lu In Esch-Belval  gibt es schon jetzt viel zu entdecken: die alte Industriehalle „Massenoire“ mit Ausstellungen rund um Vergangenheit und Zukunft des Geländes, die „Rockhal“ mit Konzerten und anderen Kulturveranstaltungen oder generell das Campusleben mit seinen Cafés, Restaurants und Bars. Dass es hier cool

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© EMILE HENGEN

Einfach mal das Auto gegen einen Dampfzug eintauschen und vom Bahnhof Petingen aus mit dem „Train 1900“  nach Fond-de-Gras fahren. Oder in die „Minièresbunn“ einsteigen. Der Minett Park umfasst das Freilichtmuseum Fondde-Gras sowie das ehemalige Bergarbeiterdorf Lasauvage . Auch toll: das nationale Bergbaumuseum in Rümelingen und das Museum der Cockerillgrube im Naturschutzgebiet Ellergronn. Die Migrationsgeschichte vieler Arbeiter der StahlVergangenheit wird im Dokumentationszentrum für menschliche Migrationen in Düdelingen  dokumentiert. www.minetttour.lu

© OLI KERNER ESCH 2022

Auf MinettTour

© LFT ALFONSO SALGUEIRO

Industrievergangenheit live

„Giele Botter“ . Auf dem 2,5 Kilometer langen thematischen Spazierweg durch das stillgelegte Tagbaugebiet erfährt man Wissenswertes über Eisenerzvorkommen, Tagebau und Fossilien. www.minett.lu © LFT OLIVER RAATZ

Minett


© LFT PANCAKE!

ist, merkt man schon an den Straßennamen. Oder wo gibt es sonst eine „Avenue du Rock‘n‘Roll“? www.belval.lu Die Universitätsbibliothek in Belval mit dem „Luxembourg Learning Center“  ist ein weiteres Meisterwerk des Architekten François Valentiny. Im Inneren weitläufige Räume mit Lese-Ecken und, natürlich, jeder Menge Büchern. Wer von drinnen nach draußen schaut, sieht buchstäblich den Staub der Eisenindustrie, mit dem die facettenartigen Fenster bedruckt sind. www.uni.lu

Gut gekühlt

© LFT RENATA LUSSO

© LFT RENATA LUSSO

© PANCAKE!

Foto-Stopp für Urban Art

 

Die fünf noch bestehenden ehemaligen Kühltürme auf dem Werksgelände des Stahlherstellers ArcelorMittal in Differdingen  hat der Sprayer Alain Welter komplett mit seiner Street-Art-Kunst überzogen. Die Geschichte der Minett-Region in Bildern: Schienen, Züge und Buggys, Minenarbeiter und Redensarten sind zu entdecken. Der beste Spot zum Fotografieren ist auf der Brücke der Avenue de la Liberté zwischen ­Niederkorn und D ­ ifferdingen. www.differdange.lu

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EXPERIENCE A REGION AS DIVERSE AS ITS PEOPLE Cultural diversity, a center of science, unique natural escapes, and an industrial heritage. Experience the European Capital of Culture.

With the support of


© Emile Hengen

ESCH2022.LU


Éislek ·

Frazer ·

VW Bulli T2 Westfalia — 1976

Weiswampach Asselborn

Clerf Munshausen

Stolzemburg Wiltz Vianden

Böwen Esch-Sauer

Burscheid

Diekirch

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Ettelbrück


The Orange Beast Achtung Éislek, wir kommen! Wenn man mit einem ­klassischen Bulli, wie dem „Orange Beast“, durch die Luxemburger Ardennen cruist, kann man sein „Vanlife“ voll ­ausleben. Wasser, Wald, malerische Täler und luftige Hochplateaus, gepaart mit ursprünglichen ­Städtchen, Burgen und Dörfern. Im ­wilden Norden des ­Großherzogtums setzen wir mit unserem Gefährt einen fröhlich-bunten ­Kontrapunkt. 73


Die Éislek-Region im Norden von Luxemburg ist durchzogen von malerischen Tälern und Hochplateaus mit Panoramablick. In dieser einzigartigen und zum großen Teil unberührten Landschaft kommen nicht nur Naturliebhaber auf ihre Kosten. Hier gleicht keine Aussicht der anderen.

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Ort der Handlung: das Ösling, oder Éislek, wie die Luxemburger sagen. Die Helden der Geschichte: zwei Briten mit luxemburgischem Pass, eine Spanierin und ein Deutscher mit englischem Namen. Wobei man dazu sagen muss, dass der Deutsche zwar eine Seele hat, aber anstelle eines Herzens einen 47-PS-Motor. „The Orange Beast“ hat Frazer – der Fahrer des Volkswagen-Oldies – den Bulli getauft. Schon lange ist Luxemburg ein Biotop für Diversität und Vielfalt, und so begleiten wir diese typisch luxemburgische Reisegemeinschaft auf ihrer Busfahrt durch den Norden. Märchenhaft thront die große Burg Burscheid auf ihrer Bergkuppe. Ihr zu Füßen die Sauer – und nun auch wir. Den Campingplatz passierend, fahren wir an der Uferpromenade entlang und schauen nach oben.

Im Land der Burgen Die majestätische Burg haben wir immer im Blick. „Ich bin gespannt, ob wir es überhaupt hinauf schaffen“, unkt Frazer, „naja, die alten Burgherren mussten mit noch weniger Pferdestärken auskommen. Das Beast wird uns schon nicht im Stich lassen!“

Heute geben sie der Gegend ein ­wild-verwunschenes Antlitz. Die Spanierin Cami und der britische Luxemburger Andrew lassen sich von Frazer und seinem Bulli die „Bourscheid Plage“ entlangkutschieren. Wir nehmen waghalsig und todesmutig die Abzweigung zur Burg – übrigens das landesweit größte Bauwerk seiner Art –, und zotteln hinauf in Richtung Mittelalter. „Ich kenne einen super Fotospot ein paar Kurven hinter der Burg! Wenn wir da ein Foto machen, explodiert euer Instagram-Feed“, scherzt Mr. Discoaquajogger. Der Social-­MediaName von Frazer lässt ahnen, dass man es hier mit einem typisch britischen (die Eltern kommen ursprünglich aus England), gleichermaßen witzigen, wie exzentrischen, Zeitgenossen zu tun hat. Nach

behütetem Aufgewachsen in Luxemburg studiert er zunächst Informatik, geht dann zur Britischen Armee, dient im Irak, kommt zurück nach Luxemburg und arbeitet als Firmenberater, um nun – ein logischer Schritt, wie wir finden –, als Quereinsteiger in einer Grundschule zu unterrichten. Landesweit in der Szene bekannter Marathon-Läufer ist er auch. Und als solcher entdeckt er liebend gern – joggend – die Natur seiner Wahl-Heimat. Zu seinen Laufstrecken fährt er – natürlich – am liebsten mit dem alten Bulli.

Eintauchen in Wasser und Landschaft „Speaking of…“, Frazer treibt uns an. Nicht in Gedanken verweilen,

Nicht nur Kindern zaubert er beim Vorbeifahren ein Lächeln ins Gesicht. „Ich komme mir vor, als säße ich in einem überdimensionierten, orangenen Luftballon, der über die Straße schwebt. So sind die Reaktionen! Und dann die aufrechte Sitzposition… perfekt zum Zurückwinken!“ Man merkt, Frazer liebt sein „Vanlife“.

Das Éislek im Norden des Großherzogtums ist ein Ausläufer der Ardennen. Die Landschaft ist vergleichsweise rau. Zackiger Schiefer, windige Höhen, tief eingeschnittene Flusstäler. Es ist ein ursprünglicher und äußerst abwechslungsreicher Fleck, durchzogen von Wanderwegen. In der waldreichen Landschaft trifft man immer wieder auf knorrige Steineichen. Sie wurden ursprünglich von den Gerbern gepflanzt, die die Rinde für ihr Handwerk benötigten.

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Langsamer als mit einem 47-PS-Bulli waren die Rittersleut vor 600 Jahren vermutlich auch nicht unterwegs, wenn sie die Serpentinen zur Burg von Burscheid emporritten. Doch der Langsame sieht mehr! Die Region Éislek hat schließlich viel Naturschönheit zu bieten.

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Schloss Burscheid ist Luxemburgs größte Burg und ein beeindruckendes Bauwerk mit charakteristischen Rundtürmen. Das Schloss wurde wahrscheinlich im 10. Jahrhundert erbaut, im 14. und 15. Jahrhundert vergrößert und erhielt dann die von sechs gotischen Türmen flankierte Festungsmauer. Von der Burg hat man eine fantastische Aussicht über das Tal. Am Abend wird das Gebäude stimmungsvoll illuminiert und schafft eine märchenhafte Atmosphäre. 77


Zivilisation und Wildnis: Manchmal führen sie einen inspirierenden Tanz auf. Der Obersauer-Stausee liegt im Éislek mitten im Naturpark: Schwimmen, Paddeln, Tauchen, Surfen, Segeln – der größte Stausee des Landes hat genug Platz. Aber nur für Wassersport ohne Motorgeräusche.

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Um die ganze Schönheit des Naturparks Obersauer zu erfassen, besuchen wir die Panoramaplattform Belvédère Burfelt. Über die Brüstung gelehnt, schauen wir 70 Meter in die Tiefe. Lautlos zieht das Solarboot, mit ein paar Ausflüglern an Bord, vorüber.

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obwohl die Szenerie zum Bleiben einlädt: Der Blick über Burg und Landschaft ist herrlich. „Meine ­Lieblings-Lauf-Strecken sind hier ganz in der Nähe“, so Frazer, „rund um den Obersauer-Stausee. Da gibt es zahlreiche Pfade durch den Wald. Und immer wieder blitzt der See funkelnd durchs Geäst.“ Die Straßen kennt das „Beast“ inund auswendig, so oft sind die Beiden hier: die Strecke von Esch-Sauer in Richtung See, am Ufer entlang, oder auch über die mächtige Staumauer. Es ist zum Verlieben. Aber bevor wir die Seenlandschaft lieben lernen, haben wir noch eine Verabredung im „Hotel de la Sûre“ in Esch-Sauer. „Mein Königreich für eine Servolenkung!“ Frazer hat in den verwinkelten Straßen des Städtchens ziemlich zu kurbeln,

doch die Anstrengung lohnt sich. Die schwere Baumscheibe, übervoll mit Ardenner Köstlichkeiten, lädt eigentlich zu einem längeren Aufenthalt auf der Dachterrasse, aber das Motto ist „Grand Tour“ und nicht „großartig verweilen“. Also: die Weinflasche in der Jackentasche verschwinden lassen und ab die Post. „Bitte einsteigen, der Stausee ­ artet!“ Chauffeur Frazer steuert w den T2 durch den engen Tunnel, der exakt unter der Burgruine ­hindurchführt, auf die schmale Straße in den Naturpark Obersauer. „Et voilà. Das hier, die Strecke von Esch-Sauer am Seeufer entlang und – finalement – über die Staumauer ist mein absoluter Lieblingsabschnitt! Die langgezogenen Kurven. Wie gemacht zum Cruisen. Schön entspannt. Vor allem, wenn man in so einem süßen Oldi sitzt.“

Das „Hotel de la Sûre“ in Esch-Sauer ist eingefasst in enge Gassen. Von der Dachterrasse aus hat die kleine Reisegruppe einen guten Über- und Rundblick auf die Ruine der alten Schlossfeste und auf die Schleife der Sauer, die den alten Ortskern umfließt.

A vintage touch Eine ganz besondere Fotoaustellung besichtigen wir im Norden des Landes: „The Family of Man“ wird permanent im Schloss Clervaux gezeigt und ist Teil des UNESCOWeltdokumentenerbes. Wir fahren weiter, in tief in die Ardennen eingeschnittenen Tälern. Über gewundene Straßen, durch die bergigste Region Luxemburgs. Schlängeln uns hinauf auf Plateaus mit irre weiter Sicht, und verschwinden wieder in den waldigen Tiefen des Éisleks. Diese Achterbahnfahrt bringt uns nach Vianden. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich das mächtige Schloss vor unserer Windschutzscheibe auf. Alle Hälse verrenken sich. Jeder presst seine Nase an die Scheibe, um einen Blick auf das im engen Tal hoch oben auf einem Fels ragende Mauerwerk zu erhaschen.

Im Tal der Esel Dann nach Diekirch. Esel an jeder Ecke und in jedem ­Aggregatzustand: aus Fleisch und Blut, Plüsch oder Bronze. Das Maskottchen der Stadt ist allgegenwärtig. Wir sind fast etwas enttäuscht, dass sich zwischen den glänzenden Karossen im Oldtimermuseum keines der Tiere versteckt! Mit Bedacht haben wir den Ort als letzte Station für unsere ÉislekTour gewählt. Nach dem Besuch des Geschichtsmuseums der Brauerei Diekirch schmeckt unser Feierabendbier, in der Brasserie „Beim Louis“ inmitten der Altstadt, gleich drei mal so gut.

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„The Family of Man“ ist eine legendäre fotografische Ausstellung der „humanistischen Fotografie“, zusammengestellt von Edward Steichen für das New Yorker MoMA im Jahr 1955. Nach einer internationalen Reise wird die Ausstellung nun permanent im Schloss Clervaux gezeigt und ist Teil des UNESCOWeltdokumentenerbes.

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Früher nutzten die Bauern aus Diekirch Esel, um ihre Felder und Weinberge am Hange des Herrenbergs zu pflügen und zu bebauen — der Esel war das einzige Tier, das sich dort bewegen konnte.

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In Diekirch begegnet man den sympathisch-sturen Tieren an jeder Ecke. Das Maskottchen ist allgegenwärtig und in der direkten ­Begegnung können wir sofort nachvollziehen, warum die Diekircher ihre Liebe zum Esel nie aufgegeben haben.

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Der Bulli — und sein Steuermann — verliert im verschachtelten Gewirr der Gassen den Überblick und muss in einer Sackgasse vor Postkartenkulisse und mit feixenden Passagieren an Bord wenden. Unter ästhetischen Gesichtspunkten eine schöne Aktion: der Vintage-Lack des Gefährts vor den Vintage-Fassaden der alten Häuser von Vianden. Ein perfektes Arrangement.

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Vianden ist nicht nur pittoreske Touristenstadt, sondern bot auch einem berühmten Dichter Asyl. Im 19. Jahrhundert verbrachte Victor Hugo einige Zeit als politischer Flüchtling in Vianden. Das Haus, in dem er gelebt hat, ist seit 1935 als Museum eingerichtet. Und wer weiß, vielleicht kommt ja manchmal der Glöckner von Notre Dame zu Besuch. 85


Éislek

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Im Sommer laden die Strände von Insenborn, Lultzhausen und Liefrange  zum Baden ein. Tolle Ausblicke bieten sich, zum Beispiel, beim Aussichtspunkt Ourdaller Promenade  mit Blick auf Schloss Vianden, in Michelau mit Blick auf Burg Burscheid und beim Aussichtspunkt HeiderscheidergrundTeifëlslee . In Clervaux lädt die „Cité de l’Image“  zu einem Rundgang mit Fotogalerie unter freiem Himmel ein. Das Schloss beherbergt neben der berühmten und UNESCO-klassierten FotoAusstellung „The Family of Man“ noch ein Museum der Ardennenoffensive und nicht zuletzt Modelle der Burgen und Schlösser Luxemburgs. Einen Abstecher wert: die Benediktinerabtei Sankt Mauritius in Clervaux mit Loretokapelle. www.visit-clervaux.lu

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Kulturelle Wurzeln und wilde Natur

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Die Luxemburger Ardennen

Genussregion Éislek

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Wie wäre es mit einem Picknick in den Wäldern

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Tischlein deck dich!


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des Éisleks? Einfach das karierte Tischtuch ausbreiten und feine Scheiben vom Ardenner Schinken abschneiden. In den Naturparks Our und Obersauer findet man nicht nur eine einzigartige geschützte Natur, sondern auch Läden mit regionalen Spezialitäten . Ob Kräuter, Öle, Senf, Honig, Tees oder Getreide: die Produkte „Vum Séi“ oder von der regionalen Bauerninitiative BEO mit den Brauereien „Ourdaller“ und „Den Heischter“ lohnen einen Besuch. www.beo.lu www.vumsei.lu

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Mittelalter erleben

Schlösser über Schlösser Die Éislek-Region ist die Wiege einer mittelalterlichen Kultur, deren Spuren auch heute noch sichtbar sind. Natürlich vor allem in den ikonischen Schlössern. Berühmtestes Beispiel ist Vianden . Auch sehenswert: Luxemburgs größte Burg, die von Burscheid, sowie die Ruinen von Brandenburg und EschSauer . Im Juni und Juli findet das Wiltzer Festival  statt. In der traumhaften Kulisse von Schloss Wiltz erleben die Besucher Musik in all ihren Formen sowie Tanz, Opern und Musicals. Zahlreiche Weltstars sind auf der Bühne des Amphitheaters schon

aufgetreten und haben dazu beigetragen, dass das Festival einen hohen Stellenwert im kulturellen Leben einnimmt. www.festivalwiltz.lu Warum nicht mal in einem Schloss übernachten? www.chateau-urspelt.lu Den Alltag von früher erleben

Museen zum Mitmachen Éislek, Land der Landwirtschaft. Das war früher so und ist bis heute so geblieben. Wo jetzt riesige Traktoren über Straßen und Feldwege fahren, ratterten vor 150 Jahren Kutschen, klapperten Pferdehufe. Einblicke in das Landleben von damals bieten das Tourist Center Robbesscheier  in Munshausen und das Landmuseum „A Schiewesch“ in Binsfeld. Wussten Sie, dass im Éislek auch Stoffe hergestellt wurden? Davon zeugt die Alte Tuchfabrik „Duch vum Séi“ in Esch-Sauer. Fast 1000 Jahre Geschichte hat die älteste Mühle des Großherzogtums „auf dem Mühlrad“. Sie befindet sich in Asselborn. Ebenso das Poststation- und Schreibzeug-Museum. Gut zu wissen: Die alte Mühle in Asselborn empfängt auch Hotelgäste. www.robbesscheier.lu www.museebinsfeld.lu

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Zentrum ·

Pascal ·

Morgan 4/4 — 2018

Good Morgan! Wer mit dem Auto in Luxemburg-Stadt unterwegs ist, begibt sich auf eine Achterbahnfahrt. Serpentinen und Brücken prägen den kurvenreichen Roadtrip von Morgan-Fahrer Pascal durch die City. Ober- und Unterstadt: scharf voneinander getrennt durch das canyonartige Tal der Alzette und der Petruss. Und jenseits des Stadtzentrums wartet das überraschend hügelige „Herzland“.

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GRAND TOUR INSPIRIERENDE ROADTRIPS ROAD-TRIPSDURCH DURCHLUXEMBURG LUXEMBURG


Fischbach

Mersch

Schoenfels Burglinster

Betzdorf Walferdingen

Luxemburg-Stadt

Niederanven

Contern

Dalheim

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Skylines und Flusstäler, moderne ­Glasbauten auf historischen Fundamenten und jede Menge Grün: Luxemburgs Hauptstadt ist so vielseitig wie ihre Einwohner aus mehr als 170 Nationen.

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Wir befinden uns in einer Maßschneiderei im London der späten 1920er Jahre. Ein extrem stilsicher gekleideter Mann im perfekt sitzenden Tweedanzug der aktuellen Mode nimmt Maß. Der Kunde mit Pfeife und Schnauzer unterhält sich mit dem Inhaber der Schneiderei. Man bekommt hier nicht nur Maßgeschneidertes, sondern auch die Basics, die der Mann von Stand zu seinem Glück benötigt. In der Auslage präsentieren sich Manschettenknöpfe, Einstecktücher, Krawatten, Düfte und andere Dinge, die vom guten Geschmack des Käufers zeugen. Reporter und Fotografin warten geduldig, lauschen neugierig, schauen zu. Der Inhaber hat jetzt Zeit für uns: „Bonjour, ich bin Pascal, Besitzer dieses kleinen Lädchens. Lasst uns doch kurz vor die Tür gehen – einen Apéro später? – Ist gerade viel los! – Aber tolles Projekt, diese Classic-Car-Geschichte – Luxemburg ist ja wirklich wie gemacht für Oldtimer-Fahrer: wunderschöne Landschaften, tolle Straßen, auch die Stadt, wo wir unterwegs sein werden, hat viele sehenswerte Straßenzüge! – Mein Morgan 4/4 von 2018 ist übrigens nahezu baugleich mit den Modellen von 1927. – Eine echte Zeitkapsel.“ Moment. Verwirrung. Wir durchschreiten die Tür zum Geschäft und stehen plötzlich am Krautmarkt, mitten in der Altstadt von LuxemburgStadt. Stimmt schon, wir schreiben die 20-er Jahre, allerdings zehn Dekaden später. Der Mann, der so energiegeladen spricht und der uns hinausbegleitet, ist Pascal Zimmer. Ein echtes Original und ein Tausendsassa. Neben den drei Ladengeschäften, die er in der Stadt betreibt und die den Besucher allesamt in ein anderes Jahrhundert katapultieren, so detailverliebt sind sie ausgestattet, ist er auch noch Hotelbetreiber und Bauunternehmer. Ein Fit-

nessstudio nennt er sein Eigen. Und er war zwischenzeitlich Nationaltrainer der luxemburgischen JudoNationalmannschaft! Offenbar gibt es für diesen Mann nur „ganz oder gar nicht“. „Ich hatte schon früh eine große Affinität zu Großbritannien und der Mode der 1920-er Jahre von der Insel! Für Männer war das ein goldenes Zeitalter. Die Schnitte, die Stoffe, die Hüte und Kappen: Die Proportionen der Modestücke haben Männern geschmeichelt. Die Accessoires hatten Stil, ohne protzig oder vulgär zu sein. Das Ganze gepaart mit der legendären britischen Exzentrik und etwas ironischen Selbstsicht. Ich liebe es einfach“, meint Pascal. Selten haben wir jemanden getroffen, der sich so konsequent dem Stil einer

bestimmten Epoche verschrieben hat. Solchermaßen beeindruckt, beginnen wir unsere City-Tour. Als Farbtupfer immer im Fokus: der elegante, knallrote Morgan Pascals. Es ist kein echter Oldtimer, aber ähnlich wie bei der Stadt, die wir erkunden wollen, ist es eine gelungene Kombination aus historischen Elementen und modernem Motor.

Alles Geschichte Die Geschichte der Stadt reicht verbrieft mindestens 1000 Jahre zurück. Bis heute spürbar und mit dem Schicksal des modernen Luxemburg verflochten ist natürlich das Ende des Zweiten Weltkriegs. Auf dem Amerikanischen Friedhof mit seinen über 5000 strahlend-weißen Kreuzen, stumm in Reih und Glied stehend,

Mode der 1920er-Jahre von der Insel „meets“ Tram von heute. Die Proportionen der Anzüge aus dem goldenen Zeitalter der Eleganz sind übrigens noch heute State of the Art für klassische Businessanzüge. Derart elegant – oder auch ganz casual – kann man in Luxemburg übrigens den gesamten öffentlichen Nahverkehr ­kostenlos nutzen!

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AUSSTELLUNG "CHARLOTTE POSENENSKE: WORK IN PROGRESS", 10.10.2020 - 10.01.2021, MUDAM LUXEMBURG VIERKANTROHRE SERIE DW (SQUARE TUBES SERIES D), 1967/2018. DIA ART FOUNDATION

Das „Musée d’Art Moderne GrandDuc Jean – Mudam“ weht kosmopolitisches Flair in die Hauptstadt und ist alleine schon aus architektonischen Gründen längst zur Ikone geworden. Selbst wenn man einfach „nur“ Ästhet und Liebhaber schöner Dinge ist, kommt man zum Stöbern im Museumshop oder zum Verweilen im Café her. Besonders genussvoll ist der Besuch am Wochenende, wenn der Brunch zum ausgedehnten Familienschmaus oder Essen unter Freunden wird. Jeden Mittwochabend wird zu Live-Konzerten getanzt, zu Performances geklatscht oder Konferenzen gelauscht.

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Ein schönes Bild, wie der Mann aus dem Jahr 1920 durch die Hallen des Mudam wandelt. Pascal zückt sein Handy, um ein Foto zu machen. Handy? „Ha!“, denken wir, erwischt! Dachten wir es uns doch, dass die perfekte nostalgische Inszenierung wenigstens einmal kurz gebrochen werden wird! Wir verzeihen es gerne, denn das Museum und seine Stücke sind einfach zu fotogen.

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Die historische Altstadt hat einen besonderen Zauber. Eine riesige rote Brücke verbindet sie mit dem KirchbergPlateau und vereint so die beiden kontrastreichen Viertel. Hier wehrhafte Mauern und pastellfarbene Bürgerhäuser, dort europäische Institutionen, internationale Firmen und Kultureinrichtungen. Nur einen Brückenschlag entfernt.

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Die 1966 eingeweihte GroßherzoginCharlotte-Brücke (im Volksmund liebevoll „Rout Bréck“, Rote Brücke genannt) überspannt das Tal der Alzette. In einer Höhe von 74 m und mit einer Länge von 355 m verbindet sie das Europaviertel auf dem Kirchberg-Plateau mit dem Stadtzentrum Luxemburgs.

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mahnend, bekommen wir eine Ahnung davon, wie wichtig die Fokussierung und Hinwendung der Luxemburger zu einem vereinten Europa war und ist. Dass das Land umgeben ist von befreundeten Staaten und Handelspartnern, dass die Schlagbäume an den Grenzen offen sind, ist nichts Gottgegebenes, sondern eine Wirklichkeit, die politisch errungen werden musste. Die Gastfreundschaft, die man als Besucher erfährt, die Tatsache, dass in der Hauptstadt mehr Menschen mit nicht-luxemburgischem Pass arbeiten und leben als Einheimische, ist vermutlich Ausdruck eines tief empfundenen Verständnisses dafür, dass Diversität, Weltoffenheit, Hinwendung sich am Ende auszahlen. Die Währung: Begegnungen, Ideen, kultureller Austausch, Geschichten, Freundschaften und – natürlich – wirtschaftlicher Erfolg.

Wir folgen dem feuerroten Morgan durch die sehr grüne Hauptstadt, bis uns schwindelig wird. Wir düsen durch französisch (oder romanisch?) anmutende Gassen, vorbei an innerstädtischen Streuobstwiesen und bewaldeten Hängen. Wir kurven vom Plateau hinunter in den sogenannten Grund. Hier kann man sich tatsächlich herrlich verfahren. Und das sollte man als Tourist am besten auch. In sich windenden Kopfsteinpflastergassen entdeckt man kleine Restaurants oder Läden, auf die man sonst nicht stoßen würde.

Verwirrend schön Wir hingegen folgen einfach nur dem „roten Blitz“, dessen Fahrer die Stadt kennen muss wie seine Tweed-Westentasche. Wir fahren über Brücken mit gemauerten Rundbögen, nur um uns

Das Hotel Graace war in den 1960erJahren ursprünglich die Schmiede der Gebrüder Graas. Und genau wie der Familienname im Hotelnamen noch mitklingt, sind die ehemalige Architektur und der ehemalige Zweck der Gebäude noch immer sichtund spürbar. Mit viel Liebe zum Detail wurde aus der Schmiede ein Hotel.

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nach einigen Manövern genau unter diesen wiederzufinden. Erreichen Aussichtspunkte, sagen: „Oh, welch ein hübscher spitzer Kirchturm da ganz hinten“, und hast-du-nichtgesehen düsen wir an genau diesem Kirchturm vorbei. Die ganze Zeit umspielt ein kaum erkennbares Lächeln die Mundwinkel von Pascal. Es scheint ihm sichtlich Spaß zu machen, uns auf verschlungenen Pfaden durch sein Luxemburg zu lotsen. Wir schlendern ein wenig über das Kopfsteinpflaster. Kurze Einkehr in einer Pâtisserie. Kulinarisch mischen sich in der City die verschiedenen Einflüsse ihrer Bewohner. Natürlich gibt es neben den luxemburgischen viele französisch angehauchte Restaurants, aber auch Bistros mit portugiesischer, holländischer, italienischer oder spanischer Karte liegen dicht beieinander, zum Beispiel nördlich und südlich der Grand Rue. „Innenstadtnah parken kann man übrigens gut im Parkhaus unter der Place Guillaume“, rät Pascal. Das tun wir allerdings nicht, sondern fahren in der hereinbrechenden Dämmerung durch eine sich langsam illuminierende Stadt weiter zum Hotel Graace. Moderner Industrial-Style. Ein tolles Bild zum Abschluss: In einem Gebäude, welches seine eigentliche Bestimmung Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte und welches nun supermodern umgestaltet wurde, steht er da, Pascal, der „Lonesome Rider“ aus den frühen 1920er-Jahren. Als hätte er schon immer da gestanden, als sei die Zeit um ihn herum einfach nur schneller vergangen. Wir sind mitten im Stadtteil Bonnevoie. Jetzt noch eine coole Bar aufsuchen. „Make it one for my baby. And one more for the road.“


Rauf, runter, Brücke, Tunnel, Gasse, Einbahnstraße: Die Stadt Luxemburg ist ein Ort, um sich darin zu verlieren. Die Hauptstadt wird von den tiefen Schluchten der Flüsse Alzette und Petruss durchzogen. In den Felsen liegen die Höhlen­systeme der Kasematten. Hinter jeder Kurve warten neue Eindrücke. Am Ende weiß man nicht mehr, wo oben und wo ­unten ist. Verwirrend schön. 97


„Et voilá! Seht euch dieses Schaufenster an. Was für eine Menagerie!“ Pascal hat uns zu einem Antiquitätengeschäft geführt. Der Besitzer rühmt sich – in geschwungenen Lettern ist es auf der Scheibe zu lesen – seines Sachverstandes. In der Auslage die Sachen, die es wert waren, über Jahrzehnte und Jahrhunderte aufbewahrt zu werden, und die nun einen neuen Besitzer suchen. Pascal ist also nicht der Einzige, der Dinge von Bestand und Zeitlosigkeit liebt.

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Die Altstadt von Luxemburg ist der ideale Ort, um sich treiben zu lassen: zu verschachtelt, um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen — und gleichzeitig zu klein, um wirklich verloren zu gehen. 99


Stein auf Stein Geschichte. Wir queren, durchfahren, ­passieren Bauwerke aus mehreren Jahrhunderten. Mal sind es einladende kleine Boutiquen oder Bistros, mal sind es trutzige Steingebilde, die von der Festung der Stadt ­erzählen. Immer wieder weht uns der Fahrtwind den Hauch der Geschichte ins Cabrio.

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Die Festung Luxemburg, im Großherzogtum auch stolz als „Gibraltar des Nordens“ bezeichnet, war bis zu ihrer Schleifung im Jahre 1867 eine Wehranlage der Stadt Luxemburg und von strategischer Bedeutung für die Grenzregion. Viele Bauwerke — wie die 1735 aus rotem Sandstein erbaute Schlossbrücke — blieben glücklicherweise aber erhalten. 101


Zentrum Mobile Hauptstadt

© LFT GAUVIN LAPETOULE

In der Hauptstadt kann man sich mit dem eigenen Gefährt in den Gässchen verlieren. Oder man durchstreift Luxemburg-Stadt zu Fuß und bewegt sich mit dem Bus oder der nagelneuen hochmodernen Tram . Einfach das Auto auf einem der Parkplätze stehenlassen, etwa Glacis, Bahnhof, Luxexpo, P+R Centre Douanier oder P+R Bouillon, und dann kostenlos (ja, richtig gelesen!) mitten hinein ins manchmal pulsierende, manchmal beschauliche Stadtleben. www.mobiliteit.lu

© LFT GAUVIN LAPETOULE

Die Tram kommt

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© LFT GREGOR LENGLER

In den kleinen, verwinkelten Gässchen, Lädchen und Boutiquen  der City lässt es sich wunderbar shoppen. Feinschmecker finden in den Feinkost- und Patisserie-Geschäften der Stadt alles von der Praline über die berühmte „Rieslingspaschtéit“ bis hin zu butterzarten Madeleines.

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Shopping und Genuss

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Einladung zum Bummeln


Kultur-Hopping

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Eine Meile Museen Alleine in den Museen im Zentrum Luxemburgs kann man mehr als einen Tag verbringen. Auf der „Museumsmile“ wird der Kulturgenuss im wahrsten Sinne des Wortes zum Spaziergang. Sieben Museen gehören dazu: Die Villa Vauban – Musée d’Art de la Ville de Luxembourg  mit ihrem schön gestalteten Park, das Casino Luxembourg – Forum d’Art Contemporain, das Lëtzebuerg City Museum, das Musée national d’histoire naturelle – natur musée, das Musée national d’histoire et d’art, sowie auf Kirchberg das Musée Dräi Eechelen und das Mudam . www.museumsmile.lu

Schaut auf diese Stadt!

© LFT GAUVIN LAPETOULE

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© LÊMRICH

An- und Aussichten

Der „schönste Balkon Europas“ wird die Corniche  auch genannt. Der Weg verläuft auf den im 17. Jahrhundert errichteten Wällen entlang des Alzette-Tals. Er zieht sich vom Bockfelsen bis zum unteren Teil der Heiliggeist-Zitadelle. Einen Überblick über das UNESCO-Weltkulturerbe der Altstadt verschafft der Wenzel-Rundgang . Er

beinhaltet die Corniche, das Rhamplateau, die Bock-Kasematten  und die Abtei Neumünster. Zwischen Oberstadt und Pfaffenthal fährt der Panorama-Aufzug . Während der Fahrt blickt man durch gläserne Wände. Spektakulär! Der Vauban-Weg bietet sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto schöne Aussichten. www.luxembourg-city.com Schlösser in Stadtnähe

Bei den Großherzogs Auf den Spuren der großherzoglichen Familie im Umland Zentrum-Guttland: Im Schloss Fischbach lebt Erbgroßherzog Guillaume mit seiner jungen Familie. Und es weht noch der liebevolle Geist von Grand-Duc Jean. Der beim Volk sehr beliebte Vater des Großherzogs Henri hat nach seiner Abdankung hier bis zu seinem Tod 2019 gewohnt. Im Schloss Colmar-Berg weiter nördlich sind Großherzog Henri und Gattin Maria Teresa heute zu Hause. Weitere königlich-schöne Gemäuer: Das Schloss von Münsbach mit seinen prächtigen Gärten und das Schloss Burglinster , wo man bei Sternekoch René Mathieu einkehren kann. www.bourglinster.lu

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Avenue Emile Reuter

Bvd. Prince Henri

VILLA VAUBAN MUSÉE D’ART DE LA VILLE DE LUXEMBOURG

DISCOVER THE DIVERSITY OF LUXEMBOURG’S MUSEUMS WITHIN A SHORT DISTANCE W W W. M U S E U M S M I LE . LU

Rue Notre Dame

CASINO LUXEMBOURG FORUM D’ART CONTEMPORAIN


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MUDAM LUXEMBOURG MUSÉE D’ART MODERNE GRAND-DUC JEAN ds

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Luci Special

Konzept & Redaktionsleitung Valerio D‘Alimonte

AUSGABE 2021

Creative Direction & Editorial Design Guido Kröger, ampersand.studio

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Inspirierende Roadtrips durch Luxemburg

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Stories Thomas Jutzler (Redaktion) Pancake! (Fotos) Nicht nur für Classic Cars Zwischen Felsriesen unterwegs

Grand Tour de Luxembourg Orte für Genießer und Kulturinteressierte

Tradition und Moderne Die Vielfalt der Regionen und der Hauptstadt

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Tipps Birgit Pfaus-Ravida (Redaktion) Lis Lorang (Koordination) Fotos mit freundlicher Genehmigung der Partner Schlussredaktion Birgit Pfaus-Ravida Übersetzungen & Lektorat Binsfeld Rachel Ezard Lis Lorang Sarah Pitt Karten Walter Ciotti Dankeschön Frazer Alexander mit Freunden Cami und Andrew Simone Decker Claude „Kinch“ Frantzen mit Ehefrau Jill und Sohn Philipp Thierry Hilger Yves Mentz Pascal Zimmer

ISSN 2716-733x

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GrandTour — Inspirierende Roadtrips durch Luxemburg AUSGABE 2021 - DEUTSCH

AUSGABE 2021 - DEUTSCH

Auflage Gesamtauflage: 20.000 Deutsche Auflage: 5.000 Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Luxemburgisch Werbung hello@luci.travel Kooperation Die sechs präsentierten Touren beziehen sich auf die „Grand Tour de Luxembourg”, die von den Tourismusämtern der Regionen Éislek, Guttland, Minett, Mosel und Müllerthal Kleine Luxemburger Schweiz ausgearbeitet wurde.

Weitere „Inspiring Travel Stories from Luxembourg“ unter www.Luci.travel


DIEKIRCH VILLE DES MUSÉES Musée National d’Histoire Militaire 10, Bamertal L-9209 Diekirch www.mnhm.net

Musée National d’Histoire Militaire (MNHM)

Musée d’Histoire[s] Diekirch 13, rue du Curé L-9217 Diekirch www.mhsd.lu

Conservatoire National de Véhicules Historiques / Musée d’Histoire de la Brasserie de Diekirch 20-22, rue de Stavelot L-9280 Diekirch www.cnvh.lu _ www.luxem.beer

Conservatoire National de Véhicules Historiques / Musée d’Histoire de la Brasserie de Diekirch

Musée d’Histoire[s] Diekirch (MH[s]D)


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