Laurent Morel
Als der kleine Marco an einem Sommernachmittag 2004 auf einem Sessel im Hotel von Pirmin Zurbriggen einschlief, ist nicht klar, ob der zukünftige Champion von olympischem Gold oder einer Kristallkugel träumte, der höchsten Anerkennungen für einen Skifahrer. Doch mit 27 Jahren hat Marco Odermatt schon fast alles gewonnen und ist in die Fussstapfen seines grossen Vorbilds getreten. Diese Anekdote zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht, denn damals war der sechsjährige Junge noch weit davon entfernt, auch nur an eine solche Karriere zu denken.
Dass Marco Odermatt auf die Walliser Legende traf, lag daran, dass diese das Idol seines Vaters Walter war. Walti Odermatt war damals technischer Leiter des Skiclubs Hergiswil und suchte Rat, um die Angebote in Nidwalden auszubauen. Da der Schweizer Skisport eine kleine Szene ist, liess der Techniker seine Kontakte bei Ski Valais spielen, um die Nummer von Pirmin zu bekommen, der damals gerade zum Präsidenten des Walliser Skiverbands ernannt worden war.
Zu Fuss machten sich Vater und Sohn Odermatt auf den Weg zum Familienhotel Zurbriggen am Fusse der Zermatter Bergbahnen. Marcos Mutter Priska und seine Schwester Alina waren in der Wohnung geblieben. Und als Walter während des sympathischen Gesprächs die Worte des Mannes, der (derzeit noch) die beste Erfolgsbilanz im Schweizer Männerskisport vorweisen konnte, in sich aufnahm, schlief der kleine Marco in einem bequemen Sessel an der Rezeption vor Müdigkeit ein. Noch heute erzählt der Rekordhalter diese Geschichte gerne von seiner berühmten Oberwalliser Gaststätte aus, wo er für seine Gäste alles gibt.
«Marco hat die Fähigkeiten, es besser zu machen als ich», sagte Ende 2023 ein überglücklicher Pirmin Zurbriggen, als er endlich seinen passenden Nachfolger mit einer Schweizer Startnummer auf dem Rücken fand. «Ich bin stolz darauf, mit ihm verglichen zu werden», betonte der viermalige Gesamtweltcupsieger. Und natürlich weiss er, dass Marco Odermatt mit seinen Ratschlägen aufgewachsen ist.
Odermatt trainierte später eine Zeit lang mit dessen Sohn Elia in den Jugendmannschaften, bis sich der Walliser 2020 aus dem Spitzensport zurückzog.
Diese Anekdote vermittelt einen Eindruck davon, wer «Odi» ist, der es von einer fast gewöhnlichen Kindheit zum Schweizer Sportstar gebracht hat. Dieses Buch taucht ein in das Leben eines Jungen, der dazu beigetragen hat, dass der Schweizer Skisport in der Öffentlichkeit des Landes wieder ganz oben auf der Agenda steht.
Marco Odermatts erste Skiversuche auf der Klewenalp am 8. Dezember 1999 mit seinem Vater Walti.