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Mental stark am Berg
3.3 Basisübungen
Die Basisübungen vermitteln dir Grundfertigkeiten respektive Techni ken zu den mentalen Einflussbereichen Atmung, Vorstellung, Selbst gespräch und Aufmerksamkeit. Das Beherrschen dieser Grundfertig keiten erleichtert dir das Üben und Anwenden der Werkzeuge im nächsten Kapitel.
Atmung: Entspannen und Aktivieren
Durch gezieltes, bewusstes Atmen kannst du dich jederzeit rasch und unkompliziert entspannen oder aktivieren und somit deinen Leis tungszustand gezielt beeinflussen. Das bewusste und kontrollierte Atmen ist wohl die wichtigste Voraussetzung jeglicher mentaler Ein flussnahme.
Eine einfache Atemtechnik ist folgende: tief durch die Nase Luft holen und durch den Mund ausatmen. Sie wird meist intuitiv angewandt und wirkt sich rasch auf die Befindlichkeit aus. Sie bedürfe eigentlich keines besonderen Trainings, sollte man meinen. Doch der Schein trügt. Gerade in stress- und angstbetonten Situationen «vergessen» wir manchmal zu atmen und schwächen damit unseren Organismus, weil wir den Muskeln und dem Gehirn weniger Sauerstoff zuführen und damit Krämpfen und Denkblockaden Vorschub leisten. Es lohnt sich also, bewusst auf die Atmung zu achten und bewusst atmen zu lernen.
Starte mit der Basisübung «Bewusstes Atmen» und trainiere diese nach einer ersten Gewöhnungsphase in möglichst verschiedenen Alltags- und Sportsituationen. Sobald du dich dabei wohlfühlst, gehe weiter und trai niere bewusst das atembasierte «Entspannen» und «Aktivieren».
Für alle Atemübungen gilt: Übe anfangs täglich mehrmals – beispiels weise vor dem Schlafengehen oder unterwegs, zum Beispiel im Zug. Übe zuerst liegend, dann sitzend, dann stehend. «Richtig» atmen lernen und gezielt und rasch zwischen Entspannungs- und Aktivie rungsatmung zu wechseln, bedarf regelmässigen Trainings.
Tipp: Baue dein Training bewusst in den Arbeitsalltag ein. Nutze zum Üben auch «tote Zeiten» wie Wartezeiten auf dem Bahnsteig, Pausen etc.; so kannst du deine Trainingszeiten vervielfachen. Wenn du die Technik beherrschst, rufe sie dir regel mässig in Erinnerung, beispielsweise einmal täglich oder einmal wöchentlich. Binde dein Training an regelmässige Aktivitäten – beispielsweise abends vor dem Schlafengehen. Übe nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern trainiere auch bewusst im Lärm in der Kletterhalle oder der Hütte, damit du lernst, dich auch unter erschwerten Bedingungen zu entspannen respektive zu aktivieren.
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Übung: Bewusstes Atmen
Nutzen
• Einführung in das bewusste Atmen.
• Bildet eine wichtige Grundlage für weitere Atemübungen und nahezu alle mentalen Übungen und Trainingsformen.
Wann und Wo
• Wann immer du Zeit findest. Eine Trainingseinheit sollte mindes tens 5 bis 10 Minuten betragen.
Ablauf
• Wähle einen angenehmen, reizarmen Ort (z.B. abgedunkelten, stillen Raum) und bringe dich in eine angenehme Position, in der du dich wohlfühlst. Am besten liegst oder sitzt du bequem auf einem Sessel, Sofa oder Bett.
• Schliesse die Augen und lege die Hände auf deinen Bauch. Atme nun bewusst tief in den Bauch ein. Ob durch Nase oder Mund spielt vorerst noch keine Rolle.
• Atme natürlich und ohne etwas zu beeinflussen durch Nase oder Mund wieder aus.
• Versuche dabei bewusst wahrzunehmen, wie sich die Bauch decke hebt und senkt und wie es sich anfühlt, durch den Bauch zu atmen. Lege beide Hände mit den Handflächen so auf die Niere (unterer Rücken, oberer Beckenrand, obere Taille), dass die Fingerspitzen gerade noch die Wirbelsäule berühren. Erspüre auf Höhe der Taille mit den Händen bewusst das Ein- und Aus atmen und begleite dies gedanklich mit «Ein und Aus». Wieder hole dies mindestens 10-mal.
• Lege deine Hände nun auf die Brust. Atme bewusst tief durch die Brust ein und aus. Dabei spürst du, wie sich die Brust hebt
und senkt. Wie fühlt sich die Brustatmung an? Wiederhole auch dies 10-mal.
• Versuche nun, diese beiden Atemweisen zusammenzuführen: Atme in einem ersten Atemzug in den Bauch ein und wieder aus, in einem zweiten in die Brust und im dritten Atemzug versuchst du, Bauch und Brust gleichermassen mit Luft zu füllen.
• Atme nun 5-mal bewusst in Brust und Bauch ein, halte den Atem für 2 Sekunden und atme wieder aus.
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Bemerkungen:
Übe das Atmen via Bauch oder Brust zuerst einzeln; führe die Atmungen erst zusammen, wenn du dich in beiden wohl und sicher fühlst.
Werkzeug: Gedankenstopp
Auch mit Übung und Erfahrung in positiven Selbstgesprächen wirst du es nicht verhindern können, dass dennoch zwischendurch Gedan ken auftauchen, die in der betreffenden Situation störend sein kön nen. Der Gedankenstopp kann helfen, solche Gedanken und Selbst gespräche für kurze Zeit zu stoppen.
Nutzen
• Störende und negative Gedankenketten werden unterbrochen.
• Lenkt Aufmerksamkeit auf das Wesentliche und Wichtige.
Wann und Wo Überall und jederzeit.
Ablauf
• Definiere ein Symbol, das für dich persönlich «STOPP» repräsentiert. Das kann ein Stoppzeichen sein, eine rote Ampel, ein Handzeichen, eine Farbe etc.
• Sobald ein störender oder negativer Gedanke auftaucht, akti vierst du dein «STOPP-Symbol», indem du laut oder in Gedan ken «STOPP» zu dir sagst und vor deinem inneren Auge das entsprechende Symbol auftaucht. Atme gleichzeitig tief und kräftig durch und puste damit den störenden Gedanken gewissermassen weg.
• Richte deine Aufmerksamkeit neu aus, allenfalls verbunden mit einem positiven, deine Handlung bestätigenden Selbstgespräch.
Werkzeug: Kraft- und Motivationsbild
Beim Kraftbild stellst du dir gewissermassen das Erfolgsgeheimnis vor, wie du dein Ziel erreichst, welche Eigenschaften und Verhaltenswei sen ganz zentral sind, damit du die anstehende Herausforderung meistern kannst. Kraftbilder sind im Hier und Jetzt verankert – «Ich bin ein Schneewiesel, flink, schnell und achtsam». Ein Kraftbild muss – bei aller Emotionalität und Bildlichkeit – realistisch sein und sich an deinem effektiven Können, deinen Stärken und deinen Her ausforderungen orientieren. Beim Motivationsbild hingegen legst du den Fokus auf das Endziel, ähnlich wie bei der Kurzvariante des Werk zeuges «Zielvorstellung verinnerlichen».
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Nutzen
• Motivation auslösen und aufrechterhalten.
• Erinnerungsanker für selbstbewusste Gedanken und für ein positives Körper- und Situationsgefühl.
• Verinnerlichung von Stärken.
• Mut machen.
Wann und Wo
• Erarbeiten und Einüben zu Hause oder beim Training, genügend Zeit bemessen.
• Unterwegs am Berg abrufen.
Ablauf
• Erinnere dich an deinen letzten sportlichen Erfolg, versetze dich in diese damalige Situation und versuche, dein Gefühl, deine Bewegungen mit einer Metapher zu bezeichnen, z.B. flink wie ein Wiesel, kraftvoll und geschmeidig wie ein Panther.
• Du kannst dir aber auch einfach vorstellen, welches Tier für dich in Bezug auf deinen Sport, dein aktuelles Können und deine Ziele dein Vorbild ist. Beispiele sind: Gämse, Panther, Katze, Gecko, Wiesel, Adler, Fuchs, Spinne.
• Beschreibe für dich oder mit deinen Kollegen, was die Stärken dieses Tieres ausmacht und wie sich diese in deiner Sportart auswirken. Du kannst das Tier auch zeichnen.
• Wann immer du unterwegs bist und vor einer schwierigen Auf gabe stehst: Erinnere dich an dein Tier, schlüpfe in seine Haut und handle entsprechend. Wenn etwas nicht passt, nimm allen falls Anpassungen vor.
Bemerkungen:
• Vielleicht hast du ein kleines Stofftier, das du gewissermassen als Talisman an deinen Rucksack hängst und das dich an dein Kraftbild erinnert. Das funktioniert durchaus auch bei Erwachsenen!
• Ablenkung durch Umorientierung: Es gibt manchmal Situationen, aus welchen es kein Entkommen gibt und wir einfach durchbeissen müssen. In diesem Fall kann die Ablenkung durch Umorientierung zumindest vorübergehend den Druck etwas abbauen und uns hel fen durchzubeissen. Dabei kann dir allenfalls das eingeübte Kraft bild oder ein situativ entwickeltes Motivationsbild helfen: Die Wärme in der Hütte, wenn der Aufstieg in der bitteren Kälte end lich geschafft ist, oder eine private Erinnerung – wie der Gedanke an die kleine Tochter – oder die Konzentration auf eine gedankliche Tätigkeit – wie das Zählen der zurückgelegten oder noch zu absol vierenden Schritte. Banal, aber wirksam.
Weiteres hilfreiches Werkzeug
für mehr Motivation und Durchhaltewille
Positive Selbstgespräche formulieren Seite 71 Vorstellen einer Route Seite 92 Erfolgsmantra Seite 116