Kurzvorschau – Wolli auf dem Matterhorn

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D e r S c h a f h i r t e

Es war einmal ein Schäfer von Prato Borni, ein alter Mann von mehr als 70 Jahren, mit schneeweissen Haaren und einem schneeweissen Bart . Ende September rief er seine Schafherde oben auf der Riffelalp zusammen.

Heini, so heisst der Schäfer, liebt seine Heimat sehr. Seine Liebe, sein Leben gehören nur seinen kuscheligen Walliser Schwarznasenschafen.

Jeder Mensch hat von Geburt an Talente in die Wiege gelegt bekommen. Begabungen, mit denen er etwas Sinnvolles, Einzigartiges bewirken kann. Der Schäfer mit seinen schneeweissen Haaren erkannte schon früh sein aussergewöhnliches Talent!

Er hat die Gabe, mit seinen geliebten Schafen zu sprechen.

Aus mehr als 100 Muttertieren, zwei kräftigen, hornigen Widdern und ganz vielen kleinen Lämmlein besteht die Herde.

Heini kennt alle beim Namen.

«Prato
Borni» = ursprünglicher Name von Zermatt

Wa n d e r u n g i n s Ta l

Alle Schafe versammelten sich bei einem grossen Stein und waren sehr aufgeregt . Heini mit der Pfeife zwischen den Lippen, paffte ruhig vor sich hin. Lumpi, der Hund, sass neben ihm.

«Sind auch alle da?», brummte der Schäfer in seinen Bart . «Blüemli, Fleckli, Pelzli, Wolli?» Ja, alle waren da, nicht eines fehlte.

«Also ihr Lieben, nun ist die Zeit gekommen –der Sommer ist vorbei – es geht Richtung Furi ins Winterquartier.

Bleibt mir bitte alle immer schön beisammen, damit niemand verloren geht – ok?» Ein grosses Blären war zu hören, was soviel hiess wie «JA CH EF».

Furi ist eine kleine Alp oberhalb Zermatt, dort steht der Stall von Wolli und seinen Gefährten.

Wo i s t Wo l l i ?

Die Schafherde machte sich auf den Weg. Der Schäfer Heini mit einem Sack voller Brot voraus, neben ihm Lumpi immer bei Fuss. Der Abstieg war nicht ganz so einfach. Steine, wilde Bäche und schmale Brücken waren zu überqueren. Als eine kurze Verschnaufpause eingelegt wurde, bemerkte Heini gleich, dass Wolli fehlte.

«Wo ist denn unser quirliges Wolli geblieben?», fragte er sein Blüemli. Normalerweise waren die beiden unzertrennlich. Blüemli

schaute ein bisschen entsetzt aus der Wolle und sagte:

«Ach Schäfer, mach dir keine Sorgen. Wolli ist ein bisschen verrückt, du kennst es ja, bestimmt wird es bald wieder bei uns sein!»

Heini runzelte die Stirn. Grosse Wolken standen an den Berggipfeln und nun hörte man schon das Donnern; Blitze erleuchteten

den Himmel. Schweren Herzens nahm der Hirte seinen Lärchenstock, richtete seinen Hut und ging stillschweigend des Weges.

Seine Herde folgte ihm. In Gedanken war Heini aber bei Wolli.

«Hoffentlich wird ihm nichts passieren. Wenn mein liebes Wolli bis morgen früh nicht bei mir ist, werde ich es suchen!»

Wo l l i ’ s Tr a u m

Auf der Unteren Riffelalp, hinter einem uralten Gädi, versteckte sich Wolli. Es legte sich auf eine Wiese. Die Wolken, vom Winde geführt, entführten Wolli in einen wunderschönen Traum.

«Ach, könnt’ ich doch einmal die grosse weite Welt entdecken. Einmal nur weg aus Zermatt . Ich bin ein ganz besonderes Schaf, ich bin doch Wolli».

Ein heftiger Donnerschlag weckte Wolli aus seinem Traum.

Träume können wahr werden, man muss nur ganz fest daran glauben.

Wolli machte sich auf den Weg , das Matterhorn zu besteigen, um einen Blick in die weite Welt zu werfen.

(Gädi = alter Stall im Wallis)

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