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Italienische Weinpoesie
Foto George Tatge
TENUTE SILVIO NARDI RE QUERCIA No 11
Montalcino mit seinen sanften Hügeln ist ein einzigartiges Terroir für Sangiovese. Von hier stammen einige der grössten Weine Italiens.
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TENUTENARDI.COM
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TENUTE SILVIO NARDI
DAS WEINGUT: TENUTE SILVIO NARDI
Text ________ Ursula Thurner Fotos ________ Bildarchiv Tenute Silvio Nardi
Die 11. Aufnahme widmet sich einem wichtigen Familienmitglied der Weinwelt – der Eiche. Eichenbäume wachsen nicht nur oftmals in Weinregionen, aus ihrem Holz werden auch die bekannten Barriques produziert. Den grossen Baum hat George Tatge als Symbol für die toskanische Kellerei Tenute Silvio Nardi abgebildet.
Mein erstes Treffen mit Emilia Nardi fand im Herbst 2000 in Zürich statt anlässlich einer Degustation, die ich für das Konsortium Brunello di Montalcino organisiert hatte. Die Wellenlänge stimmte und kurz darauf begann die Zusammenarbeit mit Tenute Silvio Nardi, genauer gesagt mit Emilia Nardi. Als jüngstes von acht Geschwistern begann Emilia im Alter von gut 20 Jahren in Casale del Bosco auf Tenute Silvio Nardi zu arbeiten und widmete sich über 30 Jahre lang mit ganzem Herzen dem Familienunternehmen. Dabei war sie immer fest überzeugt von der Wichtigkeit der agronomischen Forschung, um das Beste ihrer Böden auf die Flasche zu füllen. Damals eine Intuition, heute Realität. Emilias Vater Silvio Nardi war der Gründer des Weinguts und einer der Pioniere des Brunello di Montalcino. Er kam 1950 aus dem Tiberina-Tal nach Casale del Bosco, stellte 1954 seinen ersten Brunello her und war 1967 einer der Gründer des Konsortiums. Heute, Jahrzehnte später, ist Tenute Silvio Nardi die perfekte Synthese zweier Seelen. Zwei gegenüberliegende Seiten der Anbauzone, jede mit ihrer ganz eigenen Persönlichkeit. Casale del Bosco im Nordwesten ist der historische Kern des Betriebs, wilder und rauer, mit grösseren Höhen und steinigen und abwechslungsreichen Böden. Manachiara, mit lehmigeren Böden, liegt im Südosten an den sanften, warmen und sonnigen Hügeln des Val d’Orcia. Auf beiden Arealen wie hingetupft alte Bauernhäuser und alles gelegen im Welterbegebiet der Unesco. Beide sind reich an mediterraner Macchia und Steineichen, die oft auf natürliche Weise Clos bilden. Und vor allem sind beide Orte optimal geeignet für den Anbau des Sangiovese Grosso, der autochthonen Rebsorte Montalcinos, die für den toskanischen Weinbau so wertvoll ist. Das Unternehmen praktiziert Präzisionslandwirtschaft, zu deren Meilensteinen die beeindruckende Arbeit der Zonierung und die in den 90er-Jahren beginnende Neubepflanzung der gesamten Weinberge des Anwesens, die akribische Klonselektion und die Einführung der Überprüfung der Phenolreife im Weinberg zählen. Ein innovatives und weitreichendes agronomisches Projekt, von dem Emilia Nardi sogar vor der Versammlung der Vereinten Nationen berichtet hat. Tenute Silvio Nardi steht fest zu ihren Grundsätzen der Nachhaltigkeit, ist Umwelt und Sozialem verpflichtet und zeichnet sich durch ihren tiefen Respekt sowohl für die Weinberge und die sie umgebende, reiche Natur als auch für die Menschen aus, die sich täglich um diese kümmern. Ein Team von Mitarbeitern, die Professionalität, Mut und Kreativität unter Beweis stellen. Casale del Bosco ist ein Ort, an dem man zur Ruhe kommt und sich wieder mit sich und der Welt im Einklang fühlt. Von der Steinbank neben dem Eingang zum Keller und den Büros geniesst man einen traumhaften und unvergleichlichen Blick auf die Landschaft von Montalcino und fühlt sich in eine langsamere Zeit katapultiert, in ein ländliches Montalcino.
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Emilia Nardi führt das von ihrem Vater gegründete Weingut erfolgreich weiter.
Ursula Thurner lebt in Florenz und kennt sich in der italienischen Weinlandschaft bestens aus.
Warum genau dieses Foto:
Tenute Silvio Nardi ist Solointerpret des wildesten Teils von Montalcino, des Nordwestens. In Casale del Bosco sind die Weinberge, die nach sorgfältiger Auswahl von Hängen und Böden angelegt wurden, von Steineichenwäldern umgeben. Ich kann mir gut vorstellen, wie George Tatge plötzlich innehielt und verzaubert war von diesem Ausschnitt, sanft gewellt und steil zugleich. Diese beiden Rebreihen begrenzen einen idealen Weg, der in das Herz des Territoriums hinabführt und in die zauberhafte Schönheit der toskanischen Hügel eingebettet ist. Der eigentliche Protagonist des Fotos ist jedoch der grosse Baum, der dort steht, als ob er das Gleichgewicht der Landschaft bewache. Der Titel «Re Quercia» spiegelt das voll wider. Hier verneigen sich alle vor Mutter Natur, und damit auch vor dem edlen Sangiovese Grosso, aus dem der Brunello erzeugt wird. Nicht umsonst ist die Steineiche auch das Symbol der Appellation.
George Tatge
Der in Istanbul geborene Fotograf George Tatge (geb. 1951) studierte englische Literatur am Beloit College in Wisconsin und fotografierte in seiner Freizeit. Tatge zog 1973 nach Italien und begann, als freiberuflicher Fotograf und Schriftsteller zu arbeiten. Von 1986 bis 2003 war er als Director of Photography im Alinari-Archiv tätig. 2010 wurde Tatge mit dem Fotografiepreis Premio Friuli Venezia Giulia Fotografia ausgezeichnet. Seine fotografischen Arbeiten sind in bedeutenden öffentlichen Sammlungen vertreten, darunter im Metropolitan Museum of Art, New York, Maison Européenne de la Photographie, Paris, und Centre Canadien d’Architecture, Montreal.
GEORGETATGE.COM
DER WEIN: BRUNELLO DI MONTALCINO DOCG 2015 MANACHIARA
Bezugsquelle: www.martel.ch
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Im Keller der Tenute Nardi reifen die Sangiovese-Weine mehrere Jahre, bevor sie in die Flaschen abgefüllt werden.
«Ich möchte, dass meine Weine die Essenz jedes unserer Weinberge und dieses einzigartigen Gebiets der Toskana, das Montalcino ist, zum Ausdruck bringen», betont Emilia Nardi immer. Die Besonderheiten der beiden Güter, Casale del Bosco und Manachiara, treten in den beiden Ausprägungen des Brunello di Montalcino deutlich hervor. Die beiden Crus – Poggio Doria und Manachiara – unterstreichen ihre Zugehörigkeit auf klare und faszinierende Weise: Ersterer zeigt elegante Komplexität und Vertikalität, samtige Tannine, einen saftigen Abgang und eine attraktive balsamische und TrockenfruchtNote, während der Manachiara sich strukturiert und charaktervoll präsentiert und mit verführerischer Frucht und weicher Textur. Er duftet nach Backpflaumen, dunkler Schokolade und Zedernholz und offenbart diese komplexe Aromatik auch im Gaumen, wo zudem die feinen, straffen Tannine erkennbar sind. Sie sind derart verwoben und delikat, dass schnell klar wird, dass man diesen Klassiker entweder 3 Stunden vor Genuss dekantiert – oder ihn noch etwas ruhen lässt (8 bis 10 Jahre). Der Brunello Tenute Silvio Nardi hingegen ist eine Cuvée aus 50 Vinifikationen von Trauben beider Güter. Es gelingt ihm, eine Balance zwischen Festigkeit der Struktur einerseits, Frucht und Aroma andererseits zu finden. Seiner Assemblage gelingt es, die verschiedenen Noten der Terroirs einzufangen, und seine Weichheit verdankt er einer Verfeinerung in Tonneaux und grossen Holzfässern. In der letzten Phase, bei der Definition der Assemblage, arbeitet der bekannte Bordeaux-Berater Eric Boissenot mit dem internen Technikteam zusammen. Alle drei Brunello-Versionen von Tenute Silvio Nardi sind perfekte Botschafter ihres Herkunftsterroirs und zelebrieren den Charakter der Langlebigkeit.
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In der nächsten Ausgabe reisen wir zu Castello di Querceto im Gebiet des Chianti Classico.
DÔLE –DER SCHWEIZER WEINKLASSIKER
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Die Schweiz besteht aus 26 Kantonen, in denen praktisch überall Reben anzutreffen sind – einmal etwas mehr und einmal etwas weniger. Insgesamt werden knapp 15000 Hektaren Reben kultiviert, was etwa der Hälfte der Champagne und 0,2 Prozent der globalen Rebfläche entspricht. Der Dôle ist der historische Signaturwein des Wallis, der sich gerade in einer Auffrischungsphase befindet.
Illustrationen ________ Pierre Corboz
Das Wallis ist nicht nur die grösste Weinbauregion der Schweiz, von hier stammen auch zahlreiche historisch wichtige Abfüllungen ab. Eine davon ist der Dôle – eine Rotweincuvée, die man weit über die Landesgrenze hinaus kennt und deren Rezept gerade aufgefrischt worden ist.
Neben dem Fendant ist der Dôle der bekannteste Walliser Wein – manchmal sogar der bekannteste Schweizer Wein. Vor allem, wenn man sich im Ausland nach unserem heimischen Weinschaffen erkundigt, fällt schnell einmal der Begriff Dôle. Das hat sicher auch damit zu tun, dass er in allen Walliser Bergrestaurants ausgeschenkt wird, wenn Gäste aus dem Ausland bei uns ihre Ski- oder Sommerferien verbringen. Und wie wir alle selber schon erlebt haben, bleiben uns positiv erlebte Momente, wie sie in den Ferien oft auftreten, immer sehr gut in Erinnerung – ebenso wie der dazu genossene Wein. Doch was ist ein Dôle genau? Im Gegensatz zum Fendant, der ein Weisswein aus der Sorte Chasselas ist, handelt es sich beim Dôle um einen Rotwein aus verschiedenen Sorten. Die Gesetzgebung gibt vor, dass Dôle aus den zwei Hauptsorten des Wallis – Pinot Noir und Gamay – vinifiziert werden muss. Bis zur Ernte 2020 mussten sie zusammen mindestens 85% der Assemblage ausmachen, wobei der Pinot den Hautanteil bilden musste. Mit der Ernte 2021 hat sich das etwas geändert, zumal der Anteil von Pinot und Gamay jetzt insgesamt mindestens 51% ausmachen muss. Natürlich kann ein Dôle nur aus diesen zwei Sorten bestehen, die Winzer können aber die restlichen 49% mit anderen roten Sorten ergänzen, so etwa Gamaret, Garanoir, Carminoir, Ancellotta, Diolinoir, Merlot oder Syrah. Interessant daran ist, dass jede dieser Sorten andere Charakteristiken hat. Eine ist dunkler in der Farbe, die andere würzig und wieder eine andere hat mehr Gerbstoffe, die dem Wein Struktur verleihen. Das hat zur Folge, dass es nicht einfach ist, eine klare geschmackliche
Definition des Dôle festzuhalten, da die Weine von der Art her in alle Richtungen gehen und mehr die Vorlieben des Winzers oder der Winzerin offenbaren. Sie können die Assemblage bestimmen und mit jeder Ernte auch die Rezeptur etwas ändern oder anpassen. Man kann sich das wie beim Kochen vorstellen: Entweder verwendet man für ein Gericht nur Salz und Pfeffer, oder man ergänzt es mit frischen Kräutern, anderen Gewürzen oder gar Marinaden. Es ist schwierig, ein Resultat mit dem anderen zu vergleichen, zumal alle Gerichte ihre aromatischen Vorzüge haben. Generell kann gesagt werden, dass ein Dôle nie ein wirklich schwerer Wein ist, zumal Pinot Noir und Gamay immer eher leichtere Weine ergeben. Und ein leichter Rotwein ist wiederum ein perfekter Partner für Käsegerichte wie Fondue, Raclette oder Käseschnitte, wie aber auch Fisch. Zum Beispiel eine Forelle blau, Filets de perche oder gar ein Loup de mer. Einen Dôle trinkt man am besten in seiner Jugend, also in den ersten drei Jahren nach der Produktion. Lagern macht ihn nicht zwingend besser, da er meist schon trinkreif auf den Markt kommt. Dôle Blanche wird übrigens aus denselben Sorten vinifiziert, aber als Weisswein ausgebaut. Das heisst, dass der Saft der Reben nur ganz kurz in Kontakt mit den roten Traubenschalen bleibt und daher kaum eine rote Farbe annimmt.
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Dôle des Monts 2020 Maison Gilliard
Das Walliser Weinhaus Maison Gilliard wurde 1885 von Edmond Gilliard gegründet. Die Weinberge erstrecken sich am rechten Rhoneufer über malerische Hügel in einer Höhe von 550 bis 680 Meter über Meer. Zu den bekanntesten Abfüllungen des Gutes gehören der Dôle des Monts und der Fendant Les Murettes. Ursprünglich hiess der Wein «Clos du Mont» – eine Bezeichnung, die 1954 geändert werden musste, da die Trauben aufgrund der Erhöhung der Produktion nicht mehr ausschliesslich aus dem Weingebiet «Clos du Mont» gewonnen werden konnten. Der Wein zeigt im Auftakt Noten von Backpflaumen, Cassis und frisch gemahlenem Pfeffer. Im Gaumen mittelschwer mit erneut würzig-dominanter Komponente. Auf der fruchtigen Seite muss man an schwarze Kirschen und Brombeeren denken. Ein süffiger und klassischer Walliser, der einerseits zu traditioneller Schweizer Küche passt und andererseits zu einem Steak Tatar oder einem Risotto.
Fr. 17.90
GILLIARD.CH / ODER BEI COOP Dôle 2021 Domaine des Muses
Robert Taramarcaz hat den Familienbetrieb vor ein paar Jahren übernommen und Ernte für Ernte elegantere und finessenreichere Weine vinifiziert. Ihm gelingt der Spagat zwischen Tradition und Zeitgeist: Taramarcaz macht Weine, die die Vergangenheit nicht auslöschen wollen, sondern aus ihr gelernt haben und jetzt die Sprache ihrer Zeit sprechen. Der Dôle ist eine geglückte Assemblage, ein nicht zu schwerer Rotwein, der jedoch eine schöne Farbe, samtige Tanninstruktur und eine fröhliche Aromatik offenbart. Das gute Glas Wein zu einem leichten Gericht oder zur Lektüre der Tagespresse.
Fr. 24.50
DOMAINEDESMUSES.CH Dôle 2020 Collection Chandra Kurt Provins
Zusammen mit dem Önologen Damien Caruzzo haben wir einen Dôle der «alten Schule» kreiert – also einen eher süffigen, nicht zu schweren Wein, den man sehr gut gegen den Durst trinken kann. Er ist trocken, mineralisch und offenbart Noten von Walderdbeeren, Pflaumen, Lorbeeren und etwas Gewürznelken. Seine Tannine sind ganz fein und straff und seine Harmonie eine wahre Gaumenfreude. Ein frischer Rotwein, der zu Käse, Fleisch, Geflügel und natürlich Trockenfleisch passt.
Fr. 22.50
PROVINS.CH
Pierre Corboz
1973 geboren, aufgewachsen in Südafrika, Türkei, Irak, Indonesien und in der Schweiz, startete Pierre Corboz mit dem Zeichnen in den 80ern, während er die Welt von Wrightson, Wood, Vance, Jim Lee, Otomo, Hermann oder Olivier Vatine entdeckte. Seitdem hat er mit dem Zeichnen nie mehr aufgehört, wobei er sich das meiste selber beigebracht hat. Am liebsten arbeitet Corboz mit Federkiel, Ecoline oder Wasserfarben und zeichnet hauptsächlich im Comic-Stil. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Baden und ist auf Instagram unter «the_doodling_crow» zu finden.
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