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NOTFALLPATIENT „POLIZEI VORARL- BERG“
Der Nächste bi e...
Diesen Satz kennt man eigentlich nur aus dem Wartezimmer in Arztpraxen. Leider tri dieser aber mi lerweile auch für den Personalabgang der Polizei in Vorarlberg zu. Waren vor 8-10 Jahren durchschni lich 6-10 Mitarbeiter, die die Vorarlberger Polizei aus dem Ak vstand pro Jahr verlassen haben, so sind es jetzt im Jahr 2022 5-7 Mitarbeiter pro Monat, die die Uniform an den Nagel hängen und der Polizei den Rücken kehren.
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Man muss kein Mathegenie sein, um die Zahlen lesen zu können...
Dachte man Ende des Jahres 2021 noch, die Zahl von damals ca. 30 Austri en pro Jahr aus der Polizei in Vorarlberg sei an einer Schwelle der Unmöglichkeit angelangt, so wurde man 2022 nochmals eines Besseren belehrt. Mit Stand November 2022 hat sich die Austri szahl aus dem Jahr 2021 bereits verdoppelt, also eine Steigerung von 100% erreicht –Tendenz steigend! Da mag mancher Wiener Kollege sagen, was sind schon 60 Mitarbeiter, bei einem Personalstand von ca. 8000 in Wien. Bei einem Gesamtpersonalstand von rund 1000 Mitarbeitern (VB und Innendienst mit eingerechnet) in Vorarlberg, ist dies alles andere als lus g und somit höchst alarmierend.
In dieser Zahl sind noch nicht einmal die Pensionierungen 2022 –bis jetzt nochmals ca. 30 Mitarbeiter, die Dauerkrankenstände, die Herabsetzungen (Frauenquote in Vorarlberg ca. 40%) eingerechnet. Dass es außerdem ein großes Problem gibt, die Ausbildungsplätze im BZS voll zu bekommen, weil zu wenig geeignete Bewerber vorhanden sind, verschär das Problem nochmals um ein Vielfaches. Man bedenke, Vorarlberg hä e für den kommenden Dezemberkurs 58 freie Kursplätze zur Verfügung, kann diese aber (Stand November 2022) mit nur 27 posi v getesteten Polizeibewerbern füllen. Auch die wiederholte Verlängerung der Bewerbungsfristen half wie schon in der Vergangenheit fast nichts. Einerseits laufen der LPD Vorarlberg also reihenweise die Mitarbeiter davon und auf der anderen Seite kommt nicht mehr genügend „Nachwuchs“ nach. Woran liegt das?
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Joachim FRITZ
Landesvorsitzender AUF Vorarlberg
Wer kehrt der Polizei den Rücken?
Nur Schüler aus dem BZS? – nein! Natürlich sind auch Schüler des BZS dabei, welche die Ausbildung bereits abbrechen, diese sind aber die Minderheit. Vor allem (und dies ist das Schmerzha e) sind es Inspektoren, Revierinspektoren und Gruppen-
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inspektoren (mit über 20 Jahren Außendienst), die sich mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung anderwei g orien eren –ein Verlust, der nicht kompensiert werden kann. Manche wenige wechseln zu den städ schen Sicherheitswachen, da hier bei ca. einem Dri el weniger Stundenleistung gleich viel oder mehr Gehalt angeboten wird. Andere wiederum kommen bei den Bezirkshauptmannscha en unter, während ein letzter Teil wiederum den Polizeiberuf gänzlich aufgibt und in die Privatwirtscha wechselt.
Um im Medizinjargon zu bleiben: Nach der Anamnese stellt sich die Frage nach der Diagnose, also den Ursachen und einer möglichen Behandlung des Pa enten „Polizei Vorarlberg“
Eine Ursache allein führt meistens nicht bereits zum Erkranken. Vielmehr sind es die Umstände und viele kleine Ursachen, die dem sprichwörtlichen „Organ“ den Garaus machen. Einige dieser Ursachen, sind tatsächlich auch jene, welche wir stets von den Führungskrä en der LPD Vorarlberg im Rahmen von Veranstaltungen und Interviews zu hören bekommen. Da wäre z.B. die starke Privatwirtscha in Vorarlberg, die Grenznähe zu Hochlohnländern wie der Schweiz und Liechtenstein, die fehlende Work Life Balance des Berufsbildes, und andere Dinge. Ja das s mmt, wie soll eine Polizei Vorarlberg mit einem Großunternehmen, welches Eins egsgehälter von € 2500,-- aufwärts bei einer 4-Tage Woche bezahlt, mithalten? Da helfen auch die besten Hochglanzbroschüren und trendige externe Werbefirmen für das Recrui ng nicht.
Aber ist das wirklich der Hauptgrund für die Entscheidung den Job zu wechseln? Einen Job, den viele seit ihrer Kindheit vor Augen haben und diesen vielfach als Berufung, nicht nur als Beruf betrachten? Wir glauben, hier hat man den Gedanken nicht zu Ende gedacht. Die Entscheidung der Polizei den Rücken zu kehren und sich anderwei g zu orien eren, ist ein wesentlich längerer Prozess, als „nur“ ein schnell verlockendes Jobangebot aus der Privatwirtscha . Vielmehr schlägt sich hier eine lang andauernde und ständig neu bestä gende Unzufriedenheit nieder, welche schlussendlich dazu führt, dass viele Kollegen sich mit dem System der Polizei Vorarlberg nicht mehr iden fizieren können.
Zitat eines älteren Kollegen, im Zuge eines Gespräches mit mir als PV:
„Alles beginnt mit einem Anlass, der sozusagen das erste Mosaiksteinchen bildet. Mit jedem weiteren Mosaiksteinchen wird dieses Bild der Unzufriedenheit größer, bis es eines Tages in voller Größe und in der Form eines Entschlusses vor dir steht.“
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Dieser Prozess ist vielen bekannt und wenn erst einmal der erste Mosaikstein gelegt ist, fliegen einem die weiteren Steinchen nur noch so entgegen. Das können auch Erfahrungen sein, die einen selbst als Polizist gar nicht unmi elbar betreffen, die man aber solidarisch von anderen Kollegen oder deren Erfahrungen miterlebt.
So gibt es aus unserer (PV) Sicht als Resultat aus unzähligen Gesprächen mit betroffenen Kollegen neben den umsei g zi erten und auch von den Führungskrä en der LPD häufig strapazierten Gründen noch mehr -und unserer Meinung nach wesentlich s chhal gere -Gründe für die Entscheidung der Kollegen aus der Polizei auszutreten. Ich habe versucht, beispielha einige kleine Mosaiksteinchen, die uns von den betroffenen Kollegen vor ihrem Ausscheiden geschildert wurden, zu formulieren: ► Anträge von Mitarbeitern auf
Karenzierung oder Sabba cal wurden mit der Begründung, der Mitarbeiter könne ja kündigen und man werde diesen danach wieder einstellen, ab gelehnt. ► Anliegen auf Herabsetzung der Wochendienstzeit bei sons ger drohender Kündigung wurden seitens der LPD mit den Worten „Reisende soll man nicht au alten“ vom Tisch gewischt. Bereits seit geraumer Zeit hat die PV auf die Folgewirkung dieser Personalpoli k verwiesen und erfolglos versucht zu erklären, dass 50% Arbeitsleistung bekanntlich besser ist als 0% Arbeitsleistung. ► Mangelnder Rückhalt seitens des Dienstgebers gegenüber Mitarbeitern, die mit ihrem unmi elbaren Dienstvorgesetzen in Konflikt gerieten und stets den Kürzeren zogen, da systema sch nur den Zwischenvorgesetzten der Rücken gestärkt und die betroffenen Kollegen (meist E2/b) mit ihren Problemen im Regen stehen gelassen wurden. ► Mangelnde Wertschätzung und gleichzei g teilweise nicht nachvollziehbare Schikanen wegen geringfügiger dienstlicher Verfehlungen (Fahrtenbucheinträge, Uniformierung, etc.) in Verbindung mit angedrohten disziplinären Maßnahmen udgl.
► Ablehnung der Teilnahme an
Kursen zur persönlichen Weiterbildung obwohl es dafür keinen Grund gab. ► Nicht vorhandene Vereinbarkeit von Beruf und Familie ► Hoher Druck bei Amtshandlungen, Überlastung und entsprechendes Gegenüber im städ schen Bereich, Überstunden und Wochenendbelastung ► Mangelnde Kri kfähigkeit von Vorgesetzten und Einlenken bei Entscheidungen, die zu hinterfragen sind, nach dem Mo o „Ober s cht Unter“ ► Parteilichkeit bei Planstellenbesetzungen ► Umgang mit Mitarbeitern während der Coronakrise –wie z.B. Impfzwang, Belohnungsvergabe uvm.
Alle diese Beispiele sind Aussagen von Polizeibeamten gegenüber der Personalvertretung, die in den letzten 2 Jahren den Dienst qui ert haben und zunehmend mit dem System der Polizei nicht mehr zurechtkamen. Das Erschreckende: nur die Wenigsten teilen die wahren Gründe auch beim Kündigungsgespräch, welches seitens der LPD mit den scheidenden Beamten durchgeführt wird, auch tatsächlich mit, da man sich für eine allfällige Rückkehr die Hintertüre offen halten will. Dies erklärt leider auch, weshalb seitens der LPD-Führung bei öffentlichen Statements die letzten genannten Punkte als Grund für den Personalschwund keine Erwähnung finden (sollen?).
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Die Ansteckungsgefahr!
Die Coronapandemie ist noch nicht vorbei und schon treibt das nächste ansteckende Virus sein Unwesen. Ist ein Polizist aus den hier genannten Gründen erst mal demo viert und von diesen nega ven Elementen angesteckt, sei es durch eigene Erfahrungen oder durch das Miterleben bei einem guten Kollegen, so setzt sich diese Abwärtsspirale weiter fort. Wenn dann noch posi ves Feedback durch die bereits ausges egenen Kollegen vernommen wird, ist auch die Bereitscha sich selbst zu verändern groß. Leider bietet unser Dienstsystem hier nur theore sche aber in der Praxis nicht genutzte Möglichkeiten dagegen zu halten und der Dominoeffekt tri ein. Das Ergebnis ist bekannt!
Keine Werbung im Freundes-und
Verwandtenkreis!
Die Beste und güns gste Werbung ist die Mundpropaganda –steht überall geschrieben. War es früher so, dass viele Polizeibewerber von Polizisten aus ihrem privaten Umfeld angeworben wurden, so haben wir heute eine gänzlich andere, um nicht zu sagen, eine umgekehrte Situa on. Nur mo vierte Mitarbeiter machen in ihrem Umfeld auch Werbung für ihren Beruf und ihren Arbeitgeber.
Kippt diese Zufriedenheit und die Mo va on, dann versiegt auch die Werbung –da wirkt auch eine Werbungsprämie der LPD nichts. Schließlich wird zum Beispiel ein Vater seinem Sohn nur das empfehlen, von dem er auch selbst überzeugt ist, egal wieviel er dafür bezahlt bekommt. Die Bewerberzahlen sind bekannt - alles in allem eine Sackgasse!
Die Therapie
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Wie immer sollte man im Idealfall die Ursache und nicht die Symptome behandeln. Leider wurde das viele Jahre lang trotz ständiger Hinweise und Warnungen der Personalvertretung gänzlich ignoriert. Jetzt wo man quasi mit dem Rücken zur Wand steht, vernimmt man aus der LPD Vorarlberg plötzlich Töne wie: „Wir bi en die Kollegen nicht auszutreten, wir finden eine Lösung für eure Anliegen“. Leider kommt diese Einsicht gefühlt 10 Jahre zu spät.
„Was es jetzt braucht, ist ein massiver Kurswechsel!“
So wie sich auch die Gesellscha und die Genera onen verändert haben, muss auch das System Polizei neu gedacht werden. Leider haben alle Reformen der letzten Jahre immer nur ab der E2/aEbene aufwärts ihren Niederschlag gefunden. Ohne, dass massive Verbesserungen für die Polizeibasis, also für diejenigen, die tagtäglich den Kopf hinhalh den Kopf hinhalten, erzielt werden, nten, erzielt werde , wird es tatsächwird es tatsäch-
lich bald dunkel und nicht mehr nur h bald dulich ld du schwarz arz arz“
nkel und nicht meh ndnichtmehrundu nu “ in der LPD Vorarlberg. ur urhr hrnu g.
An dieser Stelle sei erwähnt, ein Kurswechsel wird nur dann gelingen, wenn auch das BM.I die Situa on im Ländle erkennt.
Leider weiß man aber aus Erfahrung, dass Probleme, die zwar in Vorarlberg, nicht aber in Wien vorherrschen, de facto nicht exis eren. Deshalb bleibt die Aussicht auf Besserung vermutlich eher eine Utopie. Insbesondere dann, wenn auch seitens der maßgeblichen Führungskrä e in Vorarlberg Aussagen kursieren wie:
Empfohlene Medika on:
Für eine Veränderung des Polizeisystems und die speziell in Vorarlberg beschriebene Problema k benö gt man neben dem BM.I (ÖVP geführt) und dem Finanzministerium (ÖVP geführt) auch das Beamtenministerium (derzeit GRÜNE geführt) sowie
die Zus mmung der Personalvertretung (derzeit absolute FCG-Mehrheit).
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„Da können sich dann meine Nachfolger drum kümmern“
Die Voraussetzungen für eine mögliche Umsetzung liegen also vor –man fragt sich nur, warum passiert nichts?
Aber das ist eine andere Frage, darüber kann sich jeder selbst Gedanken machen, meint
euer Joachim
Landesvorsitzender der AUF Vorarlberg
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