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GROSSBAUSTELLE „POLIZEI“
Diese Mangelliste ließe sich wohl noch mit ganz vielen Punkten fortsetzen. Jedem/jeder in der Kollegenscha wird sofort eine weitere Baustelle im Bereich des BM.I einfallen. In meinem diesjährigen Ar kel betrachte ich die meiner Meinung nach größten und aktuellsten davon!
Asylkrise –„und täglich grüßt das Murmel er“
Die Kollegen leisten in diesem Bereich großar ge Arbeit, die kaum zu bewäl gen ist!!! Ein ne er Dankesbrief aus dem BM.I hil jenen Kollegen, die von einem Tag auf den anderen zum Grenzeinsatz geschickt werden aber nicht weiter. Dort müssen sie sich noch selbst ein Quar er suchen und vorfinanzieren! Dass eine solche Spontanzuteilung natürlich privat einiger „Sofortmaßnahmen“ bedarf, scheint den Dienstgeber nur bedingt zu interessieren. Der Erlass aus dem BM.I erging so „kurzfris g an die LPDs“, das BM.I habe aufgrund von EU-Vorgaben nicht früher reagieren können,
KEINER übernimmt Verantwortung,
immer sind andere Schuld. Leidtragend bleibt die Basis, jene Kollegen, die von einem Tag auf den anderen quer durchs Land zugeteilt werden. Rechtlich bis zu 90 Tagen in Ordnung, aber menschlich?
„Die AUF NÖ kri siert hier nicht DASS, sondern WIE!“
Die Asylkrise kam nicht von einem Tag auf den anderen. Die steigenden Zahlen waren zumindest seit Beginn des Jahres absehbar. Es gibt seit 2016 die gesetzliche Möglichkeit einer Asyl -Notverordnung, wonach ab 37.500 Asylwerbern Grenzkontrollen möglich sind.
All das wäre planbar gewesen. Eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen hä e womöglich auch bewirkt, dass entsprechende Signale in Richtung poten eller Asylwerber ausgesendet werden.
Was wir derzeit machen ist reines „Asylmanagement“ ohne Strategie und ohne Ziel.
Zum „Registrieren und Verwalten“ von ankommenden Personen benö gen wir enorme Personalressourcen, welche ohnehin aufgrund fehlerha er bzw. nicht vorhandener Personalpoli k (Näheres im Abschni Personalmangel) dringend an der Basis benö gt werden. Überdies sind für diese Tä gkeiten o mals ganz junge Kollegen eingeteilt, die eine völlig andere Vorstellung vom Polizeiberuf haben und dies zu Recht.
Irene EISENHUT
BMI-Reform „Kein Geld für die Basis“
Es klingt banal und doch ist es bezeichnend für die derzei ge Situa on in der Polizei. Eine Dienststelle wollte neue Klobürsten für die Dienststellen-WCs bestellen und erhielt die Auskun , dass Bestellvorgänge gestrichen wurden, da das dafür erforderliche Budget nicht vorhanden sei. Diese Klobürsten sind wohl nur ein Beispiel für diverses Verbrauchsmaterial, wo aus Kostengründen gespart wird. - Sämtliche Anträge für Klimaanlagen werden nega v beantwortet, da kein Geld da ist. Zusätzlich sorgen verschobene oder neu aufgeteilte Zuständigkeiten innerhalb der Sek onen für Unklarheiten und ein Hinauszögern von Entscheidungen.
Die AUF/FEG war die EINZIGE Frak on, welche im Zentralausschuss gegen diese Reform ges mmt hat!
- in bestehenden Dienstplänen werden Plandienststunden verschoben, um Überstunden zu sparen. - 13-stündige Plandienste eingeplant, um beim Nachtdienst EINE 50%ige Überstunde einzusparen. - unzählige Anträge der AUF für die Erhöhung der pauschalierten Aufwandsentschädigung abgelehnt. Diese wurde seit April 1973?! nicht angepasst (damals 290,--Schilling = heute € 21,08) - ABLEHNUNG aus budgetä-
ren Gründen!
- … diese Liste könnte wieder jeder Kollege mit gleichar gen Beispielen fortsetzen … Auf der anderen Seite wurde eine BM.I-Reform umgesetzt, deren Sinnha igkeit hinterfragt werden darf. Eine Reform, durch die eine Vielzahl hochdo erter Planstellen, ja sogar die Posi on eines Bundespolizeipräsidenten, geschaffen wurde.
Polizeiwerber: Mangelware
Hier könnte meiner Meinung nach an vielen kleinen Schrauben gedreht werden, um den Polizeiberuf wieder a rak ver zu machen bzw. Polizeiwerbern überhaupt die Ausbildung zu ermöglichen.
1.
Evaluierung der Aufnahmekriterien: Tätowierungen -zB: Unterarmtätowierungen dürfen sichtbar sein (wir leben im Jahr 2022!)
2.
Evaluierung/Lockerung der Gesundheitskriterien: Bewegungsapparat Bewerber werden beispielweise wegen geringfügiger Wirbelsäulenverkrümmungen (vom Schweregrad her liegt hier der Grenzwert nicht einmal im Behandlungsbedarf) abgelehnt
3.
Rückkehr zur Anerkennung bereits geleisteter Vordienstzeiten in der Privatwirtscha Soweit einige Vorschläge zur Verbesserung des Aufnahmeverfahrens, aber was noch viel wich ger wäre, ist ein Nachdenken darüber, was erwartet einen poten ellen Polizeiwerber in seiner beruflichen Tä gkeit? Vorteile? Nachteile? Es ist ebenfalls zu hinterfragen, warum sich zunehmend dienstältere Kollegen für einen Austri aus dem Polizeidienst entscheiden.
Die NACHTEILE des Polizeidienstes:
Beruf nicht familienfreundlich und ungesund -unregelmäßige Dienste, Wochend- und Feiertagsdienste, Nachtdienste, Verpflichtung zur Leistung von Überstunden und Journaldienststunden, wesentlich höhere Stundenleistung als bei einer 40Stunden-Woche
Geringe Planbarkeit und Ausgeliefertsein einer möglichen Willkür des Dienstgebers - Ungewissheit über den Dienstort, 2 Jahre nach Ernennung im Flexipool, weite Fahrtstrecken zum Dienstort (mi lerweile auch ein wesentlicher Kostenfaktor), 90 Tage Zuteilungsmöglichkeit ohne Zus mmung
immer geringer werdende Wertschätzung der Tä gkeit, sowohl von Seiten der Bevölkerung als auch von Seiten des Dienstgebers
häufig „ar remde“ Tä gkeiten -Aufgaben, die mit dem eigentlichen Polizeiberuf nichts zu tun haben (z.B. Corona, Bereich Asyl-und Fremdenwesen)
Eins eg für Berufsumsteiger aufgrund geringem Anfangsgehalt o schwierig Für bereits berufstä ge Polizeiinteressenten, die schon Kinder, Haus und sons ge finanzielle Verpflichtungen haben, stellt die geringe Bezahlung während der Grundausbildung häufig eine Herausforderung dar bzw. ist ein Ums eg für viele nicht leistbar. Ebenso aufgrund des Wegfallens der Anerkennung von privaten Vordienstzeiten ist das Eins egsgehalt (meist Gehaltsstufe 1) entsprechend niedriger als vor Änderung dieser Regelung. In diesem Zusammenhang möchte ich wie schon so o die geringe Bezahlung im Krankheitsfall -keine Implemen erung von Zulagen im Grundgehalt -erwähnen.
Anm.: Der diesbezüglich letzte Antrag der FPÖ im Parlament war am 02.12.2021 im Verfassungsausschuss und wurde von ÖVP, Grüne und Neos abgelehnt. Ebenso erfolgt 2015 die Ablehnung durch ÖVP, SPÖ und Grüne. 2013: FPÖ-Antrag -Ablehnung im Bundesrat, 2008: Ablehnung durch ÖVP, SPÖ und Grüne. An der Forderung der AUF/FEG nach einem eigenen Exeku vdienstgesetz (EDG) hat sich nichts geändert! Scheinbar unterstützt einzig die FPÖ unser Anliegen im Parlament, das auch im Regierungsprogramm 2017-22 seinen Niederschlag fand; im jetzigen Regierungsprogramm ist die Forderung nach einem eigenen Exeku vdienstgesetz leider nicht zu finden.
Kein gesetzlicher Berufsrechtsschutz!
Beruf wird immer gefährlicher -Wie die Anzahl der im Einsatz verletzten Kollegen zeigt, wird unser Gegenüber zunehmend gewaltbereiter. Es besteht somit eine hohe Gefährdung im Dienst schwer verletzt zu werden. Sicherer Arbeitsplatz nach der Pragma sierung
Möglichkeit sich in Spezialbereiche zu entwickeln, wobei hier Vorstellungen/Versprechungen und Realität o mals weit voneinander en ernt sind
Wie kann der Polizeiberuf wieder a rak ver werden?
Bessere Bezahlung durch eigenes Exeku vdienstgesetz (EDG) –Zulagen ins Grundgehalt! Wertschätzung, nicht nur in Form lapidarer Dankschreiben per Mail! Vertrauen, sta Misstrauen und Kontrolle! Mehr Unterstützung und Rückhalt für die Basis!!
Vorausschauende Personalund Einsatzplanung, dadurch mehr Planungssicherheit für die Kollegenscha !
Auslagerung von Tä gkei-
ten, welche nicht im Grundwesen des Polizeidienstes liegen!
Personalmangel!
Nicht zuletzt ergibt sich der derzei ge Personalmangel, den ich eigentlich als Personalnotstand bezeichnen würde, aus einer Mischung von völlig verfehlter Personalpoli k der letzten 25-30 Jahre in Verbindung mit dem Mangel an Polizeiwerbern. Einer der größten Fehler im System liegt im Stellenplan. Das BM.I rechnet für jede Planstelle auf einer Dienststelle das Vorhandensein eines voll-
zeitbeschä igten, verfügbaren Mit-
arbeiters. In der Praxis zeigt sich dabei aber ein ganz anderes Bild. In den letzten 30 Jahren hat es der Dienstgeber nicht gescha einen Pool an Beamten aufzubauen, um fehlende Stundenleistungen von Teilzeitkrä en oder sons gen langfris gen Abwesenheiten auszugleichen. Mit steigender Aufnahme von weiblichen Bediensteten (in NÖ seit 1991) war es aufgrund der Altersstruktur nicht schwer zu erraten, dass diese Kolleginnen im Laufe ihrer Dienstzeit Kinder bekommen und danach dem Dienstgeber vermutlich nicht mehr in vollem Stundenausmaß zur Verfügung stehen werden.
Hier halte ich ausdrücklich Folgendes fest:
„Keiner Kollegin und auch keinem Kollegen ist daraus ein Vorwurf zu machen, wenn sie für ihre Kinder Karenz- oder Teilzeiten in Anspruch nehmen! Sollten dadurch auf einer Dienststelle personelle Engpässe entstehen, so liegt dies ausschließlich im Verschulden einer verfehlten Personalpoli k! Kollegen aufgrund einer Teilzeit oder Karenz als unkollegial zu bezeichnen, oder dass diese gar dienstliche Nachteile (z.B. unbeliebt bei Versetzungsansuchen, Überstundenvergütung) in Kauf nehmen zu müssen, finde ich absolut bedenklich und nicht hinnehmbar.“
Ein weiterer wesentlicher Fehler in der Personalpoli k war es, nicht rechtzei g auf pensionsstarke Jahrgänge zu reagieren. NÖ ist derzeit nicht mehr in der Lage die laufenden Pensionierungen, Austri e und sons gen Abgänge durch Neuaufnahmen zu kompensieren (per August 2022 lagen wir für das laufende Jahr bei einem Minus von 25 Bediensteten). Hinzu kommen noch permanente Zuteilungen zu Sondereinsätzen im Fremden-und Asylwesen, Frontex, bilaterale Einsätze, etc. –Tendenz steigend. Und auch hier kein Vorwurf
an die Kollegen, die diese Möglichkeit in Anspruch nehmen.
Die Aufgabenbereiche werden immer mehr, die Anzahl der Kollegen an der Basis immer weniger. Sonderfall in Niederösterreich und weitere Belastung für die personelle Situa on stellt natürlich der Flughafen Schwechat dar. Zusätzlicher Personalbedarf für das voraussichtlich ab 2023 startende EES (Entry/Exit System): 180 Bedienstete! Sich auf die allgemeine Situa on hinauszureden -die EU, diverse Krisen, etc. seien daran Schuld -ist nicht unser Zugang.
Sehr geehrter Herr Innenminister Karner!
SIE und IHR Innenministerium sind dafür verantwortlich Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Polizeiberuf wieder a rak ver machen. POLIZISTEN sind KEIN Kostenfaktor und KEINE Leibeigenen! Ihre Mitarbeiter sind Menschen! Beamte mit Privatleben, Bedürfnissen, Emo onen, Ängsten sowie Engagement, Wünschen, Ideen und Zuversicht, meint Eure
Irene Landesvorsitzende AUF NÖ
Hinweis: Im Sinne einer besseren Lesbarkeit der Texte wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich von den Inhalten gleichermaßen angesprochen fühlen.