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Banken im Dauerstress

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WELTBLICK

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BANKEN IM

VON DER PANDEMIE IN DIE KLIMAKRISE

Irgendwann wird alles gut. Alle zwei Jahre ein Stresstest, jetzt auch noch ein Klimastresstest: Die Banken sind im Dauerstress, aber dank strenger Vorgaben auch sehr gut aufgestellt.

Kaum haben die europäischen Kreditinstitute den Stresstest 2021 überstanden, steht ihnen schon die nächste Megadatensammlung und Prüfung ins Haus: Sie müssen ihre Geschäfte auf Klimafitness durchforsten.

TEXT IRMGARD KISCHKO

Wer weiß schon, wann und woher die nächste Krise kommt? Für Bankenaufseher steht diese Frage im Zentrum ihrer Arbeit. Wenn Kreditinstitute aufgrund von wirtschaftlichen Turbulenzen zu wanken beginnen, wird das für gesamte Volkswirtschaften zur Gefahr. Die Corona-Pandemie war eindeutig eine jener Krisen, die nicht vorhersehbar waren. Sie traf die Ökonomien wie ein unerwarteter Schlag. Dementsprechend hart reagierten die Aufseher, und sie unterwarfen die europäischen Banken 2021 einem Stresstest, der seinesgleichen sucht. Im sogenannten „adverse scenario“ wurden die Banken auf ihre Widerstandsfähigkeit gegen eine Rezession getestet, die vier Jahre andauert.

Ausgehend von einem Rückgang des europäischen Bruttoinlandsprodukts um 6,9 Prozent im Jahr 2020, unterstellten die Europäische Bankenaufsicht EBA und die Europäische Zentralbank EZB ein fingiertes weiteres Schrumpfen der Wirtschaftsleistung über die Jahre 2021 bis 2023 um 3,6 Prozent. Das ist eine deutlich schärfere Voraussetzung als beim vorangegangenen Stresstest 2018, als eine dreijährige Rezession um 2,7 Prozent angenommen wurde.

Aber siehe da: Die europäischen Banken haben den „bisher strengsten Stresstest“, wie die Finanzbranche betont, nahezu bravourös bestanden. Die harte Kernkapitalquote, also jene Zahl, die über die Fähigkeit der Banken, schlechte Zeiten zu durchtauchen, Auskunft gibt, ist zwar gesunken. Sie liegt aber auch im Falle des „adverse scenarios“ in allen Ländern über der gesetzlichen Vorschrift. Die beiden österreichischen Institute, die sich unter den 50 von der EBA geprüften Banken befinden - Erste Group Bank AG (Erste Group) und Raiffeisen Bank International AG –, liegen dabei im guten europäischen Mittelfeld. „Alle Banken haben in den vergangenen Jahren sehr viel Kapital aufgebaut“, erklärt Thomas Unger, Bankenanalyst der Erste Group Bank AG, das für viele Experten überraschende Ergebnis. So wie er hatten Analysten mit einer deutlich stärkeren Reduktion der harten Kernkapitalquote im Stressszenario gerechnet. Im Durchschnitt der 50 von der EBA gestressten Banken sank diese Quote im „adverse scenario“ von 15,3 Prozent im Jahr 2020 auf 10,3 Prozent 2023. Ähnlich gut schnitten die 89 unter dem Prüfregime der EZB stehenden Banken ab, die neben 38 von der EBA gestressten Banken 51 mittlere Institute umfasst. Aus Österreich fallen die Bawag Group AG, die Raiffeisenlandesbank OÖ AG, der Volksbanken-Verbund und die Sberbank AG darunter. Die harte Kernkapitalquote dieser Banken ist von 15,1 auf 9,9 Prozent ähnlich stark gefallen wie bei den EBA-getesteten Banken. Aber auch hier: Das Kernkapital liegt auch nach dem scharfen Stress über den gesetzlichen Vorschriften. „Die Banken waren zu Beginn dieser Krise in besserer Form als 2018“, stellt die EZB dazu fest.

Allerdings: Der Kapitalverlust ist dieses Mal größer – zumindest beim Großteil der Banken. Die Analysten von Autonomous haben zwei positive Ausreißer aus diesem Trend entdeckt, und beide kommen aus Österreich: die Erste Group Bank AG und die Bawag Group AG. Beide Institute schafften es, das „adverse scenario“ mit einem geringeren Kapitalrückgang als 2018 zu überstehen. Das könnte daran liegen, dass sich diese Banken stark über Kundeneinlagen finanzieren, womit sie einen höheren Spielraum beim Generieren von Zinseinkommen haben.

Worauf schauen die Aufseher?

Der Stresstest 2021 hat den Banken enorme Mengen an Datenauswertungen und beim Erstellen von Excel-Sheets abverlangt. Bis zu einer Million Datenpunkte, eingetragen in rund 40 ExcelListen, mussten die heimischen Banken an die Aufseher liefern. Allein die Richtlinien zur Methodik umfassten 180 Seiten. Die EBA und die EZB konzentrierten sich dabei auf drei Dimensionen, wie Oliver Ebner, Consulter bei dem auf Banken spezialisierten Beratungsunternehmen Zeb, erklärt: erstens auf das Bankenportfolio, das die Art der Kunden, deren Geschäfte und Sicherheiten betrifft. Die Erhebung dieser Daten ist für die Berechnung der Auswirkungen einer Krise wesentlich. Bei der CoronaPandemie sei etwa zu erwarten gewesen, dass wegen der Lockdowns viele Kunden ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Bisher scheint diese Angst unbegründet. Die Staaten haben die Wirtschaft durch die Krise getragen.

Zweiter Schwerpunkt des Stresstests waren die Auswirkungen der Rezession auf die einzelnen Länder. Hier gibt es

eine große Bandbreite. So wurde etwa in Dänemark ein durchschnittlicher BIPRückgang um vier Prozent angenommen, in Österreich um 2,9 Prozent. „Die Unterschiede liegen vor allem in der Beurteilung des Immobiliensektors“, sagt Ebner. Sowohl in Dänemark als auch in Österreich seien die Aufseher davon ausgegangen, dass die Immobilienpreise im Krisenfall um gut ein Fünftel fallen. Und da die Banken in den vergangenen Jahren enorm viele Immobilienfinanzierungen vergeben haben, könnte von diesem Wirtschaftsbereich eine Gefahr für die Stabilität der Finanzinstitute ausgehen, lauten die Überlegungen der Aufseher.

Viel Expertise steckt in der dritten Dimension: Die Aufseher müssen aus den ersten beiden Faktoren ein Modell erstellen, das die Auswirkungen dieser Risiken auf die Kapitalausstattung der Banken berechnet. „Das ist die Blackbox, die wir nicht kennen“, sagt Ebner. Hier gebe es viel Spielraum.

Folgen des Stresses

Was machen nun die Aufseher mit den Ergebnissen? Die lokalen Behörden können daraus für Banken individuelle Kapitalpuffer vorschreiben. Für jene Banken, die relativ schlecht abschneiden, wird es etwas höhere Anforderungen geben. Damit sollen sie für die nächste Krise besser gerüstet sein. Dass im Stresstest 2021 italienische Banken besonders schlecht abgeschnitten haben, verwundert wenig. Sie kämpfen seit langem mit Kapitalnöten. Das Schlusslicht aber stellten die irischen Institute, die unter dem EUAustritt der Briten leiden dürften.

Für Analysten haben die StresstestErgebnisse aber noch eine wesentliche Folge. Aufsehern werde es schwerfallen, den Banken erneut eine Zurückhaltung oder das Streichen von Dividenden vorzuschreiben. So betonen die Analysten von Autonomous in ihrem Bericht: „Im EBA-Stresstest haben alle Banken besser abgeschnitten, als wir erwartet haben. Wir erwarten eine Aufnahme der Dividendenzahlung. Das wird ein Schlüsselfaktor für die Kursentwicklung der Bankaktien.“ Autonomous hebt insbesondere die Bawag Group AG und die ING hervor.

© ECB

Stress noch mal.

Die regelmäßigen Stresstests der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Bankenaufsicht verlangen den Banken Millionen von Datensätzen ab.

„Banken haben in den vergangenen Jahren viel Kapital aufgebaut.“

THOMAS UNGER

Jetzt folgt der Klimastress

Kaum haben die Banken den Stresstest 2021 überstanden, steht die nächste große Prüfung bevor. 2022 wollen die Aufseher die Geschäfte der Kreditinstitute auf Klimaresistenz prüfen. So gut wie alle Institute haben bereits ESGStrategien aufgestellt. Also Strategien, die festlegen, welche Umwelt- und Klimaziele verfolgt werden, aber auch Vorhaben zur Verbesserung im Bereich Soziales und Unternehmensführung.

Eine Art Feldversuch mit einigen ausgewählten Banken haben die Aufseher bereits gestartet. Dieses Feld ist ein völlig neues für die Banker. Die Schwierigkeit besteht darin, die Auswirkungen einer Klimakrise auf das Bankgeschäft zu beziffern. Durchforstet werden die Kommerzkunden und deren Geschäfte. Sind sie klimafit, oder brechen sie mit dem Klimawandel und den erwarteten neuen Vorschriften von Regierungen zusammen? Wie ist das Kreditportfolio zusammengesetzt? Green Finance ist das neue Schlagwort.

Begonnen wird die Klima-FitnessErhebung der Aufseher mit einem Fragebogen, der an die Banken verschickt wird. „Darin müssen sie sowohl qualitativ als auch quantitativ angeben, wie hoch ihre Klimarisiken sind“, erklärt Michaela Schneider, geschäftsführende Partnerin bei Zeb – anschließend an die Datenerhebung, aus denen der ökologische Fußabdruck der wichtigsten Kreditinstitute in Europa erkennbar sein soll. Und schließlich werden diese Daten gestresst. „Klimarisiken werden beim Bankenstresstest 2022 eine zentrale Rolle spielen. Es wäre wünschenswert, wenn dann Aufwand und Erkenntnisgewinn in einem besseren Verhältnis stünden, als das bei den Stresstests der vergangenen Jahre der Fall war“, betont Johann Strobl, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International AG, in einem Gastkommentar (Seite 36) für den Börsianer. „Im Mittelpunkt steht die Nachhaltigkeit, der Klimaschutz“, sagt Schneider. CO2-Reduktion ist also das große Thema. Die Bawag Group AG hat sich schon ein Ziel gesetzt: minus 50 Prozent bis 2025. Das Übersetzung eines solchen Ziels in Hard Facts wird den Banken in den nächsten Monaten noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten. n

„Banken müssen qualitative und quantitative KlimaRisiken angeben.“

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