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Auszeit für Insolvenzverwalter

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WELTBLICK

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Spendierhose. Die staatlichen Garantien haben die Insolvenzdynamik eingefroren. Finanzminister Gernot Blümel ist vorerst zufrieden.

Die Bundesregierung hat mit den nun auslaufenden Corona-Hilfen praktisch auf die Stopptaste bei den Firmeninsolvenzen gedrückt. Eine baldige Welle an Pleiten zeichnet sich zur Überraschung vieler aber dennoch nicht ab.

TEXT THOMAS MÜLLER

Das erst 2019 eröffnete kleine Bistro unweit des Officehomes hat es nach dem zweiten Lockdown nicht mehr geschafft. Die Friseurin, die erst vor wenigen Jahren viel in den Umbau ihres Salons investiert hat, musste bereits nach dem ersten Lockdown aufgeben. Andere strauchelnde Firmen haben sich mit einem Sanierungsplan ins Jahr 2021 retten können, wie im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ unter den Bekanntmachungen nachgelesen werden kann. Hinter jeder Insolvenzmeldung steht eine Geschichte, oft ohne ein Happy End. Im März 2020 kam plötzlich das Subgenre „Pandemie“ dazu: Vormals florierende Unternehmen wurden von der vollen Wucht des Lockdowns getroffen. Bundesregierung und Verwaltung reagierten für österreichische Verhältnisse blitzartig und öffneten die Geldschleusen. 40,5 Milliarden Euro inklusive Garantien sind laut Finanzministerium bisher geflossen oder wurden genehmigt.

Viele kleinere Unternehmer fühlten sich anfangs dennoch im Stich gelassen, weil etwa Gelder zu spät kamen oder der Überbrückungskredit nicht genehmigt wurde. In der Nachbetrachtung zeigt sich trotz aller Anlaufschwierigkeiten, dass durch die Corona-Hilfen nicht nur eine Insolvenzwelle abgewendet wurde. Während der größten Wirtschaftskrise seit 1945 gingen die Firmenpleiten vom ersten Halbjahr 2019 bis zum ersten Halbjahr 2021 sogar um 61 Prozent zurück, wie der Kreditschutzverband 1870 erhoben hat. Es liegt nahe, dass das den großzügigen Unterstützungen zu verdanken ist, aber nicht nur, sagt Thomas Url, Ökonom beim Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo): „Seit dem enormen Einbruch von 6,3 Prozent im Jahr 2020 haben wir eine stetige Erholung der Wirtschaft gesehen. Die Baubranche etwa hat derzeit eine Auslastung mit Spitzenwerten, was für wenige Insolvenzen sorgt.“

Auch in anderen Branchen komme jetzt wieder Geld in die Unternehmen, die aktuelle Situation sei wieder mit jener von 2019 vergleichbar. „Bei ohnehin schwachen Unternehmen wurde die Insolvenz zwar hinausgeschoben, wir erwarten aber keine Pleitewelle in den nächsten Monaten“, schätzt Url. Vielmehr werde sich die Insolvenzquote bis 2022 auf das Vorkrisenniveau normalisieren. Der aktuelle Wifo-Konjunkturtest mit rund 1.700 befragten Unternehmen unterstützt diesen gelassenen Ausblick. Nur rund fünf Prozent geben an, akute Schwierigkeiten mit der Liquidität zu haben, weitere zehn Prozent haben jedenfalls für die nächsten zwei bis vier Monate genügend Reserven.

„Für gefährdete Firmen ist es zielführender, eine Sanierung anzustreben.“

KARL-HEINZ GÖTZE

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Wie viele davon nun tatsächlich in die Insolvenz schlittern, interessiert nicht nur die Ökonomen, sondern auch den Finanzminister. Denn die meisten Hilfsgelder sind zwar nicht rückzahlbar, aber die Finanzämter haben darüber hinaus rund 63.000 Unternehmen die Steuerschulden in der Höhe von 2,1 Milliarden Euro gestundet. Ende September ist diese sogenannte Safety-Car-Phase ausgelaufen. Einen Hinweis, wohin es gehen könnte, gibt die vorausschauende Ausfallstudie, die Universitätsprofessor Walter Schwaiger von der TU Wien für den Gläubigerschutzverband Creditreform gemacht hat. Anhand der Daten von mehr als 100.000 aktiven Unternehmen berechnete er einen Verhinderungseffekt in der Insolvenzquote durch die Regierungsmaßnahmen von aktuell 0,68 Prozent. Umgelegt auf alle Unternehmen hieße das rund 2.500 vorläufig

THOMAS URL

„Durch die Erholung der Wirtschaft fließt wieder Geld in die Unternehmen.“

Hilfen. Die Cofag sitzt im Newstower in der Taborstraße im zweiten Wiener Bezirk. Von den beantragten 18,4 Millionen Euro wurden bisher rund 13 Millionen Euro an die Kreditinstitute ausgezahlt.

2.500

Insolvenzen wurden laut Berechnungen von WU-Professor Walter Schwaiger für den Gläubigerschutzverband vorläufig verhindert.

verhinderte Insolvenzen. Das ist nicht wenig, aber bereits weniger als die Berechnung für 2020 mit einer Quote von 1,11 Prozent. Im Finanzministerium begegnet man dem Problem der angehäuften Steuerschulden mit einem Ratenzahlungsmodell, bei dem Unternehmen bis zu 36 Monate Zeit haben, die Rückstände zu begleichen. Mehr als 90 Prozent der Betroffenen haben bereits eine solche Vereinbarung getroffen, teilt das Finanzministerium dem Börsianer mit. „Grundsätzlich berichten die Finanzämter, dass bei den Unternehmen eine sehr hohe Zahlungsmoral besteht und dass diese nahezu wieder auf Vorkrisenniveau liegt“, sagt Ministeriumssprecher Johannes Pasquali.

Geholfen hat hier sicherlich auch der sogenannte Verlustvortrag, bei dem die fälligen Steuern von 2019 mit den bereits entstandenen Verlusten von 2020 gegengerechnet werden konnten.

Kein Stress bei den Banken

In der Kreide stehen die Unternehmen natürlich auch bei den Banken, die neben den Altschulden staatlich garantierte Corona-Überbrückungskredite in ihren Büchern haben. Bei der Bawag PSK AG geht man von einer weiteren Normalisierung der wirtschaftlichen Aktivität in den nächsten Monaten aus und sieht keinen Grund, von den Risikomanagement-Grundsätzen abzugehen. Das Volumen der staatlich garantierten Kredite lag Ende Juni 2021 bei 83 Millionen Euro. Die Rate der notleidenden Kredite sei stabil, heißt es aus dem Bankhaus. Auch Vorstand Reinhard Karl, verantwortlich für das Kommerzkundengeschäft der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG, macht sich noch keine Sorgen um seine Kredite: „Die bisherigen staatlichen Maßnahmen haben sich positiv auf die Liquiditätssituation der betroffenen Unternehmen ausgewirkt. Wir sehen deshalb aktuell noch keinen Covid-bedingten Anstieg des Kreditrisikos in der zweiten Jahreshälfte.“ Im ersten Halbjahr 2021 sei das Volumen der staatlichen Garantien deutlich rückläufig gewesen und liege nur noch bei rund 90 Millionen Euro. Für einen potenziellen Anstieg der Insolvenzen habe man bereits im Vorjahr ausreichend vorgesorgt, versichert der Raiffeisen-Manager. Bei den Garantien bleibt zwar noch ein Restrisiko, denn nicht alle Kreditausfälle werden automatisch von der Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes (Cofag) aufgefangen. Aber die Chancen stehen gut: Von den beantragten 18,4 Millionen Euro wurden laut Cofag bisher rund 13 Millionen Euro auch an die Kreditinstitute ausgezahlt. Verglichen mit dem Haftungsvolumen von 4,8 Milliarden Euro sind die Beträge hier sehr überschaubar.

Unterstützung für fast alle

War das beherzte Geldverteilen der Regierung also ein voller Erfolg oder doch zu viel des Guten?

Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz beim Kreditschutzverband 1870, zieht ein ambivalentes Resümee: „Zu Beginn der Corona-Krise waren die breiten Staatshilfen definitiv richtig und wichtig. Im Laufe der Zeit hat die Undifferenziertheit bei der Verteilung der finanziellen Hilfen jedoch dazu geführt, dass auch jene unterstützt wurden, die bereits vor der Pandemie wirtschaftlich am seidenen Faden hingen.“ Hier wären zielgerichtete Hilfeleistungen wünschenswert gewesen. „Langfristig gesehen wäre es für diese Firmen zielfüh-

INFLATION UND ZINSENTWICKLUNG

Obwohl viele Volkswirte eine rasche Erholung der Wirtschaft bei sinkenden Corona- Zahlen und den dadurch ermöglichten Lockerungen in Aussicht gestellt hatten, überraschte das erratische Anspringen der Nachfrage, die Knappheit vieler Güter und Leistungen sowie die dadurch bedingten Preissteigerungen viele von uns. In vielen europäischen Staaten liegt die Inflation infolgedessen deutlich über dem angepeilten Ziel von 2%.

PREISENTWICKLUNG

Einige Wirtschaftsforscher vertreten die These, dass sich die Preise wieder stabilisieren und sich die Inflationsrate in Österreich 2021 bei 2–2,2% (in der EU evtl. leicht darüber) einpendeln wird. Für 2022 wird ein Rückgang erwartet. Ich persönlich halte einen nachhaltigen Anstieg in Österreich für denkbar: Denn die Preissteigerungen bewegen sich in vielen Bereichen weit jenseits der 2%. Z.B. verteuerten sich Baukosten allein bis Juni 2021 gegenüber dem Vorjahr um 12%, Erzeugerpreise stiegen um 7%, die Großhandelspreise um fast 11%. Darüber hinaus verzeichnen viele Branchen eine historisch hohe Nachfrage und Auslastung, die noch über Monate hinweg anhalten dürfte. Infolgedessen sind auch Fachkräfte knapp, sodass Unternehmen zum Teil von deutlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen bei Neueinstellungen berichten. Auf die Verbraucherpreise dürften sich die gestiegenen Kosten erst im Zuge der jährlichen Preisgespräche, z.B. bei Lebensmittelpreisen auswirken, sodass die Verteuerung hier verzögert eintritt. Ähnliches gilt für Neuvergaben im Baubereich und ihre Folge auf die Immobilienpreise. Im Übrigen ist auch bei der Nachfrage nach Wohnimmobilien keine Normalisierung zu erwarten, solange das Zinsumfeld unverändert bleibt und die Bankenaufsicht keine regulatorischen Verschärfungen bzw. der Fiskus keine Besteuerung auf Immobilienvermögen beschließt. Aus meiner Sicht spricht deshalb vieles dafür, dass die Preise zumindest über die nächsten zwei Jahre deutlich stärker steigen werden, als die aktuellen Prognosen dies erwarten lassen.

ZINSENTWICKLUNG

Dies führt unweigerlich zur Frage, ob auch die Zinsen dieser Entwicklung Rechnung tragen werden. Nun, am langen Ende hat sich das Zinsniveau bereits deutlich von den Tiefstständen nach oben bewegt. Während der 10-Jahres-EUR-Swap vor sechs Monaten bei ca. -0,3% p.a. lag, notiert er heute bei -0,059% p.a. – somit um ca. 25 Basispunkte höher. Demgegenüber hat sich der 3-MonatsEURIBOR im selben Zeitraum kaum verändert und liegt aktuell bei ca. -0,54% p.a. Daran dürfte sich auch kurzfristig wenig ändern, zumal Preiseffekte in Österreich keinen Einfluss auf das europäische Zinsumfeld haben. Sollte hingegen die Überhitzung der Immobilienmärkte weiter ansteigen und die Inflationsraten in Europa nachhaltig und deutlich über 2% liegen, wird sich zeigen, ob die EZB nicht gezwungen sein wird, ein Ende der Anleihenkäufe und eine Normalisierung der Zinsen zumindest in Aussicht zu stellen. Ab diesem Zeitpunkt ist mit deutlich höheren Renditen und Zinsen am langen Ende zu rechnen. Daher empfehlen wir unseren Kundinnen und Kunden, die eigenen Zinskonditionen bereits heute kritisch zu hinterfragen und allenfalls das noch günstige Zinsniveau für langfristige Absicherungen zu nützen.

Dieser Kommentar gibt die persönliche Einschätzung des Autors wieder. Sie kann im Widerspruch zu anderen Analysen stehen und insbesondere von der tatsächlichen Entwicklung der Zins- und Inflationsindikatoren abweichen.

Michael Grahammer

michael.grahammer@bdo.at

Julia Leeb

julia.leeb@bdo.at

Michael Grahammer ist Partner bei BDO im Bereich Corporate Finance und ver- fügt über langjährige Erfahrung in Führungspositionen international und regional tätiger Banken.

Für eine entsprechende Analyse und Beratung stehen Ihnen Frau Mag. Julia Leeb, Partnerin bei BDO, und Herr Dr. Michael Grahammer mit dem Team jederzeit gerne zur Verfügung.

„Wir sehen bereits nachholende Effekte.“

JÜRGEN BIERBAUMER-POLLY

render, eine zeitnahe Sanierung anzustreben, um danach auf wirtschaftlich gesunden Beinen wieder durchzustarten“, so Götze.

Auch Wifo-Ökonom Url plädiert für differenzierteres Helfen, schränkt aber ein: „Für Außenstehende ist es oft schwer zu erkennen, wie es um ein Unternehmen wirklich steht. Das haben die Großinsolvenzen der Vergangenheit gezeigt. Da sind viele Details oft unklar.“ Bei Liquiditätsengpässen sei zudem das Tempo bei der Hilfe entscheidend. Er schlägt eher vor, mehr Bedingungen an künftige Unterstützungen zu knüpfen. „Bei der Kurzarbeit wurde das auch gemacht, und es können nur noch Unternehmen mit minus 50 Prozent Umsatz das bisherige Modell im vollen Umfang in Anspruch nehmen“, gibt Url ein Beispiel.

Nachholeffekte

Es scheint also, als hätten die staatlichen Eingriffe die Insolvenzdynamik kurzzeitig „eingefroren“, und langsam beginnt sie wieder aufzutauen. „Wir sehen bereits nachholende Effekte bei den Insolvenzen“, sagt Wifo-Ökonom Jürgen Bierbaumer-Polly, der kürzlich an einer mittelfristigen Insolvenzprognose für den Insolvenz-Entgelt-Fonds gearbeitet hat. „In den nächsten zwei Jahren sollte sich der übliche Mechanismus wieder eingespielt haben. Geringes Wachstum führt zu mehr Insolvenzen, starkes Wachstum zu weniger.“

Expertenkonsens gibt es auch bei den gefährdeten Branchen: Flugverkehr, Gastronomie, der Tourismus und alles, was an ihm dranhängt, die Stadthotellerie im Speziellen. Einen Teil wird die neu geregelte Kurzarbeit noch auffangen, die bis Juli 2022 gilt. Viele werden die Verluste nicht mehr aus eigener Kraft aufholen und können erst nach einer Sanierung weitermachen. An die dauerhaften Veränderungen, die die Pandemie nach sich ziehen wird, müssen sich die Unternehmen dann aus eigener Kraft anpassen. n

VITA OLIVER STOCK

Korrespondent Deutschland „Börsianer“

Der studierte Volkswirt war Chef der „Finanzzeitung“ in Frankfurt, Vize-Chefredakteur des „Handelsblatts“ und der „Wirtschaftswoche“ sowie Kommunikationschef bei der Tochter der Münchner Rück. Er beschreibt sich selbst als gut gelaunt und neugierig.

PLEITEWELLE

ACHTUNG, ZOMBIES!

Die Warnungen waren unüberhörbar: Deutschland hatte das Insolvenzrecht in der Pandemie teilweise ausgesetzt, weswegen Pleiten zurückgingen. Gelten die alten Regeln wieder, werden sich viele Firmen als Zombieunternehmen entpuppen und eine Pleitewelle wird das Land erschüttern, so die Kritiker. Die Regeln gelten wieder. Passiert ist bisher: nichts. Also Fehlalarm?

Nein, sagt die Unternehmensberatung Kearney nach einer Analyse von 67.000 börsennotierten Unternehmen aus 152 Ländern. Kriterium war die OECD-Definition von „Passiert ist bisher: Zombieunternehmen: Wer nichts. Also mehr als drei Jahre nicht Fehlalarm?“ in der Lage ist, die Zinslast aus dem operativen ErgebOLIVER STOCK nis zu decken, gehört zu den Scheintoten. Die Studie fördert dramatische Zahlen zutage. Die Gesamtzahl der Zombiefirmen weltweit hat sich seit 2010 nahezu verdreifacht.

Grund sei das mit der Finanzkrise begonnene Zeitalter des billigen Geldes. Es ermöglicht unprofitablen Unternehmen, sich zu refinanzieren, und vertagt Insolvenzen in die Zukunft. In der Pandemie stieg die Anzahl der betroffenen Betriebe nochmals deutlich um 13 Prozent. Kleinere Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 500 Millionen US-Dollar sind stärker betroffen als große. Die absolute Anzahl der betroffenen Unternehmen in Deutschland ist deutlich gestiegen. Die USA bleiben das Land mit dem höchsten Anteil an betroffenen Firmen. Im Immobiliensektor ist ein fast dreimal so hoher Anteil an Zombieunternehmen anzutreffen wie in der Automobilbranche. Kearney hat auch Stressszenarien geprobt: Würde sich das Zinsniveau verdoppeln, stiege die Zahl der Zombieunternehmen um 39 Prozent. „Achtung, Zombies!“ gilt also weiter. n

NACHHALTIGE NACHHALTIGKEITSKOMMUNIKATION

Kapitalmarktrechtliche Kommunikation im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus: Die Details der anwendbaren Informationspflichten befinden sich aktuell im Entstehen und entwickeln sich dynamisch fort.

AUTOREN MAG. MATHIAS LEHNER, LL.M. / MAG. VICTORIA BAZIL, B.Sc.

Parallel steigt die Bedeutung von Nachhaltigkeitsinformationen für Investitionsentscheidungen. Letztendlich stellen nur ausgefeilte und belastbare Prozesse in der Informationsaufbereitung sicher, haftungsrechtliche Risiken zu minimieren, um Kommunikation tatsächlich nachhaltig zu gestalten.

Der europäische Gesetzgeber hat sich im Rahmen des sogenannten „Green Deals“ ein ambitioniertes Ziel gesetzt: die Transformation zu einer nachhaltigen europäischen Wirtschaft. Ein tragender Eckpfeiler in der Umsetzung ist Transparenz, die im Kern Investoren in die Lage versetzen soll, nachhaltige Investitionsmöglichkeiten zu identifizieren und, so die Erwartung der EU-Kommission, zu erwerben.

Transparenzanforderungen haben unterschiedliche Ebenen: Im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung bestimmter Unternehmen sind schon jetzt nachhaltigkeitsbezogene Informationen zur Verfügung zu stellen, wobei die inhaltliche Ausgestaltung oftmals anhand internationaler Standards, wie der Global Reporting Initiative (GRI) oder des Sustainability Accounting Standards Board (SASB), erfolgt. Der konkrete Inhalt der tatsächlichen Berichterstattung basiert dabei auf einer vorgelagerten Materialitätsanalyse mit Stakeholdern; eine umfassende und konsistente Dokumentation dieses Prozesses ist dabei ebenso entscheidend, wie die Aufbereitung belastbarer Daten und Informationen.

Die jüngste Änderung zur Corporate Sustainabtility Reporting Directive („CSRD“) – die die NonFinancial Reporting Directive („NFRD“) ablöst – erweitert den Anwendungsbereich der nichtfinanziellen Berichterstattung signifikant. Hinzu kommt, dass Art 8 der EU-Taxonomie-Verordnung für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der CSRD fallen, spezifische quantitative Informationspflichten festschreibt. Die Taxanomie-Verordnung ist das Herzstück des Green Deals und definiert – im Rahmen der bereits erlassenen und noch zu erlassenden Durchführungsverordnungen – welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Die genannten Regeln treten bis 2023 stufenwiese in Kraft und Unternehmen müssen letztendlich nachhaltigkeitsbezogene Kennzahlen, wie Umsatz und Capex, kommunizieren. Dies wiederum bedeutet, dass Prozesse vorgehalten werden müssen, um diese KPIs berichten zu können.

Neben diesen verpflichtenden Informationen über Nachhaltigkeitsaspekte, können nachhaltigkeitsbezogene Aspekte auf freiwilliger Basis gezeigt werden, wie etwa bestimmte Kennzahlen oder strategische Ziele.

Die Notwendigkeit ausgereifter und belastbarer Dokumentationsprozesse liegt auf der Hand: Mit der Verrechtlichung der Informationspflichten schafft der Gesetzgeber eine Anspruchsgrundlage derer, die sich auf diese Informationen verlassen dürfen. Die erhöhte Transparenz erhöht aber natürlich auch die Transparenz im Markt und damit letztendlich die inhaltliche Bedeutung nachhaltigkeitsbezogener Informationen. Mit der gesteigerten Bedeutung von Informationen über Nachhaltigkeitsaspekte ist denknotwendigerweise verbunden, dass derartige Informationen kritisch hinterfragt werden. Von der SEC in den USA jüngst angestrengte Verfahren iZm Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstreichen diese Entwicklung eindrucksvoll. Letztendlich lässt sich das damit verbundene Haftungsrisiko für Unternehmen nur dadurch minimieren, Prozesse der Informationsbeschaffung ausreichend ausgefeilt und belastbar zu gestalten.

MAG. VICTORIA BAZIL, B.Sc.

Associate Global Transactions Capital Markets

MAG. MATHIAS LEHNER, LL.M.

Principal Associate Global Transactions Capital Markets

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