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Personal wird zur Wachstumsbremse
Marktführer.
KPMG ist mit einem Umsatz von zuletzt 242,7 Millionen Euro Marktführer unter den Wirtschaftsprüfern in Österreich.
Die großen Player in der Wirtschaftsprüfung haben in Österreich die Pandemie bisher gut überstanden. Sorge bereitet ihnen die Suche nach geeignetem Personal für weiteres Wachstum.
TEXT THOMAS MÜLLER
Wenn es nach den nackten Zahlen geht, müssten die größten Wirtschaftsprüfer des Landes eigentlich zufrieden sein. Das international als Big Four bekannte Quartett aus Deloitte, EY, PWC und KPMG dominiert auch den heimischen Markt – kaum ein ATX-Unternehmen kommt an ihnen vorbei. Die mageren Wirtschaftsjahre 2020 und 2021 konnten ihnen nichts anhaben: Die Umsätze sind im Geschäftsjahr 2020/21 sogar gestiegen, am meisten beim Marktführer KPMG mit plus fünf Prozent auf rund 242,7 Millionen Euro (siehe Tabelle). Und das, obwohl es pandemiebedingt überall in der Branche weniger Spesen und Reisekosten als Durchlaufposten in den Bilanzen gegeben hat. Knapp dahinter ist Deloitte mit plus 3,7 Prozent. Hinter dem Spitzenfeld nähert sich BDO Austria als Nummer fünf mit Riesenschritten und ließ für 2020 sogar mit 14 Prozent Wachstum aufhorchen. 2021 waren es immer noch fast plus sieben Prozent Wachstum auf nunmehr 102,7 Millionen Euro Umsatz.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Deutschland, und selbst die vom Wirecard-Skandal angeschlagene EY hat nur einen leichten Umsatzrückgang um 1,5 Prozent gemeldet. Diesen führt das Unternehmen aber auf die erwähnten Pandemienebenwirkungen zurück. Die Prüfungssparte ist dort im vergangenen Geschäftsjahr sogar um stattliche sechs Prozent gewachsen.
So lohnt sich auch bei den österreichischen Filialen ein genauerer Blick auf die verschiedenen Geschäftsbereiche. Bei Deloitte, der Nummer zwei in Österreich, ging die Sparte Audit & Assurance laut Transparenzbericht um 2,5 Millionen auf 43,2 Millionen Euro zurück. Das Umsatzplus ging also auf das Kon-
in Millionen Euro
Umsatz GJ 2019/2020
Umsatz GJ 2020/2021
Wachstum in %
#WACHSTUM
UMSATZENTWICKLUNG DER BIG FOUR
KPMG DELOITTE PWC EY
235,7 173,7 161,6 156,7 242,7 180,2 164,7 157,2
5,0 3,7 1,9 0,3
QUELLE: BIG FOUR
to der Sparten Tax mit plus 7,8 Millionen Euro und Consulting mit plus 2,5 Millionen Euro. Bei EY Österreich haben die Prüfungsleistungen mit einem Plus von 5,5 Millionen Euro auf über 41 Millionen Euro zu Buche geschlagen, dafür haben sich die Erlöse aus Beratungsleistungen stark reduziert. Bei PWC wiederum blieben die Prüfungen stabil, während die florierende Unternehmensberatung für das Gesamtumsatzplus von fast zwei Prozent gesorgt hat.
Zukunftssparte ESG
Immer wichtiger werden hier die Prüfungs- und Beratungsleistungen, die mit Nachhaltigkeitskriterien (ESG) zu tun haben und bei börsennotierten Unternehmen teilweise sogar vom europäischen oder nationalen Gesetzgeber vorgeschrieben sind. „Infolge der aktuellen EU-Regulatorik, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Taxonomieverordnung, hat die Nachfrage nach Prüfungs- und Beratungsleistungen im ESG-Bereich stark zugenommen“, erklärt Michael Schlenk, Senior Partner bei KPMG. Peter Bartos, Partner und Leiter Audit & Assurance bei BDO, verweist auf die anstehende Ausdehnung der Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auf mittelständische Unternehmen: „In den nächsten Jahren wird hier noch deutlich mehr zu tun sein. Wir bauen daher auch unsere personellen Kapazitäten weiter aus.“ Peter Pessenlehner, Leiter der Wirtschaftsprüfung bei PWC Österreich, sieht ESG-Faktoren außerdem als entscheidendes Investitionskriterium und hat dazu auch eine hauseigene Umfrage zur Hand: „Beinahe die Hälfte von über 300 befragten Investoren zeigte sich bereit, sich von einem Unternehmen zu distanzieren, das keine ausreichenden
Nachwuchs. Junge potenzielle Kollegen wünschen sich mehr Flexibilität und eine großzügige HomeofficeRegelung. Die Kanzleien suchen nach Kandidaten mit umfassendem Mindset, was Digitalisierung und Projektmanagement betrifft.
ESG-Maßnahmen ergreift. Einheitliche Reportingstandards und Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen können hier für Vertrauen und einen Überblick sorgen, vor allem, wenn der Nachhaltigkeitsbericht von einem unabhängigen Prüfer auditiert ist.“
Schlechte Presse
An anderen Fronten haben die Wirtschaftsprüfer aber immer wieder zu kämpfen, vor allem wenn es um ihre Reputation geht. Von großen Skandalen mit Wirecard-Ausmaßen ist man hierzulande zwar verschont geblieben, und die Provinzaffäre rund um die Commerzialbank Mattersburg inklusive des ClownBankdirektors hat die Big Four nicht betroffen, sondern die damalige TPA Wirtschaftsprüfung, jetzt Pro Revisio. Aber bei der Wienwert-Pleite mit anschließenden Anlegerklagen ist auch eine PWC-Tochterfirma im Visier, bei der Alpine-Pleite war Wirtschaftsprüfer Deloitte betroffen. Warum der Ausgang solcher Prozesse schwer absehbar ist, haben wir im vierten Quartal 2020 bereits behandelt. Kurz gesagt: Es ist sehr kompliziert. Lange Tatzeiträume, fehlende Unterlagen, eine neue Rechtslage, Zeugen mit Gedächtnislücken machen es schwierig, ex post die Prüfergebnisse zu beurteilen. Wegen der gedeckelten Haftung sollte eine Klage also gut überlegt sein, riet damals der Wirtschaftsanwalt Ernst Brandl.
Hinzu kommt, dass große Unternehmen nicht komplett durchleuchtet werden können und die Wirtschaftsprüfer definieren müssen, welche Bereiche wesentlich sind. Mit dieser Frage hat sich Kathrin Wagner in ihrer Masterarbeit an der Universität Graz befasst, die vom Institut Österreichischer Wirtschaftsprüfer mit einem Forschungspreis prämiert wurde. „Hier machen die Prüfstandards kaum greifbaren Vorgaben, es gilt das pflichtgemäße Ermessen des Prüfers“, sagt Wagner. „Mehr Transparenz in den Prüfberichten bei den Wesentlichkeitsgrenzen würde die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse erhöhen, die verschiedenen Prüfer wären besser vergleichbar“, so ihr Fazit. In Großbritannien sei das bereits üblich.
In Deutschland hat man indessen auf die Wirecard-Pleite reagiert und noch im Mai 2021 das Finanzmarktintegritäts-
„Arbeitsmarktsituation ist für alle Big Four eine Herausforderung.“
PETER PESSENLEHNER
„Für eine begrenzte Zeit ist es sehr attraktiv.“
KATHRIN WAGNER
PETER BARTOS
Stärkungs-Gesetz (FISG) im Bundestag beschlossen. Es wurde das Prüfsystem auf Behördenseite neu aufgestellt und auch die klarere Trennung von Prüfung und Beratung bei Wirtschaftsprüfern vorgeschrieben. Für Österreich sieht BDOPartner Peter Bartos keinen aktuellen Handlungsbedarf: „Die Vorschriften der EU wurden in Österreich sehr konsequent und zum Teil strenger als in Deutschland umgesetzt und entsprechen international üblichen Standards.“ Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer selbst habe 2021 aber eine Reihe von Reformvorschlägen zur Verbesserung der Corporate Governance insgesamt gemacht: „Diese befassen sich neben den Abschlussprüfern selbst auch mit dem Management, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss sowie den Aufsichtsbehörden.“
Traumjob auf Zeit
Eine andere Baustelle zeigt sich mehr denn je bei den Themen Personal und Nachwuchs. Peter Pessenlehner von PWC bestätigt, dass es da ein generelles Problem gibt: „Die derzeitige Arbeitsmarktsituation ist nicht nur für PWC Österreich, sondern für alle BigFour-Unternehmen eine Herausforderung. Wir stellen einerseits fest, dass sich die Ansprüche unserer potenziellen Kolleginnen und Kollegen verändert haben. Dies geschah nicht zuletzt durch die angesichts der Covid-19-Pandemie nötig gewordene Flexibilität, was die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben angeht.“ Für Kathrin Wagner, die neben dem Studium in Teilzeit bei PWC als Consultant und Senior Associate gearbeitet hat, ist die Wirtschaftsprüfung ein sehr ambivalenter Beruf: „Für eine begrenzte Zeit ist es sehr attraktiv, weil man viel lernt, bei Auswärtsterminen viel sieht, eine sehr gute Ausbildung genießt und sehr eng im Team arbeitet. Man bekommt Einblicke in die Unternehmensprozesse, die oft die Mitarbeiter selbst nicht haben.“ Auf der anderen Seite der Medaille stehe eine sehr fordernde Prüfungssaison, die von Jänner bis Juni reicht, mehrere Wochen im Hotel bei den Prüfungen vor Ort und ein hohes Arbeitspensum, das vom Kollektivvertrag nur unzureichend gedeckt wird. „Es ist ein Ausbildungsjob während oder nach dem Studium, das muss man klar sagen. Entweder man macht nach drei Jahren die Prüfung zum Wirtschaftsprüfer oder wechselt in eine andere Branche“, weiß Wagner auch von ihren Studienkollegen. Sie selbst hat sich für Letzteres entschieden und ist heute Vorstandsassistentin bei der Grazer Wechselseitigen Versicherung AG.
Bei den befragten Wirtschaftsprüfern setzt man unter anderem auf flexible Arbeitszeitmodelle, die auch Eltern nach der Karenz den Wiedereinstieg erleichtern sollen, und großzügige Homeoffice-Regelungen. Für Pessenlehner muss auch an der Entstaubung des landläufigen Berufsbilds gearbeitet werden: „Neben der fachlichen Expertise sind mittlerweile ein umfassendes Skill- und Mindset aus den Bereichen Digitalisierung oder Projektmanagement nötig, um den Herausforderungen unserer Klienten zu begegnen.“
Die grundlegenden Strukturen hingegen werden sich so bald nicht ändern lassen, aber sie sind nicht unverrückbar. Andere Branchen freuen sich derzeit über viele neue Mitarbeiter im Controlling, die bei den Big Four gelernt haben. Eine weitere Konsequenz der schwierigen Nachwuchssuche ist, dass die Preise für die Wirtschaftsprüfung steigen werden, sagt ein Branchenkenner, denn man müsse höhere Gehälter zahlen, um Mitarbeiter bei Laune zu halten. n
Fischen.
Wirtschaftsuniversitäten mit den Studenten und Absolventen sind ein klassisches Fischbecken für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Praktika sind auch bei den Studenten heißbegehrt.