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Krypto: Hype oder Hero
VITA MATTHIAS WABL
Managing Partner, Theseus Advisers
20 Jahre war er im Finanzjournalismus, die meisten davon als Redakteur bei der Nachrichtenagentur Bloomberg. 2022 hat der Tennis-Fan und Freund der Berge (45) gemeinsam mit zwei Mitstreitern die Agentur Theseus Advisers für Finanzmarktkommunikation gegründet.
VITA NIKO JILCH
Finanzjournalist
Bis 2019 war er Wirtschaftsredakteur bei der „Presse“. Nach einer Zwischenstation beim Thinktank Agenda Austria ist der Hobbyskifahrer (39) seit 2022 selbstständiger Finanzjournalist, Vortragender und Moderator. In jüngster Zeit begeistern ihn auch Waldspaziergänge mit seinen Kindern.
KRYPTO:
HYPE ODER HERO
Haben Bitcoin und Co eine langfristige Zukunft als etablierte Zahlungsmittel?
Der Börsianer hat zwei langjährige Finanz-
journalisten zum Streitgespräch gebeten.
INTERVIEW DOMINIK HOJAS, THOMAS MÜLLER FOTOS STEFAN BURGHART
Niko Jilch und Matthias Wabl haben eines gemeinsam: Sie waren Finanzjournalisten bei großen Medienhäusern und haben sich unlängst selbstständig gemacht. Beim Thema Kryptowährungen haben die Gemeinsamkeiten bald ein Ende. Jilch ist als Podcaster bereits tief in das Bitcoin-Universum eingetaucht, Wabl ist von der Idee eines selbstregulierenden, vom Staat entkoppelten Geldes nicht überzeugt. Das Börsianer-Magazin hat beide anlässlich des jüngsten Bitcoin-Crashes – der Kurs ist seit Jahresbeginn um 56 Prozent gefallen – in einen Schanigarten im ersten Bezirk von Wien eingeladen. Bezahlt wurde dann aber in Euro.
Bitte um Ihre Einstiegsstatements zum The-
ma Krypto. – Matthias Wabl: Dazu möchte ich zu Beginn zwei Anekdoten erzählen, die ich beobachtet habe. Die erste spielt vor zwei Jahren in der Obersteiermark in einer Schlosstaverne. Am Nebentisch höre ich, wie ein junger Mann von etwa 18 Jahren und zwei ältere über Bitcoin reden. Sie wollen das Haus der Großmutter verpfänden, um Bitcoin zu kaufen, und rechnen sich aus, dass sie damit 3.000 Euro pro Monat Gewinn machen können. Ein Teil davon soll das Studium des jungen Mannes finanzieren. Die zweite Geschichte hat ein Freund vor kurzem erzählt. Seine Enkelin ist Studentin und hat ein Angebot bekommen, nach Dubai zu einer Fortbildung zu fliegen, bei der es um Trading und Investment geht. Es ging um dubiose Sparpläne mit Krypto, die promotet werden sollen, als Alternative zum Sparbuch. Ich sehe das als Auswirkung des Bitcoin-Hypes, wenn die breite Bevölkerung in Investments geht, die sie nicht versteht. Dann wird es Zeit, dass die Regulatoren und die Politik einschreiten. Niko Jilch: Ich glaube, dass Matthias völlig recht hat. Sind wir jetzt fertig? (lacht) Ich finde es sogar super, dass du diese Themen ansprichst, denn die meisten aus der Finanzindustrie wollen über diese üblen Abzocker-Pyramidenspiele gar nicht reden. Ich habe selbst damals noch bei der „Presse“ den Optioment-Skandal recherchiert. Das hat mich selbst von Bitcoin wieder etwas abgeturnt. Aber: Solche Machenschaften gäbe es auch, wenn es Bitcoin nicht gäbe. Bitcoin ist die Folge einer eskalierten Geldpolitik, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat, und es ist eine mögliche Antwort. Und zwar ausschließlich Bitcoin. Bei den anderen Kryptos fängt die Skepsis schon an. Die Unterscheidung zwischen Bitcoin und Kryptowährungen allgemein ist mir wichtig.
Wabl: Ist Bitcoin für dich eine Reservewährung, die Transaktionen weltweit besser abbildet, oder auch ein investierbares Asset, das seinen Wert steigern und Wohlstand generieren soll? Beim Ersten bin ich durchaus dafür, her damit! Beim Zweiten sehe ich das bei Bitcoin nicht.
Jilch: Ich verstehe nicht, wie du das nicht sehen kannst. Jetzt kostet ein Bitcoin 20.000 Euro, vor 13 Jahren null.
Spekulation. Mit der Volatilität wie jetzt wirst du nie das Vertrauen in Bitcoin gewinnen können, sagt Wabl.
Grundsätzlich halte ich es aber für falsch, wenn man möglichst viel Geld aus dem System ziehen will. Man sollte Bitcoin viel mehr als Geld sehen, bei dem es nicht um schnelle Gewinne geht.
Wabl: Das geht nicht. Solange Bitcoin keine allgemein akzeptierte Währung ist, funktioniert das nicht.
Jilch: Es ist eben ein mentales Modell. Was mir wichtig ist: Ich habe mich zuerst sieben Jahre mit dem Thema beschäftigt, bevor ich angefangen habe, es ernst zu nehmen. Die Idee eines dezentralen, staatslosen Geldes hat es bereits vor Bitcoin gegeben. Der Unterschied ist, dass Satoshi Nakamoto (Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, Anm.) erkannt hat, dass du so ein System nur am Laufen halten kannst, wenn es ein wirtschaftliches Incentive gibt. Es ist ein sich selbst erhaltender Organismus.
Wabl: Die Geschichte, die weltweit erzählt wird, ist aber, dass man in Bitcoin investieren soll, weil es nur eine bestimmte Menge davon gibt und es daher mehr wert wird.
Jilch: Du kannst Transaktion und Wert nicht voneinander trennen, höchstens theoretisch.
Sie haben sich lange mit Bitcoin beschäftigt und dann Ihre Meinung geändert. Wo war der Punkt, der Sie überzeugt hat? – Jilch: 2020 nach dem Corona-Crash habe ich alles verkauft und dachte, das war’s jetzt. Und dann ist das Ding zurückgekommen mit einer Geschwindigkeit, wo ich mir dachte, das gibt es ja nicht! Da wollte ich es mir zum letzten Mal noch einmal genauer ansehen. Ich war aber immer schon daran interessiert, weil ich der Meinung bin, dass das Geldsystem, wie wir es haben, ein Ablaufdatum hat.
Wabl: Warum?
Jilch: Weil die exponentiellen Zahlen irgendwann so hoch werden, dass es nicht mehr funktioniert. 2008 waren es noch 700 Milliarden US-Dollar im Troubled Asset Relief Program. Heute macht das niemanden mehr nervös, da müssen die Rettungsprogramme in die Trillionen gehen. Bei der nächsten Krise dann noch mehr.
Wabl: Das ist ein entscheidender Punkt, dass Bitcoin als Idee gegen das vorherrschende System, gegen die bösen Zentralbanken und die Politiker gesehen wird, überspitzt gesagt. Ich kann es auch nachvollziehen, dass sich als Reaktion auf die ausufernde Geldpolitik ein libertäres und anarchistisches System entwickelt. Aber, wie du in einem deiner Videos sagst, Bitcoin hat keine Armee, und ich glaube nicht, dass sich das ohne gewisse Regulative als Zahlungssystem durchsetzen wird. Und ich glaube nicht, dass so ein System mit dem globalen Powerplay der Staaten in der Realität kompatibel ist.
Jilch: Ich denke, der Prozess ist viel interessanter, als jetzt zwei Systeme als Entweder-oder zu sehen. Das Finanzsystem hat jetzt genauso kein Regulativ, keine Checks and Balances. Es wird einfach gemacht.
Wabl: Mit so einer Volatilität wie jetzt wirst du aber nie das Vertrauen in Bitcoin gewinnen können, das man braucht, um ein weltweites Zahlungssystem zu etablieren.
Jilch: Das ist lustig, denn ich bewege mich in einer Welt von Leuten, die das nicht einmal mehr registrieren, wenn der Kurs von 69.000 auf 19.000 Euro fällt.
Wabl: Das qualifiziert aber nicht gerade für ein Zahlungsmittel.
Jilch: Wir reden hier von einer Adaptionsphase einer neuen Technologie, und diese Technologie ist Geld. Das passiert nicht von einem Tag auf den anderen. Das Risikoprofil ist jetzt bei 20.000 Euro besser als es bei 1.000 war, weil das System gezeigt hat, dass es überleben kann. In der Welt unserer Kinder oder Enkel wird es wieder anders aussehen. Dann haben wir eine zusätzliche Assetklasse, die extrem liquide und jeden Tag unabhängig von den Börsen verfügbar ist.
Wabl: Wäre es nicht einfacher, einen digitalen US-Dollar oder Euro zu haben mit gleichen oder geringeren Transaktionskosten? Da wäre durch die Notenbanken ein gewisses Regulativ dahinter, und es hat 250 Jahre ganz gut funktioniert.
Jilch: Das wäre ein Albtraum! Das wäre ein elektronisches Gefängnis, die totale Überwachung. Außerdem ist die technische Umsetzung völlig offen.
MATTHIAS WABL
Herr Wabl waren Sie von Anfang an schon ein Kritiker der Kryptowelt? – Wabl: In 20 Jahren Finanzjournalismus habe ich gelernt zu unterscheiden, ob ich etwas nur nicht verstanden habe oder ob es Humbug ist. In diesem Fall konnte mir bisher niemand erklären, wie so etwas volatiles
Bitcoin-Fan. Es ist ein mentales Modell und ein sich selbst erhaltender Organismus, meint Niko Jilch.
NIKO JILCH
wie Bitcoin als Wertspeicher funktionieren soll.
Jilch: Wie gesagt, ohne inhärenten Wert funktioniert auch das Zahlungsmittel nicht.
Ein Kritikpunkt bei Bitcoin ist auch der hohe Energieverbrauch bei der Herstellung. Nicht zu sprechen von der intellektuellen Arbeit und Lebenszeit, die in diese Idee investiert wurde. Welcher volkswirtschaftliche Nut-
zen steht dem gegenüber? – Jilch: Es ist ein klarer, strukturierter Gegenentwurf zum allgegenwärtigen Kollektivismus. Und wenn wir den nicht haben, landen wir in diesem elektronischen Gefängnis. Es ist schon fast so etwas wie eine Jugendbewegung.
Wabl: Über die Geldpolitik der Notenbanken kann man natürlich diskutieren, aber die Kosten dieser Struktur sind nicht so hoch, dass ich hier ein Problem sehe. Grundsätzlich ist es schon so, dass die Regulatoren versuchen, allen ein wirtschaftliches Leben möglich zu machen. Im Anarchismus sind jene im Vorteil, die mehr Kapital oder mehr Wissen haben. Die Regulatoren sind für jene da, die sich selbst nicht schützen können.
Jilch: Dieser Vertrag wurde mit 2008 gekündigt. Damals wurde die Inflation der Asset-Preise auf dem Rücken der breiten Masse in Kauf genommen. Der entscheidende Punkt ist: Die Notenbanken wird es weiterhin geben, sie müssen nur unter anderen Umständen arbeiten. Es braucht ein Gegengewicht, damit du nicht mehr diese komplette Willkür hast.
Gibt es Argumente, bei denen Sie überein-
stimmen? – Wabl: Ich finde, es ist legitim, dass es ein alternatives System gibt und die Regulatoren überlegen müssen, ob sie wirklich alles richtig machen. So eine Art Wettbewerb ist sinnvoll.
Jilch: Das ist super, darum geht’s mir ja auch! Es muss jetzt keinen großen Gegenentwurf geben. Ich hätte auch lieber, dass wir unsere aktuellen Strukturen einfach ein wenig verbessern.
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Bitcoin ist die Folge einer eskalierten Geldpolitik, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Vielleicht auch eine Alternative zum bestehenden System. Die hohe Volatilität des Bitcoin-Kurses hat Anleger kalt erwischt. n
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